TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/3 W247 2225959-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.11.2021
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Entscheidungsdatum

03.11.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


1.) W247 2225959-1/19E

2.) W247 2173954-2/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX alias XXXX alias XXXX XXXX alias XXXX , geb. am XXXX und 2.) XXXX alias XXXX XXXX alias XXXX , geb. am XXXX , beide StA. Russische Föderation und vertreten durch RA XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenrecht und Asyl vom 24.10.2019, 1.) Zl. XXXX und 2.) XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.10.2021, zu Recht:

A)

I.) Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis V. und VII. wird gemäß §§ 7 Abs. 1 Z 2 und Abs. 4, 8 Abs. 1 Z 2, 10 Abs. 1 Z 4 und 57 Asylgesetz 2005, BGBl Nr. 100/2005, idgF., § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, idgF., und §§ 52, 55 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., als unbegründet abgewiesen.

II.) Den Beschwerden gegen die Spruchpunkte VI. der angefochtenen Bescheide wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass diese lauten: „Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Absatz 3 Z 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., wird gegen Sie ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen“.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Der Erstbeschwerdeführer (BF1) ist der ältere Bruder des Zweitbeschwerdeführers (BF2). Beide sind russische Staatsangehörige, der tschetschenischen Volksgruppe und dem sunnitischen Glauben des Islam zugehörig.

I. Verfahrensgang:

1. Die BF1-BF2 reisten spätestens am 29.03.2003 unrechtmäßig mit ihrer Mutter und ihren beiden älteren Schwestern in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte die Mutter der BF1-BF2 für diese als gesetzliche Vertreterin am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheiden des ehemaligen Bundesasylamts vom 18.09.2003, ZI XXXX und Zl. XXXX wurde den Asylanträgen der BF1-BF2 gemäß § 7 AsylG 1997 im Familienverfahren stattgegeben und ihnen in Österreich Asyl gewährt, sowie gemäß § 12 AsylG 1997 festgestellt, dass ihnen kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Bescheidbegründend wurde lediglich ausgeführt, dass das Bundesasylamt aufgrund des Ermittlungsverfahrens in Zusammenhalt mit den Angaben bei der niederschriftlichen Befragung zur Ansicht gelange, dass die Voraussetzungen der Asylgewährung vorlägen.

3. Die BF1-BF2 wurden im Bundesgebiet mehrfach straffällig, weshalb jeweils Asylaberkennungsverfahren gegen sie eingeleitet wurden.

4. Anlässlich der Prüfung ihres Aberkennungsverfahrens wurden die BF1-BF2 am 02.10.2019 vor dem BFA jeweils im Beisein ihres Rechtsvertreters in deutscher Sprache niederschriftlich einvernommen und jeweils von der Durchführung eines Aberkennungsverfahrens in Kenntnis gesetzt.

4.1. Im Zuge dessen gab der BF1 an, gesund zu sein und keine Medikamente zu nehmen. Zu seinen strafgerichtlichen Verurteilungen wisse er nicht, was er sagen solle, diese seien jedoch gerechtfertigt gewesen. Er habe zwei Kinder im Alter von 3 und 4 Jahren, diese seien österreichische Staatsbürger. Mit der Mutter der Kinder sei er seit 2017 nicht mehr zusammen, sie habe das Sorgerecht. Er sehe seine Kinder jetzt wegen der Fußfessel nur jede zweite Woche, zuvor habe er seine Kinder jedoch fast täglich gesehen. Er habe nun eine neue Freundin, sie sei Österreicherin. Der BF1 gab weiters an, Tschetschenisch und Deutsch zu sprechen. Zu Hause spreche er mit seinen Eltern Tschetschenisch, mit seiner Schwester, seinen Neffen und Nichten spreche er jedoch Deutsch. Der BF1 sei seit 2002 oder 2003 durchgehend in Österreich, habe hier die Volks,- und Hauptschule besucht, sowie eine Ausbildung zum Staplerfahrer und den Führerschein gemacht. In Österreich würden seine Eltern, seine Schwestern, Neffen und Nichten, sowie zwei Brüder leben. In Tschetschenien habe er keine Verwandten mehr. Derzeit arbeite er bei der XXXX als Arbeiter und habe österreichische, sowie ausländische Freunde. In Tschetschenien sei er nicht zur Schule gegangen, er könne auch nicht Tschetschenisch oder Russisch schreiben. Warum ihm genau der Status des Asylberechtigten zugekommen sei, wisse er nicht, er sei noch sehr jung gewesen. Für den Fall einer Rückkehr in die Russische Föderation habe er keine Ahnung und wisse nicht, was ihn erwarte.

4.2. Der BF2 brachte im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor, gesund zu sein und keine Medikamente zu nehmen. Zu seinen strafgerichtlichen Verurteilungen wolle er nichts sagen, diese seien jedoch gerechtfertigt gewesen. Er sei in XXXX geboren, russischer Staatsangehöriger und im Besitz eines Konventionsreisepasses. Der BF2 spreche am besten Deutsch, Russisch und die tschetschenische Sprache könne er kaum. Mit seinen Eltern spreche er meistens Deutsch, sie verstünden das. Warum ihm genau der Status des Asylberechtigten zugekommen sei, wisse er nicht, er sei noch sehr jung gewesen, er sei 2 Jahre alt gewesen, als er nach Österreich gekommen sei und im Bundesgebiet aufgewachsen. Der BF2 sei nie wieder in der Russischen Föderation gewesen und würden alle seine Familienangehörigen in Österreich leben, nämlich seine Eltern, seine 5 Geschwister, eine Tante ms und 4 Tanten vs. Er habe auch noch eine Tante in Frankreich. Der BF2 gab an, zwar immer wieder eine Ausbildung begonnen, aber nicht fertig gemacht zu haben. Die Pflichtschule habe er nicht positiv abgeschlossen und sei er nach seiner letzten Haftentlassung lediglich Hilfsjobs nachgegangen, jedoch immer nur für ein oder eineinhalb Monate, die Arbeiten hätten ihm nicht gefallen. Leben würde der BF2 von Hilfsjobs, seinen Eltern und Geschwistern oder AMS-Kursen. Sein Freundeskreis bestehe hauptsächlich aus Österreichern und seine Familie besuche ihn regelmäßig abwechselnd im Gefängnis. Er habe 7 Jahre eine Freundin gehabt, jedoch vor seinem Haftantritt mit ihr Schluss gemacht. Betreffend seiner Rückkehrbefürchtungen gab der BF2 an, dass er hier nicht wegkönne, in der Russischen Föderation habe er niemanden, die Sprache könne er nicht und er kenne sich dort nicht aus. Vor seiner Haft habe er bei seinen Eltern gelebt, wo auch seine Schwestern mit ihren Kindern, seine Brüder und ein Cousin, der während seiner Haftzeit aus Tschetschenien gekommen sei, leben würden. Den Cousin habe er noch nicht gesehen, der BF2 wüsste nicht wer die Eltern des Cousins seien, wie dieser heiße oder wie alt er sei. Die Mutter des BF2 und sein kleiner Bruder seien im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft.

Dem rechtsfreundlichen Vertreter der BF1-BF2 wurde hinsichtlich des Länderinformationsblatts zur Russischen Föderation eine Stellungnahmefrist von 2 Wochen eingeräumt.

Aufgrund der Veröffentlichung eines neuen Länderinformationsblattes wurde die Frist bis zum 24.10.2019 erstreckt.

