TE Vwgh Beschluss 2022/3/17 Ra 2022/09/0010

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Veröffentlicht am 17.03.2022
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
40/01 Verwaltungsverfahren
67 Versorgungsrecht

Norm

AVG §37
AVG §39 Abs2
AVG §45 Abs2
B-VG Art133 Abs4
HVG §1 Abs1
HVG §2 Abs1
HVG §4 Abs1
MRK Art6
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §24
VwGVG 2014 §24 Abs4
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des A B in C, vertreten durch die Auer Bodingbauer Leitner Stöglehner Rechtsanwälte OG in 4020 Linz, Spittelwiese 4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 6. Dezember 2021, Zl. W200 2003749-2/32E, betreffend Feststellung einer Dienstbeschädigung und Zuerkennung einer Beschädigtenrente nach dem Heeresversorgungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der im Jahr 1976 geborene Revisionswerber leistete vom 29. Jänner bis 18. Juli 1996 den Grundwehrdienst beim Bundesheer. Am 22. Februar 1996 erlitt er einen Dienstunfall, bei dem er während des Morgensports auf einem vereisten Feldweg auf die rechte Schulter und auf den Kopf stürzte. Wegen dieses Sturzes stand er von 7. März bis 14. März 1996 in stationärer Behandlung der Neurologischen Abteilung der Landesnervenklinik Salzburg. Am 4. Juni 1996 erlitt der Revisionswerber als Mitfahrer eines Heeres-LKW einen weiteren Dienstunfall, als das Fahrzeug von der Straße abkam.

2        Aus den beiden Unfällen geltend gemachte Gesundheitsschädigungen wurden mit Bescheid des Bundessozialamtes Oberösterreich vom 17. April 1997 nur teilweise als Dienstbeschädigungen (und zwar hinsichtlich „Commotio cerebri“ und „Narbe nach Rissquetschwunde am Hinterkopf“) anerkannt. Der Anspruch auf Zuerkennung einer Beschädigtenrente nach dem Heeresversorgungsgesetz (HVG) wurde abgelehnt, da die Erwerbsfähigkeit des Revisionswerbers infolge der Dienstbeschädigung nicht über drei Monate nach deren Eintritt um mindestens 25 v.H. vermindert gewesen ist. Zur weiteren Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 18. April 2001, 98/09/0350, verwiesen.

3        Mit Bescheid vom 24. Jänner 2018 stellte das Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich, fest, dass die auf Antrag vom 24. April 2013 sowie vom 6. August 2013 aufgrund der zuvor genannten Dienstunfälle zusätzlich geltend gemachten weiteren Gesundheitsschädigungen gemäß §§ 1 und 2 HVG, in der bis zum 30. Juni 2016 geltenden Fassung, nicht als Dienstbeschädigung anerkannt werden können. Ebenso wurde der Antrag auf Gewährung einer Beschädigtenversorgung gemäß § 4 Abs. 1 HVG, in der bis zum 30. Juni 2016 geltenden Fassung, abgelehnt.

4        Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25. November 2019 wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde infolge der vom Revisionswerber dagegen erhobenen Revision vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 24. Juni 2020, Ra 2020/09/0003, aufgehoben, weil das Verwaltungsgericht die Durchführung einer Verhandlung unterließ, obwohl es sich beim strittigen Anspruch auf Beschädigtenversorgung um ein „civil right“ im Sinne von Art. 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) handelt.

5        Im zweiten Rechtsgang wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf Anerkennung von neun näher beschriebenen Gesundheitsschädigungen sowie auf Gewährung von Beschädigtenversorgung ab und erklärte die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

6        Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass kein ursächlicher Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Gesundheitsschädigungen und den Unfällen, die sich im Rahmen des Präsenzdienstes ereignet haben, bestanden habe; einige der behaupteten Schädigungen hätten zudem zu keinem Zeitpunkt vorgelegen.

