TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/19 95/19/0088

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Veröffentlicht am 19.09.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der A und ihres Kindes S, beide in E, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. April 1995, Zl. 4.326.103/13-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. April 1995 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen der früheren UdSSR, die am 17. September 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 18. September 1991 den Antrag auf Asylgewährung gestellt hat, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 22. Oktober 1991, mit welchem festgestellt worden war, daß die Beschwerdeführerin nicht Flüchtling sei, abgewiesen und ausgesprochen, daß Österreich der Beschwerdeführerin kein Asyl gewähre.

Die Beschwerdeführerin gab zu ihren Fluchtgründen befragt niederschriftlich am 20. September 1991 an:

"In der UdSSR gehörte ich keiner politischen Organisation als Mitglied an.

Ich persönlich hatte in der UdSSR keinerlei Probleme. Mein Gatte hatte jedoch wegen seiner politischen Betätigung Schwierigkeiten und hat sich daher entschlossen, die UdSSR zu verlassen. Damit die Familie nicht getrennt wird, habe ich mich mit unserem Kind meinem Gatten angeschlossen. Sonst kann ich keinerlei Angaben machen."

In ihrer aufgrund der abweisenden Entscheidung der ersten Instanz erhobenen Berufung brachte sie vor, daß in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides keine Beweiswürdigung vorgenommen worden sei. Darüberhinaus wiederholte und ergänzte sie ihre Fluchtgründe, die in der Niederschrift des "Erstinterviews" nur unvollständig und zum Teil nicht korrekt wiedergegeben seien. Sie verwies im wesentlichen auf die Fluchtgründe ihres Mannes und gab an, daß sie durch ihre "indirekte Hilfe zu seinen Aktivitäten, ebenfalls der Polizei bekannt" sei und daher begründete Furcht um sie und ihre Familie gehabt habe. Da sie für sich und ihren Mann keine Möglichkeit gesehen habe, sich dem "Schutz" ihres "Landes zu unterziehen" bzw. in Zukunft in ihrem Land in Freiheit leben zu können und sich die Familie nicht trennen habe wollen, habe sie sich ebenfalls entschlossen, mit ihren Kindern und ihrem Mann das Heimatland zu verlassen.

Die belangte Behörde erließ daraufhin den Bescheid vom 28. Mai 1993, welcher aufgrund der an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde mit Erkenntnis vom 15. September 1994, Zl. 94/19/0506, infolge Anwendung einer verfassungswidrigen Norm (Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94) aufgehoben wurde.

Die belangte Behörde bot der Beschwerdeführerin im fortgesetzten Verfahren mit Schreiben vom 21. März 1991 die Gelegenheit, in einer Berufungsergänzung einfache Verfahrensmängel und daraus etwa folgende Sachverhaltsfeststellungen der Behörde erster Instanz zu relevieren.

In der Berufungsergänzung vom 6. April 1995 verwies die Beschwerdeführerin auf "das gesamte erstinstanzliche Vorbringen". Sie ergänzte, daß die "Verfolgungssituation" ihrer Person und ihrer Familie ungeachtet des Umstandes des Zerfalls der ehemaligen Sowjetunion nach wie vor aufrecht sei. In Armenien herrsche derzeit Krieg, die politische Situation sei undurchsichtig und instabil. Bei einer Rückkehr in ihre Heimat hätte sie "daher noch gravierendere Probleme zu gewärtigen" als vor ihrer Flucht. Zudem sei die Struktur des KGB nach wie vor vorhanden und entfalte Tätigkeiten, die sich auf Familienangehörige erstreckt hätten, um über den Aufenthaltsort der Beschwerdeführerin und ihrer Familie Auskünfte zu erlangen. Sie sei vor einer Rückkehr "eindringlich gewarnt" worden. Sie beantragte ihre ergänzende Einvernahme sowie die Einvernahme ihres Gatten als Zeugen.

