TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/22 L506 1252234-3

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Veröffentlicht am 22.11.2021
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Entscheidungsdatum

22.11.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §46a Abs1 Z3
FPG §46a Abs4
VwGVG §8a

Spruch


L506 1252234-3/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. GABRIEL als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Pakistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.12.2020, Zl. XXXX , Regionaldirektion Wien, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.11.2021 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 46a Abs. 4 iVm Abs. 1 Z 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

II. Dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gemäß § 8a VwGVG wird nicht stattgegeben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend BF), ein pakistanischer Staatsangehöriger, stellte am 18.11.2002 sowie am 06.02.2003 Anträge auf internationalen Schutz. Den Asylantrag vom 06.02.2003 brachte der BF unter Angabe einer falschen Identität ein und zog diesen im Rahmen der niederschriftlichen Befragung am 08.09.2003 zurück. Der Asylantrag vom 18.11.2002 wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes (BAA) vom 17.10.2003, Zl. XXXX XXXX , gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 AsylG 1997 wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt II.). Da gegen diesen Bescheid kein Rechtsmittel erhoben wurde, erwuchs dieser am 07.11.2003 in Rechtskraft.

Der BF stellte während einer über ihn verhängten Schubhaft am 09.04.2004 neuerlich einen (dritten) Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes (BAA) vom 29.07.2004, Zl. XXXX , gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid vom 06.04.2005, Zl. 252234/0-IV/11/04, des damaligen Unabhängigen Bundesasylsenates (UBAS) abgewiesen.

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 31.08.2005 wurde der Verfahrenshilfeantrag des Beschwerdeführers wegen offenbarer Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung abgewiesen. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.11.2005 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX vom 28.04.2005 wurde der Antrag des BF auf Aufschiebungsaufschub vom 07.09.2004 gemäß § 56 Abs. 2 FrG abgewiesen. Einer Beschwerde dagegen gab der VwGH mit Beschluss vom 21.07.2005 nicht statt.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX vom 15.11.2007 wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot gemäß § 63 Abs. 1 FPG erlassen.

Der BF stellte während der über ihn verhängten Schubhaft am 29.08.2010 neuerlich einen (vierten) Antrag auf internationalen Schutz, welcher vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 29.10.2010, C7 XXXX , wegen bereits entschiedener Sache gemäß § 68 AVG rechtskräftig abgewiesen und gleichzeitig die Ausweisung des BF gemäß § 10 AsylG erlassen wurde.

2. Gegen den BF liegen mehrere Straferkenntnisse wegen rechtswidrigem Aufenthalt in Österreich vor.

Gegen den BF wurde wiederholt die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet und wiederholt (erfolglos) versucht, ein Heimreisezertifikat zu erlangen.

3. Am 12.09.2016 stellte der BF einen Antrag auf Duldung nach § 46a Abs. 1 Z 3 FPG. Er begründete diesen Antrag mit seinem durchgehenden Aufenthalt in Österreich seit 2002. Er sei 8 Mal in Schubhaft gewesen, könne keine Identitätsdokumente vorlegen und die pakistanische Botschaft habe bis dato kein Heimreisezertifikat ausgestellt. 2013 sei er an Krebs erkrankt und habe deshalb im Krankenhaus regelmäßige Kontrolltermine.

Nach Einräumung eines Parteiengehörs führte der BF in seiner Stellungnahme vom 29.09.2016 aus, dass er 2002 in Österreich einen Asylantrag gestellt habe mit der Absicht, in Sicherheit leben zu können und einen Aufenthalt in Österreich zu erhalten. Er habe keine Familienangehörigen in Österreich, keine Schul- und Berufsbildung, keinen Zugang zum Arbeitsmarkt und er beziehe Leistungen aus der Grundversorgung. Er habe bereits zwei Mal in Begleitung der Polizei bei der Botschaft vorgesprochen, jedoch kein Identitätsdokument erhalten.

Am 30.01.2017 wurde dem BF die „Karte für Geduldete“ übermittelt und in der Folge einmal bis zum 25.01.2019 verlängert

4. Am 16.01.2019 stellte der BF den gegenständlichen Antrag auf Verlängerung der Duldung gemäß § 46a Abs. 5 FPG.

5. Bei der niederschriftlichen Einvernahme am 07.03.2019 zur Erlassung einer Wohnsitzauflage und Feststellung der Identität wurde dem BF zur Kenntnis gebracht, dass ihm die zuvor erteilten Duldungskarten nur bewilligt worden seien, da das behördliche Ansuchen um Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) viel Zeit in Anspruch genommen habe. Eine neuerliche Beantragung eines HRZ würde kürzere Zeit in Anspruch nehmen, weshalb beabsichtigt sei, den am 16.01.2019 gestellten Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte abzuweisen. Im Zuge der Befragung gab der BF an, dass ihm bewusst sei, sich unerlaubt in Österreich aufzuhalten, dass er keinerlei Dokumente von Pakistan habe und auch nie bei der Botschaft gewesen sei, um sich welche ausstellen zu lassen. Er lebe von Leistungen aus der Grundversorgung und arbeite einmal in der Woche gemeinnützig im Asylheim, wofür er EUR 200,00 pro Monat bekomme. Er sei ledig und habe in Österreich keine Verwandten.