7        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

8        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9        Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Dementsprechend erfolgt nach ständiger Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. Die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, muss sich aus dieser gesonderten Darstellung ergeben. Auf Vorbringen zur Revisionsbegründung im Zusammenhang mit der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision ist nicht einzugehen, selbst wenn es als Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision bezeichnet ist (vgl. VwGH 26.2.2021, Ra 2021/09/0007; 25.4.2019, Ra 2019/09/0048).

11       In den gesondert vorzubringenden Gründen ist sohin konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 12.3.2018, Ra 2018/09/0008, mwN).

12       Der Revisionswerber bringt in der Zulässigkeitsbegründung der Revision zusammengefasst vor, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht keine (weitere) mündliche Verhandlung durchgeführt und sei Beweisanträgen nicht gefolgt, auch leide das Erkenntnis an Begründungsmängeln. Außerdem bekämpft der Revisionswerber die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes.

13       Das Verwaltungsgericht hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise zu sorgen und auch die Pflicht, auf das Parteienvorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Es darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. VwGH 20.5.2015, Ra 2014/09/0041; 10.12.2014, Ro 2014/09/0056).

14       Beweisanträgen ist sohin grundsätzlich zu entsprechen, wenn die Aufnahme des darin begehrten Beweises im Interesse der Wahrheitsfindung notwendig erscheint. Dementsprechend dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel an sich ungeeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern und damit zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts beizutragen. Ob eine Beweisaufnahme in diesem Sinn notwendig ist, unterliegt aber der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 8.11.2016, Ra 2016/09/0097).

15       Der Revisionswerber listet in der Zulässigkeitsbegründung zunächst mehrere Personen auf und bringt dazu (bloß) vor, mit deren Einvernahme „hätte die strittige Frage, ob beim Revisionswerber nach dem LKW-Unfall am 04.06.1996 tatsächlich eine 12stündige Bewusstlosigkeit und damit eine Contusio Cerebri vorlag, geklärt werden können.“ Was die einzelnen Personen konkret zu dieser Prozessbehauptung des Revisionswerbers ausgesagt hätten und durch welche unmittelbaren Wahrnehmungen sie dazu in der Lage hätten sein sollen, führt der Revisionswerber nicht an. Demgegenüber hat sich das Verwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung ausführlich mit der allfälligen Annahme einer „Contusio cerebri“ befasst und ist nach sorgfältiger Abwägung zum Ergebnis gekommen, dass eine solche nicht vorgelegen und der Revisionswerber auch nicht zwölf Stunden bewusstlos gewesen sei. Eine vom Verwaltungsgericht vorgenommene grob fehlerhafte Beurteilung kann der Revisionswerber mit diesem Vorbringen somit nicht aufzeigen.

16       Soweit sich der Revisionswerber gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts wendet, ist darauf hinzuweisen, dass die Beweiswürdigung nur dahingehend der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes unterworfen ist, ob der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde und ob die dabei angestellten Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen bzw. ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt wurden (vgl. noch einmal VwGH 8.11.2016, Ra 2016/09/0097, mwN). Derartige Mängel zeigt die Revision mit ihrem unsubstantiierten und nicht näher konkretisierten Vorbringen nicht auf.

17       Das gilt auch für das Vorbringen des Revisionswerbers hinsichtlich der begehrten Zeugeneinvernahme von näher genannten Personen zu einer geltend gemachten „posttraumatischen Belastungsstörung“ und einer daraus resultierenden „Depression“. Was konkret die von ihm angeführten Zeugen ausgesagt hätten und inwiefern den jeweiligen Aussagen sodann Relevanz für ein für ihn günstigeres Verfahrensergebnis zukommen könnte, geht aus seinem pauschalen Vorbringen, die Zeugen hätten ihn „schon seit längerem“ behandelt und daher „eigene Wahrnehmungen“ über seinen psychischen Gesundheitszustand, nicht hervor. Das Verwaltungsgericht hat in seiner Beweiswürdigung ausgeführt, dass es nicht daran zweifle, dass der Revisionswerber bei den angeführten Zeugen in Behandlung gewesen sei. Es zweifle auch nicht, dass der Revisionswerber an einer Depression leide. Es kommt aber mit ausführlicher Begründung und unter Berufung auf das eingeholte psychiatrische Gutachten und die vorliegenden Unterlagen zum Ergebnis, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der geltend gemachten Gesundheitsschädigung mit dem Unfall des Revisionswerbers zu verneinen ist. An dieser Stelle weist das Verwaltungsgericht auch darauf hin, dass der Revisionswerber für den Zeitraum von 1996 (nach der Beendigung des Grundwehrdienstes) bis 2010 weder allgemeinmedizinische noch fachärztliche Unterlagen über Therapien oder Behandlungen vorgelegt habe. Erst 2010 sei er nachgewiesenermaßen erstmals - wegen Problemen am Arbeitsplatz - in Behandlung gewesen. Eine grob fehlerhafte Beurteilung des Verwaltungsgerichtes vermag der Revisionswerber damit wiederum nicht aufzuzeigen.

18       Der Revisionswerber moniert in diesem Zusammenhang außerdem, das Verwaltungsgericht habe keine (weitere) mündliche Verhandlung durchgeführt. Diese sei erforderlich gewesen, um die beantragten Zeugen zu vernehmen. Auch wenn es sich bei dem im Revisionsfall strittigen Anspruch auf Beschädigtenversorgung um ein „civil right“ im Sinne von Art. 6 EMRK handelt, kann dennoch von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, wenn weder eine Tatsachen- noch eine Rechtsfrage aufgeworfen wurde, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte (vgl. VwGH 19.12.2017, Ra 2017/09/0003). Nun hat das Verwaltungsgericht bereits eine mehrstündige mündliche Verhandlung durchgeführt. Im Zuge dieser Verhandlung wurde dem Revisionswerber ausreichend Gelegenheit gegeben, sich zu jeder einzelnen geltend gemachten Gesundheitsschädigung zu äußern. Nach den vorherigen Ausführungen kann dem Verwaltungsgericht daher nicht entgegengetreten werden, wenn es, wiederum mit ausführlicher Begründung, zum Ergebnis kommt, die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung sei nicht erforderlich gewesen, weil der Sachverhalt geklärt gewesen sei.

19       Hinsichtlich der weiteren Beweisanträge des Revisionswerbers ist zunächst auf die bereits zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Der Revisionswerber übersieht außerdem, dass seine aufgeworfenen Fragen allesamt bereits geklärt wurden: Das Verwaltungsgericht hat in der Beweiswürdigung zu „Unguis incarnatus (eingewachsener Zehennagel) rechte Großzehe“ begründet, warum die Einholung von Dienstplänen wegen des getragenen Schuhwerkes nicht erforderlich sei, auch das orthopädische Gutachten stehe dem Ergebnis des Verwaltungsgerichtes nicht entgegen. Eine Unschlüssigkeit oder grobe Fehlerhaftigkeit zeigt der Revisionswerber hierzu jedenfalls nicht auf. Das gilt auch für die begehrte Beischaffung der Röntgenbilder und CT-Aufnahmen des Krankenhauses Ried zum Beweis dafür, dass die „Kopfschmerzen (Wetterfühligkeit)“ auf einen durch einen Unfall während des Präsenzdienstes verursachten Knochenriss zurückzuführen seien und den Antrag des Revisionswerbers, den Strafakt des BG Oberpullendorf zum bezughabenden Unfall vom 4. Juni 1996 beizuschaffen und diesen sodann einem Kfz-technischen Sachverständigen vorzulegen, um die Krafteinwirkung auf ihn beim LKW-Unfall zu erklären und dadurch zu beweisen, dass die Leiden im Bereich der Lendenwirbelsäule darauf zurückzuführen seien: Wiederum hat sich das Verwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung ausführlich mit den eingeholten Gutachten und dem Vorbringen des Revisionswerbers befasst, auch die Frage des Vorliegens eines Knochenrisses wurde bereits geklärt und begründend verneint. Eine Unschlüssigkeit oder grobe Fehlerhaftigkeit zeigt der Revisionswerber auch hierzu jedenfalls nicht auf.

