TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/23 W140 2237075-6

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Veröffentlicht am 23.06.2021
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Entscheidungsdatum

23.06.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch


W140 2237075-6/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. HÖLLER, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl: XXXX , über die weitere Anhaltung von von XXXX , weitere Alias-Daten XXXX , Staatsangehörigkeit: Islamische Republik Pakistan alias Afghanistan, in Schubhaft zu Recht:

A) Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge als BFA oder belangte Behörde – bB - bezeichnet), Regionaldirektion XXXX , vom 11.11.2020, Zl. XXXX , wurde über den Beschwerdeführer (in Folge auch als beschwerdeführende Partei – bP - oder BF bezeichnet) gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der gegenständliche Schubhaftbescheid wurde dem Beschwerdeführer (noch während der Anhaltung in Strafhaft) rechtswirksam zugestellt.

Gegen diesen Bescheid und die daraus erfolgte Anhaltung erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.11.2020, schriftlich ausgefertigt am 18.12.2020, wurde die Beschwerde abgewiesen und festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Die Entscheidung wurde wie folgt begründet:

„II.3.3. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der Anhaltung in Schubhaft seit 11.11.2020:

II.3.3.1. Bestehen einer durchsetzbaren und durchführbaren Rückkehrentscheidung

Zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft stellte sich die von der bB mit Bescheid vom 1.10.2020 erlassene Rückkehrentscheidung als durchsetzbar und Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung dar, zumal der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde (§ 16 Abs. 4 BFA-VG).

Durch das ho. Erkenntnis vom 17.11.2020, mit dem der Bescheid der bB vom 1.10.2020, mit dem die in Bezug auf die bP erlassene Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Aufenthaltsverbot behoben wurde, trat die Anwendbarkeit anlässlich der ersten Antragstellung auf internationalen Schutz gemeinsam mit der Abweisung des Antrages wieder ein, zumal dem ho. behebenden Erkenntnis vom 17.11.2020 die Wirkung ex tunc zukommt. Bei einer Aufhebung gem. § 28 Abs. 1 (iVm Abs. 5) VwGVG handelt es sich um eine materielle Erledigung der Rechtssache durch (ersatzlose) Behebung des angefochtenen Bescheids in Form eines Erkenntnisses. Die Regelung entspricht im Wesentlichen dem bisherigen § 66 Abs. 4 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Aufl, Rz 17ff zu § 28; Hengstschläger/Leeb, AVG, Manz Kommentar, Rz 97 zu § 66 [Abs. 4]). Durch die ersatzlose Behebung des Bescheides der bB vom 1.10.2020 trat die Rechtssache somit in jenen Stand zurück, in dem sie sich vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides befand. Es ist somit davon auszugehen, dass mit der Erlassung des ho. Erkenntnisses vom 17.11.2020 die mit dem ho. Erkenntnis vom 5.12.2018 rechtskräftig bestätigte Rückkehrentscheidung wieder in Kraft trat. Dies ist zwar durchsetzbar, aber aufgrund des mit dem zweiten Antrag auf internationalen Schutz einhergehenden Abschiebeschutz–zumindest vorübergehend- nicht durchführbar.

Wenn die Parteien davon ausgehen, dass jene Rückkehrentscheidung, welche durch den bereits wiederholt zitierten ho. Erkenntnis behoben wurde, die vorausgegangene Rückkehrentscheidung ersetzt und daher nunmehr keine Rückkehrentscheidung mehr vorliegt, verkennen sie die ex-tunk Wirkung des genannten Beschlusses und gehen sichtlich rechtsirrtümlich von einer ex-nunc Wirkung aus, aber selbst bei der fälschlichen Annahme dieses Umstandes sei darauf hingewiesen, dass die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft auch in der Sicherung der Erlassung einer Rückkehrentscheidung ihre Geltung fände.

II.3.3.2. Letztlich wird auch festgehalten, dass ein Antrag gem. § 46a FPG, wie er von der bP eingebracht wurde, weder ein Bleiberecht noch Abschiebeschutz begründet.

II.3.3.3. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit dem der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist - wenn sich das erst später herausstellt - umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; vgl. VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

II.3.3.4. Die „Fluchtgefahr" ist innerstaatlich im § 76 Abs. 3 FPG (oben unter Punkt II.2. wiedergegeben) gesetzlich definiert.

In Bezug auf die bP besteht eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme.

Die belangte Behörde begründete die erhebliche Fluchtgefahr im Wesentlichen mit der mangelnden sozialen Verankerung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, der mangelnden Mitwirkung, der Verschleierung der wahren Identität, sowie mit der mangelnden Vertrauenswürdigkeit der bP. Dies ist aus den Feststellungen des angefochtenen Bescheides in Verbindung mit der rechtlichen Beurteilung in hinreichender Schlüssigkeit ersichtlich. Dem Vorliegen dieser Kriterien konnte auch in der Beschwerde nicht substanziell entgegengetreten werden und erschöpfte sich die Beschwerde im Wesentlichen in nicht bescheinigten Behauptungen.

II.3.3.5. Die bP verweigerte in der beschriebenen Art und Weise bereits wiederholt die Mitwirkung an anhängigen Verfahren. Dies geschah offensichtlich um einer Rückführung in sein Heimatland zu umgehen.

II.3.3.6. Die belangte Behörde kam darüber hinaus zutreffend zu der Auffassung, dass der Beschwerdeführer über keine rechtlich relevanten Bindungen in Österreich verfügt, auf Grund welcher anzunehmen sein könnte, dass er sich bis zur Überstellung den Behörden nicht entziehen werde.

II.3.3.7. Ebenso ging die bB davon aus, dass sich die bP aufgrund ihres bisherigen Verhaltens im Bundesgebiet als nicht vertrauenswürdig erwies und daher nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich die bP künftig an die Rechtsordnung, insbesondere an die fremdenrechtlichen Bestimmungen halten wird.

II.3.3.8. Es kann daher der belangten Behörde unter Berücksichtigung des bisherigen Gesamtverhaltens der bP nicht vorgeworfen werden, wenn sie bei ihrer Entscheidung zur Anordnung der Schubhaft und dem dafür erforderlichen Sicherungsbedarf davon ausging, dass sich die bP durch Untertauchen der beabsichtigten Abschiebung entziehen könnte. Auf Grund dieser Erwägungen ging das Bundesamt zutreffend davon aus, dass im Falle des Beschwerdeführers insgesamt Fluchtgefahr in einem erheblichen Ausmaß bestand und konnte das auch für den konkreten Einzelfall schlüssig und nachvollziehbar begründen. Dieser Einschätzung konnte auch in der Beschwerde bzw. der mündlichen Verhandlung nicht hinreichend entgegengetreten werden, sondern wurde die Einschätzung der bB durch den vom erkennenden Richter gewonnenen persönlichen Eindruck bestätigt.

II.3.3.9. Die Behörde ging zu Recht davon aus, dass die zweite Antragstellung auf internationalen Schutz rechtsmissbräuchlich im Sinne der Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme erfolgte und ging diese rechtskonform im Sinne des § 76 Abs. 6 FPG vor, indem sie diese Voraussetzungen in einem Aktenvermerk festhielt und diesen der bP zur Kenntnis brachte. Wenn die Vertretung der bP vorbringt, dieser Aktenvermerk sei nicht im ausreichendem Maße einzelfallspezifisch formuliert, kann das ho. Gericht dem nicht beitreten, zumal dieser den Schutzzweck der Norm, nämlich die Kenntnisnahme der Fortsetzung der Schubhaft und den Grund hierfür im ausreichenden Maße nachkommt.

