TE Lvwg Erkenntnis 2022/3/7 LVwG-2022/15/0563-1

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Veröffentlicht am 07.03.2022
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Entscheidungsdatum

07.03.2022

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §7
ZustG §28

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Dünser über die Beschwerde von Herrn AA, wohnhaft in Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 07.02.2022, Zl ***, betreffend eine Übertretung nach dem EpiG,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer spruchgemäß Folgendes zur Last gelegt:

„Es wird Ihnen zur Last gelegt, folgende Verwaltungsübertretungen begangen zu haben:

Am 17.10.2020, um 15:06 Uhr, wurde im Zuge der Überwachung von Anordnungen nach dem Epidemiegesetz 1950 festgestellt, dass Ihr mj. Sohn BB, geb. am 07.11.2006 nicht an der Absonderungsadresse in **** Z, X, Adresse 2 angetroffen werden konnte und somit den Wohnsitz verlassen hat, obwohl Ihnen als gesetzlicher Vertreter mit mündlich verkündetem Bescheid vom 11.10.2020, Zahl: *** die Absonderung Ihres Sohnes an der Wohnadresse in **** Z, X, Adresse 2 für den Zeitraum vom 11.10.2020 bis 17.10.2020 zur Verhütung der Weiterverbreitung von 2019-nCOV („2019 neuartiges Coronavirus") angeordnet wurde. Somit haben Sie vorsätzlich eine Verwaltungsübertretung veranlasst bzw. Ihren mj. Sohn die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 40 iVm. §§ 7, 17 EpiG iVm VO BGBl. II Nr. 15/2020 und VO BGBl. II Nr. 21/2020

Aus diesem Grund wurde über den Beschwerdeführer auf Grundlage von § 40 EpiG eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 300,00, Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden, verhängt. Außerdem wurde er zur Bezahlung eines Beitrages zu den Kosten des Verfahrens vor der belangten Behörde verpflichtet.

Dagegen richtet sich das fristgerecht erhobene Rechtsmittel, in dem der Beschwerdeführer auf das Wesentliche zusammengefasst vorbringt, dass sie die Auskunft erhalten hätten, dass, wenn der Sohn negativ ist, er das Haus verlassen dürfe. Es sei der letzte Tag der Quarantäne gewesen und damit habe die Mitarbeiterin der belangten Behörde kein Problem darin gesehen, dass er das Haus verlasse.

Festgehalten wird, dass mit Bescheid der belangten Behörde vom 13.10.2020, ***, die Absonderung des mj. BB, geboren am 07.11.2006, bis einschließlich 17.10.2020 angeordnet wurde. Nach dem Akteninhalt wurde dieser Bescheid an eine näher bezeichnete E-Mail-Adresse übermittelt, dies mit dem Ersuchen, den Erhalt dieses Bescheides schriftlich zu bestätigen. Eine Bestätigung, dass dieser Bescheid der Adressatin (der Frau des Beschwerdeführers) tatsächlich zugestellt wurde, liegt im Akt der belangten Behörde nicht ein.

Weiters wird festgehalten, dass das vorliegende Verwaltungsstrafverfahren auf einer Anzeige der PI W beruht. Demnach wurde der mj. BB bei einer Überprüfung am 27.10.2020 an der Absonderungsadresse nicht angetroffen. Vor Ort sei festgestellt worden, dass der angezeigte Beschwerdeführer mit seinem Sohn, dem abgesonderten Minderjährigen, mit dem PKW nach Innsbruck gefahren sei und somit dem zitierten Absonderungsbescheid zuwidergehandelt habe.

Im weiteren Verfahren wurde dem Beschwerdeführer mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme der belangten Behörde vom 14.07.2021 eine Stellungnahme des Gesundheitsamtes der belangten Behörde übermittelt, in welcher den Ausführungen des Beschwerdeführers, dass ihm von einer Mitarbeiterin der belangten Behörde mitgeteilt worden sei, dass im Falle eines negativen Testergebnisses der Absonderungsort frühzeitig verlassen werden könne, entgegengetreten wird. Die Anzeige der PI W wurde dem Beschwerdeführer im gesamten Verfahren von der belangten Behörde nicht vorgehalten, dies insbesondere auch nicht im Rahmen einer Aufforderung zur Rechtfertigung mit der Aufforderung zur Abgabe einer Stellungnahme innerhalb einer bestimmten Frist.

II.      Sachverhalt:

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 13.10.2020 wurde die Absonderung des mj. BB auf Grundlage von Bestimmungen des Epidemiegesetzes mit Ablauf der Absonderung am 17.10.2020 verfügt. Dieser Bescheid richtet sich ausdrücklich nur an den mj. BB, dieser wiederum vertreten durch die Mutter CC. Der Beschwerdeführer selbst war nicht Adressat dieses Bescheides. Ob dieser Bescheid tatsächlich rechtmäßig zugestellt wurde, kann nicht festgestellt werden, zumal die Zustellung nur an eine E-Mail-Adresse erfolgt ist und aus dem Akt keinerlei weitere Feststellungen getroffen werden können, dass der Bescheid tatsächlich der genannten Mutter des mj. BB zugekommen wäre. Insbesondere liegt im Akt weder eine schriftliche Bestätigung der Mutter des Abgesonderten über den Erhalt des Bescheides vor oder allenfalls ein Aktenvermerk der belangten Behörde, in welchem eine telefonische Rücksprache dokumentiert wäre, dass der Bescheid tatsächlich der gesetzlichen Vertreterin zugekommen wäre.

Weiters festgestellt wird, dass dem Beschwerdeführer die Anstiftungshandlung als solche nicht konkretisiert zur Last gelegt wird, so beschränkt sich der Strafvorwurf darauf, dass der Minderjährige dem Absonderungsbescheid nicht entsprochen hätte, sowie dass der Beschwerdeführer vorsätzlich eine Verwaltungsübertretung veranlasst bzw dem mj. Sohn die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert habe. Worin diese Veranlassung einer Verwaltungsübertretung gelegen sei bzw auf welche Art die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert wurde, wurde von der belangten Behörde weder in der Strafverfügung, noch im angefochtenen Straferkenntnis ausgeführt und wurde dazu auch keine Verfolgungshandlung durch die belangte Behörde gesetzt.

III.     Beweiswürdigung:

Die maßgeblichen Feststellungen ergeben sich aus dem Akt der belangten Behörde.

IV.      Rechtslage:

Epidemiegesetz

„Absonderung Kranker

§ 7.

(1) Durch Verordnung werden jene anzeigepflichtigen Krankheiten bezeichnet, bei denen für kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen Absonderungsmaßnahmen verfügt werden können.

(1a) Zur Verhütung der Weiterverbreitung einer in einer Verordnung nach Abs. 1 angeführten anzeigepflichtigen Krankheit können kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen angehalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden, sofern nach der Art der Krankheit und des Verhaltens des Betroffenen eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen besteht, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden kann. Die angehaltene Person kann bei dem Bezirksgericht, in dessen Sprengel der Anhaltungsort liegt, die Überprüfung der Zulässigkeit und Aufhebung der Freiheitsbeschränkung nach Maßgabe des 2. Abschnitts des Tuberkulosegesetzes beantragen. Jede Anhaltung, die länger als zehn Tage aufrecht ist, ist dem Bezirksgericht von der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen, die sie verfügt hat. Das Bezirksgericht hat von Amts wegen in längstens dreimonatigen Abständen ab der Anhaltung oder der letzten Überprüfung die Zulässigkeit der Anhaltung in sinngemäßer Anwendung des § 17 des Tuberkulosegesetzes zu überprüfen, sofern die Anhaltung nicht vorher aufgehoben wurde.

(2) Kann eine zweckentsprechende Absonderung im Sinne der getroffenen Anordnungen in der Wohnung des Kranken nicht erfolgen oder wird die Absonderung unterlassen, so ist die Unterbringung des Kranken in einer Krankenanstalt oder einem anderen geeigneten Raume durchzuführen, falls die Überführung ohne Gefährdung des Kranken erfolgen kann.

(3) Zum Zwecke der Absonderung sind, wo es mit Rücksicht auf die örtlichen Verhältnisse geboten erscheint, geeignete Räume und zulässig erkannte Transportmittel rechtzeitig bereitzustellen, beziehungsweise transportable, mit den nötigen Einrichtungen und Personal ausgestattete Barackenspitäler einzurichten.

(4) Abgesehen von den Fällen der Absonderung eines Kranken im Sinne des Abs. 2 kann die Überführung aus der Wohnung, in der er sich befindet, nur mit behördlicher Genehmigung und unter genauer Beobachtung der hiebei von der Behörde anzuordnenden Vorsichtsmaßregeln erfolgen.

(5) Diese Genehmigung ist nur dann zu erteilen, wenn eine Gefährdung öffentlicher Rücksichten hiedurch nicht zu besorgen steht und der Kranke entweder in eine zur Aufnahme solcher Kranker bestimmte Anstalt gebracht werden soll oder die Überführung nach der Sachlage unbedingt geboten erscheint.

(…)

Sonstige Übertretungen

§ 40.

Wer durch Handlungen oder Unterlassungen

a)       den in den Bestimmungen der §§ 5, 8, 12, 13, 21 und 44 Abs. 2 enthaltenen Geboten und Verboten oder

b)       den auf Grund der in den §§ 7, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 17, 19, 20, 21, 22, 23 und 24 angeführten Bestimmungen erlassenen behördlichen Geboten oder Verboten oder

c)       den Geboten oder Verboten, die in den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen enthalten sind, zuwiderhandelt oder

d)       in Verletzung seiner Fürsorgepflichten nicht dafür Sorge trägt, daß die seiner Fürsorge und Obhut unterstellte Person sich einer auf Grund des § 5 Abs. 1 angeordneten ärztlichen Untersuchung sowie Entnahme von Untersuchungsmaterial unterzieht,

macht sich, sofern die Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist mit Geldstrafe bis zu 1 450 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen.

(…)

Telefonischer Bescheid

§ 46.

(1) Bescheide gemäß § 7 oder § 17 dieses Bundesgesetzes können für die Dauer der Pandemie mit COVID-19 abweichend von § 62 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung, aufgrund eines Verdachts mit der Infektion von SARS-CoV-2 auch telefonisch erlassen werden.

(2) Die Absonderung endet, wenn die Behörde nicht innerhalb von 48 Stunden einen Bescheid über die Absonderung gemäß § 7 dieses Bundesgesetzes wegen einer Infektion mit SARS-CoV-2 erlässt.

(3) Der Inhalt und die Verkündung eines telefonischen Bescheides ist zu beurkunden und der Partei zuzustellen.“

VStG

„Anstiftung und Beihilfe

§ 7.

Wer vorsätzlich veranlaßt, daß ein anderer eine Verwaltungsübertretung begeht, oder wer vorsätzlich einem anderen die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert, unterliegt der auf diese Übertretung gesetzten Strafe, und zwar auch dann, wenn der unmittelbare Täter selbst nicht strafbar ist.

(…)

Verjährung

§ 31.

(1) Die Verfolgung einer Person ist unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

(…)

§ 45.

(1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

1.       die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;

2.       der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

3.       Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen;

4.       die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;

5.       die Strafverfolgung nicht möglich ist;

6.       die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.

Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.

(…)“

VwGVG

„Verhandlung

§ 44.

(…)

(2) Die Verhandlung entfällt, wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

(…)“

Zustellgesetz

„Heilung von Zustellmängeln

§ 7.

Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

(…)

3. Abschnitt

Elektronische Zustellung

Anwendungsbereich

§ 28.

(1) Soweit die für das Verfahren geltenden Vorschriften nicht anderes bestimmen, ist eine elektronische Zustellung nach den Bestimmungen dieses Abschnitts vorzunehmen.

(2) Die elektronische Zustellung der ordentlichen Gerichte richtet sich nach den §§ 89a ff des Gerichtsorganisationsgesetzes – GOG, RGBl. Nr. 217/1896. Im Anwendungsbereich der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, und des Zollrechts (§ 1 Abs. 2 und im erweiterten Sinn gemäß § 2 Abs. 1 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes – ZollR-DG, BGBl. Nr. 659/1994) richtet sich die elektronische Zustellung nach der BAO und den einschlägigen zollrechtlichen Vorschriften.

(3) Die elektronische Zustellung hat über eine elektronische Zustelladresse gemäß § 37 Abs. 1 iVm. § 2 Z 5, durch unmittelbare elektronische Ausfolgung gemäß § 37a oder durch eines der folgenden Zustellsysteme zu erfolgen:

1.       zugelassener Zustelldienst gemäß § 30,

2.       Kommunikationssystem der Behörde gemäß § 37,

3.       elektronischer Rechtsverkehr gemäß den §§ 89a ff GOG,

4.       vom Bundeskanzler zur Verfügung gestellte IKT-Lösungen und IT-Verfahren für das Personalmanagement.

Die Auswahl des Zustellsystems obliegt dem Absender.

(4) Elektronische Zustellungen mit Zustellnachweis sind ausschließlich durch Zustellsysteme gemäß Abs. 3 Z 1 und 3 sowie im Fall des § 37a zweiter Satz zulässig.“

V.       Erwägungen:

Zunächst wird festgehalten, dass sich die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses auf einen mündlich verkündeten Bescheid vom 11.10.2020 bezieht. Dazu wird einerseits festgehalten, dass dem vorgelegten Akt eine Niederschrift über die mündliche Verkündung eines Bescheides nicht zu entnehmen ist. Inhalt und Verkündung eines mündlichen Bescheides sind aber nach § 62 Abs 2 AVG in einer Niederschrift zu beurkunden. Existiert eine entsprechende Niederschrift nicht, liegt auch kein rechtmäßiger Bescheid vor.

Soweit die belangte Behörde allenfalls einen telefonisch erlassenen Bescheid gemäß § 46 Abs 2 EpiG vor Augen hatte so wird darauf hingewiesen, dass dieser gemäß § 46 Abs 2 EpiG lediglich für 48 Stunden gültig ist. Eine durch § 46 Abs 3 EpiG vorgesehene Beurkundung der telefonischen Erlassung ist dem Akt der belangten Behörde nicht zu entnehmen. Eine länger andauernde Absonderung – und somit eine, die zum angelasteten Tatzeitpunkt noch aufrecht gewesen wäre – wäre darüber hinaus nur dann rechtmäßig verfügt, wenn rechtzeitig ein schriftlicher Bescheid erlassen worden wäre.

Zur Frage der Rechtmäßigkeit des Absonderungsbescheides vom 13.10.2020 wird festgehalten, dass dieser Absonderungsbescheid nicht entsprechend den Bestimmungen des ZustG zugestellt wurde. So normiert § 28 Abs 4 ZustG ausdrücklich, dass elektronische Zustellungen mit Zustellnachweis – ein solcher war hier im Lichte des § 22 AVG erforderlich – ausschließlich durch ein Zustellsystem iSd § 28 Abs 3 ZustG zulässig sind. Eine derartige Zustellung ist allerdings durch unmittelbare Übermittlung an eine Email Adresse durch die belangte Behörde nicht erfolgt. Zumal dem vorliegenden Akt auch keinerlei Feststellungen entnommen werden können, dass der Bescheid der gesetzlichen Vertreterin tatsächlich zugekommen ist, ist nicht erkennbar, inwiefern eine Heilung dieses Zustellmangels gemäß § 7 ZustG eingetreten ist und der Bescheid somit überhaupt erlassen wurde.

Weitere Feststellungen zur Frage, in wie fern überhaupt eine aufrechte Absonderung vorgelegen ist, sind allerdings im vorliegenden Fall aus nachstehenden Gründen entbehrlich:

Dem Beschwerdeführer wird eine Übertretung nach § 40 Epidemiegesetz zur Last gelegt, wobei die belangte Behörde dem Beschwerdeführer nicht die unmittelbare Tatbegehung zur Last legt, sondern vorwirft, dass er vorsätzlich eine Verwaltungsübertretung veranlasst bzw seinem mj. Sohn die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert habe.

Mit dieser Feststellung hatte die belangte Behörde offensichtlich einen Strafvorwurf nach § 7 VStG vor Augen.

Ein wegen Beihilfe gemäß § 7 VStG verurteilendes Straferkenntnis hat gemäß der Judikatur des VwGH (vgl VwGH 30.06.1999, 99/04/0040) in seinem § 44a lit a VStG (Anm.: nunmehr § 44 a Z 1 VStG) betreffenden Spruchteil unter anderem sowohl jene Tatumstände in konkretisierter Form zu umschreiben, welche eine Zuordnung der Tat des Haupttäters zu der durch seine Tat verletzten Verwaltungsvorschrift ermöglichen, als auch jenes konkrete Verhalten des Beschuldigten darzustellen, durch welches der Tatbestand der Beihilfe hiezu verwirklicht wird. Dazu gehört der konkrete Tatvorwurf, der die Annahme rechtfertigt, der Beschuldigte habe die Tat vorsätzlich begangen.

Festgehalten wird, dass ein derartiger Tatvorwurf im vorliegenden Fall von der belangten Behörde nicht erhoben wird. So beschränkt sich der Tatvorwurf darauf, dass dem Beschwerdeführer zur Last gelegt wird, dass er die Übertretung veranlasst bzw die Begehung durch seinen mj. Sohn erleichtert habe. Durch was diese Veranlassung erfolgt ist bzw auf welche Art und Weise die Erleichterung der Begehung der Übertretung durch seinen Sohn erfolgt ist, legt die belangte Behörde nicht dar.

Festgehalten wird, dass sich ein entsprechender Anhaltspunkt aus der Anzeige der PI W vom 28.10.2020 ergeben würde, wonach festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer mit seinem Sohn mit dem PKW nach Innsbruck gefahren sei. Dieses Sachverhaltselement wurde dem Beschwerdeführer allerdings innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist nicht zur Last gelegt und insbesondere auch nicht im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses dargelegt, in wie fern dadurch eine vorsätzliche Beitragstäterschaft bzw Anstiftung realisiert wurde.

Aus diesem Grund ist die dem Beschwerdeführer zur Last gelegt Tat im Sinne des § 44a Z 1 VStG mangelhaft konkretisiert worden. Da dem Beschwerdeführer die Art und Weise der Veranlassung bzw Erleichterung der Verwaltungsübertretung durch seinen Sohn innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist nicht zur Last gelegt wurde, war das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren aufgrund eingetretener Verfolgungsverjährung gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG einzustellen.

Vor diesem Hintergrund konnte gemäß § 44 Abs 2 VwGVG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. So wird zur Frage der notwendigen Spruchkonkretisierung bei einem Tatvorwurf nach § 7 VStG auf die in der Begründung zitierte Judikatur verwiesen. Im Übrigen ergibt sich die eingetretene Verfolgungsverjährung bereits aus der zitierten Rechtslage.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Dünser

(Richter)

Schlagworte

Absonderungsadresse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.15.0563.1

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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