TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/17 96/05/0126

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Veröffentlicht am 17.09.1996
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Niederösterreich;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §850;
AVG §64a Abs1 idF 1995/471;
BauO NÖ 1976 §96 Abs1 Z2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde der A in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 15. März 1996, Zl. R/1-V-96021/00, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. G in Z, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, 2. Stadtgemeinde Z, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ansuchen vom April 1995 beantragte die Erstmitbeteiligte (in der Folge: Bauwerberin) bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Einfriedungssockels auf ihrem Grundstück Nr. 581/5, KG Z. Über dieses Ansuchen wurde eine mündliche Verhandlung für den 18. Mai 1995 anberaumt, zu der auch die Beschwerdeführerin als Anrainerin unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladen wurde. Mit einem am 17. Mai 1995 bei der Baubehörde eingelangten Schreiben führte die Beschwerdeführerin aus, daß das Bauvorhaben auf ihrem Grundstück erfolge, sie verlange die Zurückstellung der ihr gehörigen Grundstücksteile.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 1. Juni 1995 wurde der Erstmitbeteiligten die beantragte Baubewilligung erteilt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Berufungsvorentscheidung vom 15. September 1995 abgewiesen, aufgrund des Vorlageantrages der Beschwerdeführerin entschied der Gemeinderat mit Bescheid vom 19. Dezember 1995 über die Berufung der Beschwerdeführerin, wies diese ab und ergänzte den Bescheid des Bürgermeisters vom 1. Juni 1995 dahingehend, daß er die Beschwerdeführerin hinsichtlich ihres Vorbringens bezüglich der ungeklärten Eigentumsverhältnisse auf den Zivilrechtsweg verwies. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß sich sowohl aus den vorgelegten Einreichplänen als auch aus den bei der Baubehörde aufliegenden Plänen ergäbe, daß das Bauvorhaben der Bauwerberin auf deren Eigengrund verwirklicht werde.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen. Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens führte die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides aus, die Baubehörde habe die Frage, wer Eigentümer des zu bebauenden Grundstückes sei, von Amts wegen zu erheben. Da kein Verfahren zur Feststellung des Eigentumes am gegenständlichen Grundstück bei Gericht anhängig bzw. während des laufenden Bauverfahrens anhängig gemacht worden sei, hatte die Baubehörde diese Frage als Vorfrage im Sinne des § 38 AVG selbständig zu beurteilen. Die Baubehörde habe anläßlich der Prüfung aufgrund der Unterlagen (Grundbuchsauszug, Einreichpläne, bei der Baubehörde aufliegende Pläne, bereits vorhandener Bauakt, Kaufvertrag aus dem Jahre 1970 etc.) keinen Grund zur Annahme gehabt, daß die Bauwerberin nicht Eigentümerin des zu bebauenden Grundstückes sei, zumal für dieses Grundstück bereits ein Bauakt existiere und der Ehemann der Bauwerberin auf diesem Grund schon in früheren Jahren Bautätigkeiten vorgenommen habe, ohne daß dabei Zweifel an seinem Eigentum aufgekommen wären. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Bedenken bezüglich der Eigentumsverhältnisse brächten auch tatsächlich keine ausreichenden Gründe, um am Eigentum der Bauwerberin zu zweifeln. Daran vermöge auch das von der Beschwerdeführerin vorgelegte zivilgerichtliche Urteil nichts zu ändern, da dieses der Beschwerdeführerin ein Eigentumsrecht am Grundstück Nr. 581/5 nicht einräume. Darüber hinaus gebe die Beschwerdeführerin in zwei Schreiben selbst zu, derzeit gar nicht Eigentümerin des gegenständlichen Grundstückes zu sein, vielmehr erhebe sie darin lediglich die Forderung nach "Rückgabe". Die "Rückgabe" des gegenständlichen Grundstückes könne aber nicht vor den Verwaltungsbehörden, sondern müsse vor den Gerichten geltend gemacht werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Verfahrensrüge wird geltend gemacht, daß die belangte Behörde als bloße Aufsichtsbehörde nicht berechtigt sei, ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durchzuführen, sie sei an die von den Unterinstanzen festgestellten Tatsachen gebunden. Mit dieser Ansicht irrt die Beschwerdeführerin. Die Gemeindeaufsichtsbehörde ist im Vorstellungsverfahren berechtigt, bei Verfahrensmängeln auf Gemeindeebene entweder den gemeindebehördlichen Bescheid aufzuheben und das Verfahren durch die Gemeinde ergänzen zu lassen, oder selbst den maßgebenden Sachverhalt zu klären, wenn dies für die Beantwortung der Frage, ob eine Rechtsverletzung des Vorstellungswerbers vorliegt, erforderlich ist (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1984, Zl. 82/06/0181, 0187). Ergänzt die Aufsichtsbehörde das Verfahren selbst, so ist sie gehalten, ein dem AVG entsprechendes Ermittlungsverfahren durchzuführen. Verfahrensmängel, die der Aufsichtsbehörde bei der Ergänzung des Sachverhaltes unterlaufen, kann der Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof rügen, wobei er die Wesentlichkeit des Verfahrensmangels darzulegen hat (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 591 oben, zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Die Beschwerdeführerin ist auch nicht im Recht, wenn sie der belangten Behörde unterstellt, diese hätte aus dem Umstand, daß die Beschwerdeführerin anläßlich einer Bauverhandlung vom 28. Februar 1980 gegen das dort beantragte Bauvorhaben keine Einwände erhoben hat, eine Präklusion in bezug auf das vorliegende Verfahren abgeleitet. Vielmehr hat die belangte Behörde den Umstand, daß die Beschwerdeführerin anläßlich der Bauverhandlung vom 28. Februar 1980 gegen ein dort beantragtes Bauvorhaben auf dem beschwerdegegenständlichen Grundstück keine Einwände, insbesondere auch nicht dahingehend erhoben hat, daß die Eigentumsverhältnisse an dem Grundstück unklar seien, ihrer Beweiswürdigung ebenso zugrundegelegt wie die Ergebnisse aus der Einsicht in die Planunterlagen, einen Kaufvertrag, einen Grundbuchsauszug, ein zivilgerichtliches Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg vom 31. August 1987 sowie Teilungs- und Vermessungspläne.

