TE Vwgh Erkenntnis 2022/2/24 Ra 2020/21/0492

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Veröffentlicht am 24.02.2022
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E1P
E3L E19103000
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht
41/02 Staatsbürgerschaft

Norm

AVG §37
AVG §45 Abs3
AVG §56
AVG §68 Abs1
BFA-VG 2014 §22a Abs1
BFA-VG 2014 §22a Abs1 Z1
BFA-VG 2014 §22a Abs1 Z2
BFA-VG 2014 §22a Abs1 Z3
BFA-VG 2014 §22a Abs1a
BFA-VG 2014 §22a Abs4
BFA-VG 2014 §52
BFA-VG 2014 §52 Abs1
BFA-VG 2014 §52 Abs1 idF 2016/I/024
BFA-VG 2014 §52 Abs1 idF 2019/I/053
BFA-VG 2014 §52 Abs2
BFA-VG 2014 §52 Abs2 idF 2015/I/070
BFA-VG 2014 §52 Abs2 idF 2016/I/024
BFA-VG 2014 §52 Abs2 idF 2019/I/053
BFA-VG 2014 §52 idF 2016/I/024
BFA-VG 2014 §52 idF 2019/I/053
EURallg
FrÄG 2015
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z1
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z2
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z3
MRK Art6 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z3 litb
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §35
VwGVG 2014 §40
VwGVG 2014 §7 Abs4
VwGVG 2014 §8a Abs1
VwGVG 2014 §8a idF 2017/I/024
VwRallg
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47 Abs3
12010P/TXT Grundrechte Charta Art51 Abs1
32013L0033 Aufnahme-RL

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher und den Hofrat Dr. Pfiel, die Hofrätinnen Dr. Julcher und Dr. Wiesinger sowie den Hofrat Dr. Chvosta als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schramel, über die Revision des B B, vertreten durch Dr.in Julia Ecker, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Opernring 7/18, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Oktober 2020, W278 2235890-1/10E, betreffend Feststellung der Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Gegen den Revisionswerber, einen algerischen Staatsangehörigen, wurden zuletzt mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 29. Jänner 2020 im Zusammenhang mit der wegen entschiedener Sache vorgenommenen Zurückweisung seines dritten in Österreich gestellten Antrags auf internationalen Schutz eine Rückkehrentscheidung und wegen Mittellosigkeit ein fünfjähriges Einreiseverbot erlassen.

2        Nach seiner (im Zuge von polizeilichen Ermittlungen angeordneten) Festnahme verhängte das BFA über den Revisionswerber mit dem sofort in Vollzug gesetzten Mandatsbescheid vom 19. Juni 2020 gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung.

3        Mit der (auch eine Übersetzung enthaltenden) schriftlichen „Verfahrensanordnung“ vom selben Tag wurde dem Revisionswerber „für ein etwaiges Beschwerdeverfahren“ eine näher genannte Organisation als Rechtsberater „amtswegig zur Seite gestellt“. Der Revisionswerber habe - so wurde er in diesem Schriftstück belehrt - zudem die Möglichkeit, sich durch den Rechtsberater im Beschwerdeverfahren einschließlich einer mündlichen Verhandlung vertreten zu lassen. Des Weiteren wurde der Revisionswerber aufgefordert, sich für eine allfällige Beschwerdeerhebung „aufgrund der laufenden Rechtsmittelfrist unverzüglich“ mit seinem Rechtsberater in Verbindung zu setzen. Ein „Ersuchen auf Vertretung“ sei ebenfalls an den Rechtsberater zu richten. Abschließend wurde noch darauf hingewiesen, dass ein Antrag auf Verfahrenshilfe nicht zulässig sei.

4        Dieses Schreiben wurde zusammen mit dem Schubhaftbescheid sowohl dem Revisionswerber als auch dem beigegebenen Rechtsberater zugestellt. Nach dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten fanden danach wiederholt, nämlich am 26. und 29. Juni 2020 sowie am 2. und 16. Juli 2020, Gespräche des Revisionswerbers mit Vertretern der Rechtsberatungsorganisation statt. Eine Schubhaftbeschwerde wurde in der Folge nicht erhoben.

