TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/27 95/18/0953

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Veröffentlicht am 27.06.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §59 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §26;
MRK Art8 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte

Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. M. Fellner, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 23. März 1995, Zl. SD 80/95, betreffend Aufhebung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 23. März 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 6. September 1993 auf Aufhebung des mit Bescheid der belangten Behörde vom 8. März 1993 gegen ihn erlassenen, auf die Dauer von zehn Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes gemäß § 26 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, abgewiesen.

Grundlage für das auf § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 FrG gestützte Aufenthaltsverbot seien die vom Beschwerdeführer anläßlich der Stellung eines Sichtvermerksantrages am 7. August 1992 gegenüber einer österreichischen Behörde gemachten unrichtigen Angaben über seine persönlichen Verhältnisse zwecks Verschaffung einer Aufenthaltsberechtigung gewesen.

Den Antrag auf Aufhebung dieses Aufenthaltsverbotes habe der Beschwerdeführer im wesentlichen damit begründet, daß er am 13. Juli 1994 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und die Möglichkeit habe, sich an einer GesmbH zu beteiligen.

Nach Wiedergabe des und unter Bezugnahme auf § 26 FrG und die Auslegung dieser Bestimmung in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vertrat die belangte Behörde die Ansicht, daß der vom Beschwerdeführer trotz des bestehenden Aufenthaltsverbotes im Juli 1994 geschlossenen Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin kein maßgebliches Gewicht zukomme. Darüber hinaus sei hervorzuheben, daß die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Integration seiner Person im Hinblick auf das bestehende Aufenthaltsverbot von vornherein nicht zu berücksichtigen gewesen sei.

Der Beschwerdeführer habe sich durch unrichtige Angaben eine Aufenthaltsberechtigung verschafft und sei außerdem in den Jahren 1991 und 1992 wegen unerlaubten Aufenthaltes bestraft worden. Damit habe er mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, daß er offenbar keine Bedenken habe, sich über die für ihn maßgeblichen fremdenrechtlichen Bestimmungen hinwegzusetzen. Es sei zwar im Hinblick auf die Eheschließung des Beschwerdeführers von einem mit der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben i.S. des § 19 FrG auszugehen; angesichts des Umstandes aber, daß gerade dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens ein besonders hoher Stellenwert zukomme, sei das Weiterbestehen des Aufenthaltsverbotes nach wie vor zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten.

In Anbetracht dieser Gegebenheiten gehe auch die gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmende Interessenabwägung zuungunsten des Beschwerdeführers aus, habe sich doch das Gewicht der für die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen keineswegs verringert. Die belangte Behörde sei jedenfalls zu der Auffassung gelangt, daß die nachteiligen Folgen der Aufhebung des Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wögen als die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie, zumal dem Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Eheschließung habe bewußt sein müssen, daß er aufgrund der gegen ihn bestehenden fremdenpolizeilichen Maßnahme mit seiner Gattin nicht gemeinsam in Österreich werde leben können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 26 FrG nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zugunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/18/0800).

2.1. Als Verfahrensmangel rügt der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde die beantragte zeugenschaftliche Vernehmung seiner Ehegattin unterlassen habe. Diese hätte erklären können, warum sie den Beschwerdeführer nicht sofort nach dessen Entlassung aus der Schubhaft (am 13. September 1993), sondern erst zehn Monate später geheiratet habe. Es "hätte sich erhellt", daß nicht die von der belangten Behörde unterstellten Motive, sondern Liebe und persönliche Zuneigung für die Verehelichung maßgebend gewesen seien. Darüber hinaus wäre auch die familiäre Bindung des Beschwerdeführers zur Tochter seiner Gattin zutage getreten.

2.2. Damit gelingt es der Beschwerde nicht, einen (relevanten) Verfahrensfehler darzutun. Zum einen maß die belangte Behörde der Frage, weshalb der Beschwerdeführer die Ehe nicht sofort nach seiner Entlassung aus der Schubhaft, sondern erst am 13. Juli 1994 geschlossen habe, zutreffend keine rechtserhebliche Bedeutung bei und unterstellte dem Beschwerdeführer auch keine wie immer gearteten Motive für seine Verehelichung mit einer österreichischen Staatsbürgerin; für die belangte Behörde war insofern - woran die Begründung des angefochtenen Bescheides keine Zweifel läßt - allein maßgeblich, daß die Ehe zu einem Zeitpunkt geschlossen wurde, als gegen den Beschwerdeführer ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot bestand und daß dieser Umstand dem Beschwerdeführer bewußt sein mußte. Zum anderen ist festzuhalten, daß der vom Beschwerdeführer (im Schriftsatz vom 10. November 1994) gestellte Beweisantrag auf Vernehmung seiner Gattin nicht (auch) die Frage seiner "familiären Bindung" zu deren Tochter umfaßte. Vielmehr wurde die Existenz einer Tochter der Gattin des Beschwerdeführers erstmals in der Beschwerde zur Sprache gebracht, womit sich diese Behauptung als eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung erweist (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).

3. In der gleichfalls als Mangelhaftigkeit des Verfahrens gerügten Unterlassung eines Abspruches über den in der Berufung gestellten Eventualantrag auf Herabsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes liegt jedenfalls keine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers, sieht doch das Gesetz - entgegen der Beschwerdemeinung - im Rahmen eines Verfahrens zur Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes (§ 26 FrG) eine Möglichkeit, die festgesetzte Dauer des Aufenthaltsverbotes herabzusetzen, nicht vor. Von einem diesbezüglichen Recht des betroffenen Fremden bzw. einer Pflicht der Behörde kann demnach keine Rede sein.

4.1. Der Verhängung des Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer lagen die Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG (durch unrichtige Angaben des Beschwerdeführers über seine persönlichen Verhältnisse bei Stellung eines Sichtvermerksantrages) sowie zwei rechtskräftige Bestrafungen nach dem Fremdenpolizeigesetz zugrunde. Jene "bestimmte Tatsache" i.S. des § 18 Abs. 1 FrG - deren Vorliegen im übrigen entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers auch ohne diesbezügliche strafgerichtliche Verurteilung zu bejahen ist - und die genannten Bestrafungen lassen, und zwar gleichgültig, ob man auf die - noch nicht als getilgt geltenden (vgl. § 55 Abs. 1 VStG) - Bestrafungen als solche oder die ihren Gegenstand bildenden verpönten Verhaltensweisen des Beschwerdeführers abstellt (letzteres unter dem Gesichtspunkt des "Gesamtfehlverhaltens"; vgl. dazu das die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer bestätigende hg. Erkenntnis vom 5. April 1995, Zl. 93/18/0243), nach wie vor die in § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme, aber auch die Annahme des Dringend-geboten-seins des Aufenthaltsverbotes (und damit von dessen Aufrechterhaltung) gerechtfertigt erscheinen; dies im Hinblick auf den - von der belangten Behörde zu Recht betonten - hohen Stellenwert, welcher der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) zukommt (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 11. April 1996, Zl. 96/18/0154, mwN).

4.2. Demgegenüber haben die im Rahmen der Prüfung nach § 19 FrG zu berücksichtigenden, in seiner Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin gründenden persönlichen Interessen an einer Beseitigung des Aufenthaltsverbotes zurückzustehen, darf doch nicht außer acht gelassen werden, daß die Ehe zu einer Zeit geschlossen wurde, als gegen den Beschwerdeführer ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot bestand. Daß der gegen das Aufenthaltsverbot erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof von diesem mit Beschluß vom 1. September 1993 aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, führte zwar dazu, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Eheschließung (13. Juli 1994) nicht unerlaubt war, begründete aber gleichwohl angesichts des mit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbundenen lediglich vorläufigen und somit keinswegs gesicherten Aufenthaltsrechtes nicht die Basis für die Schaffung einer privaten und familiären Situation, deren Gewicht höher zu veranschlagen wäre als das maßgebliche gegenläufige Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung (auf dem Gebiet des Fremdenwesens).

5. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen ist auch das Ergebnis der von der belangten Behörde vorgenommenen Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG nicht als rechtswidrig zu erkennen: Wenngleich die private und familiäre Interessenlage des Beschwerdeführers insgesamt (unter Einschluß des Kriteriums der Integration) eine Änderung zu seinen Gunsten erfahren hat, weist diese Änderung doch nicht jenes Ausmaß auf, das erforderlich wäre, um sie als relevant i.S. des § 26 FrG zu qualifizieren. Das maßgebliche öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes war im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch als zumindest gleich stark zu werten wie das entgegengesetzte Interesse des Beschwerdeführers und seiner Familie (Gattin).

6. Bei diesem Ergebnis entbehrt der Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde habe es verabsäumt, dem Beschwerdeführer die "nunmehrige Bescheidbegründung" vorzuhalten, jedenfalls der Wesentlichkeit.

7. Da nach dem Gesagten der angefochtene Bescheid frei von der behaupteten Rechtswidrigkeit ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

8. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Spruch und Begründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995180953.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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