II.3.3.10. Auf Grund der erheblichen Fluchtgefahr konnte auch nicht mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden:

Dem Bundesamt ist darin beizupflichten, dass sich im Falle der bP weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen: Der Beschwerdeführer hat keine rechtlich relevanten sozialen Anknüpfungspunkte und ein veritables Interesse nicht abgeschoben zu werden. Es muss angenommen werden, dass sich die bP im Falle der Anordnung eines gelinderen Mittels die sich hieraus ergebende Gelegenheit nützt, um sich einer Abschiebung zu entziehen, um ihr Leben weiterhin außerhalb von Pakistan –allenfalls vorzugsweise in einem mit den Lebensverhältnissen in Österreich vergleichbaren westeuropäischen Land- führen zu können. Auf Grund der erheblichen Fluchtgefahr, die sich im bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers manifestiert, überwogen daher – wie im angefochtenen Bescheid richtig dargelegt - die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung die Interessen des Beschwerdeführers an der Abstandnahme von der Verhängung der Schubhaft und ist diese als Ultima-ratio-Maßnahme notwendig. Die in der Beschwerde nur rudimentär begründete Behauptung einer nicht erfolgten einzelfallbezogenen Abwägung lässt sich nicht schlüssig nachvollziehen.

II.3.3.11. Aus den dargelegten Gründen ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid und die Anhaltung in Schubhaft ab 24.11.2020 abzuweisen.

II.3.4. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ist festzustellen, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen:

II.3.4.1. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Der VwGH sprach zum Fortsetzungsausspruch gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung aus, dass der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) im Rahmen seines Ausspruchs gemäß § 83 Abs. 4 FPG aF nicht an die im Schubhaftbescheid herangezogenen Rechtsgrundlagen gebunden ist, sondern die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft nach allen Richtungen zu prüfen hat; er ist auch nicht nur „ermächtigt", einen „weiteren bzw. neuen Anhaltegrund für die Fortsetzung der Schubhaft zu schaffen", sondern bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens zu einem positiven und (nur) bei deren Fehlen zu einem negativen Fortsetzungsausspruch verpflichtet. Verneint der UVS daher das Vorliegen der Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft, so bedeutet dieser Ausspruch von Gesetzes wegen die Unzulässigkeit der (Fortsetzung der) Schubhaft auf Grund jeglichen zum Bescheiderlassungszeitpunkt geltenden Schubhafttatbestandes, unabhängig davon, ob der UVS dessen Voraussetzungen (erkennbar) geprüft und dies seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (VwGH 15.12.2011, Zl. 2010/21/0292; 28.08.2012, Zl. 2010/21/0388 mwN). Diese Rechtsprechung des VwGH ist unverändert auf den Fortsetzungsausspruch des Bundesverwaltungsgerichtes nach der inhaltlich gleichlautenden Bestimmung des § 22a Abs. 3 BFA-VG übertragbar.

II.3.4.2. Für die Durchsetzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme (Abschiebung) ist die Anwesenheit des Beschwerdeführers erforderlich. Da der Beschwerdeführer - wie schon dargelegt - über keine ausreichenden beruflichen und auch keine substanziellen sozialen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt, die ihn maßgeblich wahrscheinlich vom Untertauchen abhalten, ist nicht ersichtlich, was ihn im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft von einem erneuten Untertauchen zur Vereitelung aufenthaltsbeendender Maßnahmen abhalten sollte. Gegenteilige Ausführungen in der Beschwerde sind angesichts des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers nicht glaubhaft.

An den übrigen Gründen, die zur Anordnung der Schubhaft am 24.11.2020 geführt haben, hat sich - abgesehen von der behaupteten Existenz einer behauptetermaßen unterstützungsfähigen und -stützungswillilgen Person (es wurde jedoch bereits dargelegt, dass diese Behauptung an der anzunehmenden Fluchtgefahr nichts ändert)- zudem nichts geändert. Hinweise für einen substanziellen Grad der sozialen Verankerung im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 9 FPG sind wie dargelegt im Verfahren nicht hervorgekommen (und wurden auch in der Beschwerde nicht schlüssig dargelegt). Hinsichtlich der Z 9 leg. cit. ist überdies festzuhalten, dass schon nach dem Wortlaut der Bestimmung (einzelne) „soziale Anknüpfungspunkte" für sich alleine nicht ausreichen, der Verhängung einer Schubhaft entgegenzustehen.

II.3.4.3. In Zusammenschau mit den obigen Ausführungen besteht damit aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kein Zweifel, dass im gegenständlichen Fall nach wie vor eine erhebliche Fluchtgefahr seitens des Beschwerdeführers sowie ein besonders hohes staatliches Interesse an der Sicherstellung der Anordnung einer Außerlandesbringung und anschließender Abschiebung - somit ein erheblicher Sicherungsbedarf - zu bejahen ist. Aus öffentlichen Interessen ist es erforderlich, dass die Umsetzung durchsetzbarer und durchführbarer aufenthaltsbeendender Maßnahmen –insbesondere auch in Bezug auf Straftäter, welche im Suchtmittelbereich erhebliche kriminelle Energie entwickelten- auch konsequent vollzogen werden, ein Aufenthalt auch nicht „ertrotzt" werden kann und erscheinen entsprechende fremdenpolizeiliche Maßnahmen auch aus dem europarechtlichen Grundsatz des effet utile dringend geboten. Es besteht damit ein ganz massives öffentliches -nicht bloß nationales, sondern im Lichte der Rückführungsrichtlinie auch europäisches- Interesse, Personen wie den Beschwerdeführer in seinen Herkunftsstaat abzuschieben.

Aus den oben dargelegten Erwägungen ergibt sich auch, dass im gegenständlichen Fall die Anwendung des gelinderen Mittels nicht ausreichend ist, um den Sicherungsbedarf zu erfüllen. Damit liegt die geforderte „Ultima-ratio-Situation" für die Verhängung der Schubhaft vor und erweist sich diese auch als verhältnismäßig.

II.3.4.4. Da zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus den oben dargelegten Gründen weiterhin eine realistische Möglichkeit besteht, die Abschiebung des Beschwerdeführers rechtskonform und faktisch sowie auch zeitnah innerhalb der von § 80 FPG vorgegebenen Fristen durchzusetzen, ist die derzeit absehbare Anhaltedauer in Schubhaft auch nicht unverhältnismäßig.

II.3.4.5. Es war daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

II.3.5. Letztlich sei auch darauf hingewiesen, dass die bB realistischer Weise zum ehesten ihr zumutbaren und zweckmäßig erscheinenden Zeitpunkt das Verfahren zur Erlassung des angefochtenen Bescheides und Maßnahmen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments einleitete.

Die bP setzte die bB nicht von der allenfalls bevorstehenden Haftentlassung in Kenntnis und erlangte sie erst durch die Verständigung des Gerichts hiervon und vom genauen Entlassungstermin Kenntnis. Nachdem die bP von der Entlassung Kenntnis erlangte nahm sie ihre Tätigkeit ohne unnötigen Aufschub auf.

Entgegen der Ansicht der Vertretung der bP kann die Existenz einer Rechtsvorschrift, welche unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit einer vorzeitigen Haftentlassung vorsieht, in ihrer Allgemeinheit noch nicht als Anlass herangezogen werden, dass die bB Konsultationen zwecks Erlangung eines Ersatzreisedokuments mit dem Herkunftsstaat und ein Verfahren zur Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen führt, wenn ein entsprechender Haftentlassungstermin noch nicht zumindest aufgrund der konkreten Umstände wahrscheinlich ist und setzt sie auch die Kenntnis dieser Umstände durch die Behörde voraus. Da diese im gegenständlichen Fall nicht vorlagen, konnte die bB bloß aufgrund der rechtlichen Möglichkeiten des § 46 StGB nicht davon ausgehen, dass und zu welchem Zeitpunkt er im gegenständlichen Fall auch tatsächlich zur Anwendung kommt. Das Gericht sieht es auch als notorisch bekannt an, dass sich die Bereitschaft von Herkunftsstaaten, Ersatzreisedokumente für die Abschiebung wiederholt auszustellen, falls deren Gültigkeitsdauer mangels erfolgter Abschiebung abläuft in engen Grenzen hält und kann eine vorzeitige Einleitung von Konsultationen so letztlich zur Vereitelung oder zumindest erheblicher Erschwerung und Verzögerung der Durchführung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen führen. Auch dieser Umstand ist in das Kalkül, wann die Behörde zweckmäßiger Weise entsprechende Maßnahmen einleitet um deren Verhältnismäßigkeit und somit auch deren Zulässigkeit feststellen zu können, miteinzubeziehen.

