TE Lvwg Erkenntnis 2022/2/21 LVwG-2022/37/0326-2

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Veröffentlicht am 21.02.2022
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Entscheidungsdatum

21.02.2022

Index

90/02 Führerscheingesetz
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

FSG 1997 §14
FSG 1997 §35
FSG 1997 §37
VStG §5
VStG §19
VStG §20
VStG §45
VwGVG 2014 §44
VwGVG 2014 §50
VwGVG 2014 §52

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hirn über die Beschwerde des AA, Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y (= belangte Behörde) vom 07.01.2022, Zl ***, betreffend eine Übertretung nach dem Führerscheingesetz (FSG),

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass es bei der Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (§ 44a Z 2 VStG):

„§ 37 Abs 1 Führerscheingesetz (FSG), BGBl I Nr 120/1997 in der Fassung (idF)
BGBl I Nr 74/2015, in Verbindung mit (iVm) § 14 Abs 1 Z 1 FSG, BGBl I Nr 120/1997 idF BGBl I Nr 169/2020“,

und bei der Strafsanktionsnorm (§ 44a Z 3 VStG):

㤠37 Abs 1 und Abs 2a FSG, BGBl I Nr 120/1997 idF BGBl I Nr 74/2015

zu lauten hat.

2.       Der Beschwerdeführer hat einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von Euro 10,00 zu leisten.

3.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Straferkenntnis vom 07.01.2022, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft Y AA, Adresse 2, **** Y, zur Last gelegt, es am 06.03.2021 um 05:14 Uhr als Lenker des Omnibusses mit dem amtlichen Kennzeichen XXX im Gebiet der Gemeinde Z auf der L*** Adresse 3 bei Straßenkilometer (Strkm) ***, in Fahrtrichtung talauswärts, im Bereich der dortigen Bushaltestelle, unterlassen zu haben, den Führerschein trotz Verlangen eines Organs der Straßenaufsicht zur Überprüfung auszuhändigen. Dadurch habe er § 37 Abs 1 iVm § 14 Abs 1 Z 1 FSG verletzt, weswegen über ihn gemäß § 37 Abs 1 und Abs 2a FSG eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 30,00, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 13 Stunden, verhängt wurde.

Mit Schriftsatz vom 18.01.2022 hat AA Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom 07.01.2022, Zl ***, eingebracht. Wörtlich heißt es im Rechtsmittel vom 18.01.2022:

Guten Tag,

hiermit mach ich von meinem Recht Gebrauch, der Tatbestand trifft so nicht zu.

Mit Schriftsatz vom 28.01.2022, Zl ***, hat die belangte Behörde den Gegenstandsakt mit dem Ersuchen um Entscheidung über die Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom 07.01.2022 vorgelegt. In diesem Schreiben verweist die belangte Behörde auf die Begründung im angefochtenen Bescheid und verzichtet gleichzeitig auf die Teilnahme an einer allfälligen mündlichen Verhandlung.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat den Beschwerdeführer betreffend am 16.02.2022 eine Abfrage im Verwaltungsstrafregister durchgeführt.

II.      Sachverhalt:

1.       Allgemeine Feststellungen:

AA, geboren am XX.XX.XXXX, ist Inhaber und Betreiber des im Unternehmensregister unter der Kennziffer *** eingetragenen Unternehmens am Standort „Adresse 1, **** Z“. Im Verwaltungsstrafregister scheint eine Vorstrafe nach der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) auf. Angaben zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen liegen nicht vor.

2.       Zum Tatvorwurf:

Am 06.03.2021 führten Beamte der Polizeiinspektion (PI) Y im Bereich des Gewerbeparks ***, **** Z, eine Kontrolle durch. Dabei wurde der vom Beschwerdeführer gelenkte Omnibus mit dem amtlichen Kennzeichen XXX angehalten und nach der Anhaltung durch BB auf der L*** bei Strkm *** in den Bereich der dortigen Bushaltestelle, Fahrtrichtung talauswärts, gelotst. Bei der anschließenden Lenker- und Fahrzeugkontrolle forderte BB den Beschwerdeführer (= Buslenker) um 05:14 Uhr auf, ihm (= BB) den Führerschein auszuhändigen. Der Beschwerdeführer hat dem einschreitenden Polizeibeamten seinen Führerschein vorgezeigt, das angeführte Dokument aber nicht aus der Hand gegeben.