5. Mit Stellungnahme vom 22.10.2019 führte der rechtsfreundliche Vertreter der BF1-BF2 für diese zusammenfassend aus, dass das Länderinformationsblatt rechtsstaatliche Mängel und massive Menschenrechtsverletzungen in der Russischen Föderation, im Besonderen in Tschetschenien aufzeige. Ebenso sei Korruption in Tschetschenien nach wie vor weit verbreitet und würden schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, wie Folter, Verschwindenlassen, Geiselnahmen etc., durch tschetschenische Sicherheitsorgane beklagt. Für Rückkehrer sei auszuführen, dass diese insbesondere vor wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen stünden. Bestätigt seien Fälle in denen Tschetschenen, die einen negativen Asylbescheid erhalten hätten, zurückgekehrt und unrechtmäßig verfolgt worden seien. Tatsache sei, dass der BF1 mit 5 Jahren und der BF2 mit 2 Jahren nach Österreich gekommen sei und diese sich seither ununterbrochen im Bundesgebiet aufhielten. Die BF1-BF2 könnten weder die tschetschenische noch die russische Sprache ausreichend in Wort und Schrift, ihre Muttersprache sei Deutsch, weshalb es ihnen nicht möglich sei in ein Arbeitsverhältnis einzutreten oder die notwendigen Behördenwege zu bestreiten. Da die BF1-BF2 keine Verwandten mehr in Tschetschenien hätten, hätten sie keine Unterstützung bei der Aufbringung ihres Unterhaltes oder einen Platz, wo sie wohnen könnten.

6. Im erstinstanzlichen Verfahren wurden für den BF1 folgende Unterlagen in Vorlage gebracht:

?        Fachkenntnisnachweis des XXXX für Staplerfahrer vom 30.07.2014

?        Österreichischer Führerschein

?        Versicherungsdatenauszug vom 12.09.2019

?        Bericht des XXXX vom 08.10.2019

Für den BF2 wurden erstinstanzlich keine Unterlagen vorgelegt.

7.1. Mit den angefochtenen Bescheiden vom 24.10.2019 wurde den BF1-BF2 der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 (BF2) bzw. Z 2 (BF1) AsylG aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass ihnen die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.). Der Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde ihnen gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und nach § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG gegen die BF1-BF2 erlassen (Spruchpunkt IV.). Ihre Abschiebung in die Russische Föderation wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG iVm § 46 FPG für zulässig erklärt (Spruchpunkt V.) und ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VII.).

7.2. In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zu den Personen der BF1-BF2, zur Lage in ihrem Herkunftsstaat und stützte sich hinsichtlich des BF1 auf den Aberkennungsgrund gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG. Die belangte Behörde führte rechtlich im Bescheid des BF1 aus, dass sich die Lage in der Russischen Föderation seit dem Zeitpunkt der Statuszuerkennung wesentlich und nachhaltig geändert habe. Hinsichtlich des BF2 stützte sich die belangte Behörde auf den Aberkennungsgrund nach § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG und führte rechtlich aus, dass der BF2 im Rahmen seiner letzten Verurteilung ein besonders schweres Verbrechen begangen habe, gemeingefährlich sei und eine Interessenabwägung zu seinen Ungunsten ausfalle, weshalb der Status des Asylberechtigten abzuerkennen sei. Im Übrigen hätten weder der BF1, noch der BF2 eine gezielte staatliche Verfolgung vorgebracht und könne eine aktuelle und individuelle Rückkehrgefährdung nicht festgestellt werden. Den BF1-BF2 drohe keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder Art. 3 EMRK und sei eine Rückkehrentscheidung jeweils zulässig. Die BF1-BF2 würden zwar über familiäre Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügen, weil ihre Kernfamilie in Österreich lebe, doch sei von einem Familienleben des BF2, bedingt durch seine Inhaftierung, derzeit nicht auszugehen. Der BF1 wohne mit seinem Vater, sowie einer Schwester zusammen und habe darüber hinaus zwei Kinder, für die jedoch die Kindesmutter obsorgeberechtigt sei. Der BF1 sehe seine Kinder alle 2 Wochen. Aufgrund der Straffälligkeit der BF1-BF2 sei der Eingriff in ihr Privat- bzw. Familienleben jedoch gerechtfertigt und überwiege insgesamt das öffentliche Interesse an ihrer Aufenthaltsbeendigung. Darüber hinaus habe der BF1 einen guten Teil seines Aufenthalts in Österreich in Justizanstalten oder elektronisch überwachtem Hausarrest verbracht und hätte die BF1-BF2 es verabsäumt sich wirtschaftlich, sozial und beruflich zu integrieren. Im Übrigen bestünden Bindungen zum Herkunftsstaat. Des Weiteren sei die Verhängung eines jeweiligen Einreiseverbotes aufgrund der strafrechtlichen Verurteilungen der BF1-BF2 und der daraus folgenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt. 10 Jahre erschienen der belangten Behörde dabei gerechtfertigt und notwendig.

7.3. Beweiswürdigend führte das BFA in den angefochtenen Bescheiden im Wesentlichen aus, dass die BF1-BF2 befragt dazu, was gegen eine Rückkehr in ihre Heimat spräche, angaben, keine Ahnung zu haben und es nicht zu wissen, weshalb kein konventionsrelevanter Tatbestand vorgebracht worden sei. Der BF1 habe angegeben, keine Verwandte mehr im Herkunftsland zu haben, wohingegen der BF2 am selben Tag angegeben habe, dass vor Kurzem ein Cousin aus Tschetschenien nach Österreich gekommen sei. Aus dessen negativ entschiedenen Asylverfahren sei zu entnehmen, dass dessen Vater und dessen 3 Halbgeschwister in der Russischen Föderation aufhältig seien. Im Übrigen habe der Cousin der BF1-BF2 angegeben, kurz vor seiner Ausreise Kontakt zur Mutter der BF1-BF2 aufgenommen, nachdem er diese über das Internet ausfindig gemacht habe. Daraus ergebe sich, dass die BF1-BF2 noch über Verwandte in der Russischen Föderation verfügen würden, die sie unterstützen könnten.

7.4. Die belangte Behörde kam zu dem Schluss, dass die BF1-BF2 keine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat mehr geltend gemacht hätten bzw. ein Aberkennungstatbestand nach § 7 Abs. 1 Z 1 (BF2) bzw. Z 2 (BF1) AsylG vorliege. Auch wenn man zu dem Schluss komme, dass hinsichtlich des BF2 kein besonders schweres Verbrechen vorliege, liege ein Aberkennungstatbestand vor, weil die Umstände aufgrund derer dem BF2 die Flüchtlingseigenschaft zugekommen sei, ebenfalls nicht mehr bestünden. Es ergebe sich für die BF1-BF2 keine Gefährdungslage nach § 8 AsylG und erscheine eine Rückkehr in die Russische Föderation zumutbar. Zudem stünde ihnen eine innerstaatliche Fluchtalternative in anderen Teilen der Russischen Föderation zur Verfügung. Eine Rückkehrentscheidung gegen die BF1-BF2, sowie deren Abschiebung sei zulässig und ein Einreiseverbot in der Dauer von 10 Jahren gerechtfertigt und notwendig.

8. Mit Verfahrensanordnung vom 24.10.2019 wurde den BF1-BF2 gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG von Amts wegen ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Verfügung gestellt.