In der Folge wurde dem BF mit Mandatsbescheid vom 14.03.2019 gemäß § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der genannten Betreuungseinrichtung zu nehmen. Dagegen erhob der BF am 29.03.2019 das Rechtsmittel der Vorstellung. Mit Bescheid vom 29.11.2019 wurde der genannte Mandatsbescheid gemäß § 68 Abs. 2 AVG aufgehoben.

6. Am 22.11.2019 wurde der BF zur Feststellung seiner Identität niederschriftlich einvernommen. Nach Vorhalt, dass die Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die pakistanische Botschaft in Wien abgelehnt worden sei, da der BF die Heimatadresse nicht ausführlich bekannt gegeben habe, erklärte sich der BF bereit, nunmehr die gesamte Heimatdresse anzugeben und an der Feststellung seiner Identität mitzuwirken. Weiters führte er aus, noch nie bei der pakistanischen Botschaft bezüglich der Ausstellung eines Reisedokumentes gewesen zu sein. Er sei mittlerweile an Krebs erkrankt, habe Lungenprobleme und sei bereits fünf Mal operiert worden.

7. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 01.12.2020, Zl: XXXX , wurde der Antrag des BF auf Ausstellung einer Karte für Geduldete vom 16.01.2019 gemäß § 46a Abs. 4 iVm Abs. 1 Z 3 FPG abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass im Fall des BF die Voraussetzungen des § 46a Abs. 1 Z 3 FPG nicht vorliegen würden, da der BF nicht gewillt sei auszureisen und die Vertretungsbehörde bei geklärter Identität dem BF die für eine Heimreise notwendigen Dokumente ausstellen würde. Dem BF wäre es auch zumutbar, sich selbst mit der Botschaft ins Einvernehmen zu setzen.

8. Gegen diesen Bescheid erhob der BF durch seinen Vertreter am 30.12.2020 innerhalb offener Frist vollumfängliche Beschwerde. Zu deren Inhalt im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise: VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).

Begründend wurde im Wesentlichen zusammengefasst darauf verwiesen, dass eine Abschiebung des BF derzeit nicht möglich sei und die Unmöglichkeit mit erstmaliger Ausstellung der Duldungskarte von der belangten Behörde auch bereits bestätigt worden sei. Zudem liege die letzte aufenthaltsbeendende Maßnahme bereits mehr als 10 Jahre zurück, habe in Hinblick auf die Interessensabwägung ihre Wirksamkeit verloren und hätte die belangte Behörde die dauerhafte Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung feststellen müssen. Dem BF, der bereits seit 18 Jahren in Österreich aufhältig und an Krebs erkrankt sei, wäre zur Aufrechterhaltung des Privatlebens gemäß § 55 Abs. 1 Z 1 AsylG eine Aufenthaltsberechtigung von Amts wegen zu erteilen, in eventu dem Verlängerungsantrag stattzugeben bzw. eine Aufenthaltsberechtigung von Amts wegen gemäß § 57 AsylG zu erteilen. Gleichzeitig wurde ein Antrag auf Verfahrenshilfe – Antrag auf Befreiung von der Eingabegebühr gestellt.

9. Mit Beschwerdeergänzung vom 19.01.2021 reichte der BF Unterstützungsschreiben zum Nachweis seiner Aufenthaltsverfestigung nach.

10. Am 07.07.2021 ersuchte das BVwG das BFA um aktuelle Information im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates. Laut Auskunft des BFA wurde zuletzt mit 09.11.2020 dem Ersuchen um Ausstellung eines Heimreisezertifikates von der pakistanischen Botschaft ohne nähere Begründung nicht entsprochen. Vorstellbar sei nur, dass die vom BF angegebenen Daten von den pakistanischen Behörden nicht bestätigt worden seien.

11. Nach Einräumung eines Parteiengehörs führte der BF mit Stellungnahme vom 02.08.2021 aus, dass die vom BFA konstatierte Identitätsverschleierung reine Spekulation sei und seine Angaben zu seiner Identität stets gleichbleibend gewesen seien. Die Abschiebung des BF sei – wie auch in den Jahren zuvor – aus tatsächlichen und von ihm nicht zu vertretenden Gründen unmöglich, weshalb ihm von Amts wegen eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz zu erteilen, in eventu erneut eine Duldungskarte auszustellen wäre.

12. Am 18.11.2021 erfolgte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu der die Verfahrensparteien geladen wurden.

13. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

14. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der Angaben des BF, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.11.2021.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen:

1.1. Zuständigkeit der entscheidenden Einzelrichterin

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt der erkennenden Einzelrichterin zugewiesen, woraus sich deren Zuständigkeit ergibt.

2. Feststellungen (Sachverhalt)

Der Beschwerdeführer ist nach illegaler Einreise in das Bundegebiet seit dem 15.11.2002 in Österreich aufhältig. Der BF stellte am XXXX sowie am XXXX Anträge auf internationalen Schutz. Den Asylantrag vom 06.02.2003 brachte der BF unter Angabe einer anderen Identität ein und zog diesen im Rahmen der niederschriftlichen Befragung am 08.09.2003 zurück. Der Asylantrag vom XXXX wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes (BAA) vom 17.10.2003, Zl. XXXX , gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 AsylG 1997 wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt II.). Dieser Bescheid erwuchs am 07.11.2003 in Rechtskraft.

Der Beschwerdeführer stellte am 09.04.2004 einen (dritten) Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes (BAA) vom 29.07.2004, Zl. XXXX , gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid vom 06.04.2005, Zl. XXXX , des seinerzeitigen Unabhängigen Bundesasylsenates (UBAS) abgewiesen.

