TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/11 95/20/0711

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Veröffentlicht am 11.09.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des H, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Oktober 1995, Zl. 4.347.477/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers, eines irakischen Staatsangehörigen, der am 6. Oktober 1995 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 13. Oktober 1995 einen Asylantrag gestellt hat, in Erledigung seiner Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13. Oktober 1995 abgewiesen.

Die belangte Behörde verwies auf die im Bescheid des Bundesasylamtes wiedergegebenen Angaben des Beschwerdeführers in erster Instanz, die sie ihrer Entscheidung zugrundelegte. Danach habe der Beschwerdeführer, nachdem seine Frau und sein Kind während des Golfkrieges im Jahr 1991 bei den Angriffen auf den Irak zu Tode gekommen seien, am folgenden Putsch gegen Sadam Hussein im März 1991 in Basra teilgenommen. Dieser Putsch sei niedergeschlagen worden, weshalb der Beschwerdeführer zunächst in den Iran geflüchtet sei. Da Ende August 1991 eine Amnestie verkündet worden sei, sei er in den Irak zurückgekehrt. Er sei jedoch bereits an der Grenze festgenommen und bis März 1992 inhaftiert worden. Während seiner Haft sei er verhört und auch geschlagen worden; sichtbare Verletzungen habe er keine erlitten, jedoch habe er seither Gelenksschmerzen, weil er mehrmals an beiden Beiden aufgehängt worden sei. Im März 1992 sei er enthaftet worden und er habe bis April 1993 keine Probleme gehabt. Im April 1993 sei er deshalb festgenommen worden, weil er zunächst einem Einberufungsbefehl nicht Folge geleistet habe. Er sei bis zum 2. Oktober 1993 in Haft gewesen und schließlich zu einer Artillerieeinheit in die Gegend zwischen Kirkuk und Mosul verlegt worden. Dort habe er bis zum 6. Juni 1995 gedient, bis er schließlich desertiert und nach Österreich geflüchtet sei.

Auf die Frage, warum er geflüchtet sei, hatte der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt erklärt, weil er "Sadam Hussein verachte und dieser am Tod meiner Frau und meines Kindes schuld ist".

Die belangte Behörde vertrat in Einklang mit dem Bundesasylamt den Standpunkt, daß der Beschwerdeführer keine ausreichenden Asylgründe dargetan habe. Der Tod seiner Ehefrau und seines Kindes könne die Annahme, daß deshalb der Beschwerdeführer selbst einer unmittelbaren Verfolgung ausgesetzt gewesen sei, nicht begründen. Auch der Umstand, daß es im Zuge des Golfkrieges zu Kampfhandlungen gekommen sei, sei kein Grund, dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Die Verhaftung und die behaupteten Mißhandlungen im Jahr 1991 könnten schon mangels eines zeitlichen Zusammenhanges mit seiner Flucht im Jahr 1995 nicht asylwirksam sein. Zudem habe der Beschwerdeführer selbst erklärt, daß er im März 1992 enthaftet worden sei und dieser Haft kein Vorwurf einer strafbaren Handlung folgte. Festnahmen, Verhöre oder Befragungen für sich allein könnten nicht als asylrelevante Verfolgungshandlungen angesehen werden. Auch die Desertion des Beschwerdeführers führe nicht zur Asylgewährung, weil die darauf stehende, wenn auch strenge Strafe grundsätzlich keinen asylrelevanten Charakter aufweise. Auch in klassisch demokratischen und rechtstaatlichen Ländern sei Desertion und Wehrdienstverweigerung mit Strafe bedroht. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei nicht zu entnehmen, daß er deshalb aus Konventionsgründen verfolgt werde, insbesondere eine gegenüber anderen irakischen Staatsangehörigen strengere Bestrafung zu erwarten hätte.

