TE Vwgh Erkenntnis 2022/2/23 Ra 2021/07/0016

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Veröffentlicht am 23.02.2022
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E3R E03201000
E3R E03301000
E3R E03600500
E3R E14500000
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
55 Wirtschaftslenkung

Norm

AVG §56
AVG §8
AVG §9
EURallg
MOG 2007
VwGG §42 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwRallg
32009R0073 GAP-Beihilfen Art2 lita
32009R1122 GAP-BeihilfenDV Art15
32009R1122 GAP-BeihilfenDV Art18
32009R1122 GAP-BeihilfenDV Art20
32009R1122 GAP-BeihilfenDV Art21

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler, Mag. Haunold, Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der A C in Z, vertreten durch die Muhri & Werschitz Partnerschaft von Rechtsanwälten GmbH in 8010 Graz, Neutorgasse 47, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23. Dezember 2020, Zlen. W118 2206463-1/7E und W118 2206464-1/7E, betreffend einheitliche Betriebsprämie für die Jahre 2010 und 2011 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Vorstand für den Geschäftsbereich II der Agrarmarkt Austria), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Dem Revisionsverfahren liegen Verfahren zur einheitlichen Betriebsprämie für die Antragsjahre 2010 und 2011 zugrunde.

2        Antragsjahr 2010:

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. Dezember 2010 wurde der „C Gutsverwaltung“ auf Grund eines Antrages vom 6. Mai 2010 für das Antragsjahr 2010 eine einheitliche Betriebsprämie in Höhe von € 15.810,95 gewährt.

3        Mit Abänderungsbescheid der belangten Behörde vom 18. Dezember 2014 wurde der Antrag der „C Gutsverwaltung“ auf Gewährung der einheitlichen Betriebsprämie 2010 von der belangten Behörde abgewiesen; ein Betrag in Höhe von € 15.810,95 wurde rückgefordert. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde aberkannt.

4        In der Begründung wurde ausgeführt, dass anlässlich einer Vor-Ort-Kontrolle vom 24. Juli 2014 Flächenabweichungen von über 20 % festgestellt worden seien. Eine Beihilfe könne somit nicht gewährt werden.

5        In Stattgebung der hiegegen erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes vom 17. Juni 2016 gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.

6        Mit Bescheid der belangten Behörde vom 21. Dezember 2016 wurde der Antrag der „C Gutsverwaltung“ auf Gewährung der einheitlichen Betriebsprämie 2010 erneut abgewiesen; ein Betrag in Höhe von € 15.810,95 wurde rückgefordert. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde neuerlich aberkannt.

7        Eine hiegegen erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes vom 4. Oktober 2017 zurückgewiesen. Begründend wurde insbesondere ausgeführt, die „C Gutsverwaltung“ sei mangels Rechtsfähigkeit kein tauglicher Bescheidadressat. Der angefochtene „Bescheid“ sei daher nicht wirksam erlassen worden. Die Revisionswerberin selbst sei nicht Partei des Verwaltungsverfahrens.

8        Mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. April 2018 wurde der Antrag vom 6. Mai 2010 auf Gewährung der einheitlichen Betriebsprämie 2010 neuerlich abgewiesen; ein Betrag in Höhe von € 15.810,95 wurde wieder rückgefordert und die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde aberkannt.

9        Antragsjahr 2011:

Mit Bescheid vom 26. April 2012 gewährte die belangte Behörde der „C Gutsverwaltung“ auf Grund eines Antrages vom 9. Mai 2011 für das Antragsjahr 2011 eine einheitliche Betriebsprämie in Höhe von € 17.019,94.

Mit Abänderungsbescheid der belangten Behörde vom 29. Jänner 2015 wurde der Antrag vom 9. Mai 2011 auf Gewährung der einheitlichen Betriebsprämie 2011 abgewiesen. Ein Betrag in Höhe von € 17.019,94 wurde rückgefordert. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde aberkannt.

10       In der Begründung wurde ausgeführt, dass anlässlich einer Vor-Ort-Kontrolle vom 30. November 2011 Flächenabweichungen von über 20 % festgestellt worden seien. Somit könne keine Beihilfe gewährt werden.

