TE Vwgh Erkenntnis 1996/7/11 95/07/0217

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Veröffentlicht am 11.07.1996
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Index

L66507 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Tirol;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
20/11 Grundbuch;
80/06 Bodenreform;

Norm

ABGB §1500;
FlVfGG §44 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §81 Abs1;
GBG 1955 §20;
GBG 1955 §21;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde des E in K, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 28. September 1995, Zl. LAS-408/9-93, betreffend Feststellung im Zusammenlegungsverfahren P, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1995, Zl. 94/07/0026, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom 16. Dezember 1993, mit welchem im Instanzenzug festgestellt wurde, daß das dem Beschwerdeführer gehörige Grundstück Nr. 669/1 der Liegenschaft EZ 455, KG P., in das mit Bescheid vom 18. März 1965 eingeleitete Zusammenlegungsverfahren P. einbezogen ist, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im wesentlichen wurde hiezu in der Begründung ausgeführt, daß entgegen der von der belangten Behörde im aufgehobenen Bescheid vertretenen Rechtsansicht das Vertrauen auf die Vollständigkeit des Buchstandes auch für den gutgläubigen Erwerber eines durch einen hoheitsrechtlichen Verwaltungsakt in das Zusammenlegungsverfahren einbezogenen Grundstückes - wie des hier gegenständlichen - auf Grund der bestehenden Gesetzeslage gewährleistet ist. Ausgehend von ihrer als rechtsirrig erkannten Rechtsansicht hatte die belangte Behörde Feststellungen darüber unterlassen, ob der Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall das von ihm auf Grund des Kaufvertrages vom 13. Jänner 1987 erworbene Grundstück Nr. 669/1, KG P., tatsächlich im guten Glauben ohne die festgestellte Eigentumsbeschränkung (Einleitung des Zusammenlegungsverfahrens mit der im § 81 Abs. 1 2. Satz Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetz umschriebenen Wirkung) erworben hat.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 28. September 1995 hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Argrarbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung (AB) vom 11. August 1993, mit welchem festgestellt wurde, "daß das Gst 669/1 in EZ 455 GP P. in das mit Bescheid vom 18. März 1965, IIIb2-460/2 eingeleitete Zusammenlegungsverfahren P. einbezogen ist", neuerlich als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde führte in der Begründung aus, die Tatsache, daß in P ein Zusammenlegungsverfahren anhängig sei, sei allgemein bekannt. Auch dem Beschwerdeführer sei diese Tatsache bekannt gewesen. Er sei anläßlich des Kaufes des Grundstückes Nr. 699/1 mit Vertrag vom 13. Jänner 1987 der irrigen Meinung gewesen, daß der im Norden über dieses Grundstück führende und von der Zusammenlegungsgemeinschaft als gemeinsame Maßnahme errichtete Weg das von ihm gekaufte Grundstück nicht mehr berühre. Der Beschwerdeführer bringe selbst vor, daß ihm die Grenzen des von ihm gekauften Grundstückes nicht bekannt gewesen seien. Das Grundstück, welches neben seinem Heimathof liege, habe er sehr wohl gekannt und habe er auch wahrgenommen, daß in diesem Bereich ein Weg verlaufe. Er habe jedoch nicht damit gerechnet, daß dieser im Zuge des Zusammenlegungsverfahrens errichtete Weg in sein Grundstück hineinreiche. Zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses sei dieses Grundstück bereits vermessen gewesen; der Beschwerdeführer habe sich jedoch um die "Eckpunkte dieses Grundstückes in der Natur nicht gekümmert", da keine Grenzsteine vorhanden gewesen seien. Informiere sich ein Käufer beim Kauf eines Grundstückes nicht über die Grenzen desselben und unterliege er diesbezüglich einem Irrtum insoweit, daß ein im Zuge der Zusammenlegung errichteter Weg auch sein Grundstück berühre, müsse ihm dies als Mangel an gehöriger Aufmerksamkeit angelastet werden. Bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte er sehr wohl erkennen können und müssen, daß ein als gemeinsame Anlage errichteter Weg über sein Grundstück führe und das von ihm gekaufte Grundstück in das Zusammenlegungsverfahren P. einbezogen sei. Im übrigen sei das gesamte Ortsgebiet von P. der Zusammenlegung unterzogen. Es wäre grotesk und nicht einsehbar, daß ein einzelnes Grundstück, das mitten im Zusammenlegungsgebiet liege, nicht der Zusammenlegung unterzogen sein sollte. Hätte der Beschwerdeführer die nötige Sorgfalt an den Tag gelegt, hätte er erkennen müssen, daß über das von ihm gekaufte Grundstück ein Weg führe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht verletzt, "mit seinem Grundstück Nr. 669/1 Grundbuch P. nicht in das Zusammenlegungsverfahren P. einbezogen zu sein".

Die belangte Behörde gehe - wird in der Beschwerde ausgeführt - zu Unrecht davon aus, daß der Beschwerdeführer bei Zugrundelegung der nötigen Sorgfalt erkennen hätte müssen, daß über das von ihm gekaufte Grundstück ein Weg führe. Der Umfang der dem Erwerber eines Grundstückes obliegenden Sorgfaltspflicht bestimme sich jedoch nach der Verkehrsübung. Im allgemeinen sei der Erwerber nicht gehalten, die Richtigkeit des Grundbuchsstandes durch eigene Nachforschungen zu prüfen, weil dies den Wert des Grundbuches in Frage stellen würde. Anders sei die Sachlage nur dann, wenn sich aus konkreten Umständen Bedenken gegen die Richtigkeit ergeben müßten. Dem Beschwerdeführer sei beim Kauf des Grundstückes im Ausmaß von 1184 m2 bekannt gewesen, daß dieses im Jahre 1980 in Bauland umgewidmet worden sei. Auf Grund der mit Beschluß des Gemeinderates der Gemeinde P. erfolgten Umwidmung habe der Beschwerdeführer davon ausgehen können, daß die Bebaubarkeit der Liegenschaft in keiner Weise eingeschränkt sei. Insbesondere wäre, falls ein öffentlicher Weg über die Liegenschaft verlaufe, dieser im Widmungsplan entsprechend auszuweisen gewesen. Der Beschwerdeführer habe daher darauf vertraut, daß ihm ein 1184 m2 großer, bebaubarer Grund zur Verfügung stehe. Auf Grund seiner Erkundigungen im Grundbuch habe er davon ausgehen können, daß die Liegenschaft lastenfrei sei. Die Grundstücksgrenzen seien in der Natur nicht vermarkt gewesen, sodaß der Beschwerdeführer zu Recht davon ausgehen habe können, seine Liegenschaft schließe im Süden an den Weg an. Er habe keinen Anlaß gehabt, selbst eine Vermessung und Vermarkung seines Grundstückes in Auftrag zu geben. Der Beschwerdeführer sei der Meinung gewesen, daß Baugrundstücke in das Zusammenlegungsverfahren nicht einbezogen würden. Zudem habe er sich kaum in P., sondern hauptsächlich in K. aufgehalten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit dem das Zusammenlegungsverfahren P. einleitenden Bescheid der AB vom 18. März 1965 wurden die Grundstücke Nr. 91 und 669 der Liegenschaft EZ 97 II, KG P., in das Zusammenlegungsgebiet einbezogen. Nach Teilung des Grundstückes Nr. 669/2 erwarb der Beschwerdeführer das neu gebildete Grundstück Nr. 669/1 mit Kaufvertrag vom 13. Jänner 1987 inneliegend der Liegenschaft EZ 455, KG P. Die Ersichtlichmachung der Einleitung des Zusammenlegungsverfahrens war zu diesem Zeitpunkt in der Liegenschaft EZ 455, KG P. nicht eingetragen. Entscheidungswesentlich für die gegenständliche Beschwerdesache ist somit, ob der Beschwerdeführer das vorgenannte Grundstück im Vertrauen auf das öffentliche Buch ohne die öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung der Einleitung des Zusammenlegungsverfahrens gutgläubig erworben hat.

Bereits im hg. Vorerkenntnis vom 23. Mai 1995, 94/07/0026, wurde darauf hingewiesen, daß der Vertrauensgrundsatz demjenigen nicht zugute kommt, der bei gehöriger Aufmerksamkeit die Abweichung des Buchstandes von der wahren Rechtslage kennen konnte. Fahrlässigkeit (auch leichte) schließt den guten Glauben aus. Insbesondere ist der Erwerber einer Liegenschaft zu Nachforschungen verpflichtet, wenn sich aus den besonderen Umständen Bedenken gegen die Vollständigkeit des Grundbuchs ergeben. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn sichtbare Anlagen auf dem Grund oder sonstige Einrichtungen oder Vorgänge, die man von dort aus bei einiger Aufmerksamkeit wahrnehmen kann, ein Abweichen vom Grundbuchsstand vermuten lassen (vgl. hiezu Schubert in Rummel2, Rz. 3 zu § 1500 ABGB m. w.N.; siehe auch das zum Bestehen einer Dienstbarkeit ergangene Urteil des Obersten Grichtshofes vom 22. Februar 1984, SZ 57/38).

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid u.a. festgestellt, dem Beschwerdeführer sei die Lage und der Verlauf des als gemeinsame Anlage im Rahmen des Zusammenlegungsverfahrens errichteten Weges bekannt gewesen und er habe auch vom anhängigen Zusammenlegungsverfahren Kenntnis gehabt. Daß diese Sachverhaltsfeststellungen Ergebnis einer unschlüssigen Beweiswürdigung oder eines mangelhaften Verfahrens wären, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Bei diesem Sachverhalt konnte die belangte Behörde ohne Rechtsirrtum davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer im Sinne der oben dargestellten Rechtslage nicht alle zumutbaren Nachforschungen über die sein Grundstück betreffende wahre, vom Grundbuchsstand abweichende Rechtslage vorgenommen hat. Jedenfalls wäre der Beschwerdeführer bei der gegebenen Sachlage verpflichtet gewesen, konkrete Erhebungen darüber anzustellen, ob das von ihm gekaufte Grundstück in das Zusammenlegungsverfahren P. mit einbezogen worden ist, in welchem Stadium sich dieses Zusammenlegungsverfahren befindet und welche Maßnahmen im Rahmen des Zusammenlegungsverfahrens bereits durchgeführt worden sind. Keinesfalls reichten "Erkundigungen" beim zuständigen Grundbuchsgericht im vorliegenden Fall aus.

Der Beschwerdeführer hat somit das gegenständliche Grundstück mit der öffentlich-rechtlichen Beschränkung der Einleitung des Zusammenlegungsverfahrens erworben. Gemäß der im § 81 Abs. 1 2. Satz TFLG 1978 angeordneten Wirkung hat der Beschwerdeführer damit die Ergebnisse des Zusammenlegungsverfahrens gegen sich gelten zu lassen. Die von den Agrarbehörden getroffene Feststellung, das Grundstück des Beschwerdeführers sei in das Zusammenlegungsverfahren P. einbezogen, erfolgte ohne Rechtsirrtum.

Die unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995070217.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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