9. Gegen die angefochtenen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.10.2019, zugestellt am 28.10.2019, richten sich die gegenständlich am 25.11.2019 fristgerecht eingebrachten, für die BF1-BF2 gleichlautenden, in vollem Umfang erhobenen Beschwerden wegen unrichtiger Feststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung, Aktenwidrigkeit und Verfahrensmängel. Insbesondere werden die Feststellungen zur Rückkehr der BF1-BF2 in die Russische Föderation bekämpft. Tatsächlich würden die BF1-BF2 einer Bedrohung und Verfolgung ausgesetzt, weil die von ihrer Familie geltend gemachten Fluchtgründe - nach wie vor - unverändert aufrecht seien. Der Vater der BF1-BF2 habe als Arzt tschetschenische Widerstandskämpfer behandelt und sei aus diesem Grund von russischer Seite verfolgt und mit dem Tod bedroht worden. Innerstaatliche Fluchtalternativen bestünden nicht. Es sei auch unrichtig, dass die BF1-BF2 im Heimatland über familiäre Anknüpfungspunkte verfügen würden. Der BF1 sei im Alter von 7 Jahren, der BF2 im Alter von 4 Jahren geflohen und würde sich deren gesamte Familie in Österreich bzw. Frankreich befinden. Mit etwaigen russischen Verwandten hätten die BF1-BF2 nie Kontakt gehabt und hätten sie auch keine Kenntnis darüber, dass ihre Eltern zu weitschichtigen Verwandten Kontakt gehalten hätten. Die BF1-BF2 würden nur bruchstückhaft Tschetschenisch und kein Russisch sprechen, weshalb sie sich im Herkunftsland nicht verständigen könnten. Soweit sich Ausführungen auf Angaben ihres Cousins XXXX gründen, würden diese als unzulässiges Beweismittel bekämpft. Aussagen Dritter, von denen die BF1-BF2 weder in Kenntnis gesetzt worden seien, noch auf Richtigkeit überprüfen hätten können, dürften im Asylverfahren der BF1-BF2 keine Verwendung finden, zumal die Angaben des Cousins in seinem Asylverfahren auch nicht als Beweismittel in den Verfahren der BF1-BF2 angeführt worden seien. Es handle sich um einen wesentlichen Verfahrensmangel und hätte den BF1-BF2 zumindest die Möglichkeit einer Akteneinsicht und Stellungnahme zu diesen aktenfremden Beweismitteln geräumt werden müssen, weshalb sie die Verwendung dieser nicht bekannt gegebenen Aussagen in ihrem rechtlichen Gehör verletzen würden. Darüber hinaus sei die Feststellung, wonach die BF1-BF2 über keine maßgeblich ausgeprägte private und familiäre Integration verfügen würden, als unrichtig zurückzuweisen. Der BF1 habe in Österreich die Schule besucht, gehe einer geregelten Arbeit nach und habe zwei Kinder, die er regelmäßig sehe. Im Übrigen handle es sich bei seinen Verurteilungen hauptsächlich um bedingte Freiheitsstrafen, sowie Geldstrafen und habe er die meisten als Jugendlicher gesetzt. Zuletzt sei ihm hinsichtlich seiner letzten Verurteilung vor über 2 Jahren aufgrund einer positiven Risikoprognose der Vollzug im Wege des elektronisch überwachten Hausarrests genehmigt worden. Außerdem sei im Bescheid des BF1 nicht auf seine Stellungnahme vom 21.10.2019 eingegangen worden und habe sich der Bescheid nicht mit dem von seinen Eltern im Asylverfahren geltend gemachten Fluchtgrund auseinandergesetzt. Von einer grundlegenden und dauerhaften Änderung der Umstände in der Russischen Föderation für Sympathisanten tschetschenischer Widerstandskämpfer gäbe es auch in den Länderfeststellungen keinen Hinweis. Eine rechtsrichtige Interessenabwägung hinsichtlich der Rückkehrentscheidung hätte jedenfalls ein Überwiegen seiner familiären und privaten Interessen gegenüber den öffentlichen zum Ergebnis haben müssen. Insbesondere wäre der familiären Anbindung des BF1 in Bezug auf seine Kinder mehr Bedeutung zuzumessen gewesen. Derzeit könne er sie nur alle 2 Wochen sehen, vor seinem Strafantritt habe er sie zumindest wöchentlich, teilweise täglich gesehen. Die Kinder des BF1 würden sehr an ihm hängen und die psychischen Folgen seiner Außerlandesschaffung für diese seien nicht absehbar. Briefliche, telefonische oder elektronische Kontakte könnten den unmittelbaren Kontakt nicht ersetzen. Dies gelte im Übrigen auf für das Einreiseverbot. Insbesondere hätten die Kinder des BF1 das Recht ihren Vater zu sehen und habe der BF1 das Recht und die Verpflichtung seinen Kindern beim Aufwachsen beizustehen. Auch seine in der Bedeutung geringfügigen Verurteilungen können seine familiären Interessen in keiner Weise aufwiegen, weshalb das Einreiseverbot von 10 Jahren nicht gerechtfertigt sei. Hinsichtlich des BF2 wurde beschwerdeseitig ausgeführt, dass er in Österreich den Kindergarten, sowie die Schule besucht habe und die deutsche Sprache perfekt beherrsche. Der BF2 wohne mit seinen Familienmitgliedern, mit seinen Eltern und Geschwister, auf engstem Raum, in zwei Haushalten. Nachdem er erst 20 Jahre alt sei, könne ihm (noch) nicht vorgeworfen werden, keiner nachhaltigen Erwerbstätigkeit nachgegangen zu sein. Im Übrigen sei es nicht richtig, dass der BF2 seinen Aufenthalt in Österreich zur kontinuierlichen Begehung von Strafrechtsdelikten genutzt habe. Er habe als 15 bzw. 16-jähriger in jugendlicher Unreife Fehlverhalten gesetzt, welche mit bedingten Freiheitsstrafen bzw. mit einem unbedingten Strafteil von 2 Monaten sanktioniert worden seien. Nach Ablauf eines mehr als 4-jährigen Wohlverhaltens, sei es zu einem weiteren Fehlverhalten und einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten gekommen. Der BF2 bereue sein Fehlverhalten zutiefst und werde aufgrund guter Führung sowie einer positiven Risikoprognose vorzeitig bedingt entlassen. Im Bescheid des BF2 sei sich ebenso wenig mit der Stellungnahme zu den Länderinformationen auseinandergesetzt worden. Der BF2 habe im Übrigen kein schweres Verbrechen begangen und bedeute er keineswegs eine Gefahr für die Gemeinschaft. Eine Interessenabwägung würde zu seinen Gunsten ausfallen und wäre bei richtiger Beurteilung von der Rückkehrentscheidung Abstand zu nehmen gewesen. Dasselbe gelte für das Einreiseverbot. Dies sei sonst jedenfalls herabzusetzen. Beschwerdeseitig wurde beantragt das Bundesverwaltungsgericht möge 1.) die Bescheide beheben und von einer Aberkennung des zuerkannten Status der Asylberechtigten Abstand nehmen, in eventu 2.) subsidiären Schutz zuerkennen, in eventu 3.) den BF1-BF2 einen Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG erteilen, 4.) die Rückkehrentscheidungen ersatzlos beheben, 5.) in Behebung der Bescheide die Zulässigkeit der Abschiebung ersatzlos beheben bzw. feststellen, dass eine Abschiebung in den Herkunftsstaat Russische Föderation unzulässig ist, 6.) in Behebung der Bescheide von der Erlassung eines jeweiligen Einreiseverbotes Abstand nehmen bzw. allenfalls die Dauer der Einreiseverbote auf zwei Jahre und weiters auf das österreichische Bundesgebiet beschränken und 7.) eine mündliche Verhandlung anberaumen.

10. Die Beschwerdevorlagen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.11.2019 (BF1) bzw. 27.11.2019 (BF2) langten am 29.11.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

11. Mit Schriftsatz vom 30.09.2021 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den BF1-BF2 Feststellungen zur Situation in ihrem Herkunftsstaat (Beweismittelliste zur Lage in der Russischen Föderation; insbesondere das Länderinformationsblatt vom 10.06.2021, Version 3, welches dem Rechtsvertreter der BF1-BF2 mit Schriftsatz vom 13.10.2021 übermittelt wurde) und wurde ihnen Gelegenheit eingeräumt, dazu innerhalb von 10 Tagen hg. einlangend Stellung zu nehmen. Gleichzeitig wurde den Beschwerdeführern die Ladung für die mündliche Verhandlung am 15.10.2021 vor dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt.