11       In Stattgebung einer hiegegen erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes vom 17. Juni 2016 der bekämpfte Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.

12       Mit Bescheid vom 21. Dezember 2016 wurde der Antrag vom 9. Mai 2011 auf Gewährung der einheitlichen Betriebsprämie 2011 erneut abgewiesen. Ein Betrag in Höhe von € 17.019,94 wurde rückgefordert. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde wiederum aberkannt.

13       Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes vom 4. Oktober 2017 zurückgewiesen.

14       Begründend wurde insbesondere ausgeführt, die „C Gutsverwaltung“ sei mangels Rechtsfähigkeit kein tauglicher Bescheidadressat. Der angefochtene „Bescheid“ sei daher nicht rechtswirksam erlassen worden. Die Revisionswerberin sei nicht Partei des Verwaltungsverfahrens.

15       Mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. April 2018 wurde der Antrag vom 9. Mai 2011 auf Gewährung der einheitlichen Betriebsprämie 2011 neuerlich abgewiesen. Ein Betrag in Höhe von € 17.019,94 wurde wiederum rückgefordert und die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde aberkannt.

16       Gegen die beiden Bescheide der belangten Behörde vom 18. April 2018 betreffend die Antragsjahre 2010 und 2011 erhob die Revisionswerberin Beschwerden an das Verwaltungsgericht.

17       Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht in Spruchpunkt A) I. die Beschwerden gegen diese Bescheide mit der Maßgabe ab, „dass die Anträge auf Gewährung der einheitlichen Betriebsprämie für die Jahre 2010 und 2011 zurückgewiesen werden“.

18       Im Spruchpunkt A) II. des angefochtenen Erkenntnisses wurde der belangten Behörde gemäß § 19 Abs. 3 MOG 2007 aufgetragen, die entsprechenden Berechnungen gemäß Spruchpunkt A) I. durchzuführen und das Ergebnis der Revisionswerberin „bescheidmäßig mitzuteilen“.

19       Im Spruchpunkt B) des angefochtenen Erkenntnisses erklärte das Verwaltungsgericht die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG als nicht zulässig.

20       In den Entscheidungsgründen hielt es zunächst fest, dass die Revisionswerberin als Vertreterin der „C Gutsverwaltung“ am 6. Mai 2010 bzw. am 9. Mai 2011 einen Mehrfachantrag-Flächen für die Antragsjahre 2010 bzw. 2011 gestellt habe. Der Betrieb sei in den verwaltungsgegenständlichen Antragsjahren von der Revisionswerberin selbst bewirtschaftet worden.

21       Den bezughabenden Mehrfachanträgen-Flächen für die Antragsjahre 2010 und 2011 sei klar zu entnehmen, dass als Antragstellerin jeweils die „C Gutsverwaltung“ angegeben worden sei und die Revisionswerberin ausdrücklich als deren Vertretungsbefugte unterzeichnet habe. Eine Antragstellung der Revisionswerberin im eigenen Namen sei nicht erfolgt.

22       Die Revisionswerberin habe in einem an die belangte Behörde gerichteten Schreiben vom 29. November 2017 selbst angeführt, dass sie Bewirtschafterin des Betriebes sei. Bei der „C Gutsverwaltung“ handle es sich um keine natürliche Person, sondern um den „namentlichen Nachlass“ des verstorbenen Ehegatten der Revisionswerberin.

23       In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, dass Voraussetzung für die Gewährung der einheitlichen Betriebsprämie die Nutzung der Zahlungsansprüche mit einem entsprechenden Ausmaß von beihilfefähiger Fläche sei.

24       Im vorliegenden Fall sei die Revisionswerberin dem Ergebnis einer im Jahr 2014 durchgeführten Vor-Ort-Kontrolle und den auf dieser Basis seitens der belangten Behörde vorgenommenen Kürzungen und Ausschlüssen entgegengetreten. Sie habe in den verfahrensgegenständlichen Beschwerden im Wesentlichen vorgebracht, dass die belangte Behörde die tragenden Gründe der zurückverweisenden Entscheidungen vom 17. Juni 2017 und die dort dargelegte Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes rechtswidrigerweise nicht beachtet und gleichlautende Bescheide erlassen habe.