5        Am 9. Oktober 2020 legte das BFA dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG vorzunehmenden Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren, über vier Monate hinausgehenden Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft vor und erstattete dazu eine Stellungnahme, in der es mit näherer Begründung darlegte, dass es das Vorliegen der hierfür erforderlichen Voraussetzungen für gegeben erachte. Am 12. Oktober 2020 langten vom Bundesverwaltungsgericht angeforderte Unterlagen samt einem aktuellen amtsärztlichen Gutachten zur Frage der Haftfähigkeit des Revisionswerbers ein. Am nächsten Tag übermittelte das BFA jeweils über Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts schließlich noch ergänzende Aktenteile und erstattete eine Stellungnahme zur Frage der Realisierbarkeit einer Abschiebung des Revisionswerbers nach Algerien.

6        Hierauf erging - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - das angefochtene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Oktober 2020, mit dem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt wurde, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft gegen den Revisionswerber maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig sei. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7        Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision nach Aktenvorlage und Durchführung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet - erwogen:

8        In der gemäß § 28 Abs. 3 VwGG ausgeführten Begründung der Zulässigkeit der Revision wird (u.a.) ins Treffen geführt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Beigebung eines Rechtsberaters gemäß § 52 BFA-VG für das vom Bundesverwaltungsgericht nach § 22a Abs. 4 BFA-VG durchzuführende Schubhaftprüfungsverfahren. Dazu wird vorgebracht, der Revisionswerber sei von der Aktenvorlage durch das BFA und der damit bewirkten Einleitung des Haftprüfungsverfahrens nach § 22a Abs. 4 BFA-VG nicht in Kenntnis gewesen. Da ihm in diesem Verfahren kein Parteiengehör gewährt worden sei, habe er erst durch die Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses davon erfahren, dass das Bundesverwaltungsgericht eine Haftprüfung durchgeführt habe. Mangels Kenntnis von diesem Verfahren habe er daher auch keinen Kontakt mit dem ihm beigegebenen Rechtsberater aufgenommen, zumal er auch nicht belehrt worden sei, dass er ein - schon nach dem innerstaatlichen Recht bestehendes - Recht auf Vertretung durch den Rechtsberater auch bei der gegenständlichen Haftüberprüfung habe. Auch der Rechtsberater sei nicht über dieses Haftprüfungsverfahren informiert worden. Der Revisionswerber gehe davon aus, dass diese Unterlassungen die Rechtswidrigkeit der (Fortsetzung der) Schubhaft zur Folge hätten.

9        Die Revision ist aus den angeführten Gründen unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig; sie ist aus nachstehenden Erwägungen auch berechtigt.

10       Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich in der Vergangenheit wiederholt mit der Frage zu beschäftigen, ob und in welcher Form im Schubhaftbeschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht unentgeltliche Unterstützung durch rechtskundige Personen zu gewähren ist.

11       Ausgangspunkt war das Erkenntnis VwGH 3.9.2015, Ro 2015/21/0032, in dem zunächst festgehalten wurde, die über die Rechtmäßigkeit der Schubhaft absprechende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ergehe „in Durchführung des Rechts der Union“ im Sinn des Art. 51 Abs. 1 der Grundrechtecharta (GRC), weshalb der Anwendungsbereich insbesondere auch von deren Art. 47 Abs. 3 eröffnet sei. Das gilt - wie hier noch klarzustellen ist - generell für alle in den Z 1 bis 3 des § 76 Abs. 2 FPG genannten Schubhafttatbestände, die jeweils einen unionsrechtlichen Hintergrund haben (vgl. VwGH 16.5.2019, Ra 2018/21/0177, Rn. 10/11; siehe auch unter Bezugnahme auf Vorjudikatur VwGH 18.2.2021, Ra 2021/21/0025, Rn. 18). Nach Art. 47 Abs. 3 GRC wird Personen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit diese Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten.