12. Mit Schriftsatz vom 05.10.2021, hg. eingelangt am 13.10.2021, nahmen die BF1-BF2 durch ihren Rechtsvertreter Stellung zu den übermittelten Länderberichten. Im Wesentlichen wird darin ausgeführt, dass auf die eingebrachten Stellungnahmen vom 21.10.2019 verwiesen werde, welche vollinhaltlich aufrecht gehalten werden. Änderungen im Länderinformationsblatt hätten sich lediglich im Umfang, den Unterteilungen und der Angabe der Aktenseiten ergeben. Inhaltlich seien keine wesentlichen Änderungen und mit Sicherheit keine Verbesserungen der Umstände der Lebensführung in Russland für Tschetschenen, insbesondere für Rückkehrer, zu erkennen. Unverändert zeige das LIB nachvollziehbar die schweren rechtsstaatlichen Mängel und die massiven Menschenrechtsverletzungen, insbesondere in Tschetschenien auf. Verschwindenlassen, rechtswidrige Entführungen, Folter und außergerichtliche Tötungen seien an der Tagesordnung und würden diese Formen von Gewalt XXXX zur Aufrechterhaltung der Kontrolle über die Republik dienen. Es werde auch dargelegt, dass sozial Schwache, Obdachlose, Betrunkene, Ausländer und Personen fremdländischen Aussehens Opfer von Misshandlungen durch die Polizei und Untersuchungsbehörden würden. Nur ein geringer Teil der Täter würde disziplinarisch oder strafrechtlich verfolgt und Korruption, sowie Missbrauch, würde bei der tschetschenischen Polizei grassieren. Auch in russischen Großstädten würden Regimefeinde und Flüchtlinge vor dem „langen Arm“ des Regimes nicht sicher sein, Flüchtlinge würden auch in anderen Landesteilen verfolgt, sowie gegen ihren Willen nach Tschetschenien zurückgeholt. Vor allem in Polizeigewahrsam und Strafkolonien komme es zu Folter, sowie grausamer und erniedrigender Behandlung, die in jüngster Vergangenheit durch in den Medien publizierten Berichten und Videos bestätigt würden. Untersuchungen von Foltervorwürfen blieben fast immer erfolglos und würden unter Folter erzwungene Geständnisse als Beweismittel anerkannt. Korruption sei vor allem in Tschetschenien nach wie vor verbreitet und große Teile der Wirtschaft würden von wenigen mit dem politischen System eng verbundenen Familien kontrolliert. Durch die zunehmende Einschränkung der Meinungs- Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit habe sich die Menschenrechtsbilanz in Russland weiter verschlechtert. Wer versuche diese Rechte wahrzunehmen, müsse mit Repressalien rechnen, die von Schikanen bis hin zur Misshandlung durch die Polizei, willkürliche Festnahmen, hohe Geldstrafen und in einigen Fällen auch Strafverfolgung, sowie Inhaftierung reichen würden. Der Freiraum für die russische Zivilgesellschaft sei in den letzten Jahren schrittweise eingeschränkt worden. Insbesondere in Tschetschenien würden von NGOs regelmäßig schwere Menschenrechtsverletzungen durch tschetschenische Sicherheitsorgane, wie Folter, Verschwindenlassen, Geiselnahmen und das rechtswidrige Festhalten von Gefangenen und die Fälschung von Straftatbeständen beklagt. Entsprechende Vorwürfe würden kaum untersucht, die Verantwortlichen würden mitunter Straflosigkeit genießen. Besonders gefährdet seien Menschenrechtsaktivisten bzw. Journalisten, aber auch Einzelpersonen, die das Regime kritisieren würden. Die strafrechtliche Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen sei unzureichend. Regimeopfer müssten mitsamt ihren Familien aus Tschetschenien evakuiert werden. Von Seiten XXXX würden Feinde des tschetschenischen Volkes unverhohlt mit dem Umbringen bedroht. Tendenzen zur verstärkten Verwendung von Scharia-Recht hätten in den letzten Jahren zugenommen. Rückkehrer würden insbesondere vor wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen stehen. Eine allgemeine Aussage über die Gefährdungslage von Rückkehrern in Bezug auf eine mögliche politische Verfolgung durch die russischen bzw. nordkaukasischen Behörden könne nicht getroffen werden, da dies stark vom Einzelfall abhänge. Bestätigt würden jedoch Fälle von Tschetschenen, die im Ausland einen negativen Asylbescheid erhalten hätten und in der Folge in ihre Heimat zurückgekehrt sind, insbesondere, wenn sie bereits vor der Ausreise Probleme mit Sicherheitskräften gehabt hätten. Gegenständlichen seien die BF1-BF2 im Alter von 2 bzw. 5 Jahren nach Österreich gekommen und hätten seither ununterbrochen in Österreich gelebt. Beide seien der russischen Sprache nicht mächtig, dem BF1 sei zumindest die tschetschenische Sprache mehr schlecht als recht geläufig. Mangels Kenntnis der russischen Sprache bzw. nur eingeschränkten Kenntnissen der tschetschenischen Sprache wäre es den BF1-BF2 nicht möglich im Falle einer Rückkehr nach Russland in ein Arbeitsverhältnis einzutreten. Familienrückhalt gäbe es nicht, weil keine Verwandten die BF1-BF2 aufnehmen könnten. Als offensichtliche Nichtrussen bzw. Nichttschetschenen würden die BF1-BF2 bei einer Rückkehr Verfolgungshandlungen ausgesetzt und hätten um ihr Leben zu fürchten.

13. Am 14.10.2021 langte für die BF1-BF2 ein Unterstützungsschreiben von XXXX ein und am 15.10.2021 wurde für den BF2 der Jahresbericht zur bedingten Entlassung vom 19.02.2021 des XXXX vorgelegt.

14. Am 15.10.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht unter der Beiziehung eines den Beschwerdeführern einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die tschetschenische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu welcher die BF1-BF2 ordnungsgemäß geladen wurden und an welcher diese auch teilnahmen.

Die Niederschrift lautet auszugsweise:

„Befragung des BF1:

RI: Nennen Sie mir wahrheitsgemäß Ihren vollen Namen, Ihr Geburtsdatum, Ihren Geburtsort, Ihre Staatsbürgerschaft, sowie Ihren Wohnort in der Russischen Föderation (RF) an dem Sie sich vor Ihrer Ausreise zuletzt aufgehalten haben.

BF1: Mein Name ist XXXX , ich bin am XXXX geboren, lebe in XXXX . Mein Geburtsort ist XXXX , meine Staatsbürgerschaft ist Russische Föderation.

RI: Welcher ethnischen Gruppe bzw. Volksgruppe- oder Sprachgruppe gehören Sie an?

BF1: Meine Muttersprache ist Tschetschenisch und ich komme aus Tschetschenien.

RI: Gehören Sie einer Religionsgemeinschaft an? Und wenn ja, welcher?

BF1: Ich bin sunnitischer Moslem.

RI: Haben Sie Dokumente oder Unterlagen aus der Russischen Föderation, welche Ihre Identität zweifelsfrei beweisen?

BF1: Nein.

RI: Besitzen Sie einen gültigen russischen Reisepass?

BF1: Nein.

RI: Waren Sie jemals im Besitz eines gültigen Reisepasses Ihres Herkunftsstaates? Wenn ja, was ist damit geschehen?

BF1: Nein.

RI: Welche Sprachen sprechen Sie?

BF1: Tschetschenisch und Deutsch. Auf Nachfrage, kein Russisch.

RI: Bitte schildern Sie Ihren Lebenslauf. Welche Schulausbildung haben Sie begonnen und abgeschlossen? Gemeint ist, sowohl im Herkunftsstaat als auch im Bundesgebiet.

BF1: In Tschetschenien habe ich keine Schule besucht, ich bin hier in Österreich vier Jahre in die Volkschule gegangen und dann vier Jahre in die Hauptschule.

RI: Haben Sie einen gültigen Pflichtschulabschluss in Österreich?

BF1: Ja.

RI: Welchen Beruf haben Sie gelernt und welchen Beruf haben Sie ausgeübt? Ich ersuche um eine chronologische Auflistung Ihrer bisherigen Berufstätigkeit?

BF1: Ich war Staplerfahrer in der Firma XXXX zweieinhalb Jahre lang und dann habe ich begonnen in der Firma XXXX zu arbeiten. Das ist eine Süßwarenproduktion.

RI: Seit wann arbeiten Sie in der Firma XXXX ?

BF1: Ich habe eineinhalb Jahre bei der Firma XXXX gearbeitet, dann war ich einen Monat bei XXXX und dann habe ich wieder bei XXXX begonnen zu arbeiten und bin dort seit 30.03.2020 angestellt.

RV legt vor:

?        Zwischendienstzeugnis der Firma XXXX vom 06.10.2021 dem BF1 betreffend. Wird im Original zum Akt genommen.

RI: Wann sind Sie das erste Mal nach Österreich gereist und seit wann befinden Sie sich durchgehend in Österreich?

BF1: Seit 2002 oder 2003 bin ich in Österreich.

RI: Welche Verwandten von Ihnen leben zurzeit in der RF und in welcher Stadt? Bitte zählen Sie auf?

BF1: Ich kenne keine.

RI: VORHALTUNG: Sie haben bereits vor dem BFA am 02.10.2019 – befragt nach Verwandten im Herkunftsstaat – auf Seite 5 angegeben, dass sie keine Verwandten mehr im Herkunftsstaat hätten. Diese Angaben erwies sich aber als eindeutig unwahr, da ein Cousin von Ihnen, namens XXXX , geb. XXXX , im Rahmen seines Asylverfahrens im November 2016 angegeben hatte, über einen Vater und 3 Halbgeschwister im Herkunftsstaat zu verfügen. Warum haben Sie vor dem BFA dbzgl. unwahre Angaben getätigt?

BF1: Ich habe keine Unwahrheit gesagt, ich habe ihn bis zu seiner Ankunft in Österreich, weder gekannt, noch mit ihm gesprochen.

RI: Leben diese von Ihrem Cousin angegebenen Verwandten im Herkunftsstaat? Ich weise Sie auf Ihre Wahrheits- und Mitwirkungspflicht hin.

BF1: Ich weiß es nicht, ich habe mit ihm noch nie darüber geredet.

RI: Das heißt, diese von Ihrem Cousin angegebenen Verwandten kennen Sie gar nicht?

BF1: Nein, ich kenne sie nicht.

RI: Sind Sie verheiratet oder in einer Partnerschaft?

BF1: Nein.

RI: Haben Sie Kinder im Bundesgebiet? Wenn ja, zählen Sie diese bitte auf und geben Sie deren Geburtsdaten an.

BF1: Ja, zwei. XXXX und XXXX .

RI: Wie alt sind diese?

BF1: XXXX ist sechs und XXXX ist fünf Jahre alt.

RI: Das heißt, die Kinder sind aus einer früheren Partnerschaft?

BF1: Ja.

RI: Von wann bis wann hat die Beziehung zur Mutter Ihrer Kinder bestanden?

BF1: Sieben oder acht Jahre.

RI: Waren Sie mit der Mutter Ihrer Kinder verheiratet?

BF1: Nein.

RI: Welchen Aufenthaltsstatus hat die Mutter Ihrer Kinder?

BF1: Österreichische Staatsbürgerin.

RI: Wer ist für diese Kinder obsorgeberechtigt und leben diese Kinder mit Ihnen im gemeinsamen Haushalt?

BF1: Nein, sie wohnen bei der Mutter und diese ist obsorgeberechtigt.

RI: Wie häufig sehen Sie Ihre Kinder und zahlen Sie für Ihre Kinder der Kindsmutter einen monatlichen Unterhalt?

BF1: Ja, ich zahle Unterhalt und sehe sie jeden Tag nach meiner Arbeit. Am Wochenende schlafen sie bei mir. Meine Ex-Partnerin wohnt ca. vier bis fünf Minuten entfernt von mir.

RI: Über welche Verwandte im Bundesgebiet verfügen Sie? Bitte zählen Sie alle auf.

BF1:

?        ?XXXX (Mutter)

?        ?XXXX (Schwester)

?        ?XXXX (Schwester)

?        ?XXXX (Bruder)

?        ?XXXX (Bruder)

?        ?XXXX (Vater)

?        ?XXXX (Neffe)

?        ?XXXX (Neffe)

?        ?XXXX (Nichte)

?        ?XXXX (Tante, vs)

?        ?XXXX (Tante, vs)

?        ?XXXX (Tante, vs)

RI: Gibt es nicht noch eine Tante ms?

BF1: Ich weiß es nicht.

RI: Sie haben vorhin XXXX erwähnt. Wie alt ist dieser?

BF1: Er ist XXXX Jahre alt, er ist im Bundesgebiet geboren und hat die österreichische Staatsbürgerschaft, wie die Mutter Schwester ( XXXX ) und die Nichte auch.

RI: Wann sind diese Verwandten nach Österreich gekommen?

BF1: Das weiß ich wirklich nicht.

RI: Welchen Aufenthaltsstatus haben diese in Österreich lebenden Verwandten?

BF1: Mutter, Schwester und Nichte sind österreichische Staatsbürger. Der Vater muss den B2 Kurs machen und dann ist er ebenfalls österreichischer Staatsbürger. XXXX muss noch sechs Monate arbeiten, dann hat sie auch die österreichische Staatsbürgerschaft. Bei den Tanten glaube ich, dass sie die Staatsbürgerschaft haben. Bei den Neffen ist es so, dass sie hier geboren sind, aber noch nicht Staatsbürger sind.

RI: Wann ist Ihr Vater XXXX nach Österreich gekommen?

BF1: Ich weiß es nicht genau, aber so ca. vier Jahre nach uns (2003).

RI: Handelt es sich bei XXXX , geb. XXXX , um Ihren leiblichen Vater?

BF1: Ja, das ist mein leiblicher Vater.

RI: VORHALTUNG: Ihre Mutter Fr. XXXX hat im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem seinerzeitigen Bundesasylamt am 14.06.2003 auf Seite 4f, befragt nach ihrem Fluchtgrund abgegeben, dass ihr Ehemann am 16.07.2002 von russischen Militärs entführt worden ist und ihre Mutter am 08.08.2003 von ihrer Schwägerin erfahren habe, dass die Leiche ihres Gatten, d.h. Ihres Vaters, im Keller der Kommandatur gefunden worden ist. Wie kommt es, dass Ihr Vater dann nach Österreich reisen konnte?

BF1: Das weiß ich nicht, das müssen Sie meine Mutter bzw. Vater fragen.

RI: Wie oft haben Sie derzeit Kontakt mit Ihren Verwandten in Österreich?

BF1: Jeden Tag.

RI: Leben Sie mit Ihren Verwandten in einem gemeinsamen Haushalt? Wenn ja, mit welchen und seit wann?

BF1: Mein Bruder (BF2) und ich leben gemeinsam bei einer Freundin namens XXXX .

RI: Ist das Ihre Ex-Partnerin?

BF1: Nein, das ist die Schwester davon, wir sind gemeinsam aufgewachsen.

RI: Wovon leben Ihre in Österreich aufhältigen Verwandten?

BF1: Die Mutter ist in Pension und der Vater hat den Antrag auf Pension gestellt, da seine Hände kaputt sind. Zwei Schwestern sind beim AMS angemeldet ( XXXX und XXXX ). Der XXXX ist in der zweiten Klasse der HTL. Mein Bruder und ich sind bei der Firma XXXX .

RI: Verfügen Ihre in Österreich aufhältigen Verwandten noch über Vermögenswerte im Herkunftsstaat, z.B.: Eigentumswohnung, Haus, Grundstücke, Auto, etc.?

BF1: Nein.

RI: Sind Sie seit Ihrer Einreise nach Österreich in 2003 wieder einmal in der Russischen Föderation gewesen, sei es auf Besuch oder auf Urlaub?

BF1: Nein.

RI: Sie befanden sich zuletzt von 25.09.2018 bis 10.03.2020 in Strafhaft. Wie oft waren Sie bereits insgesamt in Strafhaft in Österreich?

BF1: Einmal 18 Monate, dann hatte ich 18 Monate lang eine Fußfessel. BF1 korrigiert sich: Das erste Mal im Gefängnis war ich 14 Monate und beim zweiten Mal hatte ich eben 18 Monate lang die Fußfessel.

RI: Wissen Sie noch, welchen Taten diesen straftrechtlichen Verurteilungen jeweils zu Grunde liegen?

BF1: Ja.

RI: Haben Sie zwischen den Strafhaften immer alleine gelebt oder in einem gemeinsamen Haushalt mit einer anderen Person?

BF1: Ich habe mit der Familie gelebt.

RI: Womit hat Ihre kriminelle Laufbahn begonnen und was war der Grund für die ersten Straftaten? Etwa Langeweile, finanzielle Not, zerrüttete Familienverhältnisse, schlechter Umgang oder anderes? Können Sie mir erklären, wie es bei Ihnen soweit gekommen ist?

BF1: Ja, ich war damals mit den Freunden unterwegs und mit diesen habe ich dann die Straftaten begangen.

RI: Das heißt Sie hatten den falschen Umgang?

BF1: Ja.

RI: Wie stehen Sie heute zu diesen Straftaten im Bundesgebiet?

BF1: Es war ein Fehler von mir, dass ich das gemacht habe, begangen habe.

RI: VORHALTUNG: Aus dem Strafregister der Republik Österreich geht hervor, dass bereits 7 strafrechtliche Verurteilung zu Ihrer Person eingetragen sind wegen Delikten, die vorwiegend gegen das Eigentum aber gegen die körperliche Unversehrtheit Dritter gerichtet sind und Sie haben zuletzt eine mehrjährig verhängte Freiheitsstrafe ausgefasst. Wie gedenken Sie ernsthaft diesen Teufelskreis ihres im Bundesgebiet bisher zu Schau getragenen hochkriminellen Verhaltens künftig zu durchbrechen?

BF1: Ich achte jetzt auf meine Freunde. Ich und mein Bruder hängen jetzt nur mehr mit Arbeitskollegen ab. Und mit meiner Familie, Vater und Mutter und meinen zwei Kindern, grillen wir und sitzen im Garten.

RI: Sind Sie mit gerade mal 26 Jahren nicht noch ein wenig jung für eine derart kriminelle Laufbahn?

BF1: Ja.

RI: Sie verfügen im Bundesgebiet über zahlreiche familiäre Anknüpfungspunkte in den Personen der Eltern, der 5 Geschwister, der Tanten und Cousins? Sind sie und Ihr Bruder, der BF2, die einzigen in der Familie, die bislang mit dem Gesetz im Bundesgebiet in Konflikt geraten ist oder sind auch andere Mitglieder Ihrer Familie bereits im Bundesgebiet strafrechtlich verurteilt worden?

BF1: Nein, nur ich und mein Bruder.

RI: Was sagen Ihre eigenen Eltern zu Ihrem bisherigen Verhalten im Bundesgebiet?

BF1: Dass ich mit allem aufhören soll und an die Familie, Arbeit und Zukunft denken soll.

RI: Wissen Sie noch, warum Ihre Familie mit Ihnen 2002 aus Tschetschenien geflohen ist und 2003 nach Österreich gekommen ist?

BF1: Nein, das weiß ich nicht, ich war damals vier oder fünf Jahre alt.

RI: Wissen Sie grob, welche Person oder Personengruppe, welche Mitglieder Ihrer Familie, wann bedroht haben und was damals vorgefallen ist?

BF1: Das weiß ich nicht.

RI: Sie werden doch sicherlich von Ihren Eltern über die Gründe dieser Flucht hinreichend unterrichtet worden sein?

BF1: Nein, wir sprechen nie über sowas.

RI: Stand die Gefährdungslage für Ihre Familie mit den zwei Tschetschenienkriegen irgendwie im Zusammenhang?

BF1: Ich weiß es nicht.

RI: Was hat Ihr Vater im Herkunftsstaat genau gearbeitet?

BF1: Er war Taxifahrer. Ich weiß es nicht so genau, ich habe ihn nie danach gefragt.

RI: Hat Ihr Vater irgendeine ärztliche Ausbildung?

BF1: Ich weiß es nicht.

RI: War Ihre Familie im Herkunftsstaat jemals politisch aktiv?

BF1: Nein, nicht dass ich weiß.

RI: Sind Sie seit Ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat politisch aktiv gewesen?

BF1: Nein.

RI: Was befürchten Sie konkret im Fall einer Rückkehr in die Russische Föderation?

BF1: Ich weiß nicht, was auf mich zukommen wird.

RI: Befürchten Sie irgendeine Art von Verfolgung in der Russischen Föderation?

BF1: Ich weiß es nicht, ich habe keine Ahnung davon.

RI: Haben Sie irgendwelche Hinweise, dass Sie als Person bei Rückkehr nach Tschetschenien einer Verfolgung ausgesetzt wären?

BF1: Ich weiß es nicht.

RI: Könnten Sie in einem anderen Teil der Russischen Föderation leben?

BF1: Nein.

RI: Sind Sie jemals persönlich bedroht, misshandelt oder verfolgt worden?

BF1: Nicht, dass ich wüsste.

RI: Wie nehmen Sie am sozialen Leben in Österreich teil (Mitgliedschaften bei Vereinen, Clubs)?

BF1: Nein.

RI: Haben Sie österreichische Freunde?

BF1: Ja.

RI: Sind das Freunde mit überwiegend tschetschenischen Hintergrund?

BF1: Nein, das sind Österreicher, die ich aus der Arbeit kenne.

RI: Haben Sie in Österreich Sprachkurse besucht?

BF1: Nein, ich habe alles in der Schule gelernt.

RI: Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft in Österreich vor?

BF1: Zurzeit spare ich mit meinem Bruder Geld, damit wir nächstes Jahr ein Haus kaufen können und die ganze Familie zusammen leben kann. Wir haben mit der Bank gesprochen, wenn wir 50.000 EUR zusammengespart haben, wir einen Kredit von bis zu 250.000 EUR bekommen. Daneben wollen wir ein Lokal aufmachen, nachgefragt ein Schisha Lokal.

RI: Das heißt in dem Beruf, in dem Sie sich jetzt befinden, wollen Sie nicht weitermachen?

BF1: Wir wollen schon weitermachen, wir wollen uns aber auch etwas eigenes aufbauen um mehr zu verdienen.

RI: Haben Sie sich schon erkundigt, welche Voraussetzungen Sie mitbringen müssen, um einen Beruf in der Gastronomie in Österreich ausüben zu können?

BF1: Das müssen Sie meine Schwester fragen. Diese hat sich über die Voraussetzungen erkundigt, die es braucht um ein Lokal zu betreiben. Gemeint ist die Schwester XXXX . Das Lokal soll auf ihren Namen laufen.

RI: Waren Sie in Österreich bislang ehrenamtlich tätig?

BF1: Nein, war ich nicht.

RI: Haben Sie in Österreich sonst eine Fort-, Aus- oder Weiterbildung betrieben? Wenn ja, welcher Art?

BF1: Nein, habe ich nicht.

RI: Wie geht es Ihnen gesundheitlich? Sind Sie gesund?

BF1: Ja, ich bin gesund.

RI: Nehmen Sie Medikamente?

BF1: Nein.

RI: Sind Sie in ärztlicher oder therapeutischer Behandlung?

BF1: Nein.

