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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der L in S, mit mj. Kind I, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. April 1995, Zl. 4.314.970/9-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 18. April 1995 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen "der früheren UdSSR", die am 14. Mai 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, gegen den ihrem Asylantrag vom 14. Mai 1991 nicht stattgebenden Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 14. Jänner 1992 abgewiesen und ausgesprochen, daß Österreich der Beschwerdeführerin kein Asyl gewährt.
Begründend führte die belangte Behörde aus, daß sich den niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführerin nicht habe entnehmen lassen, daß sie irgendwelchen, den staatlichen Behörden ihres Heimatlandes zuzurechnenden Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen sei, die auf ihre politische Gesinnung zurückzuführen gewesen wären. Es habe sich ergeben, daß die von der Beschwerdeführerin geschilderten, gegen sie ergriffenen Maßnahmen ausschließlich ihre Ursache in den politischen Aktivitäten ihres Gatten gehabt hätten. Die von der Beschwerdeführerin geschilderten Vorgänge stellten keine Verfolgung aus einem der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 genannten Gründe dar, zumal aus ihren Angaben auch nicht hervorgegangen sei, daß sie deshalb Schwierigkeiten mit den staatlichen Behörden ihres Heimatlandes gehabt hätte, weil man ihr selbst eine "derartige" politische Gesinnung unterstellt oder sie zumindest einer solchen verdächtigt habe. Auch der von ihr behauptete Umstand, sie wäre telefonisch bedroht worden, und es sei ihr angekündigt worden, daß ihrem Kind "etwas passieren" würde, sei nicht geeignet, die Gewährung von Asyl zu rechtfertigen, weil die Vermutung der Beschwerdeführerin, daß diese Drohungen von seiten der Miliz bzw. "der Kommunisten gekommen" seien, noch nicht den Schluß zuließen, daß diese Bedrohungen auch tatsächlich von den Behörden ihres Heimatlandes ausgegangen seien, bzw. daß die Beschwerdeführerin sich vergeblich um Schutz an die Behörden ihres Heimatlandes gewandt habe. Dem Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin, daß die Behörden ihres Heimatlandes nicht in der Lage bzw. gewillt gewesen seien, ihr Schutz vor Verfolgung zu bieten, sprach die belangte Behörde die Glaubwürdigkeit mit der Begründung ab, die Beschwerdeführerin habe nicht angegeben, daß sie sich tatsächlich um Hilfe an die Behörden gewandt habe und ihr diese auch tatsächlich verweigert worden sei. Weiters führte die belangte Behörde aus, daß sich alles, was die Beschwerdeführerin im Asylverfahren zur Feststellung ihrer Flüchtlingseigenschaft vorzubringen vermochte, auf die Situation in ihrem Heimatland vor der Unabhängigkeitserklärung der Ukraine bezogen habe. In der Zwischenzeit habe sich gerade die Lage in der Ukraine in dramatischer Weise geändert. Die Ukraine - seit dem 24. August 1991 eine unabhängige Republik - sei als ein demokratischer Staat mit rechtsstaatlichen Strukturen, der jedoch mit erheblichen wirtschaftlichen Problemen und auch mit einer hohen Kriminalitätsrate zu kämpfen habe, zu bezeichnen. Obwohl der Standard westlicher Demokratien noch nicht erreicht sei, zählten Behördenterror und staatliche Willkür nicht zum Erscheinungsbild der heutigen Ukraine. Bei der Neuwahl zur Abgeordnetenkammer habe die politische Partei, in der der Gatte der Beschwerdeführerin Mitglied sei, 20 Sitze in der Abgeordnetenkammer erlangt und sei zur stärksten Oppositionspartei des Landes geworden. Da die von der Beschwerdeführerin aus der Mitgliedschaft ihres Gattin zu der erwähnten politischen Partei behauptete Verfolgungsgefahr sich weder durch die "vergangenen Ereignisse" (gemeint sind damit offensichtlich Vorkommnisse, die sich vor der Konstituierung des selbständigen Staates Ukraine ereignet haben), noch durch die "notorisch aktuelle Situation in der Ukraine" ergeben würde, sei die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin zu verneinen und ihr kein Asyl zu gewähren gewesen.
Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung darüber hinausgehend noch darauf gestützt, daß sie bei der Beschwerdeführerin vom Vorliegen des Asylausschließungsgrundes des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 ausging. Die Beschwerdeführerin habe sich vor ihrer Einreise in das Bundesgebiet in der ehemaligen CSFR aufgehalten und sei dort vor Verfolgung sicher gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Soweit die Beschwerde unter dem Blickwinkel der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides ausführt, daß für die Annahme der Flüchtlingseigenschaft ausreichend sei, daß eine Person wegen ihrer "vermutlichen politischen Ansicht" verfolgt werde, ist ihr entgegenzuhalten, daß gerade das von der belangten Behörde bezüglich der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Angaben als auf sie nicht zutreffend angesehen worden ist. Die Beschwerdeführerin hat nämlich im gesamten Verfahren - im übrigen auch in der Beschwerde - nicht vorgebracht, man hätte sie selbst seinerzeit einer aus der Sicht der damaligen Machthaber zu verfolgenden politischen Gesinnung verdächtigt.
