TE Lvwg Erkenntnis 2021/8/12 VGW-101/092/12062/2021, VGW-101/V/092/12063/2021

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.08.2021
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Entscheidungsdatum

12.08.2021

Index

20/02 Familienrecht

Norm

EheG §9

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter Mag. Dr. Kienast über die (gemeinsame) Beschwerde des Herrn A. B. und der Frau C. D. gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien (Magistratsabteilung 63, Geweberecht, Datenschutz und Personenstand, Standesamt Wien - Zentrum) vom 27.7.2021, Zl. MA 63 – …-2021-4, betreffend Eheschließung,

zu Recht:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

Am 31.5.2021 brachten die Beschwerdeführer beim Magistrat der Stadt Wien (Standesamt Wien – E.) einen Antrag auf Eheschließung ein.

Diesem Antrag war ein Kontakt mit dem Bezirksgericht F. vorausgegangen (am 8.3.3021), bei dem die Richterin Mag. G. die Rechtsmeinung vertrat, die eingetragene Partnerschaft müsse nicht aufgelöst werden, um eine Ehe einzugehen.

Mit Bescheid vom 27.7.2021 wies der belangte Magistrat den Antrag der Beschwerdeführer vom 31.5.2021 auf Eheschließung gemäß § 14 PStG 2013 ab.

Mit Schriftsatz vom 6.8.2021 zogen die Beschwerdeführer den Bescheid vom 27.7.2021 in Beschwerde und beantragten den fließenden Übergang ihrer eingetragenen Partnerschaft in eine Ehe.

Mit Note vom 10.8.2021 legte der belangte Magistrat dem erkennenden Verwaltungsgericht die Beschwerde samt bezughabendem Verwaltungsakt vor, wo sie am 12.8.2021 einlangte.

II. Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger, die Beschwerdeführerin iranische Staatsbürgerin; sie haben am 4.7.2019 am Standesamt Wien – F. eine eingetragene Partnerschaft begründet; diese ist gegenwärtig noch aufrecht.

2. Diese Sachverhaltsfeststellung gründet im Verwaltungsakt und wird auch von den Beschwerdeführern nicht bestritten.

3.1.1. Der VfGH hob mit Erkenntnis vom 4.12.2017, G 258-259/2017, (VfSlg 20.225) Wortfolgen im ABGB und im EPG als verfassungswidrig auf, weil die Voraussetzungen der Verschiedengeschlechtlichkeit für den Zugang zur Ehe und die Gleichgeschlechtlichkeit für die eingetragene Partnerschaft verfassungswidrig waren, und zwar verstießen diese Voraussetzungen gegen das Diskriminierungsverbot des Gleichheitsgrundsatzes. Die Aufhebung trat gemäß der Anordnung des VfGH mit Ablauf des 31.12.2018 in Kraft. Der Bundesgesetzgeber ließ die ihm vom VfGH eingeräumte „Reparaturfrist“ allerdings ungenutzt verstreichen; bis heute sind gesetzlich keine „Übertrittsregelungen“ erlassen worden. Gegenwärtig können daher zwar beide Rechtsinstitute (eingetragene Partnerschaft, Ehe) sowohl von gleichgeschlechtlichen als auch von verschiedengeschlechtlichen Paaren gewählt werden; eine gesetzliche Regelung, wie eine eingetragene Partnerschaft in eine Ehe und eine Ehe in eine eingetragene Partnerschaft umgewandelt oder wie jeweils in das andere Rechtsinstitut gewechselt werden kann, existiert aber nicht. Soweit die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf die „Mitteilung“ des Bundesministers für Inneres an die Ämter der Landesregierung und die Magistratsabteilungen 35 und 63 in Wien vom 20.12.2018 verweisen, sind sie darauf hinzuweisen, dass es sich bei einer derartigen „Mitteilung“ um einen Erlass (generelle Weisung) handelt, der jedoch für die Verwaltungsgerichte keine verbindliche Rechtsquelle ist (vgl. z.B. VwGH 19.6.2015, Ra 2015/03/0027, m.w.N.); aus dieser „Mitteilung“ ist daher für die Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren nichts zu gewinnen.

3.1.2. Was als gesetzliche Vorgabe bleibt, ist jedenfalls § 9 EheG; nach dieser Bestimmung darf eine Person keine Ehe eingehen, bevor ihre eingetragene Partnerschaft für nichtig erklärt oder aufgelöst worden ist.

3.1.2.1. Ein Teil der Lehre (vgl. z.B. die Nachweise bei Fischer-Czermak, Reformbedarf im Ehe- und Partnerschaftsrecht, JRP 2020, 15 ff) versucht nun, diese Bestimmung durch verfassungskonforme Interpretation teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass eine eingetragene Partnerschaft mit derselben Person, mit der die Ehe geschlossen werden soll, kein Eheverbot im Sinne des § 9 EheG ist.

