TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/19 95/19/0089

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Veröffentlicht am 19.09.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrG 1993 §37;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des A in H, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. April 1995, Zl. 4.344.525/1-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. April 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Armenien, der am 18. Mai 1994 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 19. Mai 1994 den Asylantrag gestellt hat, gegen den den Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 26. Mai 1994 abgewiesen.

Der Beschwerdeführer gab anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 19. Mai 1994 an, daß er von Juni 1987 bis Mai 1989 seinen Militärdienst bei der Armee der früheren UdSSR abgeleistet habe. Es sei seit Februar 1994 in Armenien üblich, daß Männer im Alter von 18 bis 45 Jahren von der Straße weg zum Militärdienst eingezogen würden. Diese Vorgangsweise sei allgemein bekannt, Einziehungen zum Militärdienst in dieser Weise fänden in großer Anzahl und in allen Landesteilen Armeniens statt. Die Männer würden an der Front im Gebiet von Berg Karabach eingesetzt. Der Beschwerdeführer sei am 1. Mai 1994 in Erewan von Milizorganen aufgefordert worden, in einen Kleinbus zu steigen, als er an einer Bus- und Straßenbahnhaltestelle gewartet habe. Er sei samt anderen zwangsrekrutierten Männern zu einem Amtsgebäude gebracht worden. Dem Beschwerdeführer sei es in der Folge gelungen, durch Bezahlung von 500 US-Dollar die Frist für die Einziehung um einen Monat zu verlängern. Sein Personalausweis sei als Pfand einbehalten worden, er habe die Dienststelle darauf verlassen können. Der Beschwerdeführer wolle den Militärdienst nicht antreten, weil er in Berg Karabach hätte Menschen verletzen und töten müssen, was er ablehne. Es habe auch die Gefahr bestanden, daß er selbst verletzt oder getötet worden wäre. Er habe deshalb den Aufschub der Einziehung zum Militärdienst genützt, um aus seiner Heimat zu flüchten und sich auf diese Weise der Militärdienstleistung zu entziehen. Deshalb würde in seiner Heimat gegen ihn ein Militärgerichtsverfahren eingeleitet werden. Er würde wegen der Wehrdienstverweigerung zu einer Freiheitsstrafe von fünf bis acht Jahren verurteilt werden.

In seiner Berufung gegen den den Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes wiederholte der Beschwerdeführer in Kurzform seine erstinstanzlichen Angaben und ergänzte, daß er bei einer Abschiebung in sein Heimatland mit einer sehr hohen Freiheitsstrafe, wenn nicht mit einem Todesurteil zu rechnen habe.

Die belangte Behörde erließ daraufhin den Bescheid vom 10. April 1995. Sie wies auf § 20 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1991 hin und legte ihrer Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde, weil keiner der in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 angeführten Fälle vorliege, aufgrund derer eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen sei.

Die Behörde kam zu dem Schluß, daß aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig ableitbar sei, daß es in seiner Heimat aufgrund der allgemeinen Wehrpflicht zur zielgerichteten Auswahl von Personen mit bestimmten Eigenschaften oder Überzeugungen komme. Die Rekrutierung und damit auch die Bestrafung wegen Verweigerung der Militärdienstleistung habe somit nicht erkennbar den Zweck, den Wehrpflichtigen wegen seiner persönlichen Eigenschaften (Rasse, Religion, politische Überzeugung, usw) zu diskriminieren, sodaß die Einberufung zur Militärdienstleistung keine Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 darstelle, da die erforderliche Verfolgungsmotivation seitens der Behörden des Heimatlandes nicht gegeben seien. Dem Beschwerdeführer komme die Flüchtlingseigenschaft nicht zu.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer vorbringt, daß er als einzigen Asylgrund seine drohende Einberufung zum Militär und die Entsendung in den Krieg in Berg Karabach geltend gemacht habe. Die willkürliche Rekrutierung von Wehrpflichtigen zum Einsatz in kriegerischen Auseinandersetzungen müsse als asylrechtlich relevant qualifiziert werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 hat der Bundesminister für Inneres in jedem Fall in der Sache selbst zu entscheiden und seiner Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrundezulegen.

Gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 hat der Bundesminister für Inneres eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen, wenn es mangelhaft war, der Asylwerber Bescheinigungsmittel vorlegt, die ihm im Verfahren erster Instanz nicht zugänglich waren, oder wenn sich der Sachverhalt, der der Entscheidung erster Instanz zugrundelag, in der Zwischenzeit geändert hat.

Der Beschwerdeführer hat weder in der Berufung noch in der Beschwerde einen der in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 enthaltenen Gründe für eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens erster Instanz konkret behauptet, weshalb der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht der belangten Behörde, sie habe gemäß § 20 Abs. 1 das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz ihrer Entscheidung zugrundezulegen, nicht als rechtswidrig erkennen kann.

Gemäß § 1 Z. 1 AsylG 1991, welcher vom Flüchtlingsbegriff des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll BGBl. Nr. 78/1974, inhaltlich nicht abweicht, ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Der belangten Behörde kann - ausgehend vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz - nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie zur Auffassung gelangt ist, daß dem Beschwerdeführer mangels Flüchtlingseigenschaft kein Asyl zu gewähren sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt weder die Flucht eines Asylwerbers vor einem drohenden Militärdienst noch die Furcht vor einer wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion drohenden, unter Umständen auch strengen Bestrafung einen Grund für die Anerkennung als Flüchtling dar, sofern nicht Umstände hinzutreten, die die Annahme rechtfertigen, die Einberufung, die Behandlung während des Militärdienstes oder die Bestrafung wegen Verweigerung des Wehrdienstes oder Desertion sei infolge eines der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe für den Beschwerdeführer ungünstiger erfolgt (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 94/01/0377). Daß die Einberufung oder die ihm drohende Bestrafung auch einen in diesem Sinne asylrechtlich relevanten Aspekt hätte, hat der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren nicht behauptet.

Der Beschwerdeführer hat in erster Instanz angegeben, daß ihm wegen Wehrdienstverweigerung eine Freiheitsstrafe von fünf bis acht Jahren drohe. Doch selbst die (in der Berufung erwähnte) Bedrohung mit der Todesstrafe begründet keinen Anspruch auf Asylgewährung, wenn - wie im Beschwerdefall - kein Zusammenhang mit Konventionsgründen besteht. Im Falle einer Bedrohung mit der Todesstrafe (oder mit einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe) kommt bei Zutreffen der dort angeführten Voraussetzungen im übrigen das Zurückschiebungsverbot des § 37 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, in Betracht (vgl. zum ganzen das hg. Erkenntnis vom 6. März 1996, Zl. 95/20/0110, ua).

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Damit erübrigt sich eine Befassung mit der darüber hinausgehenden Begründung des angefochtenen Bescheides sowie mit dem hiegegen erstatteten Beschwerdevorbringen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995190089.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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