RI: In welcher Sprache sprechen Sie mit Ihrer Ex-Partnerin, Ihren Kindern und Ihren Eltern und Geschwistern?

BF1: Mit der Ex-Partnerin und den Kindern spreche ich Deutsch, mit meinen Eltern spreche ich so Halb-Halb Tschetschenisch und Deutsch, mit meinen Geschwistern und Neffen ebenso.

RI: Wie geht Ihren Kindern gesundheitlich? Sind sie gesund?

BF1: Ja, sie sind gesund.

RI: Nehmen Ihre Kinder Medikamente?

BF1: Nein.

RI: Sind Ihre Kinder in ärztlicher oder therapeutischer Behandlung?

BF1: Nein.

RI: Sind Sie arbeitsfähig?

BF1: Ja.

RI an RV: Haben Sie Fragen an den BF1?

RV: Wenn Sie nach Russland zurückgehen müssten, wüssten Sie wo Sie dort wohnen könnten, bzw. arbeiten könnten?

BF1: Nein.

RV: Sind Sie der russischen Sprache mächtig?

BF1: Nein.

RV: Haben Sie auch zukünftige Vorstellungen davon, wie es mit Ihrer Familie weitergehen soll?

BF1: Nein.

RV: Sie haben vorhin gemeint, Sie hätten täglichen Kontakt zu Ihren Kindern. Wie viele Stunden ist das und wie ist das Verhältnis zu Ihren Kindern?

BF1: Das Verhältnis zu meinen Kindern ist sehr gut. Wir unternehmen unter der Woche jeden Tag ein bis zwei Stunden etwas, wie etwa Eisessen gehen etc. und am Wochenende schlafen sie bei mir.

RV: Der BF1 lebt ja bei der Frau XXXX , die hat mir gesagt, dass sie Ihnen, Herr Rat, etwas geschrieben hat?

RI: Ja, heute ist in der Post ein handgeschriebenes Unterstützungsschreiben der Fr. XXXX eingelangt. Dieses Unterstützungsschreiben ist bereits zum Akt genommen worden.

RV: Sonst habe ich keine Fragen mehr.

BF1 verlässt den Saal. BF2 betritt den Saal.

___________________________________________________________________________

Befragung des BF2:

RI: Nennen Sie mir wahrheitsgemäß Ihren vollen Namen, Ihr Geburtsdatum, Ihren Geburtsort, Ihre Staatsbürgerschaft, sowie Ihren Wohnort in der Russischen Föderation (RF) an dem Sie sich vor Ihrer Ausreise zuletzt aufgehalten haben.

BF2: XXXX , auf die Welt bin ich in XXXX in Tschetschenien gekommen am XXXX , StA. Russische Föderation. Den letzten Wohnort in der Russischen Föderation weiß ich nicht, ich bin als kleiner Junge nach Österreich gekommen.

RI: Welcher ethnischen Gruppe bzw. Volksgruppe- oder Sprachgruppe gehören Sie an?

BF2: Tschetschenisch.

RI: Gehören Sie einer Religionsgemeinschaft an? Und wenn ja, welcher?

BF2: Ich bin sunnitischer Moslem

RI: Haben Sie Dokumente oder Unterlagen aus der Russischen Föderation, welche Ihre Identität zweifelsfrei beweisen?

BF2: Nein, ich habe nur den grauen Pass hier.

RI: Besitzen Sie einen gültigen russischen Reisepass?

BF2: Nein.

RI: Waren Sie jemals im Besitz eines gültigen Reisepasses Ihres Herkunftsstaates? Wenn ja, was ist damit geschehen?

BF2: Nein, ich habe keinen gehabt.

RI: Welche Sprachen sprechen Sie?

BF2: Deutsch und Tschetschenisch. Russisch beherrsche ich nicht und verstehe es auch nicht. Ich kann auf Tschetschenisch auch nicht schreiben.

RI: Bitte schildern Sie Ihren Lebenslauf. Welche Schulausbildung haben Sie begonnen und abgeschlossen? Gemeint ist, sowohl im Herkunftsstaat als auch im Bundesgebiet.

BF2: Ich habe den Kindergarten in XXXX besucht. Ich habe auch die Vorschule und die komplette Volkschule in XXXX besucht. Dann habe ich die Hauptschule besucht. Da war ich nur bis zur 2. Schulklasse und danach war ich in der polytechnischen Schule. Die Schule habe ich negativ abgeschlossen, daher war ich auf einer Privatschule in XXXX . Die habe ich auch nicht abgeschlossen, weil dich damals das erste Mal inhaftiert wurde.

RI: Haben Sie einen gültigen Pflichtschulabschluss in Österreich?

BF2: Nein, zurzeit nicht.

RI: Welchen Beruf haben Sie gelernt und welchen Beruf haben Sie ausgeübt? Ich ersuche um eine chronologische Auflistung Ihrer bisherigen Berufstätigkeit?

BF2: Ich habe keinen gelernten Beruf. Ich habe in verschiedenen Firmen gearbeitet. Zuerst war ich zwei Wochen in XXXX tätig (dort war ich über die Vermittlung von XXXX ), danach war ich bei einer Reinigungsfirma, dessen Namen ich nicht mehr weiß. Derzeit arbeite ich bei der Firma XXXX . Dort arbeite ich bereits seit meiner Entlassung.

RV legt vor:

?        Ein Zwischendienstzeugnis der Firma XXXX vom 06.10.2021 betreffend den BF2. Wird im Original zum Akt genommen.

RI: Wann sind Sie das erste Mal nach Österreich gereist und seit wann befinden Sie sich durchgehend in Österreich?

BF2: Ich glaube, da war ich 2001 in Österreich und das Asyl habe ich bereits 2003 bekommen.

RI: Welche Verwandten von Ihnen leben zurzeit in der RF und in welcher Stadt? Bitte zählen Sie auf?

BF2: Soweit ich weiß, habe ich keine Verwandten. Ich habe zu keinem Kontakt.

RI: VORHALTUNG: Sie haben bereits vor dem BFA am 02.10.2019 – befragt nach Verwandten im Herkunftsstaat – auf Seite 5 angegeben, dass sie keine Verwandten mehr im Herkunftsstaat hätten. Diese Angaben erwiesen sich aber als eindeutig unwahr, da ein Cousin von Ihnen, namens XXXX , geb. XXXX , im Rahmen seines Asylverfahrens im November 2016 angegeben hatte, über einen Vater und 3 Halbgeschwister im Herkunftsstaat zu verfügen. Warum haben Sie vor dem BFA dbzgl. unwahre Angaben getätigt?

BF2: Weil ich zu dieser Familie keinen Kontakt hatte und auch nicht wusste, dass ich überhaupt Verwandte in Tschetschenien hatte.

RI: Leben diese von Ihrem Cousin angegebenen Verwandten noch im Herkunftsstaat?

BF2: Das weiß ich nicht.

RI: Sind Sie verheiratet oder in einer Partnerschaft?

BF2: Nein.

RI: Haben Sie Kinder im Bundesgebiet? Wenn ja, zählen Sie diese bitte auf und geben Sie deren Geburtsdaten an.

BF2: Nein.

RI: Über welche Verwandte im Bundesgebiet verfügen Sie? Bitte zählen Sie alle auf.

BF2: Die Eltern, meine Geschwister (zwei Schwestern und drei Brüder), wir sind insgesamt fünf Geschwister. Von meiner Mutterseite sind es zwei Schwestern, eine lebt in XXXX und eine in Frankreich. In XXXX leben fünf Cousins. In XXXX leben vier bis fünf Geschwister meines Vaters.

RI: Was ist mit dem Cousin der 2016 gekommen ist?

BF2: Mit diesem habe ich nicht so viel Kontakt, ich weiß nur, dass er hier lebt.

RI: Wann sind diese Verwandten nach Österreich gekommen?