Daraufhin erließ die belangte Behörde den Bescheid vom 10. April 1995. Die belangte Behörde resümierte, der Beschwerdeführerin sei es nicht möglich gewesen, konkrete asylrechtlich relevante Verfolgungshandlungen seitens der Behörden ihres Heimatstaates gegen ihre Person glaubhaft zu machen. Es könne deshalb Asyl nicht gewährt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Soweit die Beschwerdeführerin der belangten Behörde vorwirft, sie wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder ungenügende Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG iVm § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Falle hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. zB die hg. Erkenntnisse vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800 bis 0803, und vom 25. April 1995, Zl. 95/20/0112). Die in der Berufung enthaltene - in der Beschwerde jedoch gar nicht wiederholte - Verfahrensrüge, daß die Angaben der Beschwerdeführerin bei der Erstniederschrift nur unvollständig und zum Teil nicht korrekt wiedergegeben worden seien, ist mangels jeglicher näherer Ausführungen, aus welchen Gründen es bei der niederschriftlichen Einvernahme etwa zu Verständigungsproblemen gekommen sein sollte, und in Anbetracht der Umstände, daß die niederschriftliche Einvernahme unter Beiziehung eines Dolmetschers durchgeführt wurde und die Beschwerdeführerin sowohl innerhalb der Niederschrift als auch nach deren Abschluß erklärte, daß sie den Inhalt der Niederschrift verstanden und nichts hinzuzufügen habe, nicht geeignet, die Richtigkeit und Vollständigkeit der anläßlich der Niederschrift gemachten Angaben in Zweifel zu ziehen.

In der Beschwerdeergänzung vom 6. April 1995 hat die Beschwerdeführerin keinen Verfahrensmangel des erstinstanzlichen Verfahrens gerügt.

In der erstinstanzlichen Niederschrift hatte die Beschwerdeführerin aber ausdrücklich erklärt, persönlich keinerlei Probleme gehabt und nur aus Solidarität zu ihrem Gatten die Heimat mit ihrem Kind verlassen zu haben. Zwar ist der Beschwerdeführerin dahingehend zuzustimmen, daß im Rahmen einer Beurteilung der Gesamtsituation eines Asylwerbers die einem Familienangehörigen drohende Verfolgung insoferne nicht außer Betracht zu lassen ist, als diese grundsätzlich geeignet wäre, eine dem Asylwerber selbst drohende individuelle Verfolgung zu untermauern. Die Beschwerdeführerin übersieht aber, daß sie selbst keine ihr persönlich drohende Verfolgung behauptet hat. Dies würde sogar für das im weiteren Verfahren ergänzte Vorbringen der Beschwerdeführerin gelten, da auch hier keine ihr konkret drohende Verfolgung genannt wurde; die unbestimmte Angabe in der Berufung (würde man sie ungeachtet der Bestimmung des § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 heranziehen), daß die "indirekte" Hilfe für ihren Gatten den Behörden "bekannt" geworden sei, ist nicht geeignet, eine individuelle Verfolgung glaubhaft zu machen. In einem solchen Fall ist die belangte Behörde im Recht, daß die Angaben hinsichtlich der Situation des Gatten der Beschwerdeführerin eine der Beschwerdeführerin drohende Verfolgung nicht belegen können. Daher stellt auch die Unterlassung der beantragten Einvernahme des Ehegatten zu diesem Beweisthema keinen Verfahrensmangel dar.

Soweit die Beschwerdeführerin der belangten Behörde eine Verletzung der Manuduktionspflicht vorwirft, ist ihr zu entgegnen, daß aus § 13a AVG keine Pflicht der Behörden abzuleiten ist, einen Asylwerber inhaltlich derart anzuleiten, daß sein Vorbringen zur Asylgewährung führt.

Da sohin diese von der Beschwerdeführerin behaupteten Verfahrensmängel nicht vorliegen und auch sonst keine Verfahrensmängel hervorgekommen sind, ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, daß sie gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 ihrer Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrundezulegen hatte und auf das über das erstinstanzliche Vorbringen hinausgehende Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht näher einzugehen sei.

Damit hat die belangte Behörde aber auch ausreichend begründet, daß sie sich nicht mit dem gesamten Vorbringen der Beschwerdeführerin auseinanderzusetzen hatte. Der von der Beschwerdeführerin gerügte Begründungsmangel, daß sich die belangte Behörde mit ihrem Vorbringen nicht hinreichend auseinandergesetzt habe, ist somit ebenfalls unberechtigt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995190088.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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