20       Hinsichtlich der beantragten Beischaffung „sämtlicher Detailbefunde“ zum Befund der Landesnervenklinik Salzburg vom 26. März 1996 zum Beweis dafür, dass der Revisionswerber durch den Sturz am 22. Februar 1996 einen Bandscheibenvorfall erlitten habe, welcher für die geltend gemachte „Sensibilitätsstörung im rechten Arm (Wurzelirritationen C4-C7)“ ursächlich sei, legt der Revisionswerber die Relevanz nicht dar. Immerhin ist der Befund vom 26. März 1996 Bestandteil der Akten und wurde dieser auch von den nachfolgend bestellten Sachverständigen berücksichtigt. Der Revisionswerber führt nicht näher aus, was sich konkret aus welchem Detailbefund ergeben und warum dies etwas am Befund vom 26. März 1996 ändern hätte sollen. Das Verwaltungsgericht hat sich hierzu den eingeholten Gutachten angeschlossen, warum diese Gutachten unschlüssig sein sollten, zeigt der Revisionswerber nicht auf.

21       In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der Revisionswerber in seinem Zulässigkeitsvorbringen an mehreren Stellen die auf Basis von Gutachten getroffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes bestreitet, ohne jedoch den Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten. Einem schlüssigen Sachverständigengutachten kann mit bloßen Behauptungen, ohne Argumentation auf gleicher fachlicher Ebene, in tauglicher Art und Weise jedoch nicht entgegengetreten werden (vgl. VwGH 31.1.2019, Ra 2018/16/0216; 28.6.2017, Ra 2017/09/0015).

22       Dasselbe gilt auch für die beantragte Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens, um die unfallkausale „Pericarditis bzw. Außenschichtalteration“ zu beweisen. Das Verwaltungsgericht hat mit näherer Begründung festgestellt, dass der Revisionswerber nie an einer „Pericarditis bzw. Außenschichtalteration“ gelitten habe. Es beruft sich dabei unter anderem auf einen beigezogenen Sachverständigen und auf die Aussage des Revisionswerbers in der mündlichen Verhandlung, wonach er nicht gewusst habe, was „mit dem Herzen nicht gepasst hätte“. Wenn der Revisionswerber dazu erstmals Wochen nach der mündlichen Verhandlung - und sohin Wochen nach Ablauf der ihm vom Verwaltungsgericht zuletzt eingeräumten Frist zur Vorlage ergänzender Unterlagen - zwei weitere EKG-Befunde aus dem Jahr 1996 vorlegt, ohne konkret zu erläutern, inwiefern sich diese von den übrigen EKG-Befunden unterscheiden würden und was sie nun am Ergebnis ändern sollten, vermag er damit die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes nicht zu erschüttern und auch die Relevanz seines Vorbringens nicht darzulegen.