12       Vor diesem Hintergrund war im Fall des Erkenntnisses Ro 2015/21/0032 fraglich, ob es im aufgrund einer Schubhaftbeschwerde geführten Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht der unentgeltlichen Beigabe eines Rechtsanwalts im Rahmen der Verfahrenshilfe bedurfte oder ob im innerstaatlichen Recht ausreichende „Komplementärmechanismen“ existierten, die das entbehrlich machten. Letzteres war nach näher begründeter Ansicht des Gerichtshofes nicht der Fall. Eine Vertretung des Fremden in einem Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, dessen Gegenstand Schubhaft ist, sei nämlich nach dem damaligen Inhalt des Abs. 2 des § 52 BFA-VG, der die Bestellung eines Rechtsberaters für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (u.a.) „bei Anordnung der Schubhaft“ und dessen Aufgaben regelte, nicht gesichert, weil nicht gewährleistet gewesen sei, dass der Fremde effektive Unterstützung (insbesondere) in einer Beschwerdeverhandlung erhalte. Das erscheine aber jedenfalls notwendig, um in einem Fall wie dem dort vorliegenden einen wirksamen Zugang zum Bundesverwaltungsgericht im Sinn des Art. 47 Abs. 3 GRC zu verschaffen. Die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Zurückweisung des auf unentgeltliche Beigabe eines Rechtsanwaltes gerichteten Verfahrenshilfeantrages erwies sich daher als verfehlt.

13       Schon bevor dieses Erkenntnis ergangen war, wurde § 52 Abs. 2 BFA-VG durch das FrÄG 2015 mit Wirkung ab 20. Juli 2015 (unter anderem) dahin geändert, dass folgender Satz angefügt wurde: „In Verfahren über internationalen Schutz sowie über die Anordnung von Schubhaft haben Rechtsberater auf Ersuchen des Fremden an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen.“ Demnach wurde - so die diesbezüglichen ErläutRV 582 BlgNR 25. GP 10 - „die Rechtsberatung vor dem Bundesverwaltungsgericht ... um die Verhandlungsteilnahme in einem Beschwerdeverfahren wegen eines Antrags auf internationalen Schutz und über die Anordnung von Schubhaft erweitert“.

14       Zu dieser Rechtslage erging dann das Erkenntnis VwGH 23.2.2017, Ra 2016/21/0152, in dem der Gerichtshof mit näherer Begründung zusammenfassend in Rn. 26 zum Ergebnis kam, dass der Rechtsberater auf Basis des FrÄG 2015 - anders als nach der davor geltenden Rechtslage - den Fremden in einem Schubhaftbeschwerdeverfahren in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zu vertreten habe, sodass den sich aus dem Erkenntnis VwGH 3.9.2015, Ro 2015/21/0032, ergebenden Erfordernissen für die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nunmehr durch die Beistellung eines Rechtsberaters ausreichend Rechnung getragen werde. Insoweit existiere (nunmehr) ein ausreichender „Komplementärmechanismus“, weshalb es nicht der Beigebung eines Rechtsanwaltes als Verfahrenshelfer bedürfe.

15       Mit der dann mit Wirksamkeit ab 1. Oktober 2016 durch BGBl. I Nr. 24/2016 geänderten Fassung des § 52 BFA-VG wurde vor allem dem Erkenntnis VfGH 9.3.2016, G 447/2015 u.a., VfSlg. 20.064, Rechnung getragen, wobei auch die in der vorstehend erwähnten Entscheidung VwGH 23.2.2017, Ra 2016/21/0152, vom Verwaltungsgerichtshof als unionsrechtlich geboten angenommene, auf Ersuchen des Fremden bestehende Vertretungspflicht insofern ihren Niederschlag fand, als der letzte Satz im Abs. 2 geändert wurde (statt „teilzunehmen“ nunmehr „zu vertreten“). Insgesamt lautete § 52 Abs. 1 und 2 BFA-VG in dieser für den vorliegenden Fall maßgeblichen, bis 31. Dezember 2020 in Geltung gestandenen Fassung unter der Überschrift „Rechtsberatung vor dem Bundesverwaltungsgericht“ wie folgt:

