TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/19 95/19/0096

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.09.1996
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Y in W, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. Jänner 1995, Zl. 4.345.558/2-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Spruchpunkt 1) des im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheides des Bundesministers für Inneres vom 24. Jänner 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Mauretanien, der am 1. Dezember 1994 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 5. Dezember 1994 den Asylantrag gestellt hat, gegen den den Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 19. Dezember 1994 abgewiesen.

Der Beschwerdeführer gab anläßlich seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt am 5. Dezember 1994 zu seinem Fluchtweg befragt an, daß er von Mauretanien mit einem europäischen Schiff nach Italien gelangt sei. Er habe 1.500 US-$ sowohl für die Überfahrt als auch für die Einreise in Italien und die weitere Verbringung nach Österreich bezahlt. Die Fahrt vom Hafen in Italien bis zur österreichischen Grenze habe etwa zwei Tage gedauert. Auf der Fahrt habe er die italienisch-slowenische Grenze überquert und sei durch Ljubljana gefahren. Die österreichische Grenze habe er illegal zu Fuß überschritten. Auf die Frage, warum er nicht in Italien um Asyl angesucht habe, antwortete der Beschwerdeführer, es sei seine eigene Idee gewesen, nach Österreich zu kommen. Es habe ihm niemand etwas gesagt.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag unter anderem mit der Begründung ab, daß ein Ausschließungsgrund vorliege, weil der Beschwerdeführer sich aufgrund seiner Angaben zur Reiseroute über Italien und Slowenien nach Österreich begeben und in diesen Nachbarstaaten Österreichs Sicherheit vor Verfolgung im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 erlangt habe. Denn Österreich sei nur von Staaten umgeben, welche die Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge unterzeichnet haben. Es sei ausreichend dokumentiert, daß von den Nachbarländern Österreichs niemand ohne Prüfung seines Anliegens in das Herkunftsland abgeschoben werde und daß diese Länder die aus der Anerkennung der Genfer Flüchtlingskonvention resultierenden Verpflichtungen auch erfüllten. Aufgrund der effektiv geltenden Rechtsordnungen in diesen Ländern könne davon ausgegangen werden, daß diese Schutz im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention geboten hätten.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer gegen die Annahme der "Verfolgungssicherheit" in tatsächlicher Hinsicht vor:

"Ausgehend von meinen Überlegungen bei meiner Flucht, die zwar in erster Linie auf meine Sicherheit vor der Verfolgung durch die Araber abstellten, aber daneben auch auf das wirtschaftliche Überleben von mir und meiner Familie, blieb ich nach der Landung in Europa nicht gleich im erstbesten Land Italien, da ich annehmen konnte, daß dort bereits zahlreiche Afrikaner niedergelassen sind, sondern wandte mich weiter ins Innere Europas, wobei ich mich, wie auch bereits vorgebracht, auf das Wissen meiner Fluchthelfer ebenso verließ wie auf meine Intuition. Der Umstand, daß ich nicht gleich im erstbesten sicheren Land, in Italien, um Asyl angesucht habe, kann jedoch nichts am Vorliegen meiner Flüchtlingseigenschaft ändern, ebensowenig wie am Bestehen eines Schutzbedürfnisses."

In rechtlicher Sicht wendete sich der Beschwerdeführer in der Berufung gegen die objektive Betrachtungsweise der Erstbehörde und führte aus, daß der gegenständliche Ausschließungsgrund auf die Fluchtbeendigung abzustellen und zu erheben sei, "ob Slowenien oder Italien bereit wären, mich aufzunehmen und mir im Sinne der Genfer Konvention Asyl zu gewähren". Unter Heranziehung seines Fluchtweges sei die Ansicht der Erstbehörde, er hätte in Italien oder Slowenien "Verfolgungssicherheit" erlangt, unrichtig. Denn aufgrund seiner bloßen Durchreise ohne Dokumente bzw. unter Umgehung der Grenzkontrollen und der Nichtbeendigung seiner Flucht könne nicht von "Verfolgungssicherheit" in diesen beiden Staaten ausgegangen werden.

