TE Vwgh Beschluss 2022/3/18 Ra 2022/06/0018

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Veröffentlicht am 18.03.2022
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Index

L82000 Bauordnung
L82007 Bauordnung Tirol
001 Verwaltungsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §45
AVG §46
BauO Tir 2018 §46
BauO Tir 2018 §46 Abs6 litg
BauRallg
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätin Mag. Rehak sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des Dr. J E in M, vertreten durch Dr. Simon Brüggl, Rechtsanwalt in 6370 Kitzbühel, Rathausplatz 2/II, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 6. Oktober 2021, LVwG-2021/22/1811-6, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadtgemeinde Kitzbühel; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Kitzbühel vom 1. Juni 2021, mit welchem ihm gemäß § 46 Abs. 6 lit. g Tiroler Bauordnung 2018 - TBO 2018 die weitere Benützung des Wohnhauses auf einer näher bezeichneten Liegenschaft in K. als Freizeitwohnsitz untersagt worden war, als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5        In seiner Begründung hielt das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die hg. Judikatur fest, dass von einem anderen Wohnsitz als einem Freizeitwohnsitz dann nicht gesprochen werden könne, wenn kein deutliches Überwiegen hinsichtlich der beruflichen und familiären Lebensbeziehungen des Revisionswerbers am konkreten Ort feststellbar sei. Fest stehe, dass der Revisionswerber im beruflichen Umfeld hauptsächlich von seinem Hauptwohnsitz in München bzw. dem Sitz seiner Firma in Deutschland aus fungiere. Seine beruflichen Tätigkeiten im Rahmen seiner Aufenthalte in K., selbst wenn diese ca. 90 Tage im Jahr betragen würden, könnten daran nichts ändern. Auf Grund des deutlichen Überwiegens der beruflichen Tätigkeit in Deutschland sei das diesbezügliche Vorbringen nicht geeignet, das gegenständliche Gebäude als Arbeitswohnsitz qualifizieren zu können. Die gegenständliche Wohnung diene dem Revisionswerber nicht zur Befriedigung eines ganzjährigen, mit dem Mittelpunkt der Lebensbeziehungen verbundenen Wohnbedürfnis, sondern diese werde als Freizeitwohnsitz im Sinn des § 13 Abs. 1 Tiroler Raumordnungsgesetz 2016 genutzt. Zum Vorbringen des Revisionswerbers, wonach dieser zwischenzeitlich seinen Wohnsitz in K. per 8. September 2021 abgemeldet und seine Schwiegereltern dort per 10. September 2021 ihren Hauptwohnsitz begründet hätten, sodass eine Nutzung als Freizeitwohnsitz jedenfalls nicht mehr gegeben sei, führte das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die hg. Rechtsprechung aus, dass durch die bloße (melderechtliche) Abmeldung des Nebenwohnsitzes verbunden mit der Anmeldung eines Hauptwohnsitzes durch andere Personen keine relevante Änderung des Sachverhaltes eingetreten sei, die vom Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung zu beachten sei.

6        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 15. Dezember 2021, E 4188/2021-5, deren Behandlung abgelehnt und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

7        In den zur Zulässigkeit der vorliegenden Revision vorgetragenen Gründen führt der Revisionswerber aus, dass baupolizeiliche Aufträge nach der hg. Judikatur konstitutive Verwaltungsakte darstellten, für die die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes maßgeblich sei (Hinweis auf VwGH 20.3.2003, 2003/06/0004, VwGH 26.5.2008, 2005/06/0137, und VwGH 8.6.2011, 2009/06/0208). Das Verwaltungsgericht sei insofern von der ständigen Rechtsprechung abgewichen.

8        Darüber hinaus sei das Verwaltungsgericht zur erheblichen Rechtsfrage, an wen die Benützungsuntersagung zu ergehen habe, vom klaren Gesetzeswortlaut und von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Dem Spruch des angefochtenen Erkenntnisses sei nicht zu entnehmen, ob dem Revisionswerber in seiner Eigenschaft als Eigentümer oder in seiner Eigenschaft als Benützer die Nutzung des gegenständlichen Objektes untersagt worden sei. Ein an den Eigentümer gerichteter baupolizeilicher Auftrag könne nicht gegen den Mieter vollstreckt werden.

