TE Vwgh Beschluss 2022/2/25 Ra 2022/13/0010

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Veröffentlicht am 25.02.2022
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

EStG 1988 §16 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Mag. D, Steuerberater in M, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 30. September 2021, RV/7102762/2013, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 20. Dezember 2021, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2011, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber machte in der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2011 - in einer gesondert übermittelten Beilage im Detail aufgeschlüsselte - Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten als Werbungskosten im Rahmen seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Das Finanzamt berücksichtigte die geltend gemachten Werbungskosten im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 nur zum Teil und führte dazu aus, es werde eine vorübergehende doppelte Haushaltsführung angenommen, die mit 6 Monaten befristet sei, und bei alleinstehenden Steuerpflichtigen nur Aufwendungen für monatliche Familienheimfahrten umfasse.

2        Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid fristgerecht Berufung (nunmehr Beschwerde) und brachte darin u.a. vor, die doppelte Haushaltsführung sei auf Dauer angelegt, weil er in eheähnlicher Gemeinschaft mit seiner Lebensgefährtin lebe, die am Familienwohnsitz in M als Angestellte in Vollzeit beschäftigt sei. Zugleich legte er eine berichtigte Einkommensteuererklärung 2011 samt Beilagen vor sowie eine weitere Aufstellung über die darin geltend gemachten Aufwendungen, u.a. für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten.

3        Das Finanzamt setzte mit Berufungsvorentscheidung (nunmehr Beschwerdevorentscheidung) die Einkommensteuer 2011 neu fest und berücksichtigte dabei einen Teil der vom Revisionswerber in der - mit der Beschwerde vorgelegten - berichtigten Einkommensteuererklärung 2011 geltend gemachten Aufwendungen.

4        Der Revisionswerber beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

5        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde teilweise Folge und setzte die Einkommensteuer für das Jahr 2011 abweichend von der Beschwerdevorentscheidung neu fest. Es sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6        Nach ausführlicher Wiedergabe des Verfahrensgangs führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, im Verfahren sei strittig, für welchen Zeitraum die Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und für Familienheimfahrten als Werbungskosten zu berücksichtigen seien. Für diese Frage sei entscheidungsrelevant, ob der Revisionswerber und seine Freundin am Wohnsitz des Revisionswerbers in M in eheähnlicher Gemeinschaft gelebt haben, sodass der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen dort gewesen sei. Für den Fall, dass die geltend gemachten Aufwendungen für Familienheimfahrten nicht in voller Höhe als Werbungskosten einzustufen seien, sei weiters strittig, ob Kilometergelder für die Fahrten des Revisionswerbers zwischen dem Tätigkeitsort in L und dem Wohnsitz in M als Betriebsausgaben im Rahmen seiner selbständig ausgeübten Steuerberatertätigkeit zu berücksichtigen seien.

7        Das Bundesfinanzgericht stellte - für den strittigen Zeitraum - diesbezüglich u.a. fest, der Revisionswerber habe ab Beginn seiner Tätigkeit am 1. Mai 2011 am Tätigkeitsort in L - zunächst in Gasthöfen, danach in einer angemieteten Wohnung - gewohnt, sein Familienwohnsitz sei aber unverändert in M gewesen. Die Freundin habe ihren Hauptwohnsitz nicht am Familienwohnsitz des Revisionswerbers in M gehabt, sondern in K. Sie sei nach eigener Aussage an den Wochenenden, aber regelmäßig auch während der Woche in der Wohnung des Revisionswerbers in M gewesen, was allerdings nicht nachweisbar sei. Ob der Revisionswerber mit seiner Freundin in eheähnlicher Gemeinschaft - jedoch nur an den Wochenenden - gelebt habe, sei nicht nachweisbar. Ab dem 1. Juli 2011 habe der Revisionswerber seinen Berufssitz als selbständiger Steuerberater an seinem Wohnsitz in M gehabt, wobei er diese Tätigkeit ausschließlich an Wochenenden ausgeübt habe.

8        Das Bundesfinanzgericht folgerte daraus, dass der Revisionswerber als alleinstehend anzusehen sei, die behauptete eheähnliche Gemeinschaft habe nicht nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden können. Aus diesem Grund sei dem Revisionswerber nach Ablauf von 6 Monaten zuzumuten, den Familienwohnsitz an den Tätigkeitsort zu verlegen, auch wenn seine Freundin in M erwerbstätig sei. Auch seine am Familienwohnsitz in M ausgeübte selbständige Steuerberatertätigkeit könne keine Unzumutbarkeit begründen, weil die daraus erzielten Einkünfte nicht einmal 5 % der nichtselbständigen Bezüge ausgemacht haben. Bis zum Ablauf dieser 6 Monate seien monatliche Aufwendungen für Familienheimfahrten zu berücksichtigen. Hinsichtlich der - in eventu - als Betriebsausgaben geltend gemachten Kilometergelder führte das Bundesfinanzgericht aus, die behaupteten Fahrten seien mangels Vorlage eines Fahrtenbuches nicht nachgewiesen worden, zudem seien diese - an Wochenenden unternommenen - Fahrten überwiegend privat veranlasst, weil sich der Revisionswerber an seinem Familienwohnsitz in M mit seiner Freundin getroffen habe.