„§ 52. (1) Das Bundesamt hat den Fremden oder Asylwerber bei Erlassung einer Entscheidung, ausgenommen Entscheidungen nach § 53 BFA-VG und §§ 76 bis 78 AVG, oder einer Aktenvorlage gemäß § 16 Abs. 2 VwGVG mittels Verfahrensanordnung darüber zu informieren, dass ihm kostenlos ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt wird. Zugleich hat das Bundesamt den bestellten Rechtsberater oder die betraute juristische Person davon in Kenntnis zu setzen.

(2) Rechtsberater unterstützen und beraten Fremde oder Asylwerber jedenfalls beim Einbringen einer Beschwerde und im Beschwerdeverfahren gemäß Abs. 1 vor dem Bundesverwaltungsgericht, sowie bei der Beischaffung eines Dolmetschers. Rechtsberater haben den Beratenen die Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde darzulegen. Auf deren Ersuchen haben sie die betreffenden Fremden oder Asylwerber auch im Verfahren, einschließlich einer mündlichen Verhandlung, zu vertreten.“

16       Durch das BBU-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 53/2019, erhielt § 52 BFA-VG schließlich folgende seit 1. Jänner 2021 geltende Fassung:

„§ 52. (1) Das Bundesamt hat den Fremden oder Asylwerber bei Erlassung einer Entscheidung, ausgenommen Entscheidungen nach § 53 BFA-VG, §§ 19, 76 bis 78 AVG, §§ 46 Abs. 2 bis 2b, 60 Abs. 1 und 2, 69 Abs. 2, 88 bis 94 FPG und nach dem VVG, oder einer Aktenvorlage gemäß § 16 Abs. 2 VwGVG, schriftlich darüber zu informieren, dass ihm kostenlos ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt wird. Zugleich hat das Bundesamt den bestellten Rechtsberater oder die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung davon in Kenntnis zu setzen.

(2) Rechtsberater unterstützen und beraten Fremde oder Asylwerber jedenfalls beim Einbringen einer Beschwerde und im Beschwerdeverfahren gemäß Abs. 1 vor dem Bundesverwaltungsgericht, sowie bei der Beischaffung eines Dolmetschers. Rechtsberater haben ihre Beratungstätigkeit objektiv und nach bestem Wissen durchzuführen und den Beratenen die Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde darzulegen. Auf deren Ersuchen haben sie die betreffenden Fremden oder Asylwerber auch im Verfahren, einschließlich einer mündlichen Verhandlung, zu vertreten. Im Fall der Erlassung eines Schubhaftbescheides bezieht sich die Beratung und Vertretung durch den Rechtsberater auch auf die unmittelbar vorangegangene Festnahme und Anhaltung nach diesem Bundesgesetz.“

17       Dazu wurde in den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 594 BlgNR 26. GP 24 f) Folgendes festgehalten:

