TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/19 95/19/0071

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Veröffentlicht am 19.09.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AVG §13a;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des J, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. März 1995, Zl. 4.345.725/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. März 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Liberia, der am 24. November 1994 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 28. November 1994 den Asylantrag gestellt hat, gegen den den Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 16. Jänner 1995 abgewiesen.

Der Beschwerdeführer gab anläßlich seiner niederschriftlichen Befragung vor dem Bundesasylamt an, er habe sein Heimatland verlassen, da es zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern des Samuel Doe und des Charles Taylor gekommen sei. Die Eltern des Beschwerdeführers seien vermutlich durch eine Bombe, welche im Verlauf der Auseinandersetzungen das Elternhaus getroffen habe, im Oktober 1994 getötet worden. Der Beschwerdeführer habe zu diesem Zeitpunkt als Taxifahrer in Monrovia gearbeitet. Am Abend, als er zu seinem Elternhaus zurückgekehrt sei, habe er das abgebrannte Haus und die verkohlten Leichen seiner Eltern gesehen. Danach habe er sich eine Nacht bei einem Freund in Monrovia versteckt und am nächsten Tag das Heimatland verlassen. Er habe seine Heimat aus Angst davor, im Verlaufe der herrschenden Kämpfe getötet zu werden, verlassen. Zwei Monate vor seiner Flucht sei er mit seinem Vater zu Hause von zwei Polizeibeamten verhaftet worden. Sein Vater sei Mitglied einer verbotenen Partei gewesen, sei aber nach einem Tag Haft wegen der Pflegebedürftigkeit der kranken Mutter wieder entlassen worden. Der Beschwerdeführer sei verhaftet und in der Wachstube angehalten worden, damit sich sein Vater jeden Tag bei der Wachstube melde. Der Beschwerdeführer habe nach drei Tagen Haft das Fenster des Haftraumes geöffnet und sei durch einen Sprung aus dem Fenster entkommen. Danach habe er sich vier oder fünf Tage im Haus eines Freundes versteckt. Nachdem sein Vater erfahren habe, daß der Beschwerdeführer nicht mehr gesucht werde, habe er sich nicht weiter versteckt, sondern weiter als Taxifahrer in Monrovia gearbeitet. Der Beschwerdeführer sei Ende Oktober von Monrovia zu Fuß durch den Busch nach Guinea marschiert und in der Folge mit einem Schiff nach Slowenien gekommen. Von dort sei er mit einem Zug am 24. November 1994 illegal nach Österreich eingereist.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit der wesentlichen Begründung ab, daß aus der Tatsache, daß es im Heimatland des Asylwerbers zu kriegerischen Handlungen komme, kein Grund zu ersehen sei, darin gegen den Asylwerber selbst konkret gerichtete Verfolgungshandlungen zu erblicken. Zur behaupteten Inhaftierung führte das Bundesasylamt aus, daß der Beschwerdeführer laut seinen eigenen Angaben ca. fünf Tage nach seiner Flucht aus der Wachstube von den staatlichen Organen nicht mehr gesucht worden sei und seine Tätigkeit als Taxifahrer in seinem Heimatort wieder aufgenommen habe, woraus geschlossen werde, daß die staatlichen Stellen vor der Ausreise des Beschwerdeführers kein Interesse an einer Verfolgung seiner Person gehabt hätten.

In der dagegen erhobenen - formularmäßig gehaltenen - Berufung verwies der Beschwerdeführer "vollinhaltlich" auf seine niederschriftlichen Angaben und leitete daraus ab, er habe aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung sein Heimatland verlassen, weshalb er die Voraussetzungen für die Asylgewährung erfülle.

Die belangte Behörde erließ daraufhin den angefochtenen Bescheid. Sie verneinte das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft inhaltlich gleich wie das Bundesasylamt, daß aus der Bürgerkriegssituation im Heimatstaat des Beschwerdeführers keine individuell gegen den Beschwerdeführer selbst gerichtete Verfolgungshandlung zu erkennen sei, und bestätigte hinsichtlich der kurzzeitigen Inhaftierung des Beschwerdeführers die Ausführungen des Bundesasylamtes.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Insofern der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie habe sich nicht mit seinem Berufungsvorbringen auseinandergesetzt, ist ihm zu entgegnen, daß das Berufungsvorbringen inhaltsleer war. Insbesondere wurden darin keine Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens gerügt, die gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 zu einer Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens zu führen gehabt hätten.

Etwaige bei der niederschriftlichen Einvernahme unterlaufene Mängel sind auch nicht zu erkennen. Zudem sind in der niederschriftlichen Einvernahme keine hinreichend deutlichen Hinweise im Vorbringen des Beschwerdeführers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, enthalten, die gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 die Behörde verpflichtet hätten, auf eine weitere Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. zB die hg. Erkenntnisse vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800 bis 0803, und vom 25. April 1995, Zl. 95/20/0112). Dies gilt gleichermaßen für die Manuduktionspflicht des § 13a AVG, aus welcher keine Verpflichtung der Behörde abzuleiten ist, den Beschwerdeführer anzuleiten, welch inhaltliche Ausführungen er zu machen hat, damit sein Asylantrag zum Erfolg führt.

Damit geht aber auch das Vorbringen des Beschwerdeführers gegen die - teilweise - Übernahme des Inhaltes des erstinstanzlichen Bescheides durch die belangte Behörde ins Leere. Mangels eines erstinstanzlichen Verfahrensmangels durfte die belangte Behörde zu Recht den Inhalt des erstinstanzlichen Bescheides zum Inhalt ihres eigenen Bescheides erheben.

Insofern der Beschwerdeführer aus dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes ausführt, daß eine Bürgerkriegssituation im Herkunftsstaat drohende Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention nicht generell ausschließt, sondern es einer näheren Betrachtung der Umstände bedarf, warum die betreffende Person vor einer Konfliktsituation die Flucht ergriffen habe und ob sie als Flüchtling im Sinne der Konvention anzusehen ist, so ist ihm zwar zunächst zuzustimmen. Der Beschwerdeführer übersieht aber, daß die belangte Behörde nicht nur auf das Vorliegen der Bürgerkriegssituation abgestellt hat, sondern darauf, daß aus den Angaben des Beschwerdeführers in Verbindung mit der Bürgerkriegssituation keine individuell gegen ihn gerichtete Verfolgung zu erkennen ist. Damit ist die belangte Behörde im Recht, denn die Angaben des Beschwerdeführers ergeben keinen Hinweis darauf, daß eine der Bürgerkriegsparteien den Beschwerdeführer gezielt zu verfolgen suchte. Die den Eltern des Beschwerdeführers widerfahrenen Ereignisse sind nach Darstellung des Beschwerdeführers auch nicht Ausfluß einer gezielt gegen diese gerichteten Verfolgung, sondern einer Zufallsfolge der kämpferischen Auseinandersetzungen. Die allgemeinen aus einer Bürgerkriegslage drohenden Unglücksfolgen sind aber - wie die belangte Behörde richtig festgestellt hat - nicht asylrechtlich relevant (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 92/01/0982).

Der Beschwerdeführer hat darüber hinaus auch angegeben, daß er kurzfristig aufgrund politischer Parteizugehörigkeit seines Vaters inhaftiert worden sei. Er hat aber selbst klargestellt, daß er bereits fünf Tage nach der durch seine Flucht beendeten Inhaftierung durch die Behörden keinerlei weiteren Verfolgungsmaßnahmen mehr zu befürchten hatte. Die allein verbleibende Tatsache der kurzfristigen Inhaftierung stellt aber keine Maßnahme dar, die als relevante Verfolgungshandlung gewertet werden könnte (vgl. zB die hg. Erkenntnisse vom 10. März 1994, Zl. 94/19/0257, und vom 22. Juni 1994, Zl. 93/01/0443).

Die Schlußfolgerung der belangten Behörde, daß dem Beschwerdeführer keine Verfolgung aus den in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 genannten Gründen drohe, ist somit nicht als rechtswidrig zu erkennen, weshalb die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt und die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Damit erübrigt sich eine Befassung mit der darüber hinausgehenden Begründung des angefochtenen Bescheides betreffend Sicherheit des Beschwerdeführers vor Verfolgung in Slowenien sowie mit dem hiegegen erstatteten Beschwerdevorbringen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995190071.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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