Der Beschwerdeführer stellte am 29.08.2010 einen (vierten) Antrag auf internationalen Schutz, welcher vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom XXXX , wegen bereits entschiedener Sache gemäß § 68 AVG rechtskräftig abgewiesen und gleichzeitig die Ausweisung des BF gemäß § 10 AsylG erlassen wurde.

Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach; er hat Österreich seit seiner illegalen Einreise am 15.11.2002 bzw. seiner Asylantragstellung am 18.11.2002 nicht verlassen und es besteht gegen ihn seit 29.10.2010 eine aufrechte Rückkehrentscheidung. Der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet ist überwiegend unrechtmäßig.

Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger; seine Identität konnte bislang nicht festgestellt werden. Er ist ledig und hat keine Verwandten in Österreich.

Sowohl seitens des BAA als auch des BFA wurden wiederholt bei der pakistanischen Botschaft die Ausstellung eines Heimreisezertifikates beantragt; bis dato wurde kein solches ausgestellt.

Mangels Vorlage geeigneter Dokumente zur Feststellung seiner Identität und mangels Mitwirkung des Beschwerdeführers an der Erlangung eines Ersatzreisedokuments konnten bis dato keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen den rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältigen Beschwerdeführer effektuiert werden.

Der Beschwerdeführer hat seine Identität verschleiert und bislang an der Erlangung eines Reisedokumentes bzw. Ersatzreisedokumentes auch nicht mitgewirkt.

Der Beschwerdeführer verweigerte im Jahr 2010 das Ausfüllen des ihm vorgelegten Formulars der pakistanischen Botschaft zur Erlangung eines Reisepasses.

3. Beweiswürdigung

3.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang sowie die Feststellungen zum Verfahrensablauf, insbesondere zu seinen Asylverfahren, ergeben sich aus dem Akteninhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und dem vorliegenden Gerichtsakt.

3.2. Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich des Beschwerdeführers ergeben sich - vorbehaltlich der Feststellungen zur Identität - aus seinen Angaben sowie seinen Sprach- und Ortskenntnissen, welche im Asylverfahren bzw. im behördlichen Verfahren getätigt wurden. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache der BF namentlich genannt wird, beruhen diese auf den Angaben des BF, die bereits im Asylverfahren zu seiner Identifikation angenommen wurden. Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität des Beschwerdeführers nicht abschließend festgestellt werden. Soweit dieser namentlich genannt wird, dient dies lediglich der Identifizierung des Beschwerdeführers als Verfahrenspartei, bedeutet daher nicht eine Feststellung der Identität für den allgemeinen Rechtsverkehr im Sinne einer Vorfragebeurteilung iSd § 38 AVG.

Dass sich der BF seit seiner illegalen Einreise in Österreich aufhält ergibt sich aus seinen Angaben in den behördlichen Verfahren und dem aktuellen Auszug aus dem zentralen Melderegister, aus dem Hauptwohnsitzmeldungen des BF von Dezember 2002 bis laufend – wenn auch mit kurzen Unterbrechungen in den Jahren 2009, 2010 und 2011 – ersichtlich sind.

Der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet war lediglich für die Zeiträume während seiner Asylverfahren, somit von 15.11.2002 – 07.11.2003, 09.04.2004 – 06.04.2005 und von 29.08.2010 – 29.10.2010 rechtmäßig, wenngleich auch nur aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber. Zwar war der BF von 26.01.2017 bis 25.01.2019 durch Ausstellung einer Duldungskarte gemäß § 46a FPG im Bundesgebiet geduldet, die Duldung stellt jedoch kein Aufenthaltsrecht dar und ist auch dieser Aufenthalt des BF in Österreich als nicht rechtmäßig anzusehen. Gegen den BF besteht seit dem rechtskräftigem Erkenntnis AsylGH vom 29.10.2010 eine aufrechte Rückkehrentscheidung. Seiner Rückkehrverpflichtung ist der BF bis dato nicht nachgekommen.

3.3. Dass bis dato die Identität des BF nicht festgestellt, ein Ersatzreisedokument nicht erlangt und die Aufenthaltsbeendigung nicht effektuiert werden konnte, ist letztlich auf die Verschleierung der Identität und der mangelnden Mitwirkung des BF zurückzuführen. Dies aus folgenden Gründen:

3.3.1. So ist dem vorliegenden Verwaltungsakt zu entnehmen, dass die belangte Behörde (BAA bzw. in der Folge BFA) für den BF im Laufe seines Aufenthaltes in Österreich wiederholt (9 Mal) erfolglos versucht hat, ein Heimreisezertifikat zu erlangen. Wäre die vom BF bekannt gegebene Identität den pakistanischen Behörden bekannt, wäre davon auszugehen, dass das Bemühen der Behörden, ein Heimreisezertifikat für den BF zu erlangen, bereits in der Vergangenheit zum Erfolg geführt hätte. Zieht man die behördlichen Einvernahmen des BF vom 08.09.2003 heran, so ist daraus ersichtlich, dass dem BF im Jahr 2000 vom Passamt Islamabad problemlos ein Reisepass ausgestellt worden sei, er mit einem Visum für die Türkei nach Istanbul geflogen sei und darüber hinaus – seinen Angaben zufolge – nach seiner Ausreise ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden sei. Den Angaben des BF zufolge müsste die Identität des BF den pakistanischen Behörden daher bekannt sein und lässt sich der Umstand, dass die pakistanischen Behörden die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bisher ablehnten (zuletzt mit 10.09.2019, AS 680, und 09.11.2020, AS 700) nur dadurch erklären, dass der BF seine tatsächliche Identität verschleiert, zumal schon aufgrund des Rückübernahmeabkommens zwischen der EU und Pakistan von der Ausstellung eines Heimreisezertifikates – bei festgestellter Identität – auszugehen ist. Schon das BFA wies darauf hin, dass bei festgestellter Identität die (pakistanische) Vertretungsbehörde grundsätzlich der Verpflichtung nachkommt, ihren Staatsangehörigen die Heimreise zu ermöglichen.