„Zu § 52

Hinsichtlich Anspruch und Umfang der Rechtsberatung vor dem Bundesverwaltungsgericht erfolgen keine wesentlichen Änderungen. Nach wie vor ist ein Fremder oder Asylwerber bei Erlassung einer Entscheidung durch das Bundesamt von diesem zu informieren, dass ihm ein Rechtsberater kostenlos zur Seite gestellt wird. Es besteht also weiterhin ein Anspruch auf unentgeltliche Rechtsberatung und auf Wunsch auch auf Vertretung im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht. Ausgenommen werden davon, abgesehen von den schon bisher vorgesehenen Ausnahmen für Entscheidungen gemäß § 53 BFA-VG und §§ 76 bis 78 AVG, künftig Ladungen gemäß § 19 AVG, Reisepass-Beschaffungsbescheide und Ersatzreisedokument-Mitwirkungsbescheide gemäß § 46 Abs. 2 bis 2b FPG, Entscheidungen über die Verkürzung oder Aufhebung eines Einreiseverbotes gemäß § 60 Abs. 1 und 2 FPG oder eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 69 Abs. 2 FPG sowie Entscheidungen im Zusammenhang mit Fremdenpässen oder Konventionsreisepässen gemäß §§ 88 bis 94 FPG sowie nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 (VVG), BGBl. Nr. 53/1991. Damit wird die verpflichtende Rechtsberatung auf ihren im Unionsrecht vorgezeichneten Mindestumfang (Art. 20 Abs. 1 Verfahrens-RL, Art. 26 Abs. 2 Aufnahme-RL) beschränkt. Wegen des Entfalls des Anspruchs auf Rechtsberatung kann in den nunmehr hinzukommenden Ausnahmefällen künftig unter den Voraussetzungen des § 8a VwGVG Verfahrenshilfe beantragt werden.

Hinsichtlich des Umfangs der Rechtsberatung entspricht die Bestimmung dem geltenden § 52 Abs. 2. Einzig im Fall der Erlassung eines Schubhaftbescheides wird nun zusätzlich angeordnet, dass sich die Beratung und Vertretung durch den Rechtsberater auch auf die unmittelbar vorangegangene Festnahme und Anhaltung bezieht und wird dadurch dem Entfall des § 51 Rechnung getragen.“

18       Der in den zitierten ErläutRV angesprochene, die Verfahrenshilfe in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht regelnde § 8a VwGVG normiert im ersten Satz des Abs. 1, dass einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen ist, soweit dies (erstens) auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 GRC geboten ist, (zweitens) die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und (drittens) die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Diese Anordnung steht allerdings auch noch unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass „durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist“. Bei der Regelung der Verfahrenshilfe nach § 8a Abs. 1 VwGVG handelt es sich somit um eine subsidiäre Regelung. Sie soll nur dann zur Anwendung gelangen, wenn das „Materiengesetz“ keine Regelung enthält, deren Gegenstand der Verfahrenshilfe entspricht (so die ErläutRV zu BGBl. I Nr. 24/2017 betreffend die Schaffung des § 8a VwGVG, 1255 BlgNR 25. GP 2). Dort wurde in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf § 52 BFA-VG verwiesen, der vorsehe, dass entsprechend den Vorgaben des Art. 47 GRC einem Fremden oder Asylwerber in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren in bestimmten Angelegenheiten ein Rechtsberater beigegeben werde. Im Anwendungsbereich des BFA-VG gelange - so die erwähnten ErläutRV dann wörtlich - „§ 8a daher (überhaupt) nicht zur Anwendung“. Das trifft im fallbezogenen Zusammenhang insoweit zu, als es der Beigebung eines Rechtsanwalts als Verfahrenshelfer „in Anbetracht der den Rechtsberatern nach dem FrÄG 2015 gemäß § 52 Abs. 2 BFA-VG im Schubhaftbeschwerdeverfahren zukommenden Befugnisse und Verpflichtungen“ nicht bedarf (vgl. VwGH 31.8.2017, Ro 2017/21/0004, 0013, Rn. 35, mit dem Hinweis auf das oben erwähnte Erkenntnis VwGH 23.2.2017, Ra 2016/21/0152).

19       Umgekehrt bedeutet das, dass in jenen Ausnahmefällen, in denen nach § 52 BFA-VG kein Anspruch auf kostenlose Rechtsberatung besteht, unter den Voraussetzungen des § 8a VwGVG Verfahrenshilfe beantragt werden kann. In diesem Sinn sind auch die in der Rn. 17 zitierten ErläutRV (am Ende des ersten Absatzes) zu verstehen. Wäre daher § 52 BFA-VG dahin auszulegen, dass die Beigebung des Rechtsberaters nur für ein Schubhaftbeschwerdeverfahren, nicht jedoch auch für das Verfahren zur periodischen Überprüfung der Zulässigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft nach § 22a Abs. 4 BFA-VG erfolgt, bestünde für den Schubhäftling jedenfalls die Möglichkeit, für dieses Verfahren einen Antrag nach § 8a VwGVG auf Beigebung eines Rechtsanwaltes im Rahmen der Verfahrenshilfe zu stellen.