III.     Beweiswürdigung:

Die Feststellungen des Kapitels 1. der Sachverhaltsdarstellung des gegenständlichen Erkenntnisses stützen sich auf den behördlichen Akt, insbesondere den darin enthaltenen Auszug aus dem Unternehmensregister, sowie das Ergebnis der am 16.02.2022 durchgeführten Abfrage im Verwaltungsstrafregister.

Die am 06.03.2021 um 05:14 Uhr an dem im angefochtenen Straferkenntnis angeführten Tatort stattgefundene Amtshandlung hat BB anlässlich seiner Einvernahme als Zeuge am 16.09.2021 ausführlich geschildert. Laut der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 12.10.2021 wurde der von ihm gelenkte Bus an dem/zu der im angefochtenen Straferkenntnis angeführten Tatort und Tatzeit angehalten und hat in weiterer Folge eine Lenkerkontrolle stattgefunden.

Der Zeuge BB hat im Rahmen der Einvernahme ausdrücklichst festgehalten, den Beschwerdeführer aufgefordert zu haben, ihm (= BB) „den Führerschein und die Fahrzeugpapiere auszuhändigen“, in weiterer Folge habe der Beschwerdeführer seinen Führerschein gezeigt, den Führerschein jedoch nicht ausgehändigt.

Die Angaben des Zeugen bestätigt der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 12.10.2021, in der es wörtlich heißt:

Auf die Aufforderung hin, habe ich meinen Führerschein so lange vorgezeigt bis alle Daten aufgeschrieben waren, da die Art und Weise wie ich behandelt wurde, ich mir nicht sicher war, dass ich meinen Führerschein wiederbekommen würde.“ Bereits in seinem Einspruch von 09.07.2021 hat der Beschwerdeführer festgehalten, dem einschreitenden Exekutivorgan seinen Führerschein gezeigt, „die Urkunde jedoch nicht aus der Hand gegeben“ zu haben.

Die angeführten Beweismittel bilden die Grundlage für die Feststellungen des Kapitels 2. der Sachverhaltsdarstellung des gegenständlichen Erkenntnisses.

IV.      Rechtslage:

1.       Führerscheingesetz:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Führerscheingesetzes (FSG),
BGBl I Nr 120/1997 in den Fassungen BGBl I Nr 96/2013 (§ 35), BGBl I Nr 74/2015 (§ 37) und BGBl I Nr ***9/2020 (§ 14), lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:

„Pflichten des Kraftfahrzeuglenkers

§ 14. (1) Jeder Lenker eines Kraftfahrzeuges hat unbeschadet der Bestimmungen des § 15a und des § 102 Abs 5 KFG 1967 auf Fahrten mitzuführen

1.   den für das von ihm gelenkte Kraftfahrzeug vorgeschriebenen Führerschein, Heeresführerschein oder Heeresmopedausweis,

         […]

und auf Verlangen die entsprechenden Dokumente den gemäß § 35 Abs. 2 zuständigen Organen zur Überprüfung auszuhändigen.

[…]“

„Behörden und Organe

§ 35. […]

(2) An der Vollziehung dieses Bundesgesetzes durch die Bezirksverwaltungsbehörden, die Landespolizeidirektionen und den Landeshauptmann haben mitzuwirken:

         1.       die Organe der Bundespolizei,

         3.       die Organe der Gemeindewachen und,

         4.       sonstige Straßenaufsichtsorgane.

(3) Die in Abs. 2 genannten Organe haben

1. die Einhaltung der in diesem Bundesgesetz genannten Vorschriften zu überwachen; zu diesem Zweck sind sie berechtigt, gemäß § 97 Abs 5 StVO 1960 Fahrzeuglenker zum Anhalten aufzufordern;

         […]“

„Strafausmaß

§ 37. (1) Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist, sofern in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist, mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis zu 2 180 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Zuwiderhandlungen gegen Bestimmungen nach diesem Bundesgesetz, die einen bestimmten Alkoholgrenzwert zum Lenken oder Inbetriebnehmen von Kraftfahrzeugen festlegen, sind unbeschadet des Abs. 3
Z 3 jedoch nur dann zu bestrafen, wenn keine Übertretung der StVO 1960 oder des § 37a vorliegt. Dies gilt auch für Zuwiderhandlungen, die auf dem Wege von einer österreichischen Grenzabfertigungsstelle, die auf ausländischem Gebiet liegt, zur Staatsgrenze begangen werden. Auch der Versuch einer solchen Zuwiderhandlung ist strafbar.

[…]

(2a) Eine Geldstrafe von mindestens 20 Euro ist zu verhängen für das Lenken eines Kraftfahrzeuges entgegen der Bestimmungen des § 14 Abs. 1 und 4 und des § 17a Abs. 1 letzter Satz.

[…]“

2.       Verwaltungsstrafgesetz 1991:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), BGBl Nr 52/1991, in den Fassungen BGBl Nr 52/1991 (§ 20), BGBl I Nr 33/2013 (§§ 19 und 45) und BGBl I Nr 57/2018 (§ 5), lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:

„Schuld

§ 5. (1) Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder der Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

(1a) Abs. 1 zweiter Satz gilt nicht, wenn die Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von über 50 000 Euro bedroht ist.

(2) Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, entschuldigt nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.“

„Strafbemessung

§ 19. (1) Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.“

„Außerordentliche Milderung der Strafe

§ 20. Überwiegen die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich oder ist der Beschuldigte ein Jugendlicher, so kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden.“

„§ 45. (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

1.       die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine  Verwaltungsübertretung bildet;

2.       der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat  oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

3.       Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen;

4.       die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner  Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;

5.       die Strafverfolgung nicht möglich ist;

6.       die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung  des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung  durch die Tat unverhältnismäßig wäre.

Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.

[…]“

3.       Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl I Nr 33/2013 idF BGBl I Nr 24/2017 (§ 44) und BGBl I Nr 57/2018 (§§ 50 und 52), lauten auszugsweise samt Überschriften wie folgt:

„Verhandlung

§ 44. (1) Das Verwaltungsgericht hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

[…]

(3) Das Verwaltungsgericht kann von einer Verhandlung absehen, wenn

         […]

3. im angefochtenen Bescheid eine 500 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder

         […]

und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. […]“

„Erkenntnisse

§ 50. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen und das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.

[…]“

„Kosten

§ 52. (1) In jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, ist auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.

(2) Dieser Beitrag ist für das Beschwerdeverfahren mit 20% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit zehn Euro zu bemessen; bei Freiheitsstrafen ist zur Berechnung der Kosten ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100 Euro anzurechnen. Der Kostenbeitrag fließt der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand des Verwaltungsgerichtes zu tragen hat.

[…]“

V.       Erwägungen:

1.       Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde:

Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde vier Wochen.

Der angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 11.01.2022 zugestellt. Die Beschwerde am 18.01.2021 ist an diesem Tag, und damit innerhalb der vierwöchigen Beschwerdefrist bei der belangten Behörde eingebracht worden. Die Erhebung der Beschwerde erfolgte somit fristgerecht.

2.       In der Sache:

2.1.    Zum objektiven Tatbestand:

Gemäß § 14 Abs 1 Z 1 FSG ist der Lenker eines Kraftfahrzeuges verpflichtet, den für das von ihm gelenkte Kraftfahrzeug vorgeschriebenen Führerschein, Heeresführerschein oder Heeresmopedausweis mitzuführen und auf Verlangen diese Dokumente dem gemäß
§ 35 Abs 2 FSG zuständigen Organen zur Überprüfung auszuhändigen.

Der Beschwerdeführer hat am 06.03.2021 als Lenker des Busses mit dem amtlichen Kennzeichen XXX den entsprechenden Führerschein mitgeführt. Der Beschwerdeführer hat aber diesen Führerschein einem als Polizeibeamten klar erkennbaren Straßenaufsichtsorgan (vgl § 35 Abs 2 Z 1 FSG) trotz dessen eindeutiger Aufforderung nicht ausgehändigt. Damit hat der Beschwerdeführer die in § 14 Abs 1 Z 1 FSG unmissverständlich formulierte Verpflichtung, auf Verlangen eines Organs der Bundespolizei den Führerschein des gelenkten Kraftfahrzeuges zur Überprüfung auszuhändigen, verletzt.

Der Beschwerdeführer hat somit objektiv gegen die Rechtsvorschrift des § 14 Abs 1 Z 1 FSG verstoßen.

2.2.    Zur subjektiven Tatseite:

Die gegenständliche Verwaltungsübertretung ist als „Ungehorsamsdelikt“ zu qualifizieren. Gemäß § 5 Abs 1 VStG tritt somit insofern eine Verlagerung der Behauptungslast ein, als die Behörde lediglich die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes zu beweisen hat, während es Sache des Täters ist, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Dafür reichen unsubstanziierte allgemeine Behauptungen nicht aus. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Beschuldigte initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht [Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 5 Rz 9 (Stand 1.5.2017, rdb.at)]

Gemäß § 5 Abs 2 VStG entschuldigt Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwider gehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesener Maßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte. Die Verbotsunkenntnis ist vorwerfbar, wenn sich der Täter trotz Veranlassung über den Inhalt der einschlägigen Normen nicht näher informiert hat. Es besteht also insoweit eine Erkundungspflicht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich jedermann mit den einschlägigen Normen seines Betätigungsfeldes ausreichend vertraut zu machen
(vgl VwGH 14.01.2010, 2008/09/0175). Der Verwaltungsgerichtshof bejaht eine solche Erkundungspflicht, wenn die Existenz einschlägiger Regeln für die jeweilige Tätigkeit erkennbar ist, so etwa bei der Teilnahme am Straßenverkehr [Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 5 Rz 18 (Stand 1.5.2017, rdb.at)].

Der Beschwerdeführer hat lediglich vorgebracht, seinen Führerschein nicht ausgehändigt zu haben, da er sich nicht sicher gewesen sei, dass er seinen Führerschein wiederbekommen würde. Damit zeigt der Beschwerdeführer jedoch kein mangelndes Verschulden auf. Die Übertretung steht daher auch in subjektiver Hinsicht fest, wobei beim Ausmaß des Verschuldens zumindest von Fahrlässigkeit auszugehen ist.

2.3.    Zur Strafbemessung:

Über den Beschwerdeführer wurde bei einem gemäß § 37 Abs 1 FSG zur Verfügung stehenden Strafrahmen in der Höhe von bis zu Euro 2.180,00 eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 30,00 und damit im Ausmaß von knapp 1,4 % des vorgesehenen Strafrahmens verhängt. Die verhängte Strafe übersteigt die in § 37 Abs 2a FSG vorgesehene Mindeststrafe in Höhe von Euro 20,00 nur geringfügig.

Die in § 14 Abs 1 letzter Halbsatz FSG enthaltene Verpflichtung zur Aushändigung eines Führerscheins soll sicherstellen, dass Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes möglichst rasch, tunlichst noch am Tatort, über die Person des Verdächtigen und des dabei verwendeten Fahrzeuges genaue Kenntnis zu erlangen. Der Unrechtsgehalt der dem Beschwerdeführer vorzuwerfenden Verwaltungsübertretung ist daher erheblich und ist folglich jedenfalls Fahrlässigkeit anzunehmen. Erschwerungs- oder Milderungsgründe sind nicht gegeben. Aufgrund mangelnder Angaben bezüglich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse ist die belangte Behörde zu Recht von durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen ausgegangen.

Die sehr geringfügige Geldstrafe ist schuld- und tatangemessen. Die festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 13 Stunden entspricht den Vorgaben des § 16 iVm § 19 VStG.

Die Voraussetzungen für die Umwandlung der verhängten Geldstrafe in eine Ermahnung liegen nicht vor. Nach ständiger Rechtsprechung zu § 45 Abs 1 Z 4 VStG müssen die dort genannten Umstände – geringe Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, geringe Intensität der Beeinträchtigung dieses Rechtsgutes durch die Tat sowie geringes Verschulden – kumulativ vorliegen. Fehlt es an einer der in § 45 Abs 1 Z 4 VStG genannten Voraussetzungen für die Einstellung des Strafverfahrens, kommt auch keine Ermahnung nach § 45 Abs 1 letzter Satz VStG in Frage (vgl VwGH 14.09.2021, Ra 2018/06/0240, mit Hinweis auf VwGH 18.12.2019, Ra 2019/02/0180). Zudem ist ein geringes Verschulden nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dort anzunehmen, wo das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (VwGH 24.04.2021, Ra 2019/09/0100, mit weiteren Nachweisen). Der Beschwerdeführer hat durch sein Verhalten – Nichtaushändigen des Führerscheins – das durch § 14 Abs 1 letzter Halbsatz FSG pönalisierte Verhalten verwirklicht. Zudem ist der Unrechtsgehalt der vorliegenden Tathandlung keinesfalls als gering anzusehen. Die Anwendung des § 45 Abs 1 Z 4 VStG und damit die Erteilung einer Ermahnung statt der Verhängung einer Geldstrafe scheidet somit jedenfalls aus.

Die außerordentliche Milderung der Strafe gemäß § 20 setzt voraus, dass die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen. Dabei kommt es darauf an, dass die Milderungsgründe ihrem Gewicht nach die Erschwerungsgründe erheblich überwiegen. Allein unter Berücksichtigung des Verschuldensgrades und des Unrechtsgehaltes der übertretenen Rechtsnorm ist § 20 VStG im gegenständlichen Fall nicht anzuwenden.

2.4      Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

In der Rechtmittelbelehrung des angefochtenen Straferkenntnisses heißt es ausdrücklich:

In der Beschwerde kann die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht beantragt werden.

Der Beschwerdeführer hat in seinem Rechtsmittel vom 18.01.2022 die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt. Die belangte Behörde hat in ihrem Vorlageschreiben vom 28.01.2022, Zl ***, auf die Teilnahme an einer allfälligen mündlichen Verhandlung verzichtet.

Die in dem angefochtenen Straferkenntnis verhängte Geldstrafe in Höhe von Euro 30,00 übersteigt nicht den in § 44 Abs 3 Z 3 VwGVG normierten Schwellenwert von Euro 500,00.

Gemäß § 44 Abs 3 Z 3 VwGVG konnte das Landesverwaltungsgericht Tirol daher von einer öffentlichen mündlichen Verhandlung absehen.

3.       Ergebnis:

Der Beschwerdeführer hat am 06.03.2021 die ihn gemäß § 14 Abs 1 Z 1 FSG treffende Verpflichtung, den Führerschein des von ihm gelenkten Busses mit dem amtlichen Kennzeichen XXX dem – eine Lenkerkontrolle durchführenden – Polizeibeamten und damit einem Organ der Bundespolizei auf dessen Aufforderung auszuhändigen, verletzt und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 37 Abs 1 FSG begangen. Die für diese Verwaltungsübertretung verhängte Geldstrafe in Höhe von Euro 30,00 ist schuld- und tatangemessen. Die festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe erfüllt die Vorgaben des § 16 iVm § 19 VStG. Die gegen das angefochtene Straferkenntnis erhobene Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen. Da dem Beschwerdeführer gemäß § 44a Z 2 und 3 VStG das subjektive Recht zusteht, dass ihm die verletzte Verwaltungsvorschrift und die angewandte Strafsanktionsnorm richtig und vollständig vorgehalten werden, hatte das Landesverwaltungsgericht den angefochtenen Spruch durch jene Bundesgesetzblätter zu präzisieren, durch welche die Gesetzesbestimmungen ihre zum Tatzeitpunkt gültige Fassung erhalten haben (VwGH 29.03.2021, Ra 2021/02/0023). Dementsprechend lautet Spruchpunkt 1. des gegenständlichen Erkenntnisses.

Gemäß § 52 Abs 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 20 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch Euro 10,00 zu leisten. Ausgehend von der im angefochtenen Straferkenntnis verhängten Geldstrafe in Höhe von Euro 30,00 beträgt der vom Beschwerdeführer zu leistende Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens Euro 10,00. Dementsprechend lautet Spruchpunkt 2. des gegenständlichen Erkenntnisses.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die rechtliche Beurteilung stützt sich auf den klaren Wortlaut des § 14 Abs 1 Z 1 FSG. Da die Rechtslage nach der in Betracht kommenden Norm eindeutig ist, liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, auch wenn zur anzuwendenden Norm noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (VwGH 30.08.2019,
Ra 2019/17/0035). Die Präzisierung des Spruches des angefochtenen Straferkenntnisses durch Zitierung der verletzten Rechtsvorschriften sowie der Strafsanktionsnorm in der zum Tatzeitpunkt gültigen Fassung erfolgt im Einklang mit der herrschenden Rechtsprechung.

Die Strafzumessung stützt sich auf den klaren Wortlaut des § 37 Abs 1 und Abs 2a FSG und weicht insbesondere von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 45 Abs 1 Z 4 VStG nicht ab. Bei der Strafbemessung handelt es sich zudem um eine Ermessensentscheidung für den einzelnen Fall, die keine grundsätzliche Rechtsfrage darstellt (VwGH 14.12.2020,
Ra 2019/02/0232). Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles eine außerordentliche Milderung der Strafe nach § 20 VStG rechtfertigen, kommt in der Regel ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung zu (VwGH 06.08.2021, Ra 2020/02/0030).

Dementsprechend wird in Spruchpunkt 3. des gegenständlichen Erkenntnisses die ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Hinweis:

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Hirn

(Richter)

Schlagworte

Führerschein,
Verpflichtung zum Mitführen und Aushändigen,

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.37.0326.2

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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