TE OGH 2021/12/14 2Ob154/21t

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Veröffentlicht am 14.12.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. A* K*, vertreten durch Specht & Partner Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei E* GmbH *, Deutschland, vertreten durch Dorda Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 39.865,64 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 27. Juli 2021, GZ 4 R 85/21d-12, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1]            1. Die behauptete Judikaturdivergenz liegt nicht vor:

[2]            Den Entscheidungen 1 Ob 22/20x und 8 Ob 46/21d sowie 5 Ob 240/18g und 8 Ob 23/19v lagen vergleichbare Sachverhalte insofern zugrunde, als sich die Klage jeweils gegen einen (Wirtschafts- oder sonstigen) Prüfer der Gesellschaft, mit der die Kläger in vertragliche Beziehung über den Erwerb von Anlageprodukten getreten waren, richtete. Alle vier Entscheidungen folgten in Bezug auf nicht vertragliche Ansprüche im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH zu Parallel- oder Vorgängerbestimmungen des Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012 (C-304/17, Löber, C-12/15, Universal Music International Holding, und C-375/13, Kolassa) demselben Grundsatz, wonach die Gerichte des Wohnsitzes des Anlegers als Gerichte des Orts, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, dann für die Entscheidung zuständig sind, wenn bestimmte zusätzliche Voraussetzungen vorliegen. Diese lassen sich dahin zusammenfassen, dass sich die in besonderer anlage- und schadenstypischer Weise mit dem Geschäftsvorgang oder Schadensfall verknüpften schädigenden Vermögensdispositionen im Zuständigkeitsbereich inländischer Gerichte ereigneten und sonstige spezifische Gegebenheiten der Situation vorliegen, die nicht zum (Wohn-)Sitz des Beklagten, sondern in den Zuständigkeitsbereich inländischer Gerichte weisen.

[3]            2. Die Frage, ob „spezifische Gegebenheiten“ im Sinne dieser Rechtsprechung in ausreichender Weise und mit entsprechendem Gewicht vorliegen, ist eine nicht revisible Frage der konkreten Einzelfallbeurteilung (1 Ob 22/20x; 8 Ob 46/21d). Solche Einzelfallentscheidungen sind nur bei groben Auslegungsfehlern oder eklatanter Ermessensüberschreitung überprüfbar (RS0044088). Eine derartige Überschreitung des dem Rekursgericht für die Beurteilung der „sonstigen spezifischen Gegebenheiten“ eingeräumten Spielraums vermag der Kläger nicht aufzuzeigen:

[4]            Bei der Beurteilung der „spezifischen Gegebenheiten“ kommt es nicht nur auf die Anzahl von einzelnen Sachverhaltselementen an, die auf eine inländische Zuständigkeit weisen, sondern auf ihre Bedeutung im Verhältnis zwischen den Verfahrensparteien (8 Ob 46/21d). Das Rekursgericht ist davon ausgegangen, dass im Anlassfall keine ausreichenden nach Österreich weisenden Anknüpfungspunkte vorliegen, weil – abgesehen von der Abwicklung der Aktienan- und -verkäufe über ein österreichisches Konto – Aktien einer deutschen AG an deutschen Börsenplätzen gekauft und verkauft wurden und Grundlage für den erhobenen Schadenersatzanspruch die Behauptung von der Beklagten bei der stichtagsbezogenen Abschlussprüfung in Deutschland unterlaufenen Fehlern ist. Diese Beurteilung ist vor dem Hintergrund der aufgezeigten Rechtsprechung des EuGH und des Obersten Gerichtshofs zum Erfordernis zusätzlicher inländischer Anknüpfungspunkte im konkreten Einzelfall nicht korrekturbedürftig.

[5]            3. Im Hinblick auf die Einzelfallbeurteilung ist auch das angeregte Vorabentscheidungsersuchen nicht erforderlich. Dass in anderen Einzelfällen das Ergebnis der Abwägung – je nach den konkreten Umständen – anders ausfiel, tut dem von den Vorinstanzen erzielten Ergebnis keinen Abbruch. Das gilt auch für den allgemeinen Hinweis, dass die EuGVVO den erleichterten Zugang zum Recht innerhalb des Binnenmarkts zum Ziel habe, besteht dieses doch nicht schrankenlos, sondern nur innerhalb der von der Verordnung und der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH gezogenen Grenzen, die hier vom Rekursgericht berücksichtigt wurden.

[6]            4. In der Entscheidung 3 Ob 14/12y wurde lediglich im Hinblick auf die behauptete, von vorneherein geplante, vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung durch falsche Angaben und das Anbot von nicht werthaltigen Aktien der Erfolgsort und damit die Zuständigkeit am Wohnsitz des dortigen Klägers bejaht. Diese Entscheidung ist insofern nicht einschlägig, als hier zwar wahrheitswidrige Angaben im Prüfungsvermerk und eine vorsätzliche Verletzung der Sorgfaltspflichten der Beklagen als Abschlussprüfer behauptet wurden, jedenfalls aber kein „Anlagebetrug“.

[7]       5. Insgesamt wird daher keine erhebliche Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO aufgeworfen.

Textnummer

E133839

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00154.21T.1214.000

Im RIS seit

16.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

16.02.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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