Damit ließen sich allenfalls jene Fälle sanieren, in denen Paare vor dem 1.1.2019 nur deshalb eines der beiden Rechtsinstitute gewählt hatten, weil ihnen das jeweils andere aus gesetzlichen Gründen verschlossen blieb. Dazu könnte argumentiert werden, dass nur so die vom VfGH konstatierte Diskriminierung beseitigt werden würde. Dafür spricht, dass der VfGH im Anlassfall bzw. Quasianlassfall das jeweilige Erkenntnis des Verwaltungsgerichts ja aufgehoben hatte, um den Verwaltungsgerichten eine Behandlung der Fälle anhand der bereinigten Rechtslage zu ermöglichen, was die beteiligten Verwaltungsgerichte auch mit ihren Ersatzentscheidungen getan haben (vgl. VGW [Wien] 17.12.2017, VGW-101/020/16339/2017/E; OÖ LVWG 8.1.2018, 750314/27/MZ). Allerdings begegnen diese Fälle (noch) der juristischen Schwierigkeit, dass – da eine Person nur einen Status haben kann (somit nicht zugleich verheiratet und verpartnert sein darf) – es auch eine gesetzliche Grundlage geben müsste, aus der sich bei Eingehen des einen Rechtsinstituts die automatische Auflösung des anderen zumindest analog ableiten ließe; eine derartige Norm existiert jedoch nicht.

3.1.2.2. Es kann darüber hinaus aber durchaus bezweifelt werden, dass eine derartige teleologische Reduktion des § 9 EheG bei allen vor dem 1.1.2019 eingetragenen Partnerschaften Platz greifen muss. Denn der VfGH erstreckte die Anlassfallwirkung nicht auch auf zumindest jene Fälle, die diesbezüglich bereits beim Standesamt oder Verwaltungsgericht anhängig waren, was ihm aber gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG möglich gewesen wäre (hätte er diese Konsequenz gewollt).

3.1.2.3. All diese Überlegungen können jedoch im vorliegenden Fall dahinstehen, weil zwei Voraussetzungen, die eine verfassungswidrige Diskriminierung erst begründen und damit erst die Grundlage einer teleologischen Reduktion aus verfassungsrechtlichen Gründen sein könnten, gar nicht vorliegen: Zum einen wäre den Beschwerdeführern als verschiedengeschlechtliches Paar zu jeder Zeit das (von ihnen nun angestrebte) Rechtsinstitut der Ehe offen gestanden; sie waren daher diesbezüglich nie diskriminiert. Zum anderen gingen sie die eingetragene Partnerschaft erst nach Inkrafttreten der Aufhebung der gesetzlichen Bestimmungen durch das VfGH-Erkenntnis ein; zu diesem Zeitpunkt war somit die gesetzliche Diskriminierung bereits durch die Aufhebung des VfGH beseitigt, weshalb auch kein Grund (mehr) für eine teleologische Reduktion aus verfassungsrechtlichen Gründen gegeben ist.

Die Rechtsfigur der teleologischen Reduktion verschafft der ratio legis gegen einen überschießend weiten Gesetzeswortlaut Durchsetzung. Voraussetzung ist stets der Nachweis, dass eine umschreibbare Fallgruppe von den Grundwertungen oder Zwecken des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut gar nicht getroffen wird und dass sie sich von den eigentlich gemeinten Fallgruppen soweit unterscheidet, dass die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre. Die „verdeckte“ Lücke besteht im Fehlen einer nach der ratio notwendigen Ausnahme (vgl. nur VwGH 18.1.2021, Ra 2020/13/0065, m.w.N.). Unabhängig davon, ob eine teleologische Reduktion (allein) aus verfassungsrechtlichen Gründen überhaupt zulässig ist, kann jedoch in Bezug auf § 9 EheG nicht von einer „verdeckten“ Lücke gesprochen werden, weil es dem Gesetzgeber durchaus zugemutet werden kann, diese „verdeckte“ Lücke, die ihm ja mit dem Setzen der „Reparaturfrist“ durch den VfGH bekannt wurde, innerhalb von mittlerweile über drei Jahren zu schließen; dies bewirkt jedoch nach Auffassung des erkennenden Verwaltungsgerichts nicht die Verfassungswidrigkeit der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen, sondern erscheint als im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum gelegen.

3.1.3. Es ist daher im Ergebnis der bekämpfte Bescheid des belangten Magistrats zu bestätigen, weil der von den Beschwerdeführern begehrten Eheschließung (zumindest) das Ehehindernis des Bestehens einer eingetragenen Partnerschaft entgegensteht und auch für eine Umwandlung ihrer eingetragenen Partnerschaft in eine Ehe keine Rechtsgrundlage besteht.

3.2. Eine mündliche Verhandlung konnte in casu auf dem Boden des § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen. Auch Art. 6 Abs. 1 EMRK steht einem Einfall der mündlichen Verhandlung nicht entgegen, weil keine Fragen der Glaubwürdigkeit zu beurteilen waren, die Tatsachen unbestritten sind und das Gericht auf der Grundlage der Aktenlage entscheiden konnte, wobei im konkreten Fall lediglich rechtliche Fragen zu entscheiden waren (vgl. VwGH 21.12.2016, Ra 2016/04/0117, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 8.11.2016, Nr. 64160/11, Pönkä, Rn 32).

3.3. Die (ordentliche) Revision ist zulässig, weil die in diesem Verfahren zu lösende Rechtsfrage, ob und wie nach dem Erkenntnis des VfGH vom 4.12.2017, G 258-259/2017, eine eingetragene Partnerschaft verschiedengeschlechtlicher Partner in eine Ehe umgewandelt werden kann, durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs noch nicht beantwortet ist.

Schlagworte

Eingetragene Partnerschaft; Ehe; Auflösung; Eheverbot; teleologische Reduktion; verschiedengeschlechtliches Paar

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.101.092.12062.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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