20       Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ überschriebene § 22a BFA-VG lautet wie folgt:

„§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1.   er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2.   der unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3.   gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.“

21       Schon in der Stammfassung des § 52 Abs. 1 BFA-VG war vorgesehen, dass dem Fremden „bei Anordnung der Schubhaft“ von Amts wegen und kostenlos für ein (allfälliges) Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ein Rechtsberater beigegeben („zur Seite gestellt“) wird, wovon sowohl der betroffene Fremde zu informieren als auch der Rechtsberater zu verständigen ist. Das ergibt sich in der hier maßgeblichen und auch in der aktuell geltenden Fassung daraus, dass die „Anordnung von Schubhaft“ nicht in den dort aufgezählten Ausnahmefällen (durch Anführung der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen) genannt ist. Neben dem in der Z 3 des § 22a Abs. 1 BFA-VG genannten Fall der Schubhaftanordnung - das umfasst sowohl die Konstellation, dass Anfechtungsobjekt ein (noch) nicht in Vollzug gesetzter Schubhaftbescheid sein soll und der Fremde daher, etwa wegen einer Anhaltung in Strafhaft, auch (noch) nicht in Schubhaft angehalten wird, als auch die Konstellation, dass ein sofort in Vollzug gesetzter Schubhaftbescheid und die darauf gegründete Anhaltung in Schubhaft Anfechtungsgegenstand sein sollen (vgl. VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0086, Rn. 8) - bezieht sich die Beratung und Vertretung durch den Rechtsberater nach dem letzten Satz der nunmehr geltenden Fassung des § 52 Abs. 2 BFA-VG auch ausdrücklich auf ein (allfälliges) Beschwerdeverfahren betreffend die dem Schubhaftvollzug unmittelbar vorangegangene, von der Z 1 und 2 des § 22a BFA-VG erfasste Festnahme und Anhaltung. Das ergab sich davor aus dem bis 31. Dezember 2020 geltenden § 51 BFA-VG.

22       Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde nach § 22a Abs. 1 BFA-VG beträgt gemäß § 7 Abs. 4 zweiter Fall VwGVG iVm § 22a Abs. 1a BFA-VG sechs Wochen. In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, dass sich aus dem insoweit grundlegenden Erkenntnis VwGH 30.4.2009, 2008/21/0565, dessen Ausführungen auch für die aktuelle Rechtslage gelten, ergibt, dass sowohl der Schubhaftbescheid und der gesamte Zeitraum der Anhaltung in Schubhaft als auch die unmittelbar vorangegangene Festnahme und die danach erfolgte Anhaltung - soweit darüber nicht bereits eine rechtskräftige Beschwerdeentscheidung ergangen ist - noch binnen sechs Wochen nach Beendigung der Schubhaft mit einer Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG bekämpft werden können (vgl. VwGH 11.5.2021, Ra 2021/21/0066, Rn. 24 iVm Rn. 19 und Rn. 26 iVm Rn. 23). Nur dann, wenn der Schubhaftbescheid nicht innerhalb von sechs Wochen in Vollzug gesetzt wurde, ist eine Beschwerde gegen diese bloße Anordnung der Schubhaft binnen der genannten Frist einzubringen (siehe zu einem solchen Fall das schon genannte Erkenntnis VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0086).

