TE Lvwg Beschluss 2022/3/15 LVwG-M-1/001-2022

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Veröffentlicht am 15.03.2022
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Entscheidungsdatum

15.03.2022

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z2
VwGVG 2014 §28 Abs6

Text

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Mag.Dr. Wessely, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn A, vertreten durch Herrn B, Rechtsanwalt in ***, im Zusammenhang mit Amtshandlungen des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** anlässlich einer Gemeinderatssitzung am 30. November 2021 den

BESCHLUSS

gefasst:

1.   Die Beschwerde, der Beschwerdeführer sei durch das Abverlangen eines 3G-Nachweises (Aufforderung, einen solchen vorzuweisen), in seinen Rechten verletzt worden, wird gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

2.   Die Beschwerde, der Beschwerdeführer sei durch die Aufforderung, den Sitzungssaal und das *** zu verlassen, und damit durch die Verhinderung seiner Teilnahme der Sitzung des Gemeinderats der Marktgemeinde ***, in seinen Rechten verletzt worden, wird gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

3.   Der Beschwerdeführer hat der Marktgemeinde *** gemäß § 35 VwGVG i.V.m. der VwG-Aufwandsersatzverordnung, BGBl. II 2013/517, € 57,40 (Vorlageaufwand), € 737,60 (Schriftsatzaufwand) und € 922,-- (Verhandlungsaufwand), insgesamt daher € 1.717,-- binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

4.   Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Zum bisherigen Verfahrensgang:

Mit Schriftsatz vom 7. Jänner 2022 erhob der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit Vorfällen im Zuge einer Sitzung des Gemeinderats der Marktgemeinde *** am 30. November 2021 eine auf Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG geschützte Beschwerde. Am Abend des fraglichen Tages sei er im Sitzungssaal eingetroffen und habe seine Gemeinderatskollegen begrüßt. Der Zeuge C sei (auf Geheiß des Bürgermeisters) zu ihm gekommen und habe ihn nach einem 3G-Nachweis gefragt. Als der Beschwerdeführer auf einen negativen Antigentest verwiesen habe, habe der Genannte auf die Notwendigkeit eines PCR-Tests hingewiesen. Nachdem ihm der Beschwerdeführer zu verstehen gegeben habe, sich einem solchen am Vormittag unterzogen, das Ergebnis aber noch nicht erhalten zu haben, sei er vom Zeugen C aufgefordert worden, den Sitzungssaal und das *** zu verlassen. Der Beschwerdeführer sei der Aufforderung nachgekommen und sei folglich daran gehindert worden, an der Gemeinderatssitzung teilzunehmen.

Darauf aufbauend beantragte er,

„1.) die oben geschilderte Aufforderung vom 30.11.2021 den Sitzungssaal und das *** zu verlassen, als rechtswidrig zu erklären UND

2.) die zwangsweise Verhinderung, an der Gemeinderatssitzung am 30.11.2021

teilzunehmen, als rechtswidrig zu erklären UND

3.) das Abverlangen eines 3G-Nachweises als Teilnahmevoraussetzung für eine

Gemeinderatssitzung als rechtswidrig zu erklären UND

4.) die Gemeinderatssitzung vom 30.11.2021 und die darin gefassten Beschlüsse als

rechtswidrig aufzuheben UND

5.) der belangten Behörde den Ersatz meiner Aufwendungen gemäß VwG-

Aufwandersatzverordnung zu [s]einen Händen binnen 14 Tagen bei sonstiger

Exekution aufzuerlegen.“

Dem trat die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift vom 25. Jänner 2022 entgegen und verwies darauf, dass es zum einen an tauglichen Anfechtungsgegenständen (Akten unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls-und Zwangsgewalt) fehle, die fraglichen Akte nicht der belangten Behörde zuzurechnen und sie im Übrigen nicht rechtswidrig seien. Näherhin sei die Hausordnung und deren Vollziehung der Privatwirtschaftsverwaltung zuzurechnen.

In der öffentlichen mündlichen Verhandlung stellte er klar, dass die ersten beiden Antragspunkte dasselbe Verhalten beträfen. Im dritten Antragspunkt werde die Aufforderung durch den Zeugen C angesprochen, der Beschwerdeführer möge einen 3G-Nachweis vorlegen. Den Antragspunkt 4. habe er i.S.d. Folgenbeseitigungsanspruches verstanden; eine Anfechtung der gesamten Sitzung oder der gefassten Beschlüsse sei damit nicht intendiert gewesen.

Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Beweis wurde in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erhoben durch Einsichtnahme in die Schriftsätze der Parteien und die von den Parteien vorgelegten Unterlagen, durch Vernehmung des Beschwerdeführers und der Zeugen D und C.

Feststellungen und Beweiswürdigung:

Demnach steht folgender Sachverhalt fest: Vor der für 22. September 2021 anberaumten Sitzung des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** erließ der Bürgermeister der Marktgemeinde *** unter Abstützung auf § 38 Abs. 2 NÖ GO 1973 und auf § 354 ABGB eine „Hausordnung der Marktgemeinde *** für Sitzungen von Gemeinderatsausschüssen, GV-Sitzungen und GR-Sitzungen“. Diese wurde am 22. September 2021 vom Gemeindevorstand bestätigt, wobei die Erläuterungen zum Beschluss ausdrücklich auf § 354 ABGB verweisen. Ihr zufolge durfte das Gemeindegebäude für Zwecke der genannten Sitzungen von Gemeinderäten nur betreten werden, wenn sie dabei einen Nachweis der geringen epidemiologischen Gefahr, damals entsprechend der 3G-Regel vorwiesen. Konnte beim Betreten des Gemeindegebäudes der Nachweis der geringen epidemiologischen Gefahr nicht erbracht werden, war der Zutritt nicht gestattet, und wurden alle Gemeindebediensteten angewiesen, auf die Umsetzung der Hausordnung zu achten und allenfalls unter Zuhilfenahme der Exekutive umzusetzen.

Der Beschwerdeführer war und ist Gemeinderat in der Marktgemeinde ***. In dieser Funktion suchte er am fraglichen Tag den Sitzungssaal für die bevorstehende Gemeinderatssitzung und dort seinen Sitzplatz auf. In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer vom Zeugen C nach dem 3G-Nachweis befragt und gab an, sich zu einem Test unterzogen, das Ergebnis aber noch nicht erhalten zu haben. Hierauf teilte der Zeuge C dem Beschwerdeführer mit, er müsse im Hinblick darauf das Gebäude verlassen. Der Beschwerdeführer verließ daraufhin das Gebäude. Zwang wurde weder ausdrücklich angedroht noch setzte der Zeuge C oder eine andere Person Handlungen, aus denen auf eine allenfalls zwangsweise Durchsetzung geschlossen werden konnte.

Die Feststellungen gründen sich auf die in den wesentlichen Punkten übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers und der belangten Behörde.

Rechtslage und Erwägungen:

Gegenstand der Beschwerden nach Art 130 Abs. 1 Z 2 B-VG sind einzelne Verwaltungsakte, mithin Lebenssachverhalte. Bei der Ermittlung der Anzahl der Verwaltungsakte ist dabei nicht allein darauf abzustellen, wie die zu Grunde liegende Beschwerde strukturiert ist und wie viele Einzelakte sie im Rahmen des bekämpften Amtshandelns zu erkennen vermeint. Ausschlaggebend ist vielmehr, wie viele sachlich und zeitlich trenn- und unterscheidbare Akte, die einer isolierten Betrachtung zugänglich sind, vorliegen, wobei für diese Beurteilung auch der jeweils verfolgte Zweck der Amtshandlung(en) und die in Frage kommenden Rechtsverletzungen eine Rolle spielen (vgl. etwa VwGH 31.8.2017, Ro 2016/21/0014). Im gegenständlichen Fall liegt daher zwei voneinander isoliert zu betrachtende und einer selbstständigen Beurteilung zugängliche Verwaltungsakte vor, nämlich die durch den Zeugen C erfolgte Aufforderung an dem Beschwerdeführer, einen 3G-Nachweis vorzulegen auf der einen Seite, und die Aufforderung, den Sitzungssaal und das Gebäude zu verlassen auf der anderen Seite.

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer auf Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gestützten Beschwerde ist in jedem Fall das Vorliegen eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Zentrales Merkmal derartiger Akte und damit Abgrenzungskriterium zu sog. schlicht-hoheitlichem Handeln ist nach h.M. (statt aller B.Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht6 [2021] Rz 978 ff¸ ferner VwGH 29.11.2018, Ra 2016/06/0124) die Normativität des Aktes. Diese ergibt sich bei Zwangsakten aus der physischen Einwirkung auf Personen oder Sachen. Bei Befehlsakten manifestiert sie sich nach ständiger Rechtsprechung darin, dass bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist (VwGH 29.11.2018, Ra 2016/06/0124, m.w.N.; VfSlg 12.791/1991). Unerheblich ist dabei, ob die Androhung der zwangsweisen Umsetzung ausdrücklich erfolgt, oder sie aus der Art und Weise bzw. den Begleitumständen des Einschreitens erschlossen werden kann. Jedenfalls erforderlich ist aber, dass der drohende Zwang in der Umsetzung der behördlichen Anordnung besteht und somit zwischen der behördlichen Anordnung auf der einen und dem im Zwangsweg umzusetzenden Zustand auf der anderen Seite daher Deckungsgleichheit besteht. M.a.W. liegt dann kein Befehlsakt im eben umschriebenen Sinn vor, wenn die Nichtbefolgung der Aufforderung bzw. Anordnung andere Folgen als die zwangsweise Herstellung des angeordneten Zustands hat; sei es, dass für diesen Fall (Verwaltung-) Strafen drohen, sei es, dass die Nichtbefolgung eine tatbestandsmäßige Voraussetzung für andere (verwaltungspolizeiliche) Maßnahmen darstellt (i.d.S. etwa VwGH 25.3.1992, 91/03/0253; 19.1.1994, 93/03/0251 [jeweils zur § 5 Abs. 2 StVO]).

Soweit zunächst das „Abverlangen“ eines 3G-Nachweises, konkret die Aufforderung des Zeugen C an dem Beschwerdeführer, er möge einen 3G-Nachweis vorlegen, in Beschwerde gezogen wird, liegen diese Voraussetzungen nicht vor. So wurde für den Fall des Unterbleibens der Vorlage weder ausdrücklich eine zwangsweise Durchsetzung (etwa in Form einer Durchsuchung des Beschwerdeführers) angedroht noch konnte aus allfälligen Begleitumständen auf eine solche unmittelbar drohende zwangsweise Durchsetzung geschlossen werden. Anderes wurde auch vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht. Vielmehr bestand die einzige Konsequenz darin, dass der Beschwerdeführer den Sitzungssaal zu verlassen hatte. Es fehlt damit zum einen an der Normativität der Aufforderung (wobei dahingestellt bleiben kann, ob der Akt überhaupt der Hoheitsverwaltung zuzurechnen ist). Zum anderen bestünde zwischen dem angeordneten Verhalten (Vorlage des 3G-Nachweises) auf der einen und den Konsequenzen (Verlassen des Sitzungssaals) auf der anderen Seite keine Deckungsgleichheit. Die Beschwerde war daher mangels tauglichen Anfechtungsgegenstands zurückzuweisen, ohne dass das Verwaltungsgericht berechtigt gewesen wäre, die Handlung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.

Soweit sich die Beschwerde gegen die Aufforderung richtet, der Beschwerdeführer müsse den Sitzungssaal und das Gebäude verlassen, finden sich ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass eine sofortige zwangsweise Durchsetzung ausdrücklich in Aussicht gestellt wurde oder derartiges zumindest aus den Begleitumständen erschlossen werden konnte. Auch hier wird vom Beschwerdeführer nichts Anderes behauptet. Soweit der Beschwerdeführer darauf verweist, er habe allenfalls damit gerechnet, dass der Bürgermeister die Polizei holen könnte, vermag auch dies an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Denn sieht man davon ab, dass eine derartige Zuständigkeit der Polizei zumindest fraglich ist, wurde anlässlich der in Beschwerde gezogen Amtshandlung auch auf derartiges unstrittig nicht hingewiesen. Alleine die subjektive Ansicht des Beschwerdeführers vermag derartiges aber nicht zu ersetzen (vgl. VfSlg 14.887/1997). Auch insoweit fehlte es daher an einem tauglichen Anfechtungsgegenstand, sodass die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen war, ohne dass das Verwaltungsgericht berechtigt und verpflichtet gewesen wäre, die Rechtmäßigkeit der Handlung zu prüfen.

Zum Kostenausspruch:

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren nach Art. 130 Abs. 1 Z 2 BVG obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

Wenn der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei (Abs. 2). Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (Abs. 3).

Gemäß § 35 Abs. 6 VwGVG gelten die §§ 52 bis 54 VwGG auch für den Aufwandersatz nach Abs. 1.

lm vorliegenden Fall ergibt sich, dass der Beschwerdeführer als unterlegene Parteien zu betrachten und zur Kostentragung (Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand) zu verpflichten ist. Dabei gebühren der Vorlageaufwand einmal, der Schriftsatz- und der Verhandlungsaufwand hingegen zweifach (vgl. VwGH 31.8.2017, Ro 2016/21/0014).

Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil sich die Entscheidung auf die einschlägige (obzitierte) höchstgerichtliche Rechtsprechung stützen kann.

Schlagworte

Maßnahmenbeschwerde; Befehlsakt; 3G- Nachweis; Aufforderung; Verlassen; Sitzungssaal;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.M.1.001.2022

Zuletzt aktualisiert am

28.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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