9        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

10       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13       In der Zulässigkeitsbegründung bringt der Revisionswerber weitwendig vor, die Feststellung des Bundesfinanzgerichtes, dass keine eheähnliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Revisionswerber und seiner Freundin bestanden habe, weiche von der ständigen und übereinstimmenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes ab. Dem Bundesfinanzgericht seien zudem bei seiner Beurteilung zum (Nicht-)Vorliegen der eheähnlichen Lebensgemeinschaft schwere Verfahrensmängel unterlaufen.

14       Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt.

15       Eine berufliche und damit zu Werbungskosten der betroffenen Aufwendungen führende Veranlassung einer doppelten Haushaltsführung liegt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn einem Arbeitnehmer die Verlegung des (Familien-)Wohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei eine solche Unzumutbarkeit die unterschiedlichsten Ursachen haben kann. Die Unzumutbarkeit ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (vgl. VwGH 22.11.2018, Ra 2018/15/0075, mwN).

16       Die Unzumutbarkeit, den Familienwohnsitz aufzugeben, muss sich aus Umständen von erheblichem objektivem Gewicht ergeben. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (vgl. VwGH 10.3.2016, 2013/15/0146, mwN).

17       Familienwohnsitz ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehepartner oder ein unverheirateter Steuerpflichtiger mit seinem in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partner einen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bildet (vgl. VwGH 27.2.2008, 2005/13/0037; 24.4.1996, 96/15/0006).

18       Daraus ergibt sich, dass Lebensgefährten, die keinen gemeinsamen Hausstand unterhalten, der den gemeinsamen Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen bildet, keinen gemeinsamen Familienwohnsitz haben.

19       Das Bundesfinanzgericht hat im angefochtenen Erkenntnis auf Grundlage der eigenen Aussagen des Revisionswerbers und seiner damaligen Partnerin (nunmehrigen Ehefrau) festgestellt, dass letztere im verfahrensgegenständlichen Zeitraum ihren Hauptwohnsitz nicht in der Wohnung des Revisionswerbers in M gehabt habe, sondern in K, wo sich auch die Landwirtschaft ihrer Eltern befunden habe. Der Revisionswerber sei daher „(aus steuerrechtlicher Sicht) alleinstehend gewesen“, seine Wohnung in M sei sein alleiniger „Haupt- und Familienwohnsitz“ gewesen. Es ist nicht zu erkennen, dass die - den Feststellungen zugrundeliegende - Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichtes unvertretbar wäre, was auch in der Revision nicht behauptet wird.

20       Bei dieser Konstellation ist es daher - entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers - nicht weiter von Relevanz, wie die Lebensgefährten ihre Lebensgemeinschaft ausgestalten und ob diese als „eheähnliche“ Lebensgemeinschaft angesehen werden kann.

21       Im Sinne der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es somit lediglich darauf an, ob dem Revisionswerber die Aufgabe bzw. Verlegung seines Wohnsitzes in M - der nicht als gemeinsamer Familienwohnsitz des Revisionswerbers und seiner Partnerin anzusehen war - zuzumuten war. Mangels eines gemeinsamen (Familien-)Wohnsitzes kann die vom Revisionswerber ins Treffen geführte Erwerbstätigkeit seiner Partnerin jedoch keine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung begründen (vgl. in diesem Sinn VwGH 28.4.2010, 2007/13/0073). Andere Gründe für eine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung, die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch für (alleinstehende) Steuerpflichtige mit eigenem Hausstand relevant sein können (vgl. VwGH 24.9.2007, 2006/15/0024, mwN), bringt der Revisionswerber nicht vor.

22       Hinsichtlich der - in eventu - als Betriebsausgaben geltend gemachten Fahrtkosten zu seinem sich in der Wohnung in M befindlichen Berufssitz als selbständiger Steuerberater erblickt der Revisionswerber das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung in einem „Spannungsverhältnis zwischen Spezifika des WTBG [...] und der Rechtsprechung zur Abzugsfähigkeit von Werbungskosten und Betriebsausgaben iSd EStG“. Es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, inwiefern Fahrten zu einem Berufssitz gemäß WTBG als Werbungskosten abzugsfähig seien bzw. wie oft sich ein Berufsangehöriger zu seinem Berufssitz begeben dürfe.

23       Mit diesem Vorbringen zeigt die Revision schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, von der das Schicksal der Revision abhängt, weil sie nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht (vgl. VwGH 29.6.2020, Ra 2020/16/0066, mwN). Das Bundesfinanzgericht hat festgestellt, dass der Revisionswerber die von ihm geltend gemachten - zusätzlichen, die ohnehin im Rahmen der „Familienheimfahrten“ anerkannten übersteigenden - Fahrtkosten zu seinem Berufssitz in M weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht hat. Dass diese Sachverhaltsannahmen mit Verfahrensmängeln belastet seien, wird in der Revision nicht aufgezeigt.

24       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

25       Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

26       Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 25. Februar 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022130010.L00

Im RIS seit

28.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

28.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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