23       Soweit der Revisionswerber meint, das angefochtene Erkennntnis leide an Begründungsmängeln, insbesondere weil das Verwaltungsgericht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verschlimmerung anlagebedingter Vorschäden bzw. der vorzeitigen Auslösung von Leidenszuständen außer Acht gelassen habe, ist er auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen (vgl. etwa VwGH 23.5.2002, 99/09/0013). Demnach ist bei der Kausalitätsbeurteilung im Bereich der Heeresversorgung von der Theorie der „wesentlichen Bedingung“ auszugehen. Danach ist es für eine solche Bedingtheit - dann, wenn die festgestellte Gesundheitsschädigung auf mehrere Ursachen, darunter auch ein von § 2 Abs. 1 HVG erfasstes schädigendes Ereignis zurückgeht - erforderlich, dass das in Betracht kommende schädigende Ereignis eine wesentliche Ursache der Schädigung ist. Dies ist das Ereignis dann, wenn es nicht im Hinblick auf andere mitwirkende Ursachen erheblich in den Hintergrund tritt. Nur jene Bedingung, ohne deren Mitwirkung der Erfolg überhaupt nicht oder nur zu einem erheblich anderen Zeitpunkt oder nur in geringerem Umfang eingetreten wäre, ist wesentliche Bedingung. Wirken eine krankhafte Veranlagung und ein Unfallereignis bei Entstehung einer Gesundheitsschädigung zusammen, so ist demnach zu beurteilen, ob das Unfallereignis eine wesentlich mitwirkende Bedingung für die Schädigung gewesen ist oder ob die krankhafte Veranlagung alleinige oder überragende Ursache war (vgl. VwGH 23.11.2005, 2005/09/0081).

24       Eine krankhafte Veranlagung hindert also die Annahme einer unfallbedingten Auslösung nicht. Eine solche kann auch vorliegen, wenn eine vorhandene krankhafte Veranlagung zu einer plötzlichen, in absehbarer Zeit nicht zu erwartenden Entwicklung gebracht oder eine bereits bestehende Erkrankung verschlimmert worden ist. Für die Frage, ob die Auswirkungen des Unfalles bzw. der für den Präsenzdienst eigentümlichen Verhältnisse eine rechtlich wesentliche Teilursache des danach eingetretenen Leidenszustandes sind, ist in erster Linie von Bedeutung, ob dieser Leidenszustand auch ohne Ableistung des Präsenzdienstes etwa zum gleichen Zeitpunkt eingetreten wäre oder durch ein anderes alltäglich vorkommendes Ereignis hätte ausgelöst werden können, ob also die äußere Einwirkung wesentliche Teilursache oder nur Gelegenheitsursache war (vgl. VwGH 31.5.2012, 2010/09/0207; 23.11.2005, 2005/09/0081).

25       Die rechtliche Beurteilung des ursächlichen Zusammenhanges zwischen einem schädigenden Ereignis oder den der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnissen und einer Gesundheitsschädigung im Sinne des § 2 Abs. 1 erster Satz HVG setzt voraus, dass der Kausalzusammenhang im medizinisch-naturwissenschaftlichen Sinn in dem durch § 86 HVG geregelten Verfahren geklärt wird und allenfalls strittige Tatsachen im Zusammenhang mit der Wehrdienstleistung bzw. dem schädigenden Ereignis und der Krankheitsvorgeschichte von der Behörde ermittelt und festgestellt werden (vgl. VwGH 4.9.2003, 2002/09/0073).

26       Nicht nur, dass der Revisionswerber mit seinem pauschal gehaltenen Vorbringen gar nicht darlegt, welche der geltend gemachten Gesundheitsschädigungen aus seiner Sicht anlagebedingt seien, übersieht er vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung auch, dass das Verwaltungsgericht auf Grundlage von insgesamt vier medizinischen Gutachten und mit ausführlicher Begründung zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die vom Revisionswerber geltend gemachten Gesundheitsschädigungen entweder gar nicht vorlagen oder zwischen den geltend gemachten Gesundheitsschädigungen und der militärischen Dienstleistung bzw. der im Zuge dieser militärischen Dienstleistung erfolgten Unfälle kein ursächlicher Zusammenhang besteht. Eine Kausalität ist demnach nicht gegeben, weshalb sich auch eine weitere Prüfung erübrigt, inwieweit ein Unfallereignis bzw. die für den Präsenzdienst eigentümlichen Verhältnisse eine rechtlich wesentliche Teilursache für die Gesundheitsschädigung sind oder ob eine vorhandene krankhafte Veranlagung zu einer plötzlichen, in absehbarer Zeit nicht zu erwartenden Entwicklung gebracht oder eine bereits bestehende Erkrankung verschlimmert worden ist.

27       Soweit der Revisionswerber darauf hinweist, einer der Sachverständigen habe gar nicht ihn, sondern eine andere Person begutachtet, ist ihm insoweit zuzustimmen, als in einem (Ergänzungs-) Gutachten, (auch) zwei Diagnosen genannt sind, die nicht den Revisionswerber betreffen. Das Verwaltungsgericht hat sich jedoch in seiner Beweiswürdigung mit dieser Problematik befasst und ist zum Ergebnis gekommen, dass jedenfalls auch der Revisionswerber von eben diesem Sachverständigen untersucht worden sei. Eine unschlüssige Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes zeigt der Revisionswerber mit seinem unsubstantiierten Vorbringen nicht auf, die Relevanz vermag er ebenfalls nicht darzutun, da er nicht weiter ausführt, inwiefern dieses Versehen Einfluss auf das Verfahren genommen haben soll. Dass ein anderer, nachfolgend bestellter Sachverständiger, „wahrscheinlich“ zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, legt eine Relevanz auch nicht dar.

28       Wenn der Revisionswerber außerdem meint, das Verwaltungsgericht habe über seine „Narbe am Hinterkopf“ nicht abgesprochen, ist ihm zu entgegnen, dass diese beantragte Gesundheitsschädigung bereits im Vorverfahren (vgl. noch einmal VwGH 18.4.2001, 98/09/0350) erledigt wurde.

29       Abschließend ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass der Revisionswerber in den als Folge der beiden Unfälle geführten Verfahren nach dem HVG insgesamt acht Mal von Sachverständigen begutachtet wurde, allein im gegenständlichen Verfahren wurden zunächst von der belangten Behörde drei Gutachten aus den Fachgebieten der Orthopädie, Psychiatrie und der Neurologie eingeholt. Diese wurden sodann vom Verwaltungsgericht in einer mehrstündigen Verhandlung am 20. Oktober 2021 ausführlich mit dem Revisionswerber erörtert. In weiterer Folge wurde dem Revisionswerber die Möglichkeit eingeräumt, binnen einer gesetzten Frist weitere Beweismittel einzubringen, welche dann - gemeinsam mit den anderen Beweismitteln - einer vom Verwaltungsgericht bestellten (vierten) Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Unfallchirurgie und Allgemeinmedizin vorgelegt wurden. Das Verwaltungsgericht hat sich in seinem Erkenntnis mit den Gutachten, aber auch mit dem Vorbringen des Revisionswerbers nachvollziehbar auseinandergesetzt, die Beweise in einer ausführlichen Beweiswürdigung beleuchtet und auf Basis dessen seine Feststellungen getroffen. Dem Revisionswerber gelingt es mit seinen Behauptungen zusammengefasst nicht, die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes zu erschüttern und eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen.

30       An dieser Stelle ist außerdem noch an die Mitwirkungspflicht der Parteien zu erinnern: Dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens korrespondiert die Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken. Das Offizialprinzip entbindet die Parteien nicht davon, durch ein substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhalts beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedarf. Dort, wo es der Behörde nicht möglich ist, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ohne Mitwirkung der Partei festzustellen, ist von einer Mitwirkungspflicht der Partei auszugehen. Die Mitwirkungspflicht der Partei ist gerade dort von Bedeutung, wo ein Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit der Partei geklärt werden kann, weil die Behörde außerstande ist, sich die Kenntnis von ausschließlich in der Sphäre der Partei liegenden Umständen von Amts wegen zu beschaffen (vgl. VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153).

31       Aus den angeführten Gründen werden in der Revision keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

32       Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 17. März 2022

Schlagworte

Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4 Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022090010.L00

Im RIS seit

13.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

26.04.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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