Aufgrund der oa. Ausführungen ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung davon auszugehen, dass die bB Maßnahmen zur Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen so rechtzeitig setzte, dass diese erfolgversprechend und verhältnismäßig waren.“

Am 05.03.2021 erfolgte seitens des BFA eine erste Aktenvorlage gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG. Nach Durchführung eines gerichtlichen Schubhaftprüfungsverfahren sprach das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 16.03.2021 aus, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen, und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig war.

Am 01.04.2021 erfolgte seitens des BFA die zweite Aktenvorlage gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.04.2021, XXXX wurde festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen weiter vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Am 26.04.2021 erhob der Beschwerdeführer eine zweite Schubhaftbeschwerde, in welcher er monierte, dass er sich seit 16.11.2020 in Schubhaft befinde und die Behörde bereits damals angegeben habe, dass seine Abschiebung ehestmöglich stattfinden würde. Letztere sei jedoch in absehbarer Zeit nicht realisierbar. Die Schubhaft dürfe nur so lange aufrechterhalten werden, solange das Ziel erreicht werden könne. Bis heute habe die pakistanische Botschaft trotz mehrfacher Urgenzen durch die Behörde kein Heimreisezertifikat (kurz: HRZ) ausgestellt. Urgenzen bei der pakistanischen Botschaft (v. 04.02.2021, 25.02.2021, 19.03.2021 und 01.04.2021) hätten zu keiner Reaktion geführt. Die Schubhaft könne nur dann ihren Zweck erfüllen, wenn das zu sichernde Verfahren letztlich in eine Abschiebung münden könne. Aus dem Nichtreagieren der Vertretungsbehörde auf eine Vielzahl von Urgenzen sei abzuleiten, dass die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht mehr rechtens sein könne. Eine Inschubhaftnahme auf Vorrat sei unzulässig. Die Behörde habe bereits im Oktober 2020 den HRZ-Antrag der Botschaft übermittelt und daher sei bereits ein Zeitraum vergangen, der über der vom BFA avisierten Dauer von 3 bis 4 Monaten liege; eine baldige HRZ-Ausstellung liege immer noch nicht in Reichweite.

Am 30.04.2021 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Bei dieser wurde der Beschwerdeführer als Partei einvernommen. Zudem wurde eine Zeugin geladen, welche zum Verfahren betreffend die Ausstellung von Heimreisezertifikaten im Allgemeinen, sowie im Speziellen zur Zusammenarbeit mit den pakistanischen Behörden befragt wurde.

Die Verhandlung gestaltete sich im Wesentlichen wie folgt:

(Anm: R= verhandlungsführende Richterin; BF= Beschwerdeführer; BFV= bevollmächtigter Vertreter des BF; BehV: Vertreter der belangten Behörde)

„[…]

R: Was ist Ihr Geburtsdatum?

BF: XXXX .

R: Haben Sie bisher auch andere Geburtsdaten vor den Behörden angeführt?

BF: Nein.

Vorhalt R: Ich habe im Akt sehr wohl alternative Geburtsdaten von Ihnen.

BF: Sie können es überprüfen, ich habe nur einen Namen und ein Geburtsdatum angegeben.

R hält fest, dass außer dem vom BF genannten Geburtsdatum des XXXX auch der XXXX im Fremden Informationssystem aufscheint. Weiters wird der BF hg. Mit dem Geburtsdatum XXXX geführt, welches nach Durchführung einer Altersfeststellung festgelegt wurde.

BF: Ahso. Ich habe nur ein korrektes Geburtsdatum genannt. Das BFA hat diese zwei Daten angegeben, ich habe das nicht gesagt.

R: Welche Staatsangehörigkeit haben Sie?

BF: Ich bin in Pakistan geboren.

R: Leben in Pakistan noch Familienangehörige von Ihnen?

BF: Ich habe eine Mutter in Pakistan und einen Bruder in Pakistan. Er ist aber drinnen, im Gefängnis. Jedoch habe ich mit meiner Mutter seit zwei Jahren keinen Kontakt mehr.

R: Wieso haben Sie keinen Kontakt mehr mit Ihrer Mutter?

BF: Aufgrund unserer Feindschaft.

R: Wissen Sie, ob Ihre Mutter noch an derselben Adresse lebt wie zu dem Zeitpunkt, als Sie noch Kontakt hatten?

BF: Nein, unser Haus wurde von der Polizei zugesperrt. Ich weiß nicht, wo sich meine Mutter befindet und in welchem Dorf sie ist.

R: Wir haben vorher gehört, dass Sie dieses Formblatt (Beilage ./1) ausgefüllt haben, welche Adresse haben Sie da angegeben?

BF: Auch bei meinem ersten Asylverfahren habe ich die Daten angegeben, die im Formular ausgefüllt wurden. Der Name meines Vaters und die Adresse stimmen.

R: Das heißt, hierbei handelt es sich um den Wohnort Ihres Vaters?

BF: Ja.

R: Ich dachte, Sie hätten nur mehr Ihre Mutter und Ihren Bruder in Pakistan?

BF: Das war die Adresse von meinem Vater, aber mein Vater ist nicht mehr am Leben.

R: Befindet sich das Haus noch dort?

BF: Wie bereits gesagt, das Haus wurde ja zugesperrt.

R: Dann verstehe ich nicht ganz, dass Sie diese Adresse nennen, wenn es darum geht, dass man für Sie ein Heimreisedokument verlangt?

BF: Weil das die Adresse war, welche Adresse hätte ich ihnen sonst geben sollen?

R: Haben Sie vor Ihrem Asylverfahren in Ö schon in anderen EU-Staaten Asylanträge gestellt?

BF: Nein, einen Asylantrag habe ich nicht gestellt, allerdings wurden mir meine Fingerabdrücke abgenommen.

R: Sind Sie verheiratet, oder leben Sie in einer Lebensgemeinschaft?

BF: Nein.

R: Das heißt, mit der bisher genannten Lebensgefährtin sind Sie nicht mehr zusammen?

BF: Nein, wir haben uns getrennt.

R: Haben Sie Kinder?

BF: Nein.

R: Haben Sie Verwandte in Österreich?

BF: Nein.

R: Haben Sie Freunde in Österreich?

BF: Ja.

R: Wurden Sie während der Schubhaft oder Strafhaft von Freunden besucht?

BF: Im Gefängnis schon, aber nachdem wir uns getrennt haben, hier nicht, nein.

R: Sind Sie in Österreich jemals einer legalen Beschäftigung nachgegangen?

BF: Nein.

R: Wovon leben Sie in Österreich?

BF: Ich habe von der Sozialhilfe 180 Euro erhalten.

R: Besitzen Sie Eigentum, Wertgegenstände oder Vermögenswerte, z.B. Sparbuch, Geld, Haus, Auto, Schmuck, Uhren, etc.?

BF: Nein.

R: Vor Ihrer Schubhaft, waren Sie in Strafhaft und davor in Untersuchungshaft. Waren Sie zuvor aufrecht in Ö gemeldet?

BF: Ja.

R: Für wie lange?

BF: Die Adresse ca. 7 Monate.

R: Sind Sie in Österreich vorbestraft?

BF: Ja.

R: Besitzen Sie einen gültigen Reisepass?

BF: Nein.

R an BFV, BehV: Haben Sie Fragen?

BehV: Laut Ihrer ehemaligen Freundin XXXX , waren Sie in Besitz einer Geburtsurkunde. Wo befindet sich diese Geburtsurkunde? (AS 265)

BF: Ich hatte ein Computer-Ausbildungs-Dokument, dann einen Lebenslauf, ob ich eine Geburtsurkunde besessen habe oder nicht, das ist mir unklar.