Auf die in seiner Berufung vorgebrachten weiteren Gründe sei gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nicht weiter einzugehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Soweit der Beschwerdeführer auf seine behauptete Teilnahme an dem Putschversuch im März 1991 in Basra und seine nach Rückkehr aus dem Iran in den Irak erfolgte Haft verweist, hat bereits die belangte Behörde - die zutreffend im Sinne des § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 von den Angaben des Beschwerdeführers in erster Instanz ausging - darauf hingewiesen, daß sich aus diesen Angaben eine asylrechtlich relevante Verfolgung des Beschwerdeführers ZUM ZEITPUNKT SEINER FLUCHT im Jahr 1995 nicht ableiten läßt. Der Beschwerdeführer hat dazu auch selbst erklärt, daß er nach seiner Enthaftung im März 1992 bis April 1993 keine Probleme mit den irakischen Behörden gehabt habe. Im April 1993 sei er nur deshalb festgenommen worden, weil er dem Einberufungsbefehl nicht Folge geleistet habe. Daß der Beschwerdeführer aus politischen Gründen zum Militärdienst einberufen worden wäre oder während seines Militärdienstes bis zu seiner Desertion im Jahr 1995 aus Konventionsgründen (wegen seiner politischen Gesinnung) Nachteile gehabt hätte, wurde vom Beschwerdeführer in erster Instanz nicht geltend gemacht. Durch seine Flucht mag im Hinblick auf die möglicherweise strenge Bestrafung von Wehrdienstverweigerern allenfalls ein Abschiebungshindernis im Sinne des § 37 FrG entstanden sein, jedoch ist nach der in diesem Punkte unveränderten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Umstand, daß ein Asylwerber bei einer allfälligen Rückkehr in seinen Heimatstaat mit einer Bestrafung zu rechnen hat, oder gar ein Abschiebungshindernis besteht, ohne Hinzutreten weiterer asylrechtlich relevanter Umstände für sich allein kein Grund, ihm den Status eines Konventionsflüchtlings zuzuerkennen (vgl. das schon von der belangten Behörde zitierte hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377). Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Auffassung auch in Fällen vertreten, in denen in den betroffenen Heimatstaaten Bürgerkrieg, Revolten oder bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen stattgefunden haben.

Die belangte Behörde hat grundsätzlich richtig ausgeführt, daß nach ständiger hg. Rechtsprechung ohne Hinzutreten weiterer Umstände aus Verfolgungsmaßnahmen, die sich gegen andere Familienangehörige richten, nicht auf die Verfolgung eines dieser Familie angehörenden Asylwerbers geschlossen werden kann (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1995, Zl. 94/20/0806). Soweit der Beschwerdeführer aus dem Tod seiner Frau und seines Kindes während des Golfkrieges eine asylrelevante Verfolgungshandlung gegen sich ableiten will, steht dem aber der Umstand entgegen, daß die Familie des Beschwerdeführers nach seinen Angaben in erster Instanz infolge von Angriffen durch die Alliierten gegen den Irak zu Tode gekommen seien. Damit kann der Tod der Familie des Beschwerdeführers nicht unmittelbar den irakischen Behörden zugerechnet werden, weshalb auch darin keine asylrelevanten Verfolgungshandlungen der irakischen Behörden gegen den Beschwerdeführer begründet sein können.

Der für den Umfang der Ermittlungspflicht der Asylbehörden maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 bestimmt zwar, daß die Behörde den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen hat. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber eine Verpflichtung der Behörde nicht abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800 bis 0803, u.v.a.). Da im Beschwerdefall hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen eines weiteren Grundes zur Flucht im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen des Beschwerdeführers vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war auch die belangte Behörde, da ein Mangel des Ermittlungsverfahrens erster Instanz nicht hervorgekommen ist und auch in der Berufung nicht gerügt wurde, nicht verpflichtet, gemäß § 20 Abs. 2 AsylG 1991 die Ergänzung oder Wiederholung dieses Verfahrens anzuordnen.

Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200711.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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