TE OGH 2022/1/25 1Ob220/21s

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.01.2022
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. A* und 2. DI B*, beide vertreten durch Dr. Christopher Kempf, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, gegen die beklagte Partei H*, vertreten durch Dr. Silvia Anderwald, Rechtsanwältin in Spittal an der Drau, wegen Unterlassung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 5. August 2021, GZ 3 R 67/21v-15, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Spittal an der Drau, GZ 3 C 510/20z-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden mit der Maßgabe bestätigt, dass Punkt 1. des Urteils des Erstgerichts wie folgt lautet:

„Die beklagte Partei ist schuldig, es ab sofort zu unterlassen, die Quellfassung der Quelle II am Grundstück Nr. 75 KG* – ersichtlich aus der Beilage ./A, welche einen integrierenden Bestandteil dieses Urteils bildet – durch ein Schloss oder auf ähnliche Art und Weise für die Kläger unzugänglich zu machen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 917,02 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1]       Die Kläger sind Eigentümer eines bestimmten Grundstücks. Ihre Eltern hatten es im November 1989 gekauft und ihnen im Jahr 2013 mit Übergabsvertrag übertragen. Auf diesem Grundstück entspringt eine Quelle, die derzeit nur der Wasserversorgung des Anwesens des Beklagten dient. Die Rechtsvorgänger der Streitteile (einerseits derjenige, der dieses Grundstück den Eltern der Kläger verkaufte und der Vater des Beklagten, von dem er das Grundstück schenkungshalber erworben hat) hatten im Jahr 1979 vereinbart, dass der Vater des Beklagten zur „Wasserfassung“ und Ableitung dieser Quelle berechtigt ist. Aufgrund des zwischen den Eltern der Kläger und dem Beklagten geführten Verfahrens steht fest, dass dem Beklagten kein Wasserbezugsrecht zusteht, das über eine Wassernutzung von täglich 500 Litern hinausgeht. Die Dienstbarkeit wurde schließlich in diesem Umfang aufgrund eines gegenüber den Klägern ergangenen Anerkenntnisurteils auch im Grundbuch eingetragen. Die Quelle wurde durch einen vom Vater des Beklagten gekauften Kunststoffsammelbehälter gefasst, der von ihm in der Absicht, dass er dauerhaft an dieser Stelle bleibt, in der Erde so tief und fest vergraben (aber weder einbetoniert, noch mit Verankerungsschrauben im Erdreich fixiert) wurde, dass er nur mit erheblichem Aufwand wieder aus dem Erdreich ausgegraben werden könnte.

[2]       Im Jahr 2006 versperrte der Beklagte den Sammelbehälter durch Anbringung eines Vorhängeschlosses. Durch diese Absperrmaßnahme haben die Kläger keinen direkten Zugang zu ihrer Quelle. Weder gab es bisher Manipulationstätigkeiten an dieser Quelle noch eine behördliche Anordnung, die die Absperrung vorgeschrieben hätte. Durch diese Versperrung ist es nicht möglich, in den Innenbereich des Sammelbehälters bzw direkt zum Quellwasser zu gelangen oder direkt an der Quelle Messungen durchzuführen. Die Quellschüttung reicht nicht bloß zur Erfüllung der Dienstbarkeit in Höhe von 500 Liter pro Tag aus, sondern es ist darüber hinaus noch Wasser vorhanden, das für die Wasserversorgung des Anwesens der Kläger verwendet werden könnte.