23       Dieser Rechtslage wird die dem Revisionswerber im vorliegenden Fall erteilte, offenbar formularmäßige Information (siehe zu deren Inhalt oben in Rn. 3), die erkennbar auf das Bestehen einer mit der Zustellung des (sofort in Vollzug gesetzten) Schubhaftbescheides beginnenden Rechtsmittelfrist abstellt, nicht gerecht und sie ist insoweit missverständlich. Tatsächlich besteht nach dem Gesagten vielmehr die Möglichkeit, eine Beschwerde nach § 22a Abs. 1 BFA-VG jederzeit während des gesamten Zeitraums der Anhaltung in Schubhaft, aber auch noch innerhalb von sechs Wochen nach deren Beendigung zu erheben. Beim Einbringen einer solchen Beschwerde und im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht haben die Rechtsberater den Betroffenen gemäß § 52 Abs. 2 BFA-VG zu unterstützen und zu beraten sowie auf dessen Ersuchen im Verfahren, einschließlich einer mündlichen Verhandlung, auch zu vertreten. Daraus folgt zwingend, dass die aus Anlass der Anordnung der Schubhaft erfolgte Beigebung des Rechtsberaters (bzw. der BBU GmbH) jedenfalls für die gesamte Dauer der Anhaltung aufrecht bleibt und die sich daraus ergebenden Pflichten jedenfalls bis zur Enthaftung weiterbestehen. Andernfalls wäre der sicherzustellende effektive Zugang zum Bundesverwaltungsgericht zwecks Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung der Schubhaft, aber auch - insbesondere bei nachträglicher Änderung der maßgeblichen Umstände (beispielweise durch Wegfall der Fluchtgefahr, Eintritt der Unzulässigkeit oder Unmöglichkeit der Abschiebung, Vorliegen von Haftunfähigkeit, Einbringung eines nicht missbräuchlich gestellten Antrags auf internationalen Schutz, Ablauf der höchstzulässigen Schubhaftdauer) - die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer weiteren Anhaltung zu einem späteren Zeitpunkt nicht gewährleistet. Diesbezüglich ist auch zu berücksichtigen, dass das Rechtsschutzbedürfnis bei typisierender Betrachtung umso größer wird, je länger die Schubhaft dauert.

24       Diese Überlegungen gelten sinngemäß auch für das (vom BFA) amtswegig einzuleitende Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur periodischen Überprüfung der Zulässigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG. Dafür spricht schon die gesetzliche Fiktion, dass mit Vorlage der Verwaltungsakten durch das BFA „die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht“ gilt, es sich somit um ein vom Wortlaut des § 52 BFA-VG erfasstes Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht handelt. Die Verfahren nach § 22a Abs. 4 BFA-VG sind auch nicht von den in § 52 Abs. 1 BFA-VG ausdrücklich genannten Ausnahmefällen, in denen der Anspruch auf amtswegige kostenlose Beistellung eines Rechtsberaters ausgeschlossen wird, erfasst.