25       Wie jedoch bereits aus den Beschlüssen des Verwaltungsgerichtes vom 4. Oktober 2017 hervorgehe, stelle sich gegenständlich zunächst die Frage der Rechtsfähigkeit der „C Gutsverwaltung“, die mit den genannten Beschlüssen dahingehend verneint worden sei, dass die „C Gutsverwaltung“ keine taugliche Adressatin eines Bescheides sei.

26       Die nunmehr angefochtenen Bescheide seien - so führt das Verwaltungsgericht in seinen Entscheidungsgründen weiter aus - nicht mehr an die Gutsverwaltung, sondern an die Revisionswerberin, eine natürliche Person, adressiert worden; daher seien die nunmehrigen, rechtzeitig eingebrachten Beschwerden als zulässig anzusehen. Da die „C Gutsverwaltung“ allerdings auch auf den verfahrenseinleitenden Mehrfachanträgen-Flächen 2010 (vom 6. Mai 2010) und 2011 (vom 9. Mai 2011) als Antragstellerin aufscheine und die Revisionswerberin lediglich als deren Vertreterin unterschrieben habe, sei auch für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerden die Rechtsfähigkeit der genannten Gutsverwaltung zu prüfen:

27       Gemäß § 8 AVG seien Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nähmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde beziehe, Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruchs oder eines rechtlichen Interesses beteiligt seien, Parteien.

28       Insoweit die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten in Frage komme, sei sie gemäß § 9 AVG von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt sei, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen.

29       Der Parteibegriff des AVG werde durch die Definition des Betriebsinhabers in Art. 2 lit. a der VO (EG) 73/2009 modifiziert, weshalb auch etwa eine Ehegemeinschaft oder eine Gesellschaft nach bürgerlichem Recht im Anwendungsbereich dieser Bestimmung als Partei anzusehen sei.

30       Im vorliegenden Fall - wie die Revisionswerberin in der Stellungnahme vom 8. Juli 2020 selbst dargelegt habe - besitze die Erbmasse, in die nach dem Ableben des Ehemanns der Revisionswerberin auch die bezughabende Landwirtschaft falle, zunächst eigene Rechtspersönlichkeit. In einem gewissen Zeitraum seien offenbar irrtümlich auch nach Einantwortung der Revisionswerberin Anträge auf Gewährung der einheitlichen Betriebsprämie im Namen der „C Gutsverwaltung“ gestellt worden.

31       Die juristische Person Verlassenschaft (der Nachlass) höre als Rechtssubjekt mit der Einantwortung zu existieren auf.

32       Damit habe zum Zeitpunkt der Antragstellungen für die Jahre 2010 und 2011 der ruhende Nachlass bereits - unstrittig - seine rechtliche Existenz verloren. Bei der „C Gutsverwaltung“ handle es sich darüber hinaus auch nicht um eine natürliche oder juristische Person oder eine Vereinigung natürlicher oder juristischer Personen, wie auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. Juni 2018, A 13/2016, dargelegt habe. Ausgehend vom unionsrechtlich geprägten Begriff des Betriebsinhabers bestehe für den Verfassungsgerichtshof nämlich kein Zweifel, dass die „C Gutsverwaltung“ nicht als Betriebsinhaberin qualifiziert werden könne, zumal es sich dabei nicht um eine natürliche oder juristische Person oder um eine Vereinigung solcher Personen handle.

33       Die Anträge auf Gewährung der einheitlichen Betriebsprämie für die Antragsjahre 2010 und 2011 seien sohin nicht von der hiezu berechtigten Betriebsinhaberin gestellt worden.

34       Entgegen den Ausführungen der Revisionswerberin, dass es sich lediglich um einen „Formalfehler“ handle, sei vor diesem Hintergrund festzuhalten, dass es bei Bescheiderlassung durch die belangte Behörde auf Grund des Fehlens eines Antrags der Betriebsinhaberin vielmehr an einer Prozessvoraussetzung mangle.