[3]       Die Kläger begehren vom Beklagten die Unterlassung der Absperrung der Quellfassung. Dazu stützten sie sich auf mehrere Rechtsgründe. Sie behaupten, es stehe (abgeleitet aus dem Grundeigentum) die Quellfassung in ihrem Eigentum. Mit der Absperrung des Sammelbehälters erfolge eine über die Dienstbarkeit hinausgehende Beschränkung des Eigentumsrechts der Kläger an ihrer Quelle, die jedenfalls unzulässig sei. Eine Ersitzung habe nicht stattgefunden. Selbst wenn die Kläger nicht Eigentümer der Quellfassung wären, hindere der Beklagte sie durch das Absperren an der Nutzung ihrer Quelle. Zu ihrem „Hauptbegehren“ (der Beklagte sei schuldig, es ab sofort zu unterlassen, die im jeweiligen Hälfteeigentum der Kläger gelegene Quellfassung, der [näher umschriebenen und durch einen Plan der Lage nach konkretisierten] Quelle durch ein Schloss oder ähnliche Art und Weise abzusperren), erhoben sie ein „Eventualbegehren“ auf Unterlassung der Absperrung der Quellfassung dieser Quelle durch ein Schloss oder Ähnliches und Verhinderung der Nutzung der Kläger hierdurch.

[4]       Der Beklagte wendete (zusammengefasst) ein, er habe – selbst wenn die Kläger Eigentümer der Quellfassung wären – „das Eigentumsrecht bzw das ausschließliche Nutzungsrecht“ bereits ersessen, weil die Absperrung bereits seit über 30 Jahren gegeben sei und die Quellfassung seit mehr als 30 Jahren ausschließlich von ihm und seinem Rechtsvorgänger genutzt werde. Die Dienstbarkeit, das Wasser aus der Quelle zu beziehen und abzuleiten sei grundbücherlich eingetragen, sodass ein Anspruch der Kläger auf Unterlassung der Absperrung nicht bestehe. Die Quellfassung sei Zubehör seiner Wasserversorgungsanlage und eine Notwendigkeit der Nutzung der Quellfassung durch die Kläger nicht gegeben.

[5]       Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren statt und vertrat die Auffassung in der Absperrung des Sammelbehälters mit einem Schloss liege ein Eingriff des Beklagten „in das Eigentumsrecht der Kläger bzw die Anmaßung eine Dienstbarkeitserweiterung“.

[6]       Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es schloss sich der Ansicht, der Sammelbehälter stelle einen „unselbständigen Bestandteil der Quelle“ dar, an und sah im Absperren des Sammelbehälters eine Störung des Eigentumsrechts der Kläger, die nicht von der bestehenden Dienstbarkeit gedeckt sei. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR nicht aber 30.000 EUR übersteige und erklärte die ordentliche Revision mit der Begründung, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage des Eigentums an wasserrechtlichen Anlagen, für zulässig.

[7]       Der Beklagte strebt mit seiner dagegen erhobenen Revision die Abänderung der Urteile der Vorinstanzen dahin an, dass „das Klagebegehren vollinhaltlich abgewiesen werde“. Gegen die ihm aufgetragene Unterlassung wendet er sich mit den bereits in erster Instanz vorgetragenen Argumenten zum Eigentum an der Quellfassung als notwendiger Teil seiner Wasserversorgungsanlage, zumal sein Recht der Wassernutzung auch im Grundbuch eingetragen worden sei. Selbst wenn sein Eigentum am Quellsammelbehälter zu verneinen wäre, sei er in Ausübung seiner Dienstbarkeit berechtigt, zu deren Schutz erforderliche Maßnahmen zu ergreifen. Dazu behauptet er, es müsse doch die Möglichkeit bestehen, die entsprechende Wasserqualität durch Absperren (und damit die Verhinderung von Verunreinigungen) zu gewährleisten. Überdies hebt er hervor, dass sich Ausmaß der Dienstbarkeit und Umfang der dem Inhaber zustehenden Befugnisse nach dem Inhalt des Titels richteten, bei dessen Auslegung insbesondere der Zweck der Dienstbarkeit zur Zeit ihrer Einräumung zugrundezulegen sei. Bei Einräumung der Dienstbarkeit sei (mit Ausnahme des einem Nachbarn zur Verfügung zu stellenden Überwassers) keine Beschränkung vereinbart worden. Es sei daher nach der vorzunehmenden Interessenabwägung nicht von einer unzulässigen Dienstbarkeitserweiterung auszugehen.