BehV: Laut Angaben Ihrer Freundin, hat diese Ihre Geburtsurkunde einem gewissen Herrn XXXX gegeben, kennen Sie diesen Mann?

BF: Ja.

BehV: Wieso behauptet Ihre Freundin, dass dieser Herr Ihre Geburtsurkunde besitzt?

BF: Ich weiß gar nicht, ob ich eine Geburtsurkunde hatte oder nicht. Ich hatte andere Unterlagen bei mir, wie z.B. ein Zertifikat und Unterlagen bezüglich meiner Elektriker-Ausbildung, sowie Unterlagen bezüglich meiner Computer-Ausbildung.

BehV: Sind Sie bereit, Ihrer Ausreiseverpflichtung nachzukommen?

BF: Ja, wenn das … möglich ist. Ich habe ja sonst keine Erlaubnis, in ein anderes Land einzureisen und ein Aufenthaltsverbot besteht. Wenn es möglich ist, würde ich gerne hier leben, aber wenn Sie mich zurückschicken, dann muss ich es akzeptieren.

R weist BF darauf hin, dass gegen ihn eine – rechtskräftige – Rückkehrentscheidung besteht. Weiters wurde über ihn ein Einreiseverbot in der Dauer von 5 Jahren verhängt, auch dieses ist rechtskräftig geworden. Gegenständlich wird ein Schubhaftverfahren geführt und kein Antrag auf internationalen Schutz behandelt.

BehV: Haben Sie von sich aus bereits Schritte gesetzt, um Ihrer Ausreisepflicht nachzukommen?

BF: Ich habe alles getan, was mir die Behörde befohlen hat, wie z.B. die Formulare zwei Mal ausgeführt, es wurde zwei Mal ein Botschaftstermin mit Afghanistan ausgemacht. Ich habe den Ladungen Folge geleistet, aber die anderen sechs Personen selbst kamen nicht.

R: Welche anderen Personen?

BF: Ich meine damit das BFA und das BFA hätte mich auch zu meiner Botschaft bringen können, dann wäre alles einfacher und schneller gegangen.

BehV: Sie wurden in Schubhaft einer Rechts- bzw. Rückkehrberatung unterzogen. Über diese Beratung haben Sie die Möglichkeit ebenfalls mit dem pak. Behörden Kontakt aufzunehmen. Wieso haben Sie in diesen Beratungen nichts angemerkt?

BF: Damals wollte ich nicht ausreisen, aber wenn sie mich jetzt 18 Monate lang im Gefängnis inhaftieren, dann würde ja kein Mensch im Gefängnis bleiben wollen. Ich möchte ausreisen.

BehV: Keine weiteren Fragen.

BFV: Die Formularblätter, die Sie ausgefüllt haben, wurden die mit Ihnen erörtert bzw. durchbesprochen?

BF: Nein, es wurde mir nichts erklärt. Ich habe nur das ausgefüllt, was ich verstanden habe.

R: Es geht darum, dass, falls Sie keinen Reisepass vorlegen können, dass ein HRZ ausgestellt werden kann. Hierfür bedarf es Ihrer Mithilfe, damit ein solches zustande kommt.

BF: Ich habe auch davor die richtigen Daten angegeben.

BFV: Sollten Sie heute entlassen werden, was würden Sie dann machen?

BF: Ich würde meine Bewährungshelferin vom Verein XXXX kontaktieren. Sie würde mir bei jeder Angelegenheit helfen. Wenn man mir sagen würde, dass ich meine Anwesenheit bei der Polizei täglich oder auch mehrmals am Tag bestätigen soll, dann bin ich bereit, das zu tun.

R: Aber einen Wohnsitz hätten Sie nicht?

BF: Ich habe 1-2 Freunde in XXXX , ich könnte mich bei ihnen anmelden. Wenn Sie wollen, werde ich Ihnen so schnell wie möglich, die genaue Adresse und die Telefonnummern von meinen zwei Freunden vorlegen.

BFV: Hatten Sie während der Schubhaft Kontakt zu Ihrer Bewährungshelferin?

BF: Ja, sie war bereits 6-7 Mal bei mir.

BFV weist daraufhin, dass der BF durchwegs den XXXX als Geburtsdatum genannt hat.

BFV: Keine weiteren Fragen.

BFV an BehV: Haben Sie die Frau XXXX auch als Zeugin einvernommen?

BehV: Nein, die Behörde hat die Lebenspartnerin nicht einvernommen. Da der BF damals keinen Namen nannte und auch keine Adresse angab.

BF: Ja.

R: AS 269: Das gibt es einen Bericht der LPD XXXX vom 23.02.2021. Darin steht, am 23.02.2021 um 13 Uhr konnte die Frau XXXX angetroffen werden und zum Verbleib der Dokumente des BF befragt werden. Sie gab an, bereits vor 2 Jahren mehrere Dokumente des BF an einen Freund überbracht zu haben, dessen Name ihr nicht bekannt sei.

BFV: Ich möchte festhalten, dass zumindest an diesem Tag die Adresse dem BFA bekannt war.

R: Wann haben Sie sich von Ihrer Lebensgefährtin getrennt?

BF: Vor ca. 2-3 Monaten

R: Waren Sie am 23.02.2021 noch mit ihr zusammen?

BF: Ja.

BFV an BehV: Meines Wissens nach hat der BF einen Antrag auf Duldung gestellt. Ist der noch anhängig bei Ihnen?

BehV: Wann bzw. wie ist dieser Antrag eingebracht worden?

BFV: Am 12.08.2020 wurde der BF zur Ausstellung einer Duldungskarte einvernommen. Weiters wurde eine 3-wöchige Frist zur Antragsverbesserung erteilt.

BehV: Der Behörde ist dazu nichts bekannt.

R hält fest, dass hierzu im Fremdenregister nichts aufscheint. Eine behördliche Entscheidung hierüber liegt ebenfalls nicht vor

R: Wieso haben keine freiwillige Rückreise in Erwägung gezogen?

BF: Weil ich damals Angst um mein Leben hatte, aufgrund meiner Feindschaft. Mein Leben war in Gefahr, jedoch war ich zwei Jahre dort im Gefängnis. Wenn man mich weitere 18 Monate im Gefängnis lassen möchte, dann gibt es ja keinen Lebenssinn mehr. Ich möchte deshalb ausreisen.

R: Möchten Sie abschließend etwas angeben?

BF: Ich bin seit ca. 2,5 Jahren im Gefängnis und ich habe mich bei jeder Gelegenheit, bei jeder Verhandlung und Einvernahme entschuldigt. Ich bitte hier und heute erneut um Verzeihung. Ich habe einen Fehler gemacht und bereue ihn bis heute. Ich bitte Sie, dass Sie mir eine Chance geben.

R an BFV, BehV: Möchten Sie eine abschließende Stellungnahme abgeben?

BFV: Der BF befindet sich seit bereits annährend 6 Monaten in Schubhaft. Ich verweise auf das Urteil des EUGH vom 05.06.2014, Rechtssache Mahdi, Zl.146/14 ppu. Der EUGH führt in dem Urteil aus, dass die Verlängerung einer Schubhaft gemäß Art. 15 Abs. 6 der Rückführungsrichtlinie über den Zeitraum von 6 Monaten hinaus nur dann zulässig ist, wenn die Feststellung der Identität aufgrund der mangelnden Kooperationsbereitschaft des betroffenen Drittstaatangehörigen nicht möglich ist. Da der BF zu seinen wesentlichen personenbezogenen Daten gleichlautende Angaben tätigte, liegt diese Kausalität im vorliegenden Fall nicht vor. Außerdem verlangt Art. 15 Abs. 6 der Richtlinie, dass die betreffende Behörde, bevor sie die mangelnde Kooperationsbereitschaft prüft, nachweisen kann, dass die Abschiebung trotz ihrer angemessenen Bemühungen länger dauern würde, als vorgesehen, was erfordert, dass der betreffende Mitgliedsstaat sich aktiv bemüht hat und immer noch bemüht, die Ausstellung von Identitätsdokumenten für diesen Drittstaatangehörigen zu erreichen. (Das ist Rz. 83). Damit wird erkennbar auf Art. 15 Abs. 1 Bezug genommen, wo festgelegt wird, dass eine Schubhaft nur so lange aufrecht erhalten werden darf, als die Abschiebevorkehrungen mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt werden. Im vorliegenden Fall ist die Behörde dieser Verpflichtung nicht nachgekommen. Dies deshalb, weil sie nicht schon im Oktober 2020, als der Antrag auf Ausstellung eines HRZ gestellt wurde, den BF selbst zum Ausfüllen der Formblätter, beigezogen hat. Wären dem BF die Formblätter bereits damals vorgelegt worden, so hätte er damals bereits die im Antrag vom 26.04.2021 gemachten Angaben getätigt. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Behörde damals davon abgesehen hat, den BF selbst zum Ausfüllen der Formblätter heranzuziehen. Festzuhalten ist weiters, dass die Behörde lediglich das Geburtsdatum übermittelt hat, das aufgrund einer Altersfeststellung festgelegt wurde und es sich dabei offenkundig um ein lediglich fiktives Geburtsdatum handelt. Somit hat die Behörde von Anfang an nicht alle zumutbaren Schritte gesetzt, um die Ausstellung von Identitätsdokumenten zeitnah zu erreichen. Weiters wurde auch diese Woche das Ausfüllen der Formblätter mit dem BF nicht im Rahmen einer Einvernahme erörtert. Weiters ist zu sagen, dass es seit dem Oktober 2020 über 6 Monate gedauert hat, bis die pak. Botschaft eine Antwort erteilt hat, somit deutlich länger als den üblichen Zeitraum, weshalb es auch sehr fraglich erscheint, dass nunmehr die Antwort Pakistans innerhalb wesentlich kürzerer Zeit erteilt wird. Es besteht daher aus heutiger Sicht keine hinreichende Aussicht auf Abschiebung des BF innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer. Aufgrund der Angaben des BF wäre die Verhängung eines gelinderen Mittels in Form der angeordneten Unterkunftnahme oder in Form einer periodischen Meldeverpflichtung, möglich. Der BF würde an einem solchen Verfahren entsprechend mitwirken.

BehV: Aus Sicht der Behörde hat sich der BF im bisherigen Verfahren nicht kooperationsbereit gezeigt. So hat der BF verschiedenste Angaben zu seiner Identität gemacht bzw. auch verabsäumt bzgl. der HRZ-Ausstellung konkretere Angaben zu machen. Der BF hat zum Teil widersprüchliche Angaben gemacht und hat sich im bisherigen Verfahren auch nicht rückkehrwillig gezeigt. Das heutige Vorbringen, einer Rückkehr nachzukommen, ist nicht glaubwürdig. Auch in Schubhaft wurde der BF bereits mehrmals einer Rechts- und Rückkehrberatung unterzogen. In diesen Gesprächen äußerte der BF nicht den Wunsch, seiner Ausreise nachzukommen. Es wäre ihm möglich, auch über die BBU mit pak. Behörden Kontakt aufzunehmen. Der BF erweist sich insgesamt als nichtvertrauenswürdig. Es wurde bereits mehrfach straffällig und auch zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Durch einen unbegründeten Asylfolgeantrag versuchte der BF bewusst seine Abschiebung zu vereiteln. Die bisherige Dauer der Schubhaft ist somit dem BF zuzurechnen. Sollte der BF richtige Daten angegeben haben, so wird mit einer Ausstellung eines HRZ gerechnet. Der letzte Pakistan-Charter fand im April statt und ist bereits der nächste Charter geplant. Der BF hat zu seiner ehemaligen Freundin keinen Kontakt mehr. Laut Angaben war der BF auch im Besitz einer Geburtsurkunde, was die Ausstellung eines HRZ wesentlich erleichtern würde. Aufgrund des bisherigen Verhaltens erweist sich auch ein gelinderes Mittel als nicht zweckmäßig. Die Behörde beantragt daher die Beschwerde in allen Punkten abzuweisen und die weitere Anhaltung in Schubhaft zu bestätigen. Zudem möchte die Behörde einen Verhandlungsaufwand geltend machen.“

Mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.04.2021, schriftlich ausgefertigt am 10.05.2021, wurde die Beschwerde abgewiesen und festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Das Bundesverwaltungsgericht traf in seiner Entscheidung folgende Feststellungen:

„Zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft:

Der volljährige Beschwerdeführer ist nicht österreichischer Staatsbürger und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

In Österreich führt der Beschwerdeführer den Namen XXXX und sein Geburtsdatum wurde nach Einholung eines Gutachtens zur Altersfeststellung mit XXXX festgelegt, weil er ein unrichtiges Geburtsdatum XXXX ) angegeben hat, demzufolge er jünger wäre. Der Beschwerdeführer wurde in Österreich auch mit dem Geburtsdatum, XXXX geführt/erfasst.

Die Geburtsurkunde des Beschwerdeführers befindet sich in Österreich. Diese brachte der Beschwerdeführer im Verfahren bis zuletzt jedoch nicht in Vorlage.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten:

Mit Urteil des LG XXXX , rk seit 06.03.2018 wurde der BF gem. § 83 Abs. 1 StGB – wegen einer Jugendstraftat – zu einer bedingten dreiwöchigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Mit Urteil des LG XXXX zu XXXX , rk seit 18.06.2019, wurde der BF gem. §§ 28a Abs. 1 5.Fall, 28a Abs. 2 2.Fall SMG, 27 Abs. 1 1.Fall, 27 Abs. 1 2.Fall und 27 Abs. 2 SMG sowie 28 Abs. 1 SMG zu einer unbedingten dreijährigen Freiheitsstrafe, ebenfalls als junger Erwachsener, verurteilt.

Vor Antritt seiner Strafhaft am 12.06.2019 war er bereits seit 16.11.2018 in Untersuchungshaft.

Der BF wurde am 16.11.2020 aus der Strafhaft in die Schubhaft überstellt. Aus dem Stande der Schubhaft stellte er an diesem Tag – in Verzögerungsabsicht – einen zweiten Asylantrag (Folgeantrag).

Gegen den BF besteht eine aufenthaltsbeendende Maßnahme und wurde über ihn ein Einreiseverbot in der Dauer von fünf Jahren rechtskräftig verhängt.

Der BF ist gesund und haftfähig.

Zur Beschaffung eines Heimreisezertifikates und der Möglichkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers:

Es ist mit einer zeitnahen Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan zu rechnen. Die Beschaffung des benötigten Reisedokumentes/HRZ wird voraussichtlich – neuerlich – 3 bis 4 Monate betragen. Verzögerungen betreffend die Ausstellung des HRZ sind dem Beschwerdeführer anzulasten. Dieser wirkt am Verfahren zur Erlangung des HRZ nicht mit. Anfangs musste die Behörde HRZ-Verfahren mit zwei Ländern, Pakistan und Afghanistan, führen. Die afghanische Botschaft erteilte am 05.03.2021 mit der Begründung, es müsse sich beim Beschwerdeführer um einen pakistanischen Staatsbürger handeln, keine Zustimmung. Die Mutter des Beschwerdeführers lebt noch in Pakistan. Es wäre dem Beschwerdeführer daher möglich, identitätsklärende Angaben zu machen oder sich Dokumente aus Pakistan schicken zu lassen. Dem kommt er jedoch nicht nach. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich zudem über seine Geburtsurkunde (AS 269). Weder brachte er diese in Vorlage noch erklärte er sich zu deren Verbleib. Der Beschwerdeführer gab weiters unterschiedliche Adressen bekannt. Neben dem Geburtsdatum ist auch die Namhaftmachung einer Adresse erforderlich um identifiziert werden zu können bzw. in weiterer Folge ein HRZ ausgestellt zu erhalten.