BF2: Das weiß ich nicht.

RI: Welchen Aufenthaltsstatus haben diese in Österreich lebenden Verwandten?

BF2: Ich glaube, die in XXXX wohnen, haben die österreichische Staatsbürgerschaft. Meine Schwester XXXX hat die österreichische Staatsbürgerschaft, sowie ihre Tochter. Meine Mutter und mein kleiner Bruder haben ebenfalls die österreichische Staatsbürgerschaft, alle anderen haben noch den grauen Pass.

RI: Wann ist Ihr Vater XXXX nach Österreich gekommen?

BF2: Er müsste ein bis zwei Jahre später hier gewesen sein.

RI: Handelt es sich bei XXXX , geb. XXXX , um Ihren leiblichen Vater?

BF2: Ja.

RI: Wie oft haben Sie derzeit Kontakt mit Ihren Verwandten in Österreich?

BF2: Nicht so oft mit denen die in XXXX leben. Im Halbjahr einmal ungefähr. Mit meinen Eltern und Schwestern habe ich regelmäßigen Kontakt, ich sehe sie jeden Tag.

RI: Leben Sie mit Ihren Verwandten in einem gemeinsamen Haushalt? Wenn ja, mit welchen?

BF2: Ich lebe mit meinem Bruder und meinem Vater bei einer Freundin.

RI: Seit wann lebt Ihr Vater bei Ihnen?

BF2: Da kann ich Ihnen keine genaue Angabe machen.

RI: Lebt Ihr Vater getrennt von Ihrer Mutter?

BF2: Ja.

RI: Sind sie geschieden?

BF2: Ich weiß nicht, ob sie schon geschieden sind.

RI: Seit wann leben Ihre Eltern getrennt?

BF2: Das weiß ich nicht genau. Ungefähr ein oder zwei Jahre.

RI: Seit die Eltern getrennt sind lebt der Vater bei Ihnen?

BF2: Nein, nicht direkt nach der Trennung, sondern erst seit ein paar Monaten.

RI: Wovon leben Ihre in Österreich aufhältigen Verwandten?

BF2: Ich und mein Bruder arbeiten, meine Schwester XXXX hat beim XXXX gearbeitet und hat letztes Jahr aufgehört und will jetzt wieder zu arbeiten beginnen und ist auf der Suche nach Arbeit.

RI: Verfügen Ihre in Österreich aufhältigen Verwandten noch über Vermögenswerte im Herkunftsstaat, z.B.: Eigentumswohnung, Haus, Grundstücke, Auto, etc.?

BF2: Soweit ich weiß nicht.

RI: Sind Sie seit Ihrer Einreise nach Österreich in 2003 wieder einmal in der Russischen Föderation gewesen, sei es auf Besuch oder auf Urlaub?

BF2: Nein.

RI: Sie befanden sich zuletzt von 30.10.2018 bis 17.01.2020 in Strafhaft. Wie oft waren Sie bereits insgesamt in Strafhaft in Österreich?

BF2: Zweimal.

RI: Wissen Sie noch, welchen Taten diesen straftrechtlichen Verurteilungen jeweils zu Grunde liegen?

BF2: Ja.

RI: Haben Sie zwischen den Strafhaften immer alleine gelebt oder in einem gemeinsamen Haushalt mit einer anderen Person?

BF2: Damals lebte ich noch bei meiner Familie.

RI: Womit hat Ihre kriminelle Laufbahn begonnen und was war der Grund für die ersten Straftaten? Etwa Langeweile, finanzielle Not, zerrüttete Familienverhältnisse, schlechter Umgang oder anderes? Können Sie mir erklären, wie es bei Ihnen soweit gekommen ist?

BF2: Das Problem war, dass ich begonnen habe öfters draußen zu sein, mit den falschen Personen und in der falschen Umgebung.

RI: Wie stehen Sie heute zu diesen Straftaten im Bundesgebiet?

BF2: Ich bereue diese Straftaten, die ich begangen habe.

RI: VORHALTUNG: Aus dem Strafregister der Republik Österreich geht hervor, dass bereits 3 strafrechtliche Verurteilung zu Ihrer Person eingetragen sind wegen Delikten, die vorwiegend gegen die körperliche Unversehrtheit Dritter aber auch gegen das Eigentum und den freien Willen Dritte gerichtet sind und Sie haben zuletzt eine mehrjährig verhängte Freiheitsstrafe ausgefasst. Wie gedenken Sie ernsthaft diesen Teufelskreis ihres im Bundesgebiet bisher zu Schau getragenen hochkriminellen Verhaltens künftig zu durchbrechen?

BF2: Ich habe schon damit gebrochen und mache auch jetzt einiges anders seit meiner Entlassung. Ich habe meinen Führerschein gemacht, den ich schon vor meiner Inhaftierung machen wollte. Ich arbeite jetzt regelmäßig. Ich habe auch meinen Freundeskreis gewechselt und hänge nur noch mit Arbeitskollegen ab. Ich bin nicht mehr regelmäßig draußen und komme früher nach Hause.

RI: Sie verfügen im Bundesgebiet über zahlreiche familiäre Anknüpfungspunkte in den Personen der Eltern, der Geschwister, Cousins und etlicher Tanten? Sind sie und Ihr Bruder, der BF1, die einzigen in der Familie, die bislang mit dem Gesetz im Bundesgebiet in Konflikt geraten sind oder sind auch andere Mitglieder Ihrer Familie bereits im Bundesgebiet strafrechtlich verurteilt worden?

BF2: In meiner Familie, weiß ich, dass nur mein Bruder und ich verurteilt sind, bei der anderen Familie in XXXX weiß ich es nicht.

RI: Was sagen Ihre Eltern zu Ihrem bisherigen Verhalten im Bundesgebiet?

BF2: Sie waren sehr enttäuscht von den Straftaten, die ich damals begangen habe.

RI: Wissen Sie noch, warum Ihre Familie mit Ihnen 2002 aus Tschetschenien geflohen ist und 2003 nach Österreich gekommen ist?

BF2: Ich weiß nur von den Erzählungen meiner Mutter, dass damals, als sie gegangen sind, noch Krieg war.

RI: Wann hat die Gefährdungslage für Ihre Familie begonnen und was war das fluchtauslösende Ereignis?

BF2: Dass man wegen des Krieges 1998 dort nicht leben konnte. 2000 oder 2001 ist meine Mutter mit uns von dort weggegangen.

RI: Wissen Sie grob, welche Person oder Personengruppe, welche Mitglieder Ihrer Familie, wann bedroht haben und was damals vorgefallen ist?

BF2: Das weiß ich nicht.

RI: Stand die Gefährdungslage für Ihre Familie mit den zwei Tschetschenienkriegen irgendwie im Zusammenhang?

BF2: Ich weiß es nicht, aber ich glaube schon.

RI: Was hat Ihr Vater im Herkunftsstaat genau gearbeitet?

BF2: Das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Ich habe eher mit meiner Mutter ein enges Verhältnis.

RI: War Ihre Familie im Herkunftsstaat jemals politisch aktiv?

BF2: Nein, ich glaube nicht.

RI: Sind Sie seit Ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat politisch aktiv gewesen?

BF2: Nein.

RI: Was befürchten Sie konkret im Fall einer Rückkehr in die Russische Föderation?

BF2: Ich würde auf der Straße landen, ich kann kein Wort Russisch, ich weiß nicht einmal, zu wem ich dort gehen soll. Das Land ist fremd für mich.

RI: Haben Sie irgendeinen Nachweis, dass Sie als Person bei Rückkehr nach Tschetschenien einer Verfolgung ausgesetzt wären?

BF2: Nein, ich weiß nicht warum man mich verfolgen sollte.

RI: Könnten Sie in einem anderen Teil der Russischen Föderation leben?

BF2: Nein, wie gesagt, das ist meine Heimat hier, ich bin hier aufgewachsen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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