25       Überdies hat der Verwaltungsgerichtshof bereits klargestellt, dass die im Verfahren nach § 22a Abs. 4 BFA-VG vom BFA (zwingend) zu erstattende Stellungnahme dem Parteiengehör zu unterziehen ist. Das könne (zunächst) schriftlich oder auch im Rahmen einer mündlichen Verhandlung erfolgen. Jedenfalls sei dem in Schubhaft angehaltenen Fremden, für den - wie erwähnt - mit der Aktenvorlage durch das BFA gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Beschwerde als eingebracht gilt, Gelegenheit zu geben, sich zu der Stellungnahme und zum maßgeblichen Sachverhalt zu äußern (vgl. VwGH 26.11.2020, Ra 2020/21/0070, Rn. 11, mwN). Dazu bedarf es vor dem Hintergrund des Art. 47 Abs. 3 GRC rechtskundiger Unterstützung, um in diesem Verfahren, in dem es nach einer bereits längeren Dauer des Freiheitsentzugs um die Frage von dessen weiterer Zulässigkeit geht, dem Standpunkt des BFA wirksam entgegen treten zu können. Es erscheint aber evident zweckmäßiger, dass diese gebotene Unterstützung durch den ohnehin für die gesamte Dauer der Anhaltung beigegebenen, in der Regel mit dem Fall vertrauten Rechtsberater erfolgt, als dass dafür im Wege der Verfahrenshilfe ein Rechtsanwalt bestellt wird (siehe zu diesen Alternativen bereits oben in Rn. 19). Letzteres scheint auch deshalb nicht zielführend, weil angesichts der sich aus § 22a Abs. 4 BFA-VG ergebenden relativ kurzen Zeit zwischen Aktenvorlage und Entscheidung auch vor dem Hintergrund des notwendigen Bestellungsvorgangs (vgl. § 8a VwGVG) ein erheblicher Zeitdruck bestünde. Auch diese Überlegungen sprechen daher für die durch den Gesetzeswortlaut des § 52 BFA-VG gedeckte Auslegung, dass der (schon bei der Schubhaftanordnung beigegebene) Rechtsberater (bzw. die BBU GmbH) den Schubhäftling auch in dem nach § 22a Abs. 4 BFA-VG geführten Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur periodischen Überprüfung der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu unterstützen und zu beraten sowie auf sein Ersuchen auch - „einschließlich einer mündlichen Verhandlung“ - zu vertreten hat. Dagegen spricht auch nicht, dass der Schubhäftling zum Zweck der Erlangung einer kostenlosen Vertretung im Rahmen der Schubhaftprüfung durch den Rechtsberater bzw. die BBU GmbH die Möglichkeit der Erhebung einer Schubhaftbeschwerde hätte, zumal damit potentiell Kostenfolgen verbunden wären (§ 22a Abs. 1a BFA-VG iVm § 35 VwGVG).

26       Über den dargestellten umfassenden Anspruch auf Rechtsberatung hätte das BFA den Revisionswerber in eindeutiger Weise bereits bei der Anordnung der Schubhaft informieren müssen. Da dies im vorliegenden Fall unterlassen wurde, wäre das BFA verpflichtet gewesen, diese Belehrung aus Anlass der Einleitung des Überprüfungsverfahrens nach § 22a Abs. 4 BFA-VG gegenüber dem Revisionswerber und dem Rechtsberater nachzuholen. Mangels einer entsprechenden Information durch das BFA hätte das Bundesverwaltungsgericht die diesbezügliche Aufklärung des Revisionswerbers in Verbindung mit dem zu der vom BFA erstatteten Stellungnahme aus Anlass der Aktenvorlage am 9. Oktober 2020 einzuräumenden Parteiengehör (siehe zu dieser Verpflichtung schon oben in Rn. 25) vorzunehmen und auch den Rechtsberater von der Verfahrenseinleitung zu verständigen gehabt. Es ist nämlich auch Sache des Verwaltungsgerichts, dafür Sorge zu tragen, dass das dem Schubhäftling zustehende Recht auf Rechtsberatung tatsächlich wahrgenommen werden kann (vgl. in diesem Sinn für das Asylverfahren VwGH 3.5.2016, Ro 2016/18/0001, Rn. 19, und mehrere daran anschließende Entscheidungen; vgl. etwa auch VfGH 22.9.2021, E 2594/2021, Punkt II.2. der Entscheidungsgründe). Im Übrigen wird noch angemerkt, dass im vorliegenden Fall freilich auch zu den ergänzenden Ermittlungsergebnissen eine Äußerungsmöglichkeit zu gewähren gewesen wäre.

27       Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Bundesverwaltungsgericht bei Vermeidung der aufgezeigten Unterlassungen zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, war das angefochtene Erkenntnis - schon deswegen - gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

28       Von der in der Revision beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3, 5 und 6 VwGG abgesehen werden.

29       Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 24. Februar 2022

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Besondere Rechtsgebiete Gemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2 Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Parteiengehör Parteiengehör Allgemein Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs Verfahrensmangel Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5 "zu einem anderen Bescheid"

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020210492.L00

Im RIS seit

12.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

12.04.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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