Die Zusammenarbeit zwischen dem BFA und den pakistanischen Behörden funktioniert gut. Nach den letzten Urgenzen, die gewöhnlich monatlich stattfinden, wobei dringende Fälle prioritär behandelt werden, erfolgte am 07.04.2021 (mündlich) und am 26.04.2021 jeweils eine Rückmeldung aus Pakistan, wonach eine Identifizierung des Beschwerdeführers nicht möglich war. Die belangte Behörde wurde ersucht, alle zur Verfügung stehenden Daten neuerlich zu übermitteln um eine Identifizierung zu ermöglichen. Daraufhin füllte der Beschwerdeführer am 28.04.2021 ein Antragsformular aus. Die durchschnittliche Dauer von 3-4 Monaten zwecks Erlangung eines HRZ fängt nach gescheiterter Identifizierung neu zu laufen an. Die Vorlage der Geburtsurkunde sowie die Bekanntgabe der korrekten Adresse des Beschwerdeführers würden den Identifizierungsprozess – erheblich – erleichtern/beschleunigen.

Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf:

Der Beschwerdeführer ist illegal nach Österreich eingereist. Er hat am 11.09.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt. Dieser wurde mit Bescheid des BFA vom 05.04.2018 abgewiesen; die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom 05.12.2018, Zl. XXXX abgewiesen.

Am 16.11.2020 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Schubhaft einen weiteren zweiten Asylantrag. Diesen stellte er in Verzögerungsabsicht. Auch über diesen Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid vom 29.12.2020 entschieden (Zurückweisung wg. entschiedener Sache und Verhängung eines Einreiseverbotes). Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom 21.01.2021 wiederum abgewiesen. Lediglich die Dauer des von der Behörde verhängten Einreiseverbotes wurde von acht Jahre auf fünf Jahre herabgesetzt.

Gegen den Beschwerdeführer besteht nicht nur eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme, über ihn wurde zudem ein fünfjähriges Einreiseverbot verhängt.

Der Beschwerdeführer, der im September 2017 seinen Antrag auf internationalen Schutz stellte, befand sich ab 16.11.2018 in Untersuchungshaft und ab 12.06.2019 in Strafhaft. Er wurde aus der Strafhaft direkt in die Schubhaft überstellt. Er hatte somit bereits vor Verhängung der Schubhaft keine aufrechte Meldeadresse, sondern war lediglich in der Justizanstalt gemeldet, seit 16.11.2020 befindet er sich im PAZ. Er hat aktuell keinen Wohnsitz und wäre zwecks Unterkunftnahme auf die Unterstützung eines Vereins angewiesen.

Das Verhalten des Beschwerdeführers im HRZ-Verfahren ist unkooperativ. Er stellte nach rechtskräftiger Erledigung seines ersten Asylverfahrens einen zweiten Antrag um seine Abschiebung zu verzögern. Er wirkt nicht an der Feststellung seiner Identität mit. Obwohl der Beschwerdeführer über eine Geburtsurkunde verfügt, legt er diese im Verfahren zur Beschaffung eines Heimreisezertifikats nicht vor. Zudem gab er divergierende Adressdaten bekannt. Der Beschwerdeführer machte zuvor auch von der Möglichkeit einer freiwilligen Rückreise zu keinem Zeitpunkt Gebrauch.

Familiäre und soziale Komponente

Der Beschwerdeführer verfügt über keine Familienangehörigen in Österreich. Er hat in Ö keine Lebensgefährtin (mehr).

Der Beschwerdeführer wird sich einer Abschiebung widersetzen. Er hat keine Wohnung. Seine Beziehung zu seiner ehemaligen Lebensgefährtin Frau K. ist vor wenigen Monaten in die Brüche gegangen. Eine soziale Verwurzelung in Österreich besteht nicht. Er hat keine sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich.

Der Beschwerdeführer verbrachte die deutlich überwiegende Zeit seines Aufenthaltes in Ö. in Haft (Untersuchungs-, Straf- oder Schubhaft). Er erwirtschaftet kein Einkommen und bezieht Sozialhilfe. Ansonsten ist er mittellos.

Das Verhalten des Beschwerdeführers, insbesondere seine Kooperationsunwilligkeit, schließt die Anwendung gelinderer Mittel aus.“

Beweiswürdigend ging das Bundesverwaltungsgericht von folgenden Erwägungen aus:

„Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vor dem Bundesverwaltungsgericht geführten Schubhaftverfahren (s. Verfahren zur ersten Schubhaftbeschwerde; zwei weitere Verfahren zu [amtswegig eingeleiteten] Schubhaftüberprüfungen). Zudem wurde in die Unterlagen der (zwei) inhaltlichen Asylverfahren Einsicht genommen. Die Feststellungen zur rechtskräftigen Rückkehrentscheidung und dem Einreiseverbot gründen auf die Heranziehung des hg. Erkenntnisses vom 21.01.2021 (Zl. XXXX ).

Einsicht genommen wurde zudem in das Fremdeninformationssystem, welches neben dem gutachterlich festgesetzten, fiktiven Alter zwei weitere Geburtsdaten zum Beschwerdeführer ausweist, in das Melderegister, in das Strafregister sowie in das GVS-Informationssystem. Zum Beschwerdeführer ist bekannt, dass er noch über seine Mutter in Pakistan (s. S 8 der Verhandlungsniederschrift) verfügt; dies stellte er in der mündlichen Verhandlung auch nicht in Abrede. Es wäre dem Beschwerdeführer daher leicht möglich, identitätsbezeugende Dokumente zu beschaffen, was er jedoch unterlässt. Wenn im Zuge der mündlichen Verhandlung dahingehend Stellung genommen wird, dass der Beschwerdeführer das erste Formblatt zur Erlangung eines HRZ-Dokumentes im Oktober 2020 nicht selbst ausgefüllt hat und die Behörde ein „falsches“ (nämlich das fiktiv festgesetzte) Geburtsdatum herangezogen hat, ist vorweg festzuhalten, dass entsprechend der Angaben der vernommenen glaubwürdigen Zeugin die Beantragung bzw. das Ausfüllen des Formblattes als alternative Möglichkeit zum eigenhändigen Ausfüllen des Beschwerdeführers vorgesehen ist. Dabei handelt es sich entsprechend ihrer glaubwürdigen Aussage um eine übliche Vorgehensweise und zog die Behörde die ihr zur Verfügung stehenden Daten heran.

Die Argumentation des Vertreters des Beschwerdeführers geht nunmehr dahin, dass die Verzögerungen in der Beschaffung eines HRZ für den Beschwerdeführer der belangten Behörde anzulasten seien, weil diese ein falsches, nämlich das im Zuge eines Altersgutachtens fiktiv festgesetzte Geburtsdatum, herangezogen hat. Dies Argumentation greift jedoch zu kurz: Tatsächlich hat sich nämlich ergeben, dass der Beschwerdeführer nicht nur seine Mutter im Herkunftsstaat um entsprechende Unterlagen bitten könnte, dies aber bewusst unterlässt. Er verfügt sogar in Österreich über seine Geburtsurkunde. Hierzu wird auf den Bericht der LPD XXXX vom 23.02.2021 (AS 269) zurückgegriffen, wonach die ehemalige Lebensgefährtin des Beschwerdeführers Dokumente desselben, darunter auch seine Geburtsurkunde, vor etwa zwei Jahren an einen Freund des Beschwerdeführers übergeben hat; dem Beschwerdeführervertreter wurde dieser Bericht im Zuge der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gebracht und hielt er in der Verhandlung Einschau in die bezughabenden Unterlagen (AS 269 f). Der Beschwerdeführer selbst trat diesem Ermittlungsergebnis, wonach sehr wohl identitätsbezeugende Dokumente des Beschwerdeführers vorhanden sind, in der mündlichen Verhandlung auch nicht substantiiert entgegen. Er zog sich lediglich, wenig überzeugend, darauf zurück, dass ihm „unklar“ gewesen sei, ob er überhaupt jemals eine Geburtsurkunde besessen habe oder nicht (S. 12 Verhandlungsniederschrift). Aufgrund des persönlichen Eindrucks, dem Aussageverhalten des Beschwerdeführers und dem vorgehaltenen Bericht der LPD XXXX , in dem zweifelsfrei von seiner Geburtsurkunde die Rede ist, ergab sich, dass der Beschwerdeführer versucht, dem Ergründen des Verbleibes der Urkunde auszuweichen. Einerseits machte er in der Verhandlung keine näheren Angaben zu dem besagten Freund, der im Besitz der Dokumente sein soll, andererseits versuchte er die Wichtigkeit der Dokumente herunterzuspielen und sprach unverhofft davon, dass es sich lediglich um weniger bedeutende Unterlagen (bezüglich einer „Computer-Ausbildung“; s. S. 13 Verhandlungsniederschrift) gehandelt habe, obwohl dies durch die Aussage seiner (nunmehrigen) Ex-Freundin vor der LPD XXXX klar widerlegt ist. Damit liegt aber die Verzögerung in der Beschaffung eines Heimreisezertifikates, welche eine Identifizierung der Person des Beschwerdeführers voraussetzt, klar beim Beschwerdeführer, der – vorhandene – Dokumente absichtlich zurückhält und somit nicht kooperiert. Es gilt auch darauf hinzuweisen, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer Altersfeststellung ja gerade erst dadurch indiziert wurde, dass der Beschwerdeführer unrichtige Angaben zu seinem Geburtsdatum gemacht hat. Da sich das vom Beschwerdeführer genannte Geburtsdatum vom XXXX (da zu jung) nicht bewahrheitet hat, wurde aufgrund eines Sachverständigengutachtens der XXXX (fiktiv) festgesetzt.

Diese Einschätzung tragen auch die Ausführungen des am 05.12.2018 mündlich verkündeten hg. Erkenntnisses zu Zl. XXXX im ersten Rechtsgang. Die in diesem Verfahren zuständige Richterin führte zur in Rede stehenden Identität des Beschwerdeführers damals – auszugsweise dargestellt - Folgendes aus: „Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität des BF nicht festgestellt werden. […] Ergänzend darf angeführt werden, dass der BF im Zuge seines Asylverfahrens zu seinem Alter bzw. seinem Geburtsdatum offenbar nicht tatsachengetreue Angaben machte. Im Zuge seiner Erstbefragung als auch vor dem erkennenden Gericht gab der BF an, er sei am XXXX geboren. Dies habe der BF bei seiner Reise nach Österreich in Italien per Telefon von seinem Vater erfahren. Er habe zwar die Schule in Pakistan besucht, habe aber damals sein Geburtsdatum nicht gewusst. Seine Geburtsurkunde und ein F.I.R. würden sich in Pakistan befinden. Aus diesen Unterlagen würde sich seine Identität ergeben. Sofern der BF im Zuge seines Asylverfahrens angab, er sei am XXXX geboren bzw. minderjährig zu sein, wird auf das im Verfahren erstellte Gutachten eines Sachverständigen bezüglich der Unterscheidung Minder- bzw. Volljährigkeit hingewiesen. […] Für den Zeitpunkt der Antragstellung ergibt sich daher ein Alter von 18,37 Jahren und somit ein „fiktives“ Geburtsdatum mit XXXX . […] Der BF bzw. seine damalige gewillkürte Vertretung haben weder Widersprüche im Gutachten aufgezeigt oder die anhand der Fachkunde des Sachverständigen gezogene Schlussfolgerungen substantiiert in Zweifel gezogen. Im konkreten Fall ist zudem darauf Bedacht zu nehmen, dass der BF angab, Unterlagen über seine Identität vorlegen zu können. Der BF ist seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen und hat derartige Beweismittel nicht vorgelegt. Vielmehr entstand der Eindruck, dass der BF bestimmte Umstände verschleiern möchte.“

Verzögerungen in der Beschaffung des Heimreisezertifikates, bedingt durch die ungeklärte Identität des Beschwerdeführers sind demnach keineswegs der belangten Behörde anzulasten. Soweit in der Beschwerde weiters aufgeworfen wird, dass die pakistanische Botschaft trotz Urgenzen nicht reagiert, ist auf die Antwort letzterer vom 07.04.2021 (mündlich) und vom 26.04.2021 hinzuweisen, wie die vor Gericht vernommene Zeugin konkret und daher glaubhaft darlegte. Der Zeugin war auch deswegen zu folgen, weil sie als Referatsleiterin des BFA in der Abteilung für Rückkehrvorbereitungen (HRZ-Abteilung) nicht nur umfassende Angaben zum grundsätzlichen Ablauf in der Beschaffung von HRZ-Dokumenten machen konnte, sondern darüber hinaus auch die Zusammenarbeit mit den pakistanischen Behörden sowie die zu schlussfolgernden zeitlichen Abläufen näher beschreiben konnte, die sie in der mündlichen Schubhaftverhandlung am 30.04.2021 nahvollziehbar darlegte. Wenn daher der zeitliche Rahmen für die Erlangung des für die Abschiebung erforderlichen Reisedokumentes, dem HRZ, neuerlich mit 3-4 Monaten eingeschätzt wird (s. S. 6 der Verhandlungsniederschrift) beruht dies darauf, dass die Behörde mangels Vorliegens korrekter Daten zur Person des Beschwerdeführers, neuerlich ein Verfahren zur Identifizierung desselben, nunmehr eben aufgrund eines vom Beschwerdeführer eigenhändig ausgefüllten Formblattes (welches als Beilage ./A zum Akt genommen wurde), anstrengen muss. Dass die pakistanischen Behörden den Beschwerdeführer nicht identifizieren konnten ist von einem bloßen Nichtreagieren der Behörden zu unterscheiden. Es liegen im Monat April 2021 zwei Reaktionen der pakistanischen Behörden vor, eine mündlich erteilte am 07.04. eine schriftliche vom 26.04., weshalb nicht, wie mit Beschwerdeerhebung moniert, davon gesprochen werden kann, dass die Vertretungsbehörde auf aktuelle Urgenzen nicht reagiert.

Dass die Verzögerungen in der Beschaffung des HRZ nicht dem BFA anzulasten sind, beruht auch auf folgendem Gedanken: Die Zeugin hat klar angegeben, dass nicht nur das Geburtsdatum, sondern auch die Adresse des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat zur Identifizierung vonnöten ist. Dabei sind neben den bereits angesprochenen Mängeln betreffend das Geburtsdatum aber - gleichsam - Unrichtigkeiten in den angegebenen Adress-Daten ursächlich für die Verzögerungen im Verfahren zur Identifizierung des Beschwerdeführers. Der Behauptung des Beschwerdeführers, er hätte immer die korrekten Adressangaben gemacht (S. 10 der Verhandlungsniederschrift) steht die Aussage der – mangels Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens – als glaubwürdiger befundenen Zeugin entgegen, wonach der Beschwerdeführer eine „neue“ Adresse angegeben hat, diesmal mit einer genauen Hausnummer und einer neuen, d.h. anderen, Provinz (S. 8 der Verhandlungsniederschrift), was zuvor nicht der Fall war. Somit zeigt sich, losgelöst von der Ermittlung des Geburtsdatums, die mangelhafte Mitwirkung des Beschwerdeführers auch hinsichtlich der Bekanntgabe einer korrekten Adresse, welche für eine erfolgreiche Abklärung der Identität genauso erforderlich ist wie das Geburtsdatum und belegt auch dies die Kooperationsunwilligkeit des Beschwerdeführers. Die Argumentation, dass die Behörde das falsche (fiktive) Geburtsdatum herangezogen habe und deswegen kein HRZ erlangt habe werden können, geht daher ins Leere, weil jedenfalls (auch) die Adresse falsch angegeben wurde, die, wie bereits erläutert, ebenfalls erforderlich ist. Dass der Beschwerdeführer in Verschleierungsabsicht seiner wahren Daten agiert, deckt sich auch mit dem persönlich gewonnenen Eindruck der verhandlungsführenden Richterin. Der Beschwerdeführer zeigte sich in der mündlichen Verhandlung keineswegs daran interessiert, Unklarheiten durch Aufklärung zu beseitigen, sondern antwortete in wesentlichen Punkten ausweichend und kurz angebunden. Dass er sich beispielsweise nicht mehr erinnern kann, ob er eine Geburtsurkunde hatte oder nicht (S. 13 Verhandlungsniederschrift), sei ebenso erwähnt wie seine haltlose Behauptung, Ihm seien Formblätter nie erklärt worden und habe er nur ausfüllen können, was er verstanden habe (S. 13 Verhandlungsniederschrift). Seine im Rahmen der mündlichen Verhandlung wahrgenommenen Deutschkenntnisse erscheinen nach Einschätzung der verhandlungsführenden Richterin jedenfalls ausreichend, Formblätter wie Beilage ./A auszufüllen und handelt es sich um eine reine Schutzbehauptung, wenn der Beschwerdeführer sprachliche Defizite als Grund für sein beharrliches Verweigern der gebotenen Mitwirkung vorschiebt. Wenig nachvollziehbar erschien auch, wieso der Beschwerdeführer, obwohl er eingangs aussagte, nur seine Mutter und sein Bruder seien in Pakistan aufhältig (S. 10 Verhandlungsniederschrift) die Adresse eines „zugesperrten“ Hauses seines verstorbenen Vaters (S. 11 der Verhandlungsniederschrift) im nunmehr eigenhändig ausgefüllten Formularblatt, Beilage ./A, angibt und stellt sich die Frage, ob diese Daten nunmehr für die Erlangung eines HRZ als dienlich anzusehen sind; an dieser Stelle sei auch nochmals erwähnt, dass seine Mutter noch in Pakistan lebt.

In einer Gesamtschau knüpfen die Verzögerungen in der Dokumentenbeschaffung daher nicht, wie vom Beschwerdeführervertreter geltend gemacht, an die Heranziehung untauglicher Daten durch die Behörde (fiktives Geburtsdatum), sondern an die Verweigerung der Mitwirkung des Beschwerdeführers, die Zurückhaltung/Unterdrückung seiner in Österreich existenten Geburtsurkunde, die sich ändernden („neuen“) bzw. wenig zweckdienlichen Angaben zu seiner Adresse in Pakistan sowie (zuvor) dem notwenigen Führen von HRZ-Verfahren mit ursprünglich zwei Ländern (nämlich Pakistan und Afghanistan), was naturgegeben mehr Zeit einnimmt, wie die vernommene Zeugin in der Verhandlung sowie mit Stellungnahme vom 26.04.2021 ausführte.

Erwähnenswert ist noch, dass die belangte Behörde dann, wenn ein Verfahren auf internationalen Schutz laufend ist, keine Anfragen an die Botschaft des jeweiligen Herkunftsstaates richtet (S. 6 der Verhandlungsschrift). Soweit der Beschwerdeführer mit Beschwerdeerhebung und Erstattung seiner Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter zeitliche Verzögerungen seitens der Behörde ortet, wird dagegen auf die – in Verzögerungsabsicht – erfolgte zweite Antragstellung auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers hingewiesen, die sich aus der Einsichtnahme in die vorangegangenen Haftüberprüfungen bzw. das Verfahren zur ersten Schubhaftbeschwerde ergibt. Auch diese zeitlichen Verzögerungen sind daher rein vom Beschwerdeführer verursachte Auswirkungen seiner mangelnden Kooperationsbereitschaft. Vor diesem Hintergrund sind auch die in der Schubhaftverhandlung ausgedrückten Beteuerungen des Beschwerdeführers, er wolle nunmehr ausreisen, zu sehen (S. 13 Verhandlungsniederschrift). Weshalb er trotz Rechts- und Rückkehrberatung und der ihm jederzeit offenstehenden Möglichkeit, sich von sich aus an die pakistanischen Behörden zu wenden und mit diesen Kontakt aufzunehmen und zu kooperieren, keinerlei fruchtbringende Versuche in diese Richtung unternommen hat, blieb der Beschwerdeführer glaubhaft zu erläutern schuldig.

Klar hervorgekommen ist auch, dass nicht Verzögerungen durch Covid-19, sondern die gescheiterte Identifizierung des BF kausal für Verzögerungen in der Durchführung der Abschiebung war, der letzte Charterflug nach Pakistan ging Mitte April 2020, der nächste ist für Ende Juni 2021 avisiert. Diesbezüglich stimmen die Ausführungen der Zeugin mit den Rückführungsinformationen des BFA überein.

Dem Beschwerdeführer ist es im Rahmen der Verhandlung nicht gelungen, seine Kooperationsbereitschaft glaubhaft zu machen. Dass er nun angibt mitwirken zu wollen, lässt vor dem Hintergrund seiner unmittelbar bevorstehenden Aufenthaltsbeendigung und seinem bisherigen gezeigten Verhalten, in dem er die Behörde durch falsche Angaben getäuscht hat und seine Abschiebung zu vereiteln versucht, nicht erwarten, dass er sich nach seiner Entlassung aus der Schubhaft tatsächlich seiner Abschiebung stellen wird.

Somit liegt es am Beschwerdeführer, dass die pakistanische Botschaft, nunmehr mit anderen Daten, erneut versuchen muss, ein HRZ für diesen zu erlangen, weshalb wiederum von einer 3 bis 4-monatigen Dauer ausgegangen wird.

Dass der Beschwerdeführer über keinen Wohnsitz im Bundesgebiet verfügt, ergab sich aus seinen eigenen Angaben in Zusammenschau mit der Einsichtnahme ins ZMR und das Strafregister. Letzteres gibt über über die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers Aufschluss, wobei hervorzuheben ist, dass der Beschwerdeführer bei seiner letzten Verurteilung mit einer unbedingten dreijährigen Freiheitsstrafe sanktioniert wurde. Dass der Beschwerdeführer nicht mehr mit seiner bisherigen Lebensgefährtin, Frau K., liiert ist, räumte er in der mündlichen Verhandlung ein, weshalb feststeht, dass der Beschwerdeführer, der auch keine Angehörigen in Österreich hat, keine sozialen Anknüpfungspunkte mehr im Bundesgebiet hat. Letztere wären ohnehin durch die Untersuchungs-, Straf- und Schubhaften des Beschwerdeführers als äußerst ausgedünnt anzusehen. Dass der Beschwerdeführer vom Bezug der Sozialhilfe lebt und sonst über kein Vermögen verfügt, hat er in der mündlichen Verhandlung glaubwürdig angegeben. Die Feststellung zu seinem Gesundheitszustand gründet auf seinen Angaben im Laufe des Verfahrens und korreliert mit der im Verfahren ärztlich befundenen Haftfähigkeit.“

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, XXXX vom 31.05.2021 wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

Die Verwaltungsbehörde übermittelte am 18.06.2021 zum Zwecke der Überprüfung der Schubhaft im Sinne des § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verwaltungsakten womit "die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht gilt".

Mit E-Mail vom 18.06.2021 übermittelte das BFA folgende Stellungnahme:

„Das Bundesamt informiert über gegenständliches Verfahren, in welchem ein Mandatsbescheid gem. § 76 Abs. 2 Z 2 FPG ergangen ist.

Oa. Fremde befindet sich seit 16.11.2020 in Schubhaft.

Übersicht zum Verfahren:

- Am 11.09.2017 wurde die VP nach einer illegalen Einreise aufgegriffen und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Die VP gab an den Namen XXXX zu führen, am XXXX geboren und pakistanischer Staatsangehöriger zu sein.

- In einem Altersfeststellungsgutachten vom 30.10.2017 wurde die Volljährigkeit festgestellt und ein fiktives Geburtsdatum mit XXXX bestimmt.

- Mit 31.10.2017 wurde er zum Asylverfahren zugelassen.

- Am 01.03.2018 (rk 06.03.2018) wurde die VP vom Landesgericht XXXX unter der Aktenzahl XXXX wegen des Ve

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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