Die belangte Behörde erließ daraufhin den Bescheid vom 24. Jänner 1995. Sie stützte den angefochtenen Bescheid unter anderem auf § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991, da der Beschwerdeführer sich vor seiner Einreise nach Österreich in Italien und Slowenien aufgehalten habe und keine Vorfälle habe aufzeigen können, welche auf die Gefahr einer Abschiebung nach Mauretanien hinweisen hätten können. Es wäre ihm möglich gewesen, bei den dortigen Behörden um Asyl anzusuchen. Der Anspruch auf Asylgewährung in Österreich bestehe nur dann, wenn ein entsprechendes Sicherheitsbedürfnis gegeben sei. Dies treffe nicht mehr zu, wenn sich der Asylwerber nach Verlassen seines Heimatlandes, in dem er verfolgt zu werden behauptet, in einem anderen Staat befunden habe und dort bereits Sicherheit vor Verfolgung hätte in Anspruch nehmen können. Hiebei sei ein objektiver Maßstab anzulegen. Subjektive Gründe, die den Asylwerber veranlaßt haben, im Drittstaat nicht länger zu bleiben und nicht dort einen Asylantrag zu stellen, seien ohne Bedeutung. Es komme auch nicht auf den Ort der tatsächlichen "Fluchtbeendigung" an, sondern darauf, daß der Asylwerber unter Bedachtnahme auf sein Sicherheitsbedürfnis, weitere Verfolgung zu vermeiden, seinen "Fluchtweg" vor der Einreise nach Österreich hätte abbrechen können. Dies sei auch dann der Fall, wenn im Drittland kein stationärer Aufenthalt genommen worden sei. Es käme auch nicht darauf an, daß der Aufenthalt des Asylwerbers den Behörden des Drittstaates bekannt, von diesen geduldet oder gebilligt worden sei. "Verfolgungssicherheit" liege vor, wenn sich der Asylwerber in einem Drittland befunden habe, in dem er weder asylrechtlich relevante Verfolgung durch diesen Staat noch bei Stellung eines Asylantrages die Abschiebung in einen anderen Staat, wo er eine solche Verfolgung zu erwarten hätte, hätte befürchten müssen. Hinsichtlich Italien und Slowenien sei davon auszugehen, daß in einem Staat, dessen Rechts- und Verfassungsordnung im großen und ganzen effektiv sei, auch größere Teilbereiche dieses Rechtsbestandes, wie das sich aus den Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention ergebende Non-Refoulement-Recht, ebenfalls effektiv in Geltung stünden. Der Beschwerdeführer habe nicht darzutun vermocht, daß er keinen Rückschiebeschutz genossen habe. Sein Wunsch, daß er nach Österreich habe reisen wollen, stelle keinen im Licht des Asylgesetzes 1991 beachtlichen Grund dar, der ihn gehindert hätte, im Drittstaat länger zu bleiben und dort um Asyl anzusuchen.

Gegen Spruchpunkt 1) dieses Bescheides richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gegen die Annahme der "Verfolgungssicherheit" bringt der Beschwerdeführer vor, daß die belangte Behörde im Ermittlungsverfahren nicht geprüft habe, inwieweit er tatsächlich in Italien oder Slowenien bereits vor Verfolgung sicher gewesen wäre bzw. ob er nicht bereits von der italienischen bzw. slowenischen Behörde abgeschoben worden wäre, sodaß seine Schutzbedürftigkeit gegeben gewesen sei. Es sei auch nicht geprüft worden, inwieweit die italienische oder slowenische Behörde tatsächlich bewußt von seinem nur wenige Stunden dauernden Aufenthalt während seiner Durchreise Kenntnis gehabt habe.

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, daß bereits die Erstbehörde von "Verfolgungssicherheit" in Italien und/oder Slowenien ausgegangen ist. Weder das erstinstanzliche Vorbringen des Beschwerdeführers, daß es seine eigene Idee gewesen sei, nach Österreich zu kommen, noch das in der Berufung - es sei dahingestellt, ob § 20 Abs. 1 AsylG 1991 zur Anwendung käme - gegen die Annahme der "Verfolgungssicherheit" erstattete Sachvorbringen, er habe aus - im wesentlichen - wirtschaftlichen Gründen nicht im "erstbesten sicheren Land, in Italien, um Asyl angesucht", sind geeignet, die Annahme zumindest im Hinblick auf Italien zu erschüttern, Italien habe von seiner effektiv geltenden Rechtsordnung her einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz geboten. Die belangte Behörde traf daher keine gesetzliche Verpflichtung, die nunmehr in der Beschwerde geforderten Ermittlungen anzustellen.

Davon ausgehend hat die belangte Behörde aber auch die Rechtslage zum Begriff der "Verfolgungssicherheit" im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 - im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (ausgehend von den hg. Erkenntnissen vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256, und vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357, auf welche gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird) - richtig erkannt.

Die Beschwerde war daher im Hinblick auf den herangezogenen Ausschlußgrund gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Befassung mit der darüber hinausgehenden Begründung des angefochtenen Bescheides sowie mit dem hiegegen erstatteten Beschwerdevorbringen.

Von der von dem Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Da die Beschwerde als Beschwerdepunkt die Verletzung des Rechtes auf Gewährung von Asyl nennt und auch inhaltlich keine Ausführungen zum Spruchpunkt 2) des angefochtenen Bescheides enthält, mit welchem der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Bescheinigung über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 4 Asylgesetz 1991 abgewiesen wurde, blieb dieser trennbare Abspruch unbekämpft.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995190096.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten