TE Vwgh Erkenntnis 1996/8/29 96/06/0066

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Veröffentlicht am 29.08.1996
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
BauG Stmk 1995 §119 Abs2;
BauG Stmk 1995 §40 Abs2;
BauG Stmk 1995 §40 Abs3;
BauO Stmk 1968 §70a;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des Johann und der Theresia S in S, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in G, gegen den Gemeinderat der Marktgemeinde Spital am Semmering, nunmehr vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in L, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Bausache (weitere Parteien im Sinne des § 8 AVG: Alfred und Maria T in S), zu Recht erkannt:

Spruch

In Anwendung des § 42 Abs. 4 VwGG und des § 73 AVG wird der auf § 70a Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 gestützte Antrag der Beschwerdeführer vom 17. November 1994 auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages abgewiesen.

Die Marktgemeinde Spital am Semmering hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 6.610,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einer am 17. November 1994 beim Bürgermeister der Gemeinde S als Baubehörde eingelangten Eingabe beantragten die Beschwerdeführer gemäß § 70a Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung die Beseitigung des vorschriftswidrigen (konsenslosen) Baues auf den Grundstücken Nr. 40/2, 653/2 und 653/3 in EZ 180, KG X. Zur Begründung wurde ausgeführt, es würden subjektiv-öffentliche Nachbarrechte gemäß § 61 Abs. 2 BO (lit. d, g und i) verletzt.

Mit Schriftsatz vom 6. September 1995 beantragten die Beschwerdeführer den Übergang der Zuständigkeit an die belangte Behörde. Da auch über diesen Devolutionsantrag nicht entschieden worden ist, erhoben die Beschwerdeführer die am 25. März 1996 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangte und zur Zl. 96/06/0066 protokollierte Beschwerde. Sie verwiesen darauf, daß von der belangten Behörde innerhalb von sechs Monaten keine Entscheidung über den Devolutionsantrag gefällt wurde.

Mit Verfügung vom 2. April 1996 leitete der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 35 Abs. 3 VwGG das Vorverfahren ein. Die Beschwerde wurde der belangten Behörde mit dem Auftrag zugestellt, gemäß § 36 Abs. 2 VwGG innerhalb der Frist von drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und dem Verwaltungsgerichtshof eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt, und dazu gemäß § 36 Abs. 1 VwGG die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen. Die Verfügung wurde der belangten Behörde am 29. April 1996 zugestellt. Mit Eingabe vom 25. Juli 1996 legte die belangte Behörde die Verwaltungsakten vor und wies darauf hin, daß die Eigentümer der von dem begehrten Beseitigungsauftrag betroffenen Liegenschaft innerhalb der sechsmonatigen Entscheidungsfrist einen Antrag auf Durchführung eines Feststellungsverfahrens nach § 40 des Steiermärkischen Baugesetzes 1995 eingebracht haben, über den am 15. Februar 1996 verhandelt wurde, und mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Spital am Semmering vom 28. Juni 1996 ausgesprochen wurde, daß die bauliche Anlage als rechtmäßiger Bestand festgestellt werde. Demgemäß habe die belangte Behörde in ihrer Sitzung vom 20. Juni 1996 einstimmig beschlossen, den von den Beschwerdeführern begehrten Beseitigungsauftrag wegen konsenslosen Bestandes nicht zu erlassen.

Dem Verwaltungsgerichtshof wurde nicht nur der Bescheid des Bürgermeisters vom 28. Juni 1996 vorgelegt, sondern auch der diesem zugrunde liegende Verwaltungsakt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist aufgrund des genannten Bescheides vom 28. Juni 1996 davon auszugehen, daß das Gebäude, das unmittelbar an die Grundstücksgrenze der Beschwerdeführer angrenzt und im Jahre 1977 umgestaltet und jedenfalls höher als bisher errichtet wurde, zum Zeitpunkt der Bauausführungen nach der Steiermärkischen Bauordnung 1968 ein bewilligungspflichtiges Vorhaben war, durch welches die Beschwerdeführer im Hinblick auf die in der Feuermauer an ihrer Grundgrenze errichteten Fenster in ihren subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten (Brandschutz, vgl. § 61 Abs. 2 lit. g Stmk BO 1968) beeinträchtigt sein konnten. Unter diesen Voraussetzungen wäre aber die Baubehörde erster Instanz verpflichtet gewesen, über den Antrag der Beschwerdeführer zu entscheiden. Da der Bürgermeister als Baubehörde erster Instanz durch über sechs Monate über den Antrag nicht entschieden hat, stellten die Beschwerdeführer zu Recht einen Devolutionsantrag an die belangte Behörde als die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Sinne des § 73 AVG. Da auch die belangte Behörde durch über sechs Monate keine Entscheidung fällte, haben die Beschwerdeführer eine nach § 27 VwGG zulässige Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

Innerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof eingeräumten Frist zur Nachholung des versäumten Bescheides hat die belangte Behörde keine Entscheidung in bezug auf den Antrag der Beschwerdeführer getroffen; auch der nunmehr vorgelegte Bescheid vom 28. Juni 1996, Zl. 131/9-2102-1996/94, hat keine Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführer auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages zum Inhalt. Der Verwaltungsgerichtshof hatte daher aufgrund der nunmehr gegebenen Sach- und Rechtslage den Antrag der Beschwerdeführer zu erledigen, wobei gemäß § 119 Abs. 2 des Steiermärkischen Baugesetzes 1995, LGBl. Nr. 59 (BauG), zu berücksichtigen ist, daß die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes (1. August 1995) anhängigen Verfahren nach den bisher geltenden Bestimmungen zu Ende zu führen sind.

Den Beschwerdeführern kommt demnach ein Anspruch darauf zu, daß über ihren, noch während des Geltungsbereiches der Steiermärkischen Bauordnung 1968 gestellten und auf deren § 70a Abs. 2 gestützten Antrag abgesprochen wird. Da jedoch entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei der Erteilung baupolizeilicher Aufträge im allgemeinen und mangels entgegenstehender Vorschrift in § 70a Steiermärkische Bauordnung 1968 auch bei der Erteilung von Aufträgen nach dieser Gesetzesstelle die Bewilligungspflicht des in Rede stehenden Bauwerkes auch zum Zeitpunkt der Erteilung des Auftrages gegeben sein muß, ist bei der Erteilung baupolizeilicher Aufträge insoweit stets auf die jeweils geltende Rechtslage abzustellen. § 119 Abs. 2 Stmk. Baugesetz 1995 kann nicht unterstellt werden, daß der Gesetzgeber mit dieser Übergangsvorschrift auch eine Änderung dieses Grundsatzes anordnen wollte. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, daß in Verfahren nach § 70a Stmk. BauO 1968, die gemäß § 119 Abs. 2 Stmk. BauG 1995 grundsätzlich nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen sind, hinsichtlich der Beurteilung der Bewilligungspflicht und auch der Bewilligungsfähigkeit des Bauwerkes auf das Baugesetz 1995 abzustellen ist (vgl. das zur O.ö. BO 1994 ergangene hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1996, Zl. 95/05/0278).

Das Verfahren, das die vom begehrten Abbruchauftrag Betroffenen mit ihrem Antrag gemäß § 40 Abs. 2 BauG vom 3. November 1995, eingelangt bei der Baubehörde am 6. November 1995, eingeleitet haben, ist nach der durch das Steiermärische Baugesetz 1995 geschaffenen Rechtslage zu beurteilen. Auf den Beschwerdefall bezogen bedeutet dies, daß aufgrund des Bescheides des Bürgermeisters der Gemeinde Spital am Semmering vom 28. Juni 1996 gemäß § 40 Abs. 3 BauG davon auszugehen ist, daß für das Gebäude eine Bau- und Benützungsbewilligung vorliegt.

Nach § 70a Abs. 1 und 2 Steiermärkische Bauordnung kommt die Erlassung eines baupolizeilichen Abbruchauftrages nur dann in Betracht, wenn für die Baulichkeit keine baubehördliche Bewilligung vorliegt. Da der Bürgermeister mit Bescheid vom 28. Juni 1996 den Bescheid gemäß § 40 Abs. 2 BauG erlassen hat, diese Feststellung gemäß § 40 Abs. 3 leg.cit. als Bau- und Benützungsbewilligung gilt, war die Erlassung eines baupolizeilichen Beseitigungsauftrages nicht mehr zulässig. Der Antrag der Beschwerdeführer war daher abzuweisen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. Jänner 1993, Zl. 92/05/0142, sowie vom 27. August 1996, Zl. 94/05/0148, beide zu der in dieser Hinsicht vergleichbaren Rechtslage nach der Nö Bauordnung).

Zu Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des Kostenbegehrens auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996060066.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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