9        Zudem weiche das angefochtene Erkenntnis auch insofern von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Nichtberücksichtigung von Beweisanträgen ab, als das Verwaltungsgericht es unterlassen habe, den angebotenen Zeugenbeweis aufzunehmen. In der Beschwerde des Revisionswerbers seien vier Zeugen zum Beweis dafür angeboten worden, dass er das in Rede stehende Objekt nicht als Freizeitwohnsitz benutze. Diese grobe Verletzung von Verfahrensvorschriften sei von Relevanz, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Beweisaufnahme zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Das Verwaltungsgericht habe auch nicht begründet, warum es von der beantragten Einvernahme der angebotenen Zeugen Abstand genommen habe, sodass auch eine Verletzung der Begründungspflicht vorliege.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage dargelegt, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

10       Wie der Revisionswerber - insoweit im Einklang mit dem Verwaltungsgericht - zutreffend ausführt, hat das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung über Beschwerden gegen baupolizeiliche Aufträge grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Dies gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber nicht für solche Sachverhaltsänderungen, die in der Herstellung eines Zustandes bestehen, der dem erlassenen baupolizeilichen Auftrag entspricht; dabei handelt es sich um keine vom Verwaltungsgericht zu beachtende Änderung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. etwa VwGH 4.7.2019, Ra 2017/06/0116, VwGH 25.3.1999, 97/06/0216, sowie VwGH 16.4.1956, 0936/53, VwSlg. 4040 A/1956). Der Revisionswerber zeigt mit den von ihm zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes auch kein Abweichen des Verwaltungsgerichtes von der hg. Rechtsprechung auf, weil diesen Entscheidungen nicht eine zwischenzeitige Erfüllung des von der Baubehörde erlassenen baupolizeilichen Auftrages zugrunde lag (so auch schon VwGH 4.7.2019, Ra 2017/06/0116, zu dem vom Revisionswerber zitierten Erkenntnis VwGH 8.6.2011, 2009/06/0208). Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt daher insoweit nicht vor.

11       Das Vorbringen des Revisionswerbers zum Adressaten einer Benützungsuntersagung ist fallbezogen nicht nachvollziehbar. Im Revisionsfall ergibt sich aus den insoweit unbestrittenen Feststellungen klar, dass der Revisionswerber Eigentümer des gegenständlichen Wohnhauses und - bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des baubehördlichen Auftrages durch die Baubehörde - gleichzeitig auch dessen Benützer ist. Inwiefern insoweit Probleme bzw. umfangreiche Ermittlungen im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens notwendig sein sollten, ist nicht ersichtlich. Die in § 46 Abs. 6 lit. g TBO 2018 enthaltene Anordnung, wonach dann, wenn die bauliche Anlage durch einen Dritten benutzt werde, diesem die weitere Benützung zu untersagen sei, kommt lediglich dann zum Tragen, wenn die Benützung durch eine dritte (vom Eigentümer verschiedene) Person erfolgt, was im Revisionsfall gerade nicht der Fall ist.

12       Im Übrigen ist festzuhalten, dass bei Verfahrensmängeln, wie den vom Revisionswerber geltend gemachten (unterlassene Zeugeneinvernahme, Verletzung der Begründungspflicht), in den Zulässigkeitsgründen auch die Relevanz des Verfahrensmangels dargetan werden muss. Das heißt, dass der behauptete Verfahrensmangel geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für die revisionswerbende Partei günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. etwa VwGH 1.6.2017, Ra 2017/06/0094, mwN). Diesen Anforderungen entspricht die vorliegende Revision nicht. Unbeschadet dessen wird bemerkt, dass - abgesehen davon, dass es sich bei dem vom Revisionswerber angegebenen Beweisthema, ob der Revisionswerber das in Rede stehende Objekt als Freizeitwohnsitz benutzt, um eine dem Zeugenbeweis nicht zugängliche Rechtsfrage handelt (vgl. etwa VwGH 1.2.2017, Ra 2016/04/0151, mwN) - das Verwaltungsgericht seiner Würdigung ohnehin die vom Revisionswerber selbst getätigten Angaben, wonach er sich ca. 90 Tage im Jahr im gegenständlichen Wohnhaus aufhalte, zugrunde gelegt und ausgehend davon die Benützung des betreffenden Wohnhauses als Freizeitwohnsitz bejaht hat.

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

13       Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 18. März 2022

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2 Beweismittel Zeugen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022060018.L00

Im RIS seit

11.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

12.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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