3.3.2. Abgesehen von der Vielzahl an Einvernahmen des BF, bei denen die belangte Behörde versucht hat, die wahre Identität des BF zu eruieren, hat der BF im Laufe seines unrechtmäßigen Aufenthaltes auch wiederholt die Unterschrift auf dem erforderlichen Formular zur Beschaffung eines Heimreisezertifikates verweigert. So beispielsweise am 04.04.2005 (AS 123), am 16.05.2007 (AS 263), am 07.08.2007 (AS 265), am 25.10.2007 (AS 333) und am 08.10.2010 (AS 499).

Zwar behauptete der BF im Laufe seines unrechtmäßigen Aufenthaltes auch, dass er sich um die Beschaffung des Heimreisezertifikates und seine Ausreise aus Österreich selbständig kümmern werde (AS 268), tatsächlich umgesetzt hat er dies jedoch nicht.

Selbst die wiederholte in Inschubhaftnahme XXXX und wiederholte fremdenrechtliche Strafverfahren konnten den BF nicht davon überzeugen, an der Feststellung seiner Identität mitzuwirken bzw. seinen unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich zu beenden.

Die belangte Behörde hat in der Vergangenheit wiederholt erfolglos versucht, die Identität des BF festzustellen, doch scheiterte dies an der mangelnden ernsthaften Mitwirkung des BF. Auch die BPD XXXX sah sich am 27.07.2007 zu einem Aktenvermerk veranlasst, dass der BF selbst seiner Rechtsvertretung gegenüber keinerlei Bereitschaft zeigte, an der Feststellung seiner Identität mitzuwirken (AS 264).

3.3.3. Aber auch im gegenständlichen Verfahren wirkte der BF bis zuletzt nicht an der Feststellung seiner Identität mit. Dies zeigt sich auch darin, dass der BF in der Einvernahme am 22.11.2019 seine letzte Wohnadresse zunächst nicht ausführlich genug angab (AS 679), doch auch eine nochmalige Angabe seiner letzten Heimatadresse führte nicht zum gewünschten Erfolg (AS 700).

3.3.4. Der BF war auch nie bei der pakistanischen Botschaft in Wien, um sich Reisedokumente ausstellen zu lassen. Zwar gab der BF in seiner Stellungnahme vom 29.09.2016 an, dass er bereits zwei Mal in Begleitung der Polizei bei der Botschaft vorgesprochen, jedoch beide Male kein Dokument erhalten habe, welches seine Identität bestätige (AS 560). Darauf verwies er auch in seiner nunmehrigen Beschwerde. Diesem Vorbringen ist jedoch die Glaubwürdigkeit abzusprechen, zumal der BF im weiteren Verfahren mehrmals bestätigte, sich noch nie an die pakistanische Botschaft in Wien gewandt zu haben; so beispielsweise in den niederschriftlichen Einvernahmen am 07.03.2019 (AS 602) und am 22.11.2019 (AS 679). Der diesbezügliche Einwand in der Beschwerde (AS 725) geht daher ins Leere. Die erkennende Richterin verkennt dabei nicht, dass im gegenständlichen Fall das BFA von ihrer Ermächtigung gemäß § 46 Abs. 2a FPG zur Führung eines amtswegigen Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates Gebrauch gemacht hat, weshalb für den BF keine zusätzliche Verpflichtung besteht, aus Eigenem bei der Botschaft die Ausstellung eines Reisedokumentes zu beantragen (vgl. VwGH 30.04.2021, Ra 2020/21/0543), doch hätte er dennoch die Verpflichtung gehabt, seinen Mitwirkungspflichten nachzukommen. Mit seinen widersprüchlichen Aussagen hinsichtlich seiner Bemühungen um ein Reisedokument ist er dieser Verpflichtung jedenfalls nicht nachgekommen.

3.3.5. Indem der BF über Jahre wiederholt die Unterschrift auf dem betreffenden Formular der pakistanischen Botschaft zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes verweigerte, nie die pakistanische Botschaft in Wien aufsuchte bzw. dazu unterschiedliche Aussagen tätigte, ist dem BF anzulasten, dass er fortwährend an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkte oder diese vereitelte. Doch auch im gegenständlichen Verfahren wirkte der BF nicht an der Feststellung seiner Identität mit (vgl. Punkt 3.3.3.), hat auch keine eigenen Schritte zur Erlangung eines (Ersatz-)Reisedokumentes unternommen, sondern dazu gegenüber der Behörde widersprüchliche Angaben getätigt, womit er seine Mitwirkungspflicht im Verfahren verletzt hat (vgl. Punkt 3.3.4.).

Darüber hinaus ist aus dem Umstand, dass die pakistanische Regierung trotz mehrfacher Anträge kein Heimreisezertifikat ausstellte, da die Identität des BF nicht feststellbar war (bspw. AS 506), der Schluss zu ziehen, dass der BF seine Identität verschleierte (vgl. Punkt 3.3.1).

Bestätigt werden die obigen Ausführungen ferner durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, in der dem BF die Einbeziehung sämtlicher bisheriger Verfahren in Österreich zur Kenntnis gebracht wurde.

Der BF wurde auch aufgefordert, seine persönlichen Daten und Herkunftsadresse aufzuschreiben, woraufhin der erklärte, aufgrund einer Sehschwäche dazu nicht in der Lage zu sein. Befragt, ob er eine Brille verwenden könne, erklärte der BF, vor zwei Wochen seinen Rucksack verloren zu haben, in dem sich auch seine Brille befunden habe. Weder über Aufforderung der Richterin noch über jene seines Vertreters war der BF gewillt, zumindest den Versuch zu unternehmen, schriftliche Angaben zu machen. Die soeben umschriebene Vorgehensweise des BF stellt ein starkes Indiz für seinen Mitwirkungswillen im Verfahren dar.

Letztlich diktierte der BF über Aufforderung seine Daten und Adresse dem Dolmetscher und bestätigte dies nach Wiederholung seiner Angaben durch den Dolmetscher mit seiner Unterschrift. Dabei fällt auf, dass die Namensschreibweise sich von der bisherigen Schreibweise seines Namens – der BF gab nunmehr an XXXX zu heißen, wohingegen er im bisherigen Verfahren XXXX angegeben hatte, unterscheidet; auch die nunmehr angegebene Adresse stimmt lediglich rudimentär mit seinen bisherigen Angaben im gegenständlichen Verfahren überein und erfolgte weniger detailliert als seine bisherigen Angaben, so war dem BF zB seine Hausnummer und auch die Nummer seiner Straße nicht mehr bekannt (AS 679, 682).

Die erkennende Richterin geht daher – wie zuvor das BFA – davon aus, dass die Vertretungsbehörde bei geklärter Identität dem BF die für eine Heimreise notwendigen Dokumente ausstellen würde, der BF die dafür erforderliche Mitwirkung trotz Zumutbarkeit unterlassen hat und liegen daher vom BF zu vertretende Gründe iSd § 46a Abs. 3 FPG vor.

3.4. Zur Beschwerde

3.4.1. Zum zentralen Beschwerdevorbringen, insbesondere im Hinblick auf eine Rückkehrentscheidung und auf Art. 8 EMRK, ist festzuhalten, dass diese Aspekte nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind.

3.4.2. Soweit in der Beschwerde darauf verwiesen wird, dass eine Abschiebung des BF derzeit nicht möglich sei und die Unmöglichkeit mit erstmaliger Ausstellung der Duldungskarte von der belangten Behörde auch bereits bestätigt worden sei, ist grundsätzlich festzuhalten, dass die Gültigkeit der Karte für Geduldete 1 Jahr beträgt und bei weiterem Vorliegen der Voraussetzungen der Duldung, das heißt bei Vorliegen zumindest eines der in § 46a Abs. 1 FPG taxativ genannten Tatbestände um ein weiteres Jahr verlängert wird. Wurde in der Vergangenheit – aus welchen Gründen auch immer - eine Karte für Geduldete ausgestellt, ist aus der Ausstellung einer Karte für Geduldete in der Vergangenheit oder aus dem Vorhandensein einer noch gültigen Karte nicht zwingend zu schließen, dass die Voraussetzungen weiterhin vorliegen. Dafür spricht auch der klare Wortlaut des Gesetzes (vgl. § 46a Abs. 5 Z 2 FPG: „die Voraussetzungen der Duldung im Sinne des Abs. 1 nicht oder nicht mehr vorliegen“). Für in der Vergangenheit ausgestellte und bereits abgelaufene Karten folgt das schon aus ihrem begrenzten zeitlichen Geltungsbereich.

Dass dem BF in der Vergangenheit bereits zwei Mal eine Duldungskarte ausgestellt wurde, ist – wie oben ausgeführt – nicht entscheidungsrelevant und führt schon in Anbetracht des Umstandes, dass der BF auch weiterhin den Tatbestand des § 46a Abs. 3 Z 1 und 3 verwirklichte, für den BF nicht zum gewünschten Erfolg. Der ursprüngliche Grund der Duldung – lange Verfahren hinsichtlich der Prüfung bzw. Ausstellung von Heimreisezertifikaten – ist insofern weggefallen, als diese Verfahren rascher abgewickelt werden, was sich auch darin zeigt, dass im September 2019 und November 2020 die Ausstellung eines HRZ für den BF dezidiert abgelehnt wurde.

3.4.3. Soweit in der Stellungnahme vom 02.08.2021 darauf verwiesen wurde, dass der BF hinsichtlich seiner Identität stets gleichlautende und gleichbleibende Angaben gemacht habe, sind dem BF nicht nur seine Angaben in der hg. Verhandlung, sondern auch sein Asylantrag vom 06.02.2003 vorzuhalten, den er unter Angabe einer falschen Identität gestellt und im Rahmen der niederschriftlichen Befragung am 08.09.2003 zurückgezogen hat. Dieses Argument in der Stellungnahme geht daher ins Leere und ist ausdrücklich festzuhalten, dass der BF auch in der Vergangenheit nicht davor zurückschreckte, falsche Angaben zu seiner Identität zu machen.

3.4.4. Dass der BF seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen sei, wie in der Beschwerde unsubstantiiert behauptet wurde, und dass dies von der belangten Behörde auch nicht bestritten worden sei, widerspricht – wie unter Punkt 3.3. ausgeführt - dem gesamten behördlichen Verfahren sowie den Ausführungen im angefochtenen Bescheid.

3.4.5. Wenn auch allein aus der Mitteilung einer Botschaft (bzw. wie im gegenständlichen Fall allein aus der Nichtausstellung eines Heimreisezertifikates) nicht darauf geschlossen werden kann, dass der BF falsche Angaben über seine Identität gemacht hat (vgl. VwGH 30.06.2015, Ra 2014/21/0040), so geht im gegenständlichen Fall die erkennende Richterin – wie zuvor das BFA – in Anbetracht des Aussageverhaltens des BF und seiner mangelnden Mitwirkung im gesamten Verfahren (vgl. die Ausführungen unter Punkt 3.3.) davon aus, dass der Tatbestand des § 46a Abs. 1 Z 3 FPG, nämlich das Vorliegen von Abschiebungshindernissen aus Gründen, die vom Fremden nicht zu vertreten sind, nicht erfüllt ist.

4. Rechtliche Beurteilung:

A)

Zu I. Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete

4.1. Rechtliche Grundlagen

§ 46a idgF (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017, in Kraft seit 01.11.2017) lautet:

„Duldung

§ 46a. (1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist zu dulden, solange

1. deren Abschiebung gemäß §§ 50, 51 oder 52 Abs. 9 Satz 1 unzulässig ist, vorausgesetzt die Abschiebung ist nicht in einen anderen Staat zulässig;

2. deren Abschiebung gemäß §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist;

3. deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint oder

4. die Rückkehrentscheidung im Sinne des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG vorübergehend unzulässig ist;

es sei denn, es besteht nach einer Entscheidung gemäß § 61 weiterhin die Zuständigkeit eines anderen Staates oder dieser erkennt sie weiterhin oder neuerlich an. Die Ausreiseverpflichtung eines Fremden, dessen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Satz 1 geduldet ist, bleibt unberührt.

(2) Die Duldung gemäß Abs. 1 Z 3 kann vom Bundesamt mit Auflagen verbunden werden; sie endet jedenfalls mit Wegfall der Hinderungsgründe. Die festgesetzten Auflagen sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) während des anhängigen Verfahrens mitzuteilen; über sie ist insbesondere hinsichtlich ihrer Fortdauer im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen. § 56 gilt sinngemäß.

(3) Vom Fremden zu vertretende Gründe (Abschiebungshindernisse) liegen jedenfalls vor, wenn er

1. seine Identität verschleiert,

2. einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder

3. an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.

(4) Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 hat das Bundesamt von Amts wegen oder auf Antrag eine Karte für Geduldete auszustellen. Im Antrag ist der Grund der Duldung gemäß Abs. 1 Z 1, 2, 3 oder 4 zu bezeichnen. Die Karte dient dem Nachweis der Identität des Fremden im Verfahren vor dem Bundesamt und hat insbesondere die Bezeichnungen "Republik Österreich" und "Karte für Geduldete", weiters Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Lichtbild und Unterschrift des Geduldeten sowie die Bezeichnung der Behörde, Datum der Ausstellung und Namen des Genehmigenden zu enthalten. Die nähere Gestaltung der Karte legt der Bundesminister für Inneres durch Verordnung fest.

(5) Die Karte für Geduldete gilt ein Jahr beginnend mit dem Ausstellungsdatum und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 über Antrag des Fremden für jeweils ein weiteres Jahr verlängert. Die Karte ist zu entziehen, wenn

1. deren Gültigkeitsdauer abgelaufen ist;

2. die Voraussetzungen der Duldung im Sinne des Abs. 1 nicht oder nicht mehr vorliegen;

3. das Lichtbild auf der Karte den Inhaber nicht mehr zweifelsfrei erkennen lässt oder

4. andere amtliche Eintragungen auf der Karte unlesbar geworden sind.

Der Fremde hat die Karte unverzüglich dem Bundesamt vorzulegen, wenn die Karte entzogen wurde oder Umstände vorliegen, die eine Entziehung rechtfertigen würden. Wurde die Karte entzogen oder ist diese vorzulegen, sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und das Bundesamt ermächtigt, die Karte abzunehmen. Von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes abgenommene Karten sind unverzüglich dem Bundesamt vorzulegen.

(6) Der Aufenthalt des Fremden gilt mit Ausfolgung der Karte als geduldet, es sei denn das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 wurde bereits zu einem früheren Zeitpunkt rechtskräftig festgestellt. Diesfalls gilt der Aufenthalt ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Feststellung als geduldet“.

§ 46 FPG (Abschiebung) lautet auszugsweise:

„(1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

(2) Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat – vorbehaltlich des Abs. 2a – bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.

(2a) Das Bundesamt ist jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.

(2b) Die Verpflichtung gemäß Abs. 2 oder 2a Satz 2 kann dem Fremden mit Bescheid auferlegt werden. Für die Auferlegung der Verpflichtung gemäß Abs. 2a Satz 2 gilt § 19 Abs. 2 bis 4 iVm § 56 AVG sinngemäß mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Ladung die Auferlegung der Verpflichtung tritt; ein solcher Bescheid kann mit einer Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung bei der zuständigen ausländischen Behörde verbunden werden (§ 19 AVG). § 3 Abs. 3 BFA-VG gilt.

…“

4.2. Nach dem Gesetzestext des § 46a FPG ist Voraussetzung für die Ausstellung einer "Karte für Geduldete", dass der Aufenthalt des Fremden im Sinne von Abs. 1 dieser Bestimmung geduldet ist, was dann der Fall ist, wenn einer der dort genannten Tatbestände (alternativ) erfüllt ist. Ist einer dieser Tatbestände erfüllt, ist die Karte, aus der sich die Duldung des Aufenthaltes der dort angeführten Person ergibt, auszustellen. Festzuhalten ist, dass es sich bei der Duldung um einen Auffangtatbestand für jene Personen handelt, bei denen zwar ein Abschiebehindernis vorliegt, dem jedoch aus verschiedenen Gründen nicht durch eine Legalisierung des Aufenthalts im Rahmen anderer Rechtsinstitute Rechnung getragen werden kann. Die Duldung bewirkt keinen rechtmäßigen Aufenthalt, sondern erweist sich der Aufenthalt des Geduldeten weiterin als unrechtmäßig (vgl. etwa Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, K3 und K26 zu § 46a FPG).

4.3. Der Beschwerdeführer stützte seinen (Verlängerungs-)Antrag im gegenständlichen Fall darauf, dass die Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen unmöglich erscheine. Ein unter § 46a Abs. 1 Z 1, Z 2 oder Z 4 FPG zu subsumierender Sachverhalt wurde seitens des Beschwerdeführers weder substantiiert vorgebracht, noch ergibt sich ein solcher aus dem amtswegigen Ermittlungsverfahren.

Zu überprüfen ist daher gegenständlich, ob die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen unmöglich war.

Mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 wurde die Bestimmung des § 46 FPG in Bezug auf die Frage der Mitwirkungspflicht eines Fremden an der Erlangung eines Heimreisezertifikates geändert.

Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat gemäß § 46 Abs. 2 FPG – vorbehaltlich des Abs. 2a – bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.

Das Gesetz setzt es somit als Regelfall voraus, dass der Fremde seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig, also aus eigenem Antrieb und ohne begleitende Zwangsmaßnahme seitens des Bundesamtes bzw. – in dessen Auftrag – den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes nachkommt. Dies folgt aus § 46 Abs. 1 FPG, wonach eine Abschiebung nur unter den darin genannten (alternativen) Voraussetzungen in Betracht kommt, sowie aus den Bestimmungen über die Ausreisefrist (§§ 55, 56) und den Durchsetzungsaufschub (§§ 70 Abs. 3 und 4, 71). Liegen nun im Einzelfall bestimmte faktische Ausreisehindernisse vor, wie sie insbesondere im Fehlen eines für die Ausreise erforderlichen Reisedokumentes bestehen können, so ist es auch Teil einer freiwilligen Erfüllung der Ausreiseverpflichtung, sich aus Eigenem um die Beseitigung dieser Ausreisehindernisse zu kümmern, im Falle eines nicht (mehr) vorhandenen Reisedokumentes also z.B. dessen Neuausstellung bei der zuständigen ausländischen (Vertretungs-) Behörde zu beantragen. Dies ergibt sich aus § 46 Abs. 2 FPG, wonach ein zur Ausreise verpflichteter Fremder grundsätzlich angehalten ist, das im Fehlen eines Reisedokumentes regelmäßig gelegene Ausreisehindernis im Rahmen seiner Möglichkeiten selbst zu beseitigen (vgl. VwGH 30.04.2021, Ra 2020/21/0543).

Die Pflicht des Fremden nach Abs. 2 umfasst unter anderem die Antragstellung auf Ausstellung eines Reisedokumentes bei der dafür zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat) sowie die Erstattung sämtlicher dazu erforderlicher Angaben, insbesondere die wahrheitsgemäße Angabe der Identität und die Bekanntgabe allfälliger sonstiger erkennungsdienstlicher Daten.

Vor diesem Hintergrund erachtet es der Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich für gerechtfertigt, die Voraussetzungen für eine Duldung gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 FPG für nicht gegeben anzusehen, wenn der Fremde der sich aus § 46 Abs. 2 FPG ergebenden Verpflichtung, das Bestehen eines Ausreise- und/oder Abschiebehindernisses in Form des Fehlens von gültigen Reisedokumenten aus Eigenem zu beseitigen, nicht nachgekommen ist (vgl. in diesem Sinn zuletzt VwGH 19.9.2019, Ra 2019/21/0073, Rn. 18). Das gilt jedenfalls dann, wenn dem Fremden die Erfüllung dieser gesetzlichen mit rechtskräftigem Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b FPG aufgetragen worden war, doch besteht diese Ermächtigung grundsätzlich neben der eigenständigen Verpflichtung des Fremden gemäß Abs. 2 (vgl. VwGH 30.04.2021, Ra 2020/21/0543).

4.3.1. Im gegenständlichen Fall wurde dem BF kein bescheidmäßiger Auftrag gem. § 46 Abs. 2 iVm Abs. 2b FPG zur selbständigen Beschaffung eines Reisedokumentes und zur Erbringung eines diesbezüglichen Nachweises erteilt, sondern hat das BFA von der Ermächtigung gem. § 46 Abs. 2a FPG zur Führung eines amtswegigen Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates Gebrauch gemacht.

4.4. Weigert sich der Fremde, ein von der Botschaft seines Heimatlandes für die Einreisebewilligung vorgelegtes Formular auszufüllen und zu unterfertigen, besteht darin eine Verletzung der Mitwirkungspflicht des Fremden (vgl. dazu auch VwGH, 02.05.1995, 95/02/0011.

Im gegenständlichen Fall hat der BF sich nicht nur in der Vergangenheit bereits einmal einer falschen Identität bedient, sondern auch über Jahre die Unterschriftenleistung auf dem betreffenden Formular verweigert, weshalb ihm – aufgrund der langen Verfahrensdauer hinsichtlich der Beschaffung eines Heimreisezertifikates - von der belangten Behörde eine Duldungskarte von 26.01.2017 – 25.01.2018 und in der Folge von 26.01.2018 – 25.01.2019 ausgestellt wurde, und er hat auch im gegenständlichen Verfahren durch widersprüchliche bzw. unvollständige Angaben nicht im erforderlichen Ausmaß am Verfahren mitgewirkt.

Im konkreten Fall hat die belangte Behörde bislang kein Heimreisezertifikat für den BF erwirken können, weshalb im vorliegenden Fall, wie beweiswürdigend ausgeführt (vgl. Punkt 3.3.1.), von einer Verschleierung der Identität des BF auszugehen ist, sodass ein Kausalzusammenhang zwischen der Nichtmitwirkung des BF im Verfahren bzw. der Verschleierung seiner Identität und der bisherigen Unmöglichkeit der Abschiebung zu erblicken ist.

Der BF ist seit rechtskräftigem Abschluss seiner Verfahren auf internationalen Schutz unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet aufhältig.

Wenngleich sich im gegenständlichen Fall der BF nicht mehr aus Eigenem um ein Reisedokument kümmern musste, da das BFA von seiner Ermächtigung gemäß § 46 Abs. 2a FPG Gebrauch gemacht hat, so ist dem BFA dennoch dahingehend zuzustimmen, dass es dem BF durchaus zumutbar gewesen wäre, sich mit seiner Botschaft ins Einvernehmen zu setzen bzw. sich in irgendeiner Form um ein Identitätsdokument zu bemühen, zumal die eigenständige Verpflichtung gemäß Abs. 2 FPG neben der Ermächtigung für das BFA bestehen blieb, jedenfalls aber hätte er in diesem Zusammenhang gleichbleibende wahrheitsgemäße Aussagen tätigen müssen.

Anzulasten ist dem BF weiters, dass sein erstes Asylverfahren bereits am 07.11.2003 rechtskräftig (negativ) abgeschlossen wurde, der zweite Asylantrag von ihm unter falscher Identität gestellt und in der Folge am 08.09.2003 zurückgezogen wurde, das dritte Asylverfahren im Rechtsmittelverfahren am 06.04.2005 rechtskräftig (negative) abgeschlossen wurde und das vierte Verfahren am 29.10.2010; der BF wäre sohin bereits am 07.11.2003, spätestens jedoch seit dem 29.10.2010, dem rechtskräftigen Abschluss des vierten Asylverfahrens, verpflichtet gewesen wäre, sich um seine Ausreise zu bemühen. Der BF hat im Laufe seines unrechtmäßigen Aufenthaltes wiederholt die Unterschrift auf dem erforderlichen Formular zur Beschaffung eines Heimreisezertifikates verweigert und sich auch nicht um die Ausstellung eines Reisedokumentes bemüht, sondern hat dazu unterschiedliche Angaben gemacht bzw. letztendlich eine Kontaktaufnahme mit der pakistanischen Botschaft ausdrücklich verneint. Dem Akteninhalt ist auch nicht zu entnehmen, dass der BF, der seinen eigenen Angaben zufolge über eine Familie in Pakistan verfügt (AS 603), sonstige Anstrengungen, bspw mit seiner Familie Kontakt aufzunehmen, um sich entsprechende Unterlagen schicken zu lassen, unternommen hätte.

Somit muss eine Duldung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen, ausgeschlossen werden und war die Beschwerde spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.

Zu II. Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe

Der Beschwerdeführer beantragte zugleich mit der Beschwerde die Gewährung der Verfahrenshilfe – Befreiung von der Eingabegebühr. Begründend wurde ausgeführt, dass der BF Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung erhalte, aufgrund seiner multiplen Erkrankungen dem erhöhten Betreuungsbedarf-Bereich zugewiesen sei und über kein Vermögen verfüge.

Nun geht das erkennende Gericht davon aus, dass die Gebühr von € 30,- für Eingaben beim Bundesverwaltungsgericht nicht exorbitant hoch angesetzt ist und den Beschwerdeführer nicht an seinem effektiven Zugang zum Rechtsschutz hindert. Wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist, hat der BF bereits in der Vergangenheit bewiesen, dass ihm auch ohne Erwerbstätigkeit in Österreich in seinen diversen Verfahren ein Zugang zum Rechtsschutz möglich war. Eine Beeinträchtigung des notwendigen Unterhaltes wird nicht erkannt und ist die beantragte Verfahrenshilfe daher nicht zu gewähren.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Ausreiseverpflichtung Duldung Eingabengebühr Heimreisezertifikat Identität Mitwirkungspflicht Verfahrenshilfe Verschleierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L506.1252234.3.00

Im RIS seit

03.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

03.02.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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