Als weiteren Verfahrensmangel rügt die Beschwerdeführerin, daß ihr als im Verwaltungsverfahren nicht anwaltlich Vertretenen keine ausreichende Manuduktion erteilt worden sei. Dazu ist festzustellen, daß die Behörden nicht gehalten sind, Unterweisungen zu erteilen, wie ein Vorbringen inhaltlich zu gestalten ist, um damit durchdringen zu können (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 27. November 1990, Zl. 90/05/0122). Im übrigen sind sowohl der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde als auch die Aufsichtsbehörde davon ausgegangen, daß die Beschwerdeführerin rechtzeitig Einwendungen gegen den Grenzverlauf erhoben hat, weshalb eine inhaltliche Überprüfung des Grenzverlaufes durch die Gemeindevertretung als Vorfrage gemäß § 38 AVG erfolgte.

Den Ausführungen zur Rechtsnatur des § 64a Abs. 1 AVG ist mit einem Hinweis auf den klaren Gesetzeswortlaut zu entgegnen, der in der am 1. Juli 1995 in Kraft getretenen Fassung der Novelle BGBl. Nr. 471/1995 normiert, daß die Behörde den von ihr erlassenen Bescheid nach jeder Richtung abändern, ergänzen oder aufheben kann. Die Beschwerdeausführungen, wonach die Behörde den von ihr erlassenen Bescheid nur im Sinne des Berufungsbegehrens selbst ändern oder ergänzen könnte, finden im geltenden Gesetzeswortlaut keine Deckung.

In der Rechtsrüge verweist die Beschwerdeführerin zutreffend darauf, es komme ihr ein Recht darauf zu, daß nicht Baubewilligungen für bauliche Anlagen auf ihrem Grundstück ohne ihre Zustimmung erteilt werden.

Mit der Frage, ob die beantragte Bauführung auf dem Grundstück Nr. 581/5 Grundstücksteile aus dem Eigentum der Beschwerdeführerin in Anspruch nimmt, hat sich sowohl der Gemeinderat als auch die belangte Behörde auseinandergesetzt.

Der Gerichtshof hat keine Bedenken gegen die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde, wonach aus den vorliegenden Unterlagen (Vermessungspläne, Teilungspläne, Bauakte, Kaufvertrag und ein zivilgerichtliches Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg vom 31. August 1987) nicht hervorginge, daß die Beschwerdeführerin Eigentum am Grundstück Nr. 581/5 bzw. an jenem Teil desselben erworben habe, auf dem die Bauführung (Einfriedung) erfolgen soll. In dem zuletzt genannten, gegen die Stadtgemeinde Z ergangenen Urteil wurde festgestellt, daß die Beschwerdeführerin bestimmte Grundstücksteile ersessen habe. Das hier gegenständliche Grundstück ist aber von der Gemeinde schon im Jahre 1970 an die G OHG verkauft worden. Das Urteil aus dem Jahre 1987 gegen die Stadtgemeinde hat auf das Eigentumsrecht der Bauwerberin keinen unmittelbaren Einfluß. Für die Lösung der Vorfrage reichen die durchgeführten Ermittlungen und Überlegungen des Gemeinderates und der Gemeindeaufsichtsbehörde jedenfalls aus; es wäre der Beschwerdeführerin seit dem Jahre 1981 freigestanden, beim zuständigen Bezirksgericht den Antrag auf gerichtliche Erneuerung oder Berichtigung der Grenze gemäß § 850 ABGB zu stellen. Nur in einem solchen Verfahren könnte nämlich mit einer endgültigen Rechtskraftwirkung über den als richtig anzunehmenden Verlauf der Grenze abgesprochen werden.

Da durch den angefochtenen Bescheid Rechte der Beschwerdeführerin nicht verletzt wurden, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen, da die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten der Verwaltungsverfahren erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996050126.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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