Wenn die Beschwerdeführerin vermeint, die Verfolgung eines engen Angehörigen des Asylwerbers reiche hin, daß diesem "die Flüchtlingseigenschaft nicht mit der Begründung verweigert werden könne, daß die Verfolgungshandlung eigentlich den nahen Angehörigen treffen sollte", ist ihr die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 18. April 1996, Zl. 95/20/0340) entgegenzuhalten, wonach Schicksale von Familienangehörigen lediglich als zusätzliche Illustration für die Verfolgungssituation des Asylwerbers im Rahmen der Gesamtbetrachtung Berücksichtigung finden können, nicht jedoch als ausschließlicher Asylgrund. Des weiteren bringt die Beschwerde auch nichts gegen die Annahme der belangten Behörde vor, sie habe es unterlassen, sich wegen der von ihr als Verfolgungshandlung gewerteten telefonischen Bedrohungen an die Behörden ihres Heimatlandes zu wenden, und es sei ihr diesbezüglich Hilfe tatsächlich verweigert worden. Auch aus diesem Grunde kann im übrigen dahinstehen, ob derartigen Anrufen die erforderliche Verfolgungsintensität zukommen könnte.
Das in ihrer Berufung vom 29. Jänner 1992 erstattete - und im völligen Widerspruch zu ihren Angaben bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 15. Mai 1991 stehende - Vorbringen, sie selbst sei aktives Mitglied der "demokratischen Bewegung-RUCH" gewesen und sei am 25. Jänner 1986 und 7. November 1986 bei einer Kundgebung dieser Partei verhaftet worden, hält die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde nicht mehr aufrecht. Es erübrigt sich demnach darauf einzugehen, ob diesem Vorbringen überhaupt asylrechtliche Relevanz - insbesondere im Hinblick auf die zwischen den behaupteten Festnahmen und der Flucht verstrichene Zeit - zukommen würde.
Inhaltliche Rechtswidrigkeit ist dem bekämpften Bescheid somit nicht anzulasten.
Die Beschwerdeführerin bringt unter dem Blickwinkel der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrenvorschriften vor, es sei ihr nicht die Möglichkeit geboten worden, zu den "Vorwürfen", die Ukraine sei nunmehr ein selbständiger Staat und die Partei "RUCH" habe eine staatstragende Funktion erlangt, Stellung zu nehmen. Hätte sie diese Möglichkeit gehabt, hätte sie ins Treffen führen können, daß von seiten dieser Partei auch ehemalige Sympathisanten dann verfolgt würden, wenn diese zu einem kritischen Zeitpunkt, dies sei der Zeitpunkt der politischen Auseinandersetzung zwischen den beteiligten Parteien und nationalistischen Fraktionen, das Land verlassen und somit ihre Heimat in Stich gelassen hätten. Diesem Vorbringen kommt entscheidungsrelevante Bedeutung deshalb nicht zu, weil - soferne mit diesen Vorbringen gemeint sein sollte, daß alle Personen durch diese Partei verfolgt würden, die zu dem erwähnten Zeitpunkt ihr Land verlassen hätten - damit nicht die für den Flüchtlingsbegriff des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 essentiell notwendige Verfolgung durch staatliche Behörden bzw. der mangelnde Schutz durch diese vor anderweitiger Verfolgung dargetan wird.
Der belangten Behörde fällt somit im Zusammenhang mit der Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin auch keine entscheidungsrelevante Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Last.
Da die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des Bescheides im Zusammenhang mit der Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin weder in inhaltlicher noch in verfahrensrechtlicher Hinsicht darzutun vermag, kommt der Frage, ob die belangte Behörde (auch) zu Recht vom Vorliegen des Asylausschließungsgrundes des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 ausgegangen ist und ob ihr dabei allenfalls entscheidungsrelevante Verfahrensfehler unterlaufen sind, im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. Erkenntnis vom 22. Februar 1995, Zl. 94/01/0111), wonach Voraussetzung für die Asylgewährung gemäß § 3 Asylgesetz 1991 ist, daß der Asylwerber Flüchtling und die Gewährung von Asyl nicht gemäß § 2 Abs. 2 und 3 leg. cit. ausgeschlossen ist, keine Bedeutung mehr zu.
Zu der von der Beschwerdeführerin im Rahmen der Beschwerde erstatteten Anregung, der Verwaltungsgerichtshof möge beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 in der Fassung der Kundmachung BGBl. Nr. 610/1994 stellen, hält der Verwaltungsgerichtshof fest, daß er vor dem Hintergrund des Beschwerdevorbringens keinen Anlaß für einen Schritt in diese Richtung sieht. Dies umsomehr, als die bei der Beschwerdeführerin offenbar bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken nicht näher ausgeführt werden und daher nicht nachvollziehbar sind.
Da sich die Beschwerde aus obigen Gründen als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995190097.X00Im RIS seit
20.11.2000