[8]       Die Kläger weisen demgegenüber in der Revisionsbeantwortung darauf hin, dass ein ihnen gehörendes „Bauwerk“ vorliege, das vom Beklagten (bzw seinem Rechtsvorgänger) in „dauerhafter Belassungsabsicht“ errichtet worden sei. Wäre die Rechtsansicht des Beklagten richtig, so könnte er sie trotz seines beschränkten Nutzungsrechts mit der Errichtung (gemeint wohl: der Versperrung) des Sammelbehälters von der eigenen Quelle gänzlich ausschließen, obwohl ihnen die über 500 Liter pro Tag hinausgehende Wassermenge zur Nutzung zustehe. Sie seien, selbst wenn der Beklagte Eigentümer des Sammelbehälters wäre, berechtigt, das nicht von der Dienstbarkeit des Beklagten umfasste Wasser zu nutzen. Daraus folge, dass sie auch berechtigt seien, in den Sammelbehälter Einsicht zu nehmen, die Quelle zu überprüfen und aus dem Sammelbehälter das nicht von der Dienstbarkeit dem Beklagten zustehende Wasser zu beziehen bzw zu schöpfen. Er dürfe sie, die ihr Wasser auch tatsächlich nutzen wollten, vom Sammelbehälter daher nicht ausschließen.

Rechtliche Beurteilung

[9]       Die Revision des Beklagten ist nicht berechtigt und das Urteil des Berufungsgerichts mit einer Maßgabe zu bestätigen, wobei es auf die vom Berufungsgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage des Eigentums am Sammelbehälter im vorliegenden Fall gar nicht ankommt:

[10]     Ein Feststellungsbegehren dazu, dass ihnen am Sammelbehälter das Eigentumsrecht zustehe, haben die Kläger nicht gestellt. Sie haben vielmehr eine Leistungsklage erhoben, also eine Klage, die auf die Verurteilung der beklagten Partei zu einem bestimmten Verhalten abzielt. Wenn dies auch viel häufiger ein positives Tun [Leistungsklage im engeren Sinn] ist, kann es (negativ) auch entweder in der Unterlassung der Gegenwehr gegen bestimmte Handlungen der klagenden Partei [Dulden] oder der Unterlassung eines bestimmten Verhaltens der beklagten Partei [Unterlassen] liegen (vgl zur Einteilung der Leistungsklagen Geroldinger in Fasching/Konecny³ III/1 § 226 Rz 18).

[11]     Demgegenüber wird mit einer Feststellungsklage das Bestehen oder Nicht-Bestehen eines Rechts oder Rechtsverhältnisses (oder der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde) begehrt. Anders als bei der Leistungsklage wird die beklagte Partei damit nicht zu einem bestimmten Verhalten gezwungen, sondern es wird nur die Rechtslage autoritativ durch den Richterspruch geklärt (Geroldinger aaO Rz 37 f).

[12]     Für die Berechtigung des Unterlassungsbegehrens ist (nur) zu prüfen, ob die Rechte der Kläger so weit reichen, dass dem Beklagten aufgetragen werden darf, eine bestimmte Handlung zu unterlassen. Dies ist – wie im weiteren gezeigt wird – unabhängig von der rechtlichen Zuordnung des Sammelbehälters als Eigentum der Kläger oder des Beklagten zu bejahen.

[13]     Gemäß § 5 Abs 2 WRG steht die Benutzung der Privatgewässer mit den durch Gesetz oder durch besonderen Rechtstitel begründeten Beschränkungen denjenigen zu, denen sie gehören. Nach § 3 Abs 1 WRG gehören Privatgewässer – etwa aus Quellen gemäß § 3 Abs 1 lit a WRG – dem Grundeigentümer, „wenn nicht von anderen erworbene Rechte vorliegen“ (zuletzt 1 Ob 134/21v mwN).

[14]     Am Wasser aus der auf dem Grundstück der Kläger entspringenden und dort gefassten Quelle steht dem Beklagten nur eine beschränkte Dienstbarkeit der Nutzung im Ausmaß des Bezugs von 500 Liter pro Tag zu. Darüber hinausgehend „gehört“ (im zivilrechtlichen Sinn) die Quelle den Klägern als Grundeigentümern.