35       Auch eine Anwendung von Art. 21 VO (EG) Nr. 1122/2009, demzufolge ein Beihilfeantrag nach seiner Einreichung jederzeit berichtigt werden könne, wenn die zuständige Behörde offensichtliche Irrtümer anerkenne, komme im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Grundsätzliche Voraussetzung für die Anerkennung eines offensichtlichen Irrtums sei nämlich die Widersprüchlichkeit des Antrages in sich, der dem sorgfältigen Betrachter ins Auge springen müsse, wie etwa „Ziffernstürze“.

36       Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass für den vorliegenden Fall zwar keine einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege. Die Rechtslage erscheine „jedoch so eindeutig“, dass von einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht gesprochen werden könne.

37       Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

38       Die belangte Behörde erstattete im Rahmen des vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahrens eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragte.

39       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

40       In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird vorgebracht, das Verwaltungsgericht vermeine, dass die Antragstellung für die Mehrfachanträge der Jahre 2010 und 2011 nicht durch die Revisionswerberin, sondern die „C Gutsverwaltung“, erfolgt sei. Tatsächlich seien die Mehrfachanträge jedoch von der Revisionswerberin als natürliche Person gestellt und von dieser auch unterfertigt worden. Dabei sei es unerheblich, dass im Vordruck der Mehrfachflächen-Anträge der Jahre 2010 und 2011 die „C Gutsverwaltung“ abgedruckt sei. Die Vordrucke stammten von der Behörde. Diese habe selbst die „C Gutsverwaltung“ als ein - unstrittig - rechtlich nicht existentes Gebilde auf den Förderanträgen vorgedruckt. Die Förderanträge seien jedoch von der Revisionswerberin als natürliche Person und tatsächliche Bewirtschafterin unterfertigt worden. Maßgeblich für die Rechtmäßigkeit der Beurteilung der Antragstellung sei nicht die Bezeichnung im Vordruck derBehörde, sondern die Unterfertigung des Antrages durch die Revisionswerberin.

41       Es liege keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Themenkomplex vor, inwiefern eine von der Behörde selbst durchgeführte - wohl irrtümlich - unrichtige Bezeichnung der Bewirtschafterin sich derart zum Nachteil der tatsächlichen Bewirtschafterin auswirke, dass die Förderanträge nachträglich nach über zehn Jahren rückwirkend zurückgewiesen würden; dies ungeachtet der Tatsache, dass die Förderanträge von der Revisionswerberin (im eigenen Namen) als der tatsächlich berechtigten Bewirtschafterin unterfertigt worden seien.

42       Die „C Gutsverwaltung“ besitze auch keine Bankverbindung und kein Vermögen. Die Behörde habe einen (formal) unrichtigen Behördenvordruck angefertigt. Dieser Umstand könne nicht gänzlich zu Lasten der Revisionswerberin gehen. Richtigerweise seien die Förderanträge von der Revisionswerberin ungeachtet des unrichtigen Behördenvordrucks als natürliche Person und tatsächliche Bewirtschafterin unterfertigt worden.

43       Überdies fehle es - soweit überschaubar - an höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage, ob die Interessen der Behörde derart überwögen, dass Förderanträge aus den Jahren 2010 und 2011 nach über zehn Jahren mit der Begründung zurückgewiesen werden könnten, dass als Bewirtschafterin ein nicht existentes Rechtsgebilde am Förderantrag genannt sei. Dabei bleibe völlig unberücksichtigt, dass das nicht existente Rechtsgebilde von der Behörde „selbst vorgedruckt“, der Förderantrag jedoch von der tatsächlich berechtigten Bewirtschafterin (als natürliche Person) - nämlich der Revisionswerberin - im eigenen Namen unterfertigt sei.

44       Ferner fehle es an einer - soweit überschaubar - höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Frage, ob im konkreten Fall, in dem auf einen Förderantrag ein offensichtlich nicht rechtlich existentes Gebilde von der Behörde vorgedruckt, der Förderantrag jedoch im eigenen Namen von der hierzu tatsächlich natürlich berechtigten Betriebsinhaberin unterfertigt sei, Art. 21 VO (EG) Nr. 1122/2009, demzufolge eine Beihilfenantrag nach seiner Einreichung jederzeit berichtigt werden könne, zur Anwendung gelange.

45       Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

46       Die „C Gutsverwaltung“ ist weder rechts- noch parteifähig. Damit kommt sie als Bescheidadressat nicht in Betracht (VwGH 29.11.1993, 93/10/0181; den Fall der Revisionswerberin betreffend VfGH 27.6.2018, A 13/2016).

47       Im vorliegenden Revisionsfall führen die Bescheide der belangten Behörde vom 18. April 2018 betreffend die einheitliche Betriebsprämie 2010 und 2011 als Bescheidadressaten die Revisionswerberin an. In einem Klammerausdruck ist die „C Gutsverwaltung“ angeführt. Diese Bescheide können im Hinblick auf die mangelnde Parteifähigkeit der „Gutsverwaltung“ nur so verstanden werden, dass sie sich an die Revisionswerberin richten (vgl. VwGH 29.11.1993, 93/10/0167).

48       Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem bereits zitierten, die Revisionswerberin betreffenden Erkenntnis vom 27. Juni 2018, A 13/2016, ausführt, ergibt sich aus der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 (vgl. etwa Art. 15, 18 und 20 leg. cit.) iVm dem Marktordnungsgesetz 2007 (vgl. etwa § 8 leg. cit.), dass unter anderem die einheitliche Betriebsprämie durch den Betriebsinhaber zu beantragen und diesem bei Erfüllung der Voraussetzungen zu gewähren ist.

49       In der - für die revisionsgegenständlichen Antragsjahre maßgeblichen und zwischenzeitig außer Kraft getretenen - Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates vom 19. Jänner 2009 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1290/2005, (EG) Nr. 247/2006, (EG) Nr. 378/2007 sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003, wurde in Art. 2 lit. a bestimmt, dass der Begriff „‚Betriebsinhaber‘ eine natürliche oder juristische Person oder eine Vereinigung natürlicher oder juristischer Personen [bezeichnet], unabhängig davon, welchen rechtlichen Status die Vereinigung und ihre Mitglieder aufgrund nationalen Rechts haben, deren Betrieb sich im Gebiet der Gemeinschaft im Sinne des Art. 299 des Vertrages befindet und die eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausübt“.

50       Ausgehend von diesem unionsrechtlich geprägten Begriff des Betriebsinhabers bestand für den Verfassungsgerichtshof - wie auch für den Verwaltungsgerichtshof - kein Zweifel, dass die „C Gutsverwaltung“ nicht als Betriebsinhaberin qualifiziert werden kann, zumal es sich dabei nicht um eine natürliche oder juristische Person oder um eine Vereinigung solcher Personen handelt.

51       Die Revisionswerberin wendet sich in ihren Zulässigkeitsausführungen zunächst gegen die „rechtliche Würdigung“ des Verwaltungsgerichtes, wonach die Anträge auf Gewährung der einheitlichen Betriebsprämie für die Antragsjahre 2010 und 2011 nicht von der hiezu berechtigten Betriebsinhaberin gestellt worden seien.

52       Der Verwaltungsgerichtshof erachtet die Auslegung der revisionsgegenständlichen Anträge durch das Verwaltungsgericht als nicht korrekturbedürftig.

53       So scheint im Vordruck der Mehrfachanträge als Antragstellerin die nicht rechts- und parteifähige „C Gutsverwaltung“ auf. Die Revisionswerberin wird ausdrücklich als ihre Vertretungsbefugte bezeichnet. Entgegen den Zulässigkeitsausführungen der Revision sind die Anträge von der Revisionswerberin auch in nicht „in eigenem Namen unterfertigt“. Vielmehr findet sich unter der Unterschrift der Revisionswerberin ein Vordruck folgenden Inhalts: „Unterschrift der AntragstellerInnen bzw. Vertretungsbevollmächtigten“.

54       Wenn nun die Revisionswerberin im Vordruck als Vertretungsbefugte der „C Gutsverwaltung“ angeführt ist, ist die Auslegung des Verwaltungsgerichtes, wonach die Revisionswerberin nicht im eigenen Namen, sondern „lediglich als deren Vertreterin“ unterschrieben habe, angesichts des weiteren Vordrucks unmittelbar unter der Unterschrift der Revisionswerberin jedenfalls nicht zu beanstanden.

55       Auf das Zulässigkeitsvorbringen, wonach ein „nicht rechtlich existentes Gebilde von der Behörde vorgedruckt“ worden sei, ist vom Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Revisionsverfahren nicht einzugehen. Damit werden nämlich haftungsrechtliche Überlegungen angesprochen, die für die hier allein entscheidende Frage der Zurechnung der Anträge keine Bedeutung haben. Abgesehen davon bringt die Revisionswerberin nicht vor, dass ihr eine klarstellende Änderung des Vordrucks nicht möglich gewesen wäre.

56       Die Revisionswerberin beruft sich schließlich noch auf die Möglichkeit der Berichtigung offensichtlicher Irrtümer.

57       Art. 21 der für die betroffenen Antragsjahre maßgeblichen und zwischenzeitig außer Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 der Kommission vom 30. November 2009 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 73/2009 lautet wie folgt:

„Art. 21

Berichtigung offensichtlicher Irrtümer

Unbeschadet der Art. 11 bis 20 kann ein Beihilfeantrag nach seiner Einreichung jederzeit berichtigt werden, wenn die zuständige Behörde offensichtliche Irrtümer anerkennt.“

58       Diese Bestimmung gelangt im Revisionsfall nicht zur Anwendung. Als offensichtliche Irrtümer im Sinne dieser Bestimmung können nämlich unter anderem anerkannt werden: nicht ausgefüllte Felder oder fehlende Angaben, sofern diese schon bei einer einfachen Erstprüfung der Anträge erkennbar sind; Fehler in Form von Widersprüchen, die sich anlässlich einer eingehenderen Prüfung zeigen, bei der die Daten ein- und desselben Antrags miteinander verglichen werden wie z.B. Rechenfehler, Inkohärenz zwischen den Angaben auf demselben Formular, Erklärung einer Fläche für zwei Nutzungsarten (ausgleichsfähige Ackerfläche und Stilllegungsfläche) oder Ähnliches (Killmann, Gemeinschaftssanktionen im Agrarrecht als Vorläufer eines europäischen (Verwaltungs-) Strafrechts? in Norer/Holzer, Agrarrecht Jahrbuch 2010, 163; Anhammer, Marktordnungsrecht, in Norer, Handbuch des Agrarrechts, 2005, 107, unter Verweis auf das Arbeitsdokument der Kommission, AGR 49533/2002, zum Begriff offensichtlicher Irrtum gemäß Art. 12 VO 2419/2001).

59       Im Revisionsfall geht es um die Zurechnung eines Antrags im Zusammenhang mit einem nicht rechts- und parteifähigen Gebilde. Die Lösung einer solchen Frage erfordert eingehende rechtliche Überlegungen; diese Problematik ist keinesfalls mit jenen offensichtlichen materiellen Irrtümern vergleichbar, die in dem zitierten Arbeitsdokument der Kommission aufgezählt sind.

60       Die Revision erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

61       Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ist im vorliegenden Fall geklärt. Diesbezüglich werden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. So standen einem Entfall der Verhandlung im Hinblick auf die Rechtsprechung des EGMR weder Art. 6 EMRK noch Art. 47 GRC entgegen (vgl. VwGH 22.6.2016, Ro 2014/03/0067).

62       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 23. Februar 2022

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5 Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Parteibegriff - Parteienrechte Allgemein diverse Interessen Rechtspersönlichkeit Rechtsfähigkeit Parteifähigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021070016.L00

Im RIS seit

21.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

28.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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