[15]     Für alle Dienstbarkeiten (also auch für das dem Beklagte zukommende Wasserbezugsrecht) gilt der (in § 484 ABGB verankerte) Grundsatz der möglichst schonenden (einschränkenden) Ausübung (vgl RS0011757; RS0011740 [T3]; Memmer in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 484 Rz 3; Hofmann in Rummel³ § 484 ABGB Rz 3). Bei mehreren Möglichkeiten der Zweckerreichung muss immer jene gewählt werden, die den Eigentümer am wenigsten belastet. Die Belastung ist so gering zu halten, wie es der Zweck der Dienstbarkeit gerade noch erlaubt (8 Ob 138/18d), wobei die Interessen aller Beteiligten abzuwägen sind (7 Ob 108/19m; RS0011720 [T14]).

[16]     Überträgt man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall, wurde dem Unterlassungsbegehren zu Recht stattgegeben.

[17]     Bei seiner Berufung auf die Auslegung der Dienstbarkeit, geht der Beklagte über den (begrenzten) Titel, der die Grundlage für die Eintragung der Grunddienstbarkeit war, hinweg. Er darf die Quellschüttung nur eingeschränkt (500 Liter Wasser pro Tag) nutzen, schließt aber die Kläger durch sein Verhalten unberechtigt von der Nutzung des über seine Dienstbarkeit hinausreichenden Quellwassers aus.

[18]     Dass er die Kläger nicht vom Zugang zur Quelle ausschließen darf, beruht auf seiner Pflicht zur schonenden Ausübung der (mengenmäßig beschränkten) Servitut und deren Rechten als Grundeigentümer am übrigen Wasser. Die Klärung der Frage des Eigentums am Sammelbehälter könnte dazu nichts beitragen. Ginge man vom Eigentum der Kläger am Sammelbehälter aus, dürfte der Beklagte im Rahmen der Ausübung seiner Servitut die belasteten Güter (und damit auch den Sammelbehälter) soweit nutzen, als dies zu ihrer (schonenden) Ausübung notwendig ist. Eine Notwendigkeit, im Rahmen der Ausübung der Dienstbarkeit den Sammelbehälter auch gegenüber den Klägern zu verschließen, ist hier aber nicht ersichtlich. Anders wäre das Unterlassungsbegehren auch dann nicht zu beurteilen, wenn man Eigentum des Beklagten am Sammelbehälter unterstellte. Selbst dann käme es für die Frage, ob er gegenüber den Klägern berechtigt wäre, diesen seiner Wasserversorgung dienenden Sammelbehälter zu verschließen (nur) auf den Umfang der ihm eingeräumten Servitut an. Käme ihm das Nutzungsrecht an der gesamten Quellschüttung zu, könnte er allenfalls berechtigt sein, auch die Grundeigentümer von der Quelle auszuschließen. Hier ist dies aber nicht der Fall. Der Beklagte darf damit als Servitutsberechtigter im Rahmen der (schonenden) Ausübung seiner Dienstbarkeit auch nur über die für deren Ausübung notwendigen Einrichtungen verfügen bzw hat er diese (hier: die ihm durch Servitut eingeräumte Quellfassung) so zu gestalten, dass die Belasteten möglichst wenig eingeschränkt sind, etwa durch Übergabe eines Zweitschlüssels, sofern das Absperren eine an sich zweckmäßige und sinnvolle Schutzmaßnahme darstellt.

[19]     Die Urteile der Vorinstanzen sind daher mit der Maßgabe der Einschränkung des Spruchs auf die (sowohl mit dem Haupt- als auch mit dem Eventualbegehren) begehrte Unterlassung der Handlung des Versperrens des (Zugangs der Kläger zum) Sammelbehälter(s) zu bestätigen, wogegen die irrelevante Frage des Eigentums an der „Quellfassung“ nicht zu erwähnen ist.

[20]     Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO.

Textnummer

E134133

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00220.21S.0125.000

Im RIS seit

17.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

17.03.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten