TE Vfgh Erkenntnis 2021/12/16 G224/2021 ua

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Veröffentlicht am 16.12.2021
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Index

37/02 Kreditwesen

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art23
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
EMRK 1. ZP Art1
StGG Art2
StGG Art5
FinanzmarktaufsichtsbehördenG §3 Abs1
AHG §1
BWG §4, §6, §20, §69, §70, §76
Sanierungs- und AbwicklungsG (BaSAG) §2, §131
Einlagensicherungs- und AnlegerentschädigungsG §7, §12
ABGB §353, §1293, §1295, §1304, §1311
StGB §125
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Keine Verletzung im Gleichheitsrecht und im Recht auf Unversehrtheit des Eigentums sowie kein Verstoß gegen den verfassungsgesetzlichen Grundsatz der Amtshaftung betreffend den Ausschluss der Amtshaftung für – durch die FMA zugefügte – Schäden der An- und Einleger von Kredit- und Finanzinstituten nach dem FinanzmarktaufsichtsbehördenG; Schutzzweck des finanzmarktrechtlichen Aufsichtsrechtes erfasst ausschließlich die der Aufsicht unterworfenen Rechtsträger, die Kredit- und Finanzinstitute und nicht deren Kunden; nationale und unionsrechtliche bank- und auch sonstige finanzmarktaufsichtsrechtliche Regelungen verfolgen das Ziel eines reibungslosen Funktionierens des volkswirtschaftlich wesentlichen Bank- und Finanzsektors sowie den abstrakten oder institutionellen Schutz der Gläubiger in ihrer Gesamtheit, um das Vertrauen in das ordnungsgemäße Funktionieren des Finanzmarktes zu gewährleisten; Schutz einzelner An- und Einleger vor Aufsichtsfehlern im finanzmarktaufsichtsrechtlichen Regelungsregime nicht vorgesehen – Beschränkung der Aktivlegitimation auf Banken; keine Verletzung im Gleichheitsrecht durch den Amtshaftungsausschluss im Hinblick auf die Einlagensicherung von Anlegern; Österreichische Nationalbank im Bereich der Bankenaufsicht ausschließlich als Hilfsorgan der FMA ohne behördliche Kompetenzen tätig

Spruch

Die Anträge werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anträge

1. Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten und beim Verfassungsgerichtshof zu G224/2021 protokollierten Antrag begehrt die Antragstellerin,

"der Verfassungsgerichtshof möge

1. §3 Abs1 Satz 2 FMABG als verfassungswidrig aufheben, sodass §3 Abs1 FMABG lautet wie folgt: 'Für die von Organen und Bediensteten der FMA in Vollziehung der in §2 genannten Bundesgesetze zugefügten Schäden, einschließlich Schäden gemäß §29 Abs1 DSG 2018, haftet der Bund nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes – AHG, BGBl Nr 20/1949. Die FMA sowie deren Bedienstete und Organe haften dem Geschädigten nicht.';

2. in eventu das Wort 'Rechtsträgern' und den Halbsatz 'die der Aufsicht nach diesem Bundesgesetz unterliegen' des §3 Abs1 Satz 2 FMABG als verfassungswidrig aufheben, sodass §3 Abs1 FMABG lautet wie folgt: 'Für die von Organen und Bediensteten der FMA in Vollziehung der in §2 genannten Bundesgesetze zugefügten Schäden, einschließlich Schäden gemäß §29 Abs1 DSG 2018, haftet der Bund nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes – AHG, BGBl Nr 20/1949. Schäden im Sinne dieser Bestimmung sind solche, die unmittelbar zugefügt wurden. Die FMA sowie deren Bedienstete und Organe haften dem Geschädigten nicht.';

3. in eventu das Wort 'Rechtsträgern' und den Halbsatz 'die der Aufsicht nach diesem Bundesgesetz unterliegen' sowie den Begriff 'unmittelbar' des §3 Abs1 Satz 2 FMABG als verfassungswidrig aufheben, sodass §3 Abs1 FMABG lautet wie folgt: 'Für die von Organen und Bediensteten der FMA in Vollziehung der in §2 genannten Bundesgesetze zugefügten Schäden, einschließlich Schäden gemäß §29 Abs1 DSG 2018, haftet der Bund nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes – AHG, BGBl Nr 20/1949. Schäden im Sinne dieser Bestimmung sind solche, die zugefügt wurden. Die FMA sowie deren Bedienstete und Organe haften dem Geschädigten nicht.'".

2. Mit weiteren, auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten und beim Verfassungsgerichtshof zu G235/2021, G246/2021 und G248/2021 protokollierten Anträgen begehren die antragstellenden Parteien jeweils in ihrem Hauptantrag, der Verfassungsgerichtshof möge

"§3 Abs1 Satz 2 FMABG idF BGBl I 2008/136 als verfassungswidrig zur Gänze aufheben".

3. Mit weiteren, auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten und beim Verfassungsgerichtshof zu G257/2021, G292/2021, G293/2021 und G300/2021 protokollierten Anträgen begehren die antragstellenden Parteien, der Verfassungsgerichtshof möge

"§3 Abs1 Satz 2 FMABG idF BGBl I 2008/136 als verfassungswidrig aufheben".

4. Mit weiteren, auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten und beim Verfassungsgerichtshof zu G267/2021, G268/2021, G270/2021 und G299/2021 protokollierten Anträgen begehren die antragstellenden Parteien jeweils in ihrem Hauptantrag, der Verfassungsgerichtshof möge

"§3 Abs1 Satz 2 des Bundesgesetzes über die Errichtung und Organisation der Finanzmarktaufsichtsbehörde (Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz – FMABG), BGBl I Nr 97/2001, idF BGBl I Nr 37/2018 als verfassungswidrig aufheben, sodass §3 Abs1 FMABG lautet wie folgt: 'Für die von Organen und Bediensteten der FMA in Vollziehung der in §2 genannten Bundesgesetze zugefügten Schäden, einschließlich Schäden gemäß §29 Abs1 DSG 2018, haftet der Bund nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes – AHG, BGBl Nr 20/1949. Die FMA sowie deren Bedienstete und Organe haften dem Geschädigten nicht.'".

5. Mit einem weiteren, auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten und beim Verfassungsgerichtshof zu G286/2021 protokollierten Antrag begehrt die antragstellende Partei in ihrem Hauptantrag, der Verfassungsgerichtshof möge (ohne die Hervorhebung im Original)

"aussprechen, dass §3 Abs1 Satz 2 FMABG, StF BGBl I 2001/97 idF BGBl I 2008/136, verfassungswidrig ist und §3 Abs1 Satz 2 FMABG, StF BGBL I 2001/97 idF BGBl I 2008/136, zur Gänze als verfassungswidrig aufheben und weiters aussprechen, dass frühere Gesetzesfassungen nicht wieder in Kraft treten".

6. Mit weiteren, auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten und beim Verfassungsgerichtshof zu G263/2021, G266/2021, G269/2021, G297/2021, G353/2021 und G356/2021 protokollierten Anträgen begehren die antragstellenden Parteien jeweils in ihrem Hauptantrag, der Verfassungsgerichtshof möge

"Satz 2 in §3 Abs1 des FMABG idF BGBl I 37/2018 als verfassungswidrig aufheben".

7. Mit einem weiteren, auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten und beim Verfassungsgerichtshof zu G291/2021 protokollierten Antrag begehrt die antragstellende Partei in ihrem Hauptantrag, der Verfassungsgerichtshof möge

"aussprechen, dass §3 Abs1 Satz 2 FMABG idF BGBl I 2008/136 verfassungswidrig ist und §3 Abs1 Satz 2 FMABG idF BGBl I 2008/136 zur Gänze als verfassungswidrig aufheben".

II. Rechtslage

§3 des Bundesgesetzes über die Errichtung und Organisation der Finanzmarktaufsichtsbehörde (Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz – FMABG), BGBl I 97/2001, idF BGBl I 37/2018 lautet (der angefochtene Satz ist hervorgehoben):

"Haftung für die Tätigkeit der FMA

§3. (1) Für die von Organen und Bediensteten der FMA in Vollziehung der in §2 genannten Bundesgesetze zugefügten Schäden, einschließlich Schäden gemäß §29 Abs1 DSG 2018, haftet der Bund nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes – AHG, BGBl Nr 20/1949. Schäden im Sinne dieser Bestimmung sind solche, die Rechtsträgern unmittelbar zugefügt wurden, die der Aufsicht nach diesem Bundesgesetz unterliegen. Die FMA sowie deren Bedienstete und Organe haften dem Geschädigten nicht.

(2) Die FMA hat bei ihrer Tätigkeit nach pflichtgemäßem Ermessen alle nach den Umständen des Einzelfalls erforderlichen, zweckmäßigen und angemessenen Aufsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Sie hat dabei auf die Wahrung der Finanzmarktstabilität zu achten. Sie kann bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben die Prüfungsberichte der Abschlussprüfer und Organe der ihrer Aufsicht unterliegenden Unternehmen sowie die Prüfungsberichte der Oesterreichischen Nationalbank im Rahmen ihrer gesetzlichen Prüfungsbefugnisse nach dem BWG zu Grunde legen, es sei denn, dass sie begründete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Prüfungsberichte oder an der Fachkunde oder Sorgfalt der Prüfer hat oder solche Zweifel bei entsprechender Sorgfalt hätte haben müssen. Gleiches gilt für die Prüfungsberichte der von der FMA selbst beauftragten Prüfer hinsichtlich der Prüfungshandlungen gemäß den in §2 genannten Bundesgesetzen.

(3) Hat der Bund einem Geschädigten den Schaden gemäß Abs1 ersetzt, so kann er von den Organen oder Bediensteten der FMA Rückersatz nach den Bestimmungen des AHG begehren.

(4) Die FMA hat den Bund im Amtshaftungs- und Rückersatzverfahren nach den Abs1 und 2 in jeder zweckdienlichen Weise zu unterstützen. Sie hat insbesondere alle Informationen und Unterlagen, die das Amtshaftungs- oder Rückersatzverfahren betreffen, zur Verfügung zu stellen sowie dafür zu sorgen, dass der Bund das Wissen und die Kenntnisse der Organe und Bediensteten der FMA über die verfahrensgegenständlichen Aufsichtmaßnahmen in Anspruch nehmen kann.

(5) Die von den der Aufsicht unterliegenden Unternehmen bestellten Abschlussprüfer sind nicht Organe im Sinne des §1 Abs1 AHG, es sei denn, dass sie im gesonderten Auftrag der FMA für diese Prüfungen nach den in §2 genannten Bundesgesetzen durchführen. Gleiches gilt für die Prüfungsorgane gesetzlich zuständiger Prüfungseinrichtungen.

(6) Ein auf bundesgesetzlicher Regelung beruhender Ersatzanspruch aus Handlungen der FMA, ihrer Bediensteten oder ihrer Organe, die im Rahmen der Verordnung (EU) Nr 1024/2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank, ABl. Nr L 287 vom 29.10.2013 S. 63, tätig werden, ist in folgenden Fällen ausgeschlossen:

1. Handlungen in Vollziehung einer Weisung oder Erfüllung eines Auftrages der Europäischen Zentralbank;

2. Handlungen in Vorbereitung oder Durchführung von Entscheidungen der Europäischen Zentralbank;

3. Zusammenarbeit, Informationsaustausch oder sonstige Unterstützung der Europäischen Zentralbank.

(7) Ein auf bundesgesetzlicher Vorschrift beruhender Ersatzanspruch aus Handlungen der FMA, ihrer Organe oder ihrer Bediensteten sowie Handlungen der Abwicklungsbehörde oder ihrer Bediensteten, die im Rahmen der Verordnung (EU) Nr 806/2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr 1093/2010, ABl. Nr L 225 vom 30.07.2014, S. 1, tätig werden, ist in folgenden Fällen ausgeschlossen:

1. Handlungen aufgrund einer Weisung des Ausschusses gemäß §2 Z18a BaSAG;

2. Handlungen in Vorbereitung oder Durchführung von Beschlüssen des Ausschusses gemäß §2 Z18a BaSAG;

3. Handlungen im Bereich Zusammenarbeit, Informationsaustausch oder sonstige Unterstützung des Ausschusses gemäß §2 Z18a BaSAG."

III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem zu G224/2021 protokollierten Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Die Antragstellerin hat im April 2020 ein Konto bei der Commerzialbank Mattersburg Burgenland AG eröffnet und darauf Ersparnisse eingezahlt.

1.2. Mit Mandatsbescheid vom 14. Juli 2020 untersagte die Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) der Commerzialbank Mattersburg Burgenland AG gemäß §70 Abs2 Z4 BWG mit sofortiger Wirkung, weiterhin Bankgeschäfte zu tätigen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Antragstellerin Einlagen in Höhe von € 246.518,18 auf dem Konto der Commerzialbank Mattersburg Burgenland AG.

1.3. In der Folge wurden strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes der Bilanzfälschung und der Untreue gegen Verantwortliche der Commerzialbank Mattersburg Burgenland AG eingeleitet und mit Wirksamkeit vom 29. Juli 2020 das Konkursverfahren über das Vermögen der Commerzialbank Mattersburg Burgenland AG eröffnet.

1.4. Die Antragstellerin erhielt von der *************************** einen Betrag in Höhe von € 159.030,30. Den verbleibenden Betrag in Höhe von € 87.487,88 hat die Antragstellerin bis dato nicht erhalten; ein Erhalt des offenen Einlagenbetrags ist – nach Meinung der Antragstellerin – im Hinblick auf die Höhe der Forderungen der ************************** als bevorrechtete Gläubigerin gemäß §131 Abs2 Z2 BASAG im Hinblick auf die Insolvenzmasse der Commerzialbank Mattersburg Burgenland AG nicht zu erwarten.

1.5. Die Antragstellerin erhob in der Folge Klage gegen den Bund, gestützt auf einen Amtshaftungsanspruch wegen mangelnder Aufsichtstätigkeit der FMA und der der FMA zurechenbaren Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). Die FMA habe Schutzgesetze iSd §1311 ABGB rechtswidrig und schuldhaft verletzt, weil sie im Zuge einer Vor-Ort-Prüfung im Jahr 2015 Mängel in der Commerzialbank Mattersburg Burgenland AG trotz Vorliegens konkreter Anhaltspunkte einer Whistleblower-Anzeige bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) nicht aufgedeckt, die Zuverlässigkeit und fachliche Geeignetheit des Aufsichtsrates der Bank nicht hinreichend überprüft und dadurch §28a Abs5 BWG in unvertretbarer Weise verletzt habe.

1.6. Mit Urteil vom 7. Juni 2021 wies das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien die Klage der Antragstellerin ab. Das Gericht begründete dies im Wesentlichen damit, dass mit Einführung des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG idF BGBl I 136/2008 die Amtshaftung für rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten der FMA auf Schäden, die den geprüften Rechtsträgern unmittelbar zugefügt wurden, beschränkt worden sei. Es handle sich dabei um eine zulässige Klarstellung und Definition des Schutzzweckes der Ausübung der Bankenaufsicht. Der Antragstellerin sei daher als Bankkundin die Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen auf Grund von Handlungen oder Unterlassungen der FMA und der OeNB im Rahmen der Ausübung der Bankenaufsicht über die Commerzialbank Mattersburg Burgenland AG verwehrt.

2. Gegen dieses Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien erhob die Antragstellerin Berufung und stellte den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten, zu G224/2021 protokollierten Antrag.

Die Antragstellerin legt die Bedenken, die sie zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof veranlasst haben, wie folgt dar (ohne die Hervorhebungen im Original):

"IV. Zur Verfassungswidrigkeit des §3 Abs1 Satz 2 FMABG im Einzelnen

[…]

2. Verstoß gegen Art23 Abs1 und 4 B-VG

a) Art23 Abs1 B-VG sieht vor, dass öffentliche Rechtsträger, wie der Bund, für den Schaden haften, den die als ihre 'Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaftzugefügt haben.' Art23 Abs1 B-VG normiert damit den Grundsatz der Amtshaftung und in Durchführung dieser verfassungsrechtlichen Bestimmung ist das Amtshaftungsgesetz (AHG) ergangen. […]

b) Nach §1 Abs2 AHG sind Organe alle physischen Personen, die für die genannten Rechtsträger in Vollziehung der Gesetze handeln, unabhängig davon, ob sie dauernd oder nur vorübergehend bestellt sind und unabhängig weiters von der Art der Bestellung. Das AHG verwendet einen funktionellen Organbegriff, weshalb die formelle Organstellung der schädigenden Person nicht erforderlich ist. Es ist daher ausreichend, dass die ermächtigte Person 'bestellt' ist und organisationsrechtlich eine Organstellung besitzt. […]

c) Das Verhalten der FMA als im Anlassfall zuständige Bankenaufsichtsbehörde (§69 BWG) ist funktionell dem Bund zuzurechnen (§2 Abs1 iVm §3 Abs1 FMABG). Die Behörde nimmt, wenn sie die Bankenaufsicht durchführt, ua die im BWG grundgelegten Aufgaben und Kompetenzen wahr. […] Die FMA handelt daher in Vollziehung der Gesetze für den Bund. ln §3 Abs1 Satz 1 FMABG ist die Haftung des Bundes nach den Bestimmungen des AHG, für die von Organen und Bediensteten der FMA in Vollziehung der Gesetze zugefügten Schäden, normiert. Die Bankenaufsicht ist ein Bereich der Hoheitsverwaltung, weshalb für Schäden, welche die FMA verursacht, grundsätzlich die Amtshaftung des Bundes zu bejahen ist.

d) Mit der Novelle BGBl I Nr 136/2008 wurde in §3 Abs1 FMABG ein Satz 2 eingefügt der lautet: 'Schäden im Sinne dieser Bestimmung sind solche[,] die Rechtsträgern unmittelbar zugefügt wurden, die der Aufsicht nach diesem Bundesgesetz unterliegen.' Zur Begründung dieser Gesetzesänderung führt der Gesetzgeber in den Erläuterungen aus, dass damit die Haftung für Schäden, die sich lediglich als Reflexwirkung des Aufsichtsverhaltens im Vermögen Dritter auswirken, ausgeschlossen werden soll. […]

e) §3 Abs1 Satz 2 FMABG schließt die Amtshaftung des Bundes für Schäden von unbeaufsichtigten Dritten – wie zB Einlegern eines konzessionierten Kreditinstitutes – aus. Damit schränkt §3 Abs1 Satz 2 FMABG Art23 B-VG – also eine einfachgesetzliche Vorschrift eine Verfassungsbestimmung – ein. Art23 Abs1 B-VG sieht eine solche Einschränkung der Haftung auf bestimmte geschädigte Personen aber nicht vor, sondern stellt auf Schäden ab, die 'wem immer' zugefügt werden. […] Art23 Abs4 B-VG ermächtigt den einfachen Gesetzgeber zwar, die näheren Bestimmungen zur Amtshaftung durch einfaches Bundesgesetz zu treffen. Die Bestimmung ermächtigt den Gesetzgeber aber eben nicht, dadurch den Kreis der ersatzfähigen Schäden so zu verengen und zu modifizieren, dass die in Art23 Abs1 verfassungsgesetzlich vorgesehene Haftung des Bundes gegenüber 'wem immer' ausgeschlossen wird. […] Eine schrankenlose Einschränkung einer verfassungsgesetzlichen Norm durch eine einfachgesetzliche Bestimmung ist verfassungsrechtlich nicht zulässig. […] Vielmehr muss der einfache Bundesgesetzgeber die ihm durch die Bundesverfassung auferlegten verfassungsrechtlichen Beschränkungen beachten. Das Einräumen eines Ausgestaltungsspielraums ist daher nicht als Ermächtigung zu verstehen, durch welche der einfache Bundesgesetzgeber für einen Teil der Hoheitsverwaltung die Staatshaftung generell oder die Haftung für alle Schäden ausschließen kann, deren Interessen unzweifelhaft im Schutzbereich der verletzten Norm (hier ua jene des BWG) liegen. Da der einfache Gesetzgeber aber diese ihm auferlegten Grenzen bei §3 Abs1 Satz 2 FMABG nicht berücksichtigt hat, ist die Bestimmung kompetenz- und verfassungswidrig.

f) Art23 Abs1 B-VG ist dabei Ausfluss des rechtstaatlichen Prinzips, nach dem die gesamte Vollziehung an das Gesetz gebunden ist und eine Reihe von Einrichtungen das Einhalten der Gesetze sicherstellen soll. Ein durch einen Staatsakt unmittelbar Betroffener kann daher Rechtsmittel erheben, mit welchen er das Prüfen und allfällige Beseitigen eines rechtswidrigen Staatsakts verlangen kann. Dadurch werden die Folgen einer Rechtsverletzung nicht immer gutgemacht, weshalb Art23 Abs1 B-VG ergänzend eine Schadenersatzpflicht für rechtswidriges Verhalten vorsieht.

g) Die zivilrechtliche Haftung der Rechtsträger für rechtswidrige Schädigungen ist daher ein essenzielles Element des Rechtsstaates, gerade, weil es sich dabei um eine effektive Möglichkeit handelt, das staatliche hoheitliche Handeln zu kontrollieren. […] Wohl auch deshalb hielten Kelsen/Fröhlich/Merkl zur Stammfassung des Art23 Abs1 B-VG 1920 fest, dass 'hinsichtlich des Kreises der geschädigten und daher schadenersatzberechtigten Personen keine Einschränkung gemacht werden' darf. Diese Auffassung kann auf Art23 Abs1 und 4 B-VG idgF übertragen werden, weil die Grundsystematik der Stammfassung des Art23 B-VG und der nunmehr geltenden Fassung übereinstimmen. […]

h) Der VfGH hat dabei in der Vergangenheit schon festgehalten, dass 'eine gesetzliche Regelung, welche eine Amtshaftung eines Rechtsträgers für die in seinem Vollzugsbereich von welchem Organ auch immer gesetzten rechtswidrig schuldhaften Verhaltensweisen ausschließt,' verfassungswidrig ist, weil sie dem Art23 B-VG widerspricht. […] Demnach ist es nicht zulässig, die Amtshaftung eines Rechtsträgers für rechtswidriges und schuldhaftes Handeln seiner Organe gegenüber wem immer auszuschließen. Dies würde auch dem rechtsstaatliehen Prinzip der Bundesverfassung widersprechen, weil damit die Möglichkeit, das staatliche hoheitliche Handeln zu kontrollieren, wesentlich geschwächt wird.

i) ln Folge könnte diese verfassungswidrige Rechtslage dazu führen, dass die Folgen einer Rechtsverletzung für einen Geschädigten nicht mehr gutgemacht werden können. Ein geschädigter Einleger könnte nämlich bei einer Verletzung der Aufsichtspflicht der FMA weder Schadenersatzansprüche gegen den Bund noch gegen sonst jemanden geltend machen. Ein anderes Rechtsschutzinstrumentarium gegen rechtswidrige Aufsichtsakte (oder Unterlassungen) der Bankenaufsicht sehen weder das FMABG noch das BWG vor. Im Insolvenzfall des beaufsichtigten Rechtsträgers – wie im vorliegenden Fall – könnte der geschädigte Einleger daher leer ausgehen und sein Erspartes verlieren bzw nur die begrenzte Geldsumme aus der Einlagensicherung zurückbekommen. […] Da Art23 Abs1 B-VG eine Schadenersatzpflicht des Bundes für rechtswidriges Verhalten vorsieht, ist ein Haftungsausschluss für Geschädigte, deren Interessen durch das BWG und das einschlägige Unionsrecht geschützt sind, die folglich keinen Schaden geltend machen können und ihr Erspartes verlieren, nicht im Sinne des Art23 Abs1 und 4 B-VG.

j) Genau diese Nachteile für den Einleger wollte der Gesetzgeber von 2005 bei der Änderung des FMABG verhindern und führte in den Erläuterungen zu §3 Abs1 aus, dass eine Haftung des Bundes (und nicht der FMA selbst) im Interesse des Geschädigten sei, 'der sich beim Bund und nicht bei der nur mit begrenzten Mitteln ausgestatteten Aufsichtsbehörde schadlos halten' will. Eine 'Übertragung des Amtshaftungsrisikos auf die FMA als Rechtsträger wäre für Unternehmen und Konsumenten nachteilig und mit verfassungsrechtlichen Unsicherheiten behaftet.' […]

k) Daraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber selbst bereits das Schlechterstellen der Geschädigten durch die bloße Verlagerung der Haftung vom Bund auf die FMA als verfassungswidrig ansieht. Wenn schon eine pure Verlagerung der Haftung verfassungswidrig ist, dann muss der gänzliche Ausschluss der Haftung für unbeaufsichtigte Dritte (Bankeinleger) umso mehr verfassungswidrig sein. […]

I) Eine Ermächtigung des Bundesgesetzgebers zur Einschränkung der aus Art23 Abs1 B-VG Berechtigten ist nicht vorgesehen (jedenfalls nicht in Art23 Abs4 B-VG). Auch §1 Abs1 AHG enthält keine solche Beschränkung des Kreises der anspruchsberechtigten Geschädigten. Der einfache Gesetzgeber hätte daher nur die Möglichkeit, die Haftung gemäß Art23 Abs4 B-VG näher aus[zu]gestalten und wie in §1 Abs1 AHG beispielsweise den Ersatzanspruch auf Geldzahlungen beschränken, sie aber nicht gänzlich auszuschließen. ln §3 Abs1 Satz 2 FMABG wird aber nicht der Schaden(sbegriff) oder der Schutzzweck der Bankenaufsicht konkretisiert, sondern die Haftung für viele Geschädigte, insb Bankeinleger, vollkommen und pauschal ausgeschlossen. Zu betonen ist, dass gerade diese Kategorie an geschädigten Einlegern die überwiegende Mehrzahl beim Ausfall eines Kreditinstituts darstellt, und deren Schutz durch das Bankwesengesetz somit keineswegs ein minderes Interesse reflektiert. Art23 Abs4 B-VG ermächtigt den Gesetzgeber eben nicht, die Haftung für Geschädigte auszuschließen, deren Interessen unzweifelhaft im Schutzbereich der verletzten Norm (und des im Anlassfall maßgebenden Unionsrechts) liegen. […]

m) Ein so weitereichender Ausschluss kann auch nicht durch eine lnteressens- bzw Verhältnismäßigkeitsabwägung gerechtfertigt werden: Der Bund hat schließlich wesentlich einfachere Möglichkeiten, Schäden, wie sie im vorliegenden Fall entstanden sind, zu verhindern, etwa, indem er zusätzliche fachliche und personelle Ressourcen bereitstellt. Derartige Maßnahmen sind wesentlich weniger einschneidend für einzelne Einleger, als – wie im vorliegenden Fall – Einlagen zu verlieren, die. durch die gesetzliche Einlagensicherung nicht geschützt sind. Weiters sehen bereits die allgemeinen, einfachgesetzlichen Normen des Amtshaftungsrechts bestimmte Beschränkungen vor, um eine uferlose Haftung des Bundes zu verhindern (etwa durch Verjährungsfristen, klare Kausalitätsnachweiserfordernisse und Beweislastverteilungen etc).

n) Weiters liegt es nicht im öffentlichen Interesse, dass der Bund sich durch eine einfachgesetzliche Haftungsfreistellung von der Haftung befreien kann. Jedenfalls können budgetäre Erwägungen, die 2008 Grund für die Einfügung des §3 Abs1 Satz 2 FMABG waren, den Pauschalausschluss des En[t]schädigungsanspruches der geschädigten Bankeinleger nicht rechtfertigen. Vielmehr besteht das öffentliche Interesse darin, dass der Bund durch vorausschauende Planung und Aufsicht mit hinreichenden Personalressourcen schädigendes Handeln der ihm zurechenbaren Aufsichtsorgane unterbindet. Im Anlassfall sprechen lediglich budgetäre bzw fiskalpolitische Erwägungsgründe gegen eine Übernahme der Haftung durch den Bund; solche Gründe liegen aber nicht hinreichend im öffentlichen Interesse.

o) Dabei ist es nicht von Bedeutung, wie das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien anführt, ob eine 'bloße' Beschränkung der Haftung vorliegt, weil eine Beschränkung der Haftung auf manche Rechtsträger gleichzeitig einen Ausschluss der Haftung für alle anderen Geschädigten – die durch das BWG und das maßgebende Unionsrecht geschützt werden – bedeutet. Art23 Abs1 B-VG statuiert aber eine Amtshaftung der öffentlichen Rechtsträger für Schäden, welche ihre als Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zufügen. Art23 Abs1 B-VG bezieht sich demnach auf jeden Geschädigten, der vom Schutzzweck der einschlägigen Normen umfasst ist und normiert für diesen eine Haftung des Schaden zufügenden Rechtsträgers. Ein Ausschluss von einfachen Gläubigern verstößt gegen Art23 Abs1 und 4 B-VG.

p) Der Ansicht, dass dieser Haftungsausschluss durch den einfachen Gesetzgeber zulässig sei, weil es sich um einen Ausschluss des Schutzzwecks der Bankenaufsicht für die Interessen der Gläubiger handelt, ist nicht zu folgen. Der Schutzzweck ist –wie ich noch unter Punkt 3 zum Gleichheitssatz im Detail ausführen werde – durch Rechtsprechung mehrerer Höchstgerichte, durch gesetzliche Grundlagen im BWG und des unmittelbar anwendbaren Unionsrechts, durch den Gesetzgeber selbst und auch durch die Auffassung der FMA klargestellt. Die Konsequenz dessen, nämlich, dass geschützte Einleger Schadenersatzansprüche geltend machen können, kann nicht durch das Einfügen eines zweiten Satzes in §3 Abs1 FMABG vollständig abgeändert und gänzlich ausgeschlossen werden. Auch deutet in der Genese der genannten Novellierung nichts darauf hin, dass der Gesetzgeber den 'Schutzzweck' der Bankenaufsicht abändern bzw einschränken wollte. Insgesamt verstößt §3 Abs1 Satz 2 FMABG gegen Art23 Abs1 und Abs4 B-VG und ist daher kompetenz- bzw verfassungswidrig und vom VfGH aufzuheben.

q) Eine verfassungskonforme Auslegung des §3 Abs1 Satz 2 FMABG, nämlich dahingehend, dass der Bundesgesetzgeber nur klargestellt hat, dass das Gesetz bloße Reflexschäden ausklammert, aber – im Sinne eines 'auch' – Schäden von Bankeinlegern nicht explizit ausschließt und das Gesetz lediglich Schäden von beaufsichtigten Instituten positiv hervorhebt, scheidet im Anlassfall aus. Dagegen sprechen zunächst systematische Erwägungen – §3 Abs1 Satz 2 FMABG wurde im Gefolge der 'Hypo Alpe-Adria-Krise', wohl aus fiskalischen Erwägungen, gerade deshalb eingefügt, um den Kreis der potentiellen Anspruchsberechtigten zu beschränken. […] Außerdem wäre es in historischer Sicht wenig zielführend, dem Gesetzgeber zu unterstellen, er wollte lediglich die bestehende Rechtsage klarstellen. ln den Erläuterungen zur Novelle BGBl I 2008/136 verweisen die Verfasser der RV ausdrücklich auf die deutsche Rechtslage in §4 Abs4 dt FinDAG. Dieser Hinweis spricht explizit gegen eine bloße Klarstellung.

3. Verstoß gegen den Gleichheitssatz

a) Der in Art7 Abs1 B-VG normierte Gleichheitssatz verbietet es dem Gesetzgeber, andere als sachlich begründbare Differenzierungen zwischen den Normadressaten zu schaffen – er muss im Wesentlichen Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandeln. Eine Differenzierung ist daher nur dann zulässig, wenn sie sachlich gerechtfertigt ist. Dies ist nach der Rechtsprechung dann der Fall, wenn die Differenzierung nach objektiven Unterscheidungsmerkmalen erfolgt. […]

b) ln Bezug auf die Haftung des Bundes (der Republik) für das Handeln der FMA kommt es durch die Bestimmung in §3 Abs1 Satz 2 FMABG zu einer unterschiedlichen Behandlung von beaufsichtigten Rechtsträgern und sonstigen potenziell Geschädigten. Für beaufsichtige Rechtsträger bestehen Amtshaftungsansprüche gegen den Bund für Schäden, die von Organen und Bediensteten der FMA in Vollziehung der Gesetze zugefügt werden. Alle anderen durch das Handeln oder Unterlassen der Organe und Bediensteten der FMA in Vollziehung der Gesetze Geschädigten können hingegen keine Amtshaftungsansprüche gegen den Bund geltend machen, obwohl auch sie durch das maßgebende Aufsichtsrecht geschützt werden.

c) Eine sachliche Rechtfertigung für das unterschiedliche Behandeln dieser beiden Personengruppen ist aber nicht ersichtlich. Schließlich erstreckt sich doch der Schutzzweck der Bankenaufsicht unterschiedslos nicht nur auf beaufsichtig[t]e Unternehmen (etwa bei rechtswidriger Verweigerung einer Konzession oder dem rechtswidrigen Verhängen einer Maßnahme nach §70 Abs2 BWG), sondern auch auf die Interessen der Bankeinleger. Sowohl beaufsichtigte Rechtsträger als auch Bankeinleger als Bankgläubiger können durch die mangelnde Bankenaufsicht geschädigt werden.

d) Aus den Aufsichtsbestimmungen des BWG (zB §§4 ff; 6 Abs2 Z2; 20 ff; 70 Abs2; §76 Abs8) […] folgt, dass nicht nur bestimmte Finanzmarktteilnehmer durch die Bankenaufsicht geschützt werden sollen, sondern diese Bestimmungen vielmehr unterschiedslos den einzelnen Sparer und Einleger, unabhängig von ihrer Finanzkraft, schützen. […] Der Gesetzgeber hat den Zweck, den er mit der Bankenaufsicht im Allgemeinen verfolgt hat, in den Erläuterungen zur Stammfassung des BWG zum Ausdruck gebracht: Demnach ist der individuelle Gläubigerschutz als Maßstab bei der Ausübung der Bankenaufsicht zu wahren. […]

e) Da der Schutz der Gläubiger also nach dem Willen des EU- und des nationalen Gesetzgebers Leitmotiv der Bankenaufsicht sein soll, […] wollte der Gesetzgeber mit den Vorschriften zur Bankenaufsicht auch den Schutz einzelner Gläubiger von Kreditinstituten – wie zB Sparern oder Einlegern – bezwecken. Einige Bestimmungen des BWG, insbesondere §70 Abs2, §76 Abs8 und §6 Abs2 Z2 verweisen unmittelbar auf den Gläubigerschutz. Der Zweck des Gläubigerschutzes ergibt sich unter anderem auch unmittelbar aus §69 Abs1 BWG, laut dem das volkswirtschaftliche Interesse an einem funktionsfähigen Bankwesen und an der Finanzmarktstabilität (wozu notwendigerweise auch der Schutz der Einleger zählt, dazu sogleich) als zentraler Aufsichtszweck genannt wird. Es gehen aus dem Wortlaut des §69 Abs1 BWG neben dem Einlegerschutz noch andere Leitmotive der Bankenaufsicht hervor. Der individuelle Gläubigerschutz ist somit eine von mehreren Zielrichtungen der Bankenaufsicht. Dies schadet nicht, weil es für die Qualifikation als Schutzgesetz iSd §1311 ABGB ausreicht, wenn ein Gesetz 'auch nur nebenher' einen bestimmten Schutzzweck verfolgt.

f) Auch in der Judikatur ist unbestritten, dass der individuelle Gläubigerschutz ein Bankenaufsichtsziel ist. […] So dient nach ständiger Rechtsprechung des OGH die Aufsicht des Bundes über die Kreditinstitute auch dem Schutz des Gläubigers, womit die Vorschriften der Bankenaufsicht Schutzgesetze zumindest zu Gunsten von Einlegern und Sparern sind. […] Der OGH sprach in einer Entscheidung aus, dass 'das Instrument der Bankenaufsicht auch dem Schutz von Anlegern (Sparern) vor Verlusten' diene. Insbesondere soll es dazu dienen, einer Insolvenz von Banken vorzubeugen, indem Missstände rechtzeitig erkannt und abgestellt sowie drohende Gefahren abgewendet werden. […] Daher können geschädigte Gläubiger einer Bank grundsätzlich Amtshaftungsansprüche gegenüber dem Bund geltend machen.

g) Auch der VwGH und das BVwG führen in mehreren Entscheidungen aus, dass das Vertrauen in die Funktion des Kapitalmarktes im Rahmen des Gläubigerschutzes ein wesentlicher Zweck des Bankwesens ist. […] So führt das BVwG beispielsweise aus, dass 'dem Funktionieren des Bankwesens allgemein und dem Vertrauen (der Öffentlichkeit) in den Kapitalmarkt vom Österreichischen Bundesgesetzgeber wie auch jenem der EU sowie seitens der Höchstgerichte ein besonderes öffentliches Interesse bescheinigt' wird und bereits 'mögliche Nachteile für Kunden, Verlust des Vertrauens in das Bankwesen und Beeinträchtigung des Gläubigerschutzes' als Gefährdung dieser zwingenden öffentlichen Interessen zu werten sind. […]

h) Selbst die FMA gibt auf ihrer Homepage an, dass es 'der wichtigste Beitrag der FMA zum Verbraucher-, Anleger- und Gläubigerschutz ist, über die Eigenmittelausstattung und Einhaltung der gesetzlichen Verhaltensregeln bei Banken, Versicherungen, Pensionskassen und Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu wachen'. […]

i) Die Beklagte hat im vorbereitenden Schriftsatz ein Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 25.2.2021, E-5/20 erwähnt und ausgeführt, durch den Verweis darin auf das Urteil des EuGH vom 12.10.2004, Rs C-222/02 sei bestätigt, dass der Zweck der Aufsicht die Wahrung der Stabilität des Finanzmarktes ist und diese somit nicht dem Schutz einzelner Gläubiger dient. Das besagte Urteil betrifft die Aufsichtspflichten im Versicherungs- und Rückversicherungsgewerbe und hat demnach keine Berührungspunkte mit der Bankenaufsicht, weshalb dieses nicht für Ausführungen zum Gläubigerschutz in Bezug auf die Bankenaufsicht herangezogen werden kann. […] Weiters befasst sich das Urteil mit einem Haftungsausschluss nach dem Unionsrecht und bejaht die Zulässigkeit eines solchen nach maßgebendem Sekundärrecht. Das deshalb, weil im konkreten Fall das Ziel der Beaufsichtigung nicht der Schutz einzelner Wirtschaftsteilnehmer, sondern der Schutz des öffentlichen Interesses im Allgemeinen ist. Dies ist allerdings für die Beurteilung der Zulässigkeit nach österreichischem Verfassungsrecht bedeutungslos, weil österreichisches Bankenaufsichtsrecht wie auch das maßgebende EU-Bankenaufsichtsrecht (insbesondere RL 2013/36/EU sowie EU-VO 575/2013) ganz klar individuelle Gläubigerinteressen schützen, weshalb ein Haftungsausschluss mit diesen Zielvorgaben nicht kompatibel ist.

j) Aus den Ausführungen zum individuellen Gläubigerschutz als ein wesentlicher Bestandteil des Schutzzwecks der Bankenaufsicht ist ersichtlich, dass der Finanzmarkt notwendigerweise nicht nur aus den beaufsichtigten Instituten besteht, sondern auch aus den Kunden bzw Gläubigern der Institute (etwa Einleger). Ohne den einzelnen Kunden ist weder ein funktionsfähiges Bankwesen noch ein stabiler Finanzmarkt denkbar. Im Gegenteil bildet der einzelne Kunde den Ausgangspunkt jedweder Finanzdienstleistung, die korrespondierend vom Staat – via Bankenaufsicht – reguliert wird. Der Gläubigerschutz muss damit auch Individualinteressen umfassen, will er in seinem Zweck nicht völlig ausgehöhlt werden. Damit ist auch die Haftung der Republik (des Bundes) nicht uferlos ausgedehnt, wie – vom Landesgericht für Zivilrechtsachen Wien im Urteil ausgeführt. Es ist daher auch nicht ersichtlich, wieso die beaufsichtigten Rechtsträger und die einzelnen Bankgläubiger (Einleger), die ebenfalls vom Schutzzweck der Bankenaufsicht erfasst sind, unterschiedlich behandelt werden und alle Sparer und Einleger von der Amtshaftung des Bundes ausgeschlossen werden.

k) Zwar erfolgte, wie vom Landesgericht für Zivilrechtsachen in Wien im Urteil ausgeführt, gleichzeitig mit der Änderung des §3 Abs1 FMABG mit BGBI. I Nr 136/2008 auch eine Novellierung der Bestimmungen zur Einlagensicherung, welche den Bankgläubiger zumindest zu einem gewissen Teil vor Schäden schützen sollen. Dem Anleger wird gemäß §7 Abs1 Z5 ESAEG im Sicherungsfall in der Regel eine Einlage bis zu einem Betrag von EUR 100.000,00 erstattet. Darüber hinaus gehende Einlagen können jedoch meist nicht geltend gemacht werden, was aber jedenfalls unsachlich ist.

l) Die Einlagensicherung rechtfertigt keine unterschiedliche Behandlung der beaufsichtigten Rechtsträger und der sonstigen Geschädigten. Die Einlagensicherung kann keinen absoluten Schutz für alle Einleger bieten, […] sondern entschädigt Bankgläubiger nur bis zu einem Betrag von EUR 100.000,--. Alle Beträge über der EUR 100.000,-- Grenze werden nicht ausbezahlt. Es ist nicht ersichtlich, wieso beaufsichtigte Rechtsträger Amtshaftungsansprüche gegen den Staat geltend machen und damit in voller Höhe entschädigt werden können, während hingegen Einleger von Amtshaftungsansprüchen gegen den Bund ausgeschlossen werden. Wie gerade auch mein Fall zeigt, stehen die erwartbaren 'Einsparungen' der Republik durch das Unterlassen von Schadenersatzzahlungen auch in keiner adäquaten Relation. Das ergibt sich auch schon daraus, wenn man auf vergangene Fälle zurückblickt, in denen die Republik (der Bund) für mangelhafte Aufsicht der FMA gehaftet hat. Die Bestimmung des §3 FMABG besteht bereits seit langer Zeit ohne Haftungsbeschränkung; das Staatsbudget wurde dadurch aber nicht überfordert.

m) Weiters sieht §3 Abs1 Satz 2 FMABG eine Haftung für alle unmittelbaren Schäden der Rechtsträger vor, welche der Aufsicht nach dem Bundesgesetz unterliegen. Die Bestimmung schränkt die Haftung nicht auf die konkret mangelhaft beaufsichtigten Rechtsträger ein. Auch aus diesem Grund verstößt ein Haftungsausschluss für nicht beaufsichtigte Geschädigte gegen den Gleichheitssatz, weil keine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung der einzelnen Einleger vorliegt.

n) Es besteht daher keine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung von beaufsichtigten Rechtsträgern und sonstigen potenziell geschädigten Bankeinlegern. Diese lässt sich weder aus dem Unionsrecht, dem nationalen Recht, noch aus den einschlägigen Materialien entnehmen und liegt im Ergebnis auch nicht vor.

o) Weiters nimmt der Gesetzgeber eine Differenzierung zwischen dem Handeln der FMA und dem Handeln von anderen Organen des Bundes vor. Der Gesetzgeber hat nämlich, im Gegensatz zur Haftung für das Handeln der FMA, die Haftung der Republik für Organhandeln an anderen Stellen nicht ausgeschlossen. So haftet der Bund beispielsweise jedem Geschädigten für Handlungen und Unterlassungen der Organe der Staatsanwaltschaft, nicht aber jedem Geschädigten für die Handlungen und Unterlassungen der Organe und Bediensteten der FMA.

p) Auch in diesem Fall ist ein Unterschied zwischen den Organen des Bundes, der eine unterschiedliche rechtliche Behandlung sachlich rechtfertigt, nicht ersichtlich. Vielmehr kommt der Bundesgesetzgeber anscheinend sonst zu dem Ergebnis, dass es ihm zumutbar ist, für das rechtswidrige Handeln seiner Organe zu haften, und zwar unabhängig davon, welcher Kategorie an Geschädigten er ausgesetzt ist. Es ist dem Bund offensichtlich zumutbar, für das rechtswidrige Handeln anderer Organe zu haften, womit offen bleibt, wieso das der Republik bei der FMA nicht zumutbar sein soll.

q) §3 Abs1 Satz 2 FMABG verstößt daher auch gegen den Gleichheitssatz, weil einerseits beaufsichtigte Rechtsträger und sonstige potenziell Geschädigte und andererseits Organe und Bedienstete der FMA und andere Organe des Bundes unterschiedlich behandelt werden, ohne dass es dafür eine sachliche Rechtfertigung gibt.

4. Verletzung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit des Eigentums

a) Die Unverletzlichkeit des Eigentums ist verfassungsrechtlich in Art5 StGG und Art1 1. ZP zur EMRK normiert. Eigentum im verfassungsrechtlichen Sinn sind alle vermögenswerten Privatrechte […], wobei auch ein Schadenersatzanspruch ein solches vermögenswertes Privatrecht iSd Art1 1. ZPEMRK bzw Art5 StGG ist. […] Der Gesetzgeber beschränkte durch Erlassung des §3 Abs1 Satz 2 FMABG verfassungsrechtlich (durch Art5 StGG bzw Art1 1. ZP EMRK) geschützte Ansprüche der Bankeinleger, indem er unbeaufsichtigte Dritte von der Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen gegen den Bund ausschließt. Schadenersatzansprüche von unbeaufsichtigten Dritten werden beschränkt.

b) Eine Beschränkung des Eigentums ist verfassungsrechtlich dann zulässig, wenn die gesetzlich vorgesehene Regelung im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismäßig ist. […]

c) Ein öffentliches Interesse ist ein Allgemeininteresse an der Beschränkung des Eigentums. Dieses wurde beispielsweise bei einer effizienten Strafverfolgung oder der Erhaltung des Gleichgewichtes des Krankenversicherungssystems angenommen. Rein fiskalische Interessen begründen hingegen kein solches öffentliches lnteresse. […] Der VfGH führt in einer Entscheidung aus: 'zur Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit eines derartigen Eingriffs ist es erforderlich, dessen Intensität mit dem Gewicht der den Eingriff tragenden öffentlichen Interessen – etwa die Unvermeidbarkeit des Eingriffes zur Erhaltung der Finanzierbarkeit des Systems – abzuwägen.' […]

d) Im konkreten Fall fehlt jegliches öffentliche Interesse, das die gegenständlich interessierende Eigentumsbeschränkung rechtfertigen könnte. Durch §3 Abs1 Satz 2 FMABG will der Bund den Staatshaushalten vor Schadenersatzzahlungen, welche durch Fehler der ihm zurechenbaren FMA bzw OeNB entstehen, schützen. Der Gesetzgeber verfolgt mit dem Haftungsausschluss daher rein finanzielle Interessen, welche kein berücksichtigungswürdiges öffentliches Interesse sind. Daher ist der durch §3 Abs1 Satz 2 FMABG resultierende Eigentumseingriff nicht gerechtfertigt. Andernfalls könnte sich der Staat regelmäßig weitgehend von Haftungsansprüchen befreien. Eine Reduktion potenzieller Haftungsfälle sollte hingegen primär über das Verhindern von schädlichem Verhalten erfolgen und nicht über einen gesetzlichen Haftungsausschluss für eben dieses Verhalten.

e) Wie das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien in seinem Urteil ausführt, wollte der Gesetzgeber die Haftung beschränken, um die Stabilität des Finanzsystems zu erhalten und dieses vor uferlosen Amtshaftungsansprüchen zu schützen. Die Stabilität des Finanzsystems ist aber nicht dadurch gefährdet, dass der Staat allen Finanzmarktteilnehmern, die durch die Verletzung der Aufsichtspflicht geschädigt wurden, für das Verhalten der FMA haftet, sondern ganz im Gegenteil durch eine mangelhafte Bankaufsicht durch die FMA, bei welcher im konkreten Fall erhebliche Bedenken bestehen. Zudem lässt sich faktisch nicht nachweisen, dass eine Haftungsbegrenzung auf beaufsichtigte Unternehmen keine Überforderung des Fiskus zur Folge hätte. Im Gegenteil halten solche Rechtsträger regelmäßig deutlich höhere Einlagen bei Kreditinstituten als Privatkunden, womit auch das Schadenspotential (etwa bei Entzug der Konzession oder einer rechtswidrigen Maßnahme nach §70 Abs2 BWG) vergrößert wird. Bei einer gewissenhaften Aufsicht durch die FMA würde es nicht zu derartigen Amtshaftungsansprüchen kommen. Die Aufsichtsverletzung ist demnach die Ursache für die Haftung des Bundes und die Amtshaftungsansprüche nur die Wirkung. Werden hingegen Amtshaftungsansprüche ausgeschlossen, tritt sogar der gegenteilige Effekt ein.

f) Wenn sich Einleger nicht mehr darauf verlassen können, bei Fehlern in der Bankenaufsicht beim Bund (der Republik) Regress nehmen zu können bzw dass Fehler auf Grund bestehender Haftungen nicht passieren, werden sie erst kein Geld bei Banken einlegen. Das wiederum führt dazu, dass die Banken über weniger Kapital verfügen und dieses in weiterer Folge nicht mehr im Geldkreislauf zur Verfügung gestellt werden kann, was erst recht die Stabilität des Finanzmarkts gefährdet. Damit dient die Haftungsbeschränkung aber schon nicht mehr dem öffentlichen Interesse, weil sie die Stabilität des Finanzsystems nicht stärkt, sondern erst recht gefährdet.

g) Eine Haftungsfreizeichnung des Bundes für ein Fehlverhalten der FMA liegt auch deshalb nicht im öffentlichen Interesse, weil die FMA durch diese Befreiung des Bundes für Amtshaftungsansprüche nicht zur genauen und gewissenhaften Ausübung ihrer Aufsichtspflicht motiviert wird. Vielmehr steigt dadurch die Gefahr, dass die Behörde nicht mehr sorgfältig arbeitet, schließlich muss sie in diesem Fall keine Konsequenzen fürchten. Noch dazu besteht die Gefahr, dass sich die FMA mit Kreditinstituten zum Nachteil der Gläubiger in vermehrten Kompromissen arrangiert (zB zur Höhe der Eigenmittel- oder Liquiditätsanforderungen), um das Haftungspotential gegenüber diesen (haftungstechnisch privilegierten) Instituten wegen unverhältnismäßig (strenger) Aufsicht zu reduzieren. Ein haftungsfreies Beaufsichtigen ist aber immanent systemwidrig und auch sonst dem (staatlichen) Haftungsregime fremd – schließlich gibt es auch sonst nirgends eine Vorschrift, bei der eine (privatrechtliche) Aufsichtsperson, ohne Haftungen befürchten zu müssen, tätig werden kann. Daher läuft ein Haftungsausschluss sogar diesem öffentlichen Interesse zuwider. […]

h) Verhältnismäßig ist eine Beschränkung dann, wenn bei einer Abwägung der Interessen des Betroffenen an der Vermeidung des Eigentumseingriffs und dem öffentlichen Interesse an der Regelung das öffentliche Interesse überwiegt. Weiters darf die Regelung nicht weitergehen als das zum Erreichen des Regelungsziels notwendig ist. […]

i) Mangels öffentlichen Interesses kann aber schon gar kein verhältnismäßiger Eingriff vorliegen, weil der Eingriff in die Interessen der Betroffenen (zB die Interessen der geschädigten Einleger) deutlich weitergeht, als es zum Erreichen eines allfälligen öffentlichen Interesses notwendig wäre. Der Bund (die Republik) könnte nämlich die Fälle, in denen er (sie) für die FMA haftet, auch reduzieren, indem er (sie) versucht, rechtswidriges Handeln oder Unterlassen von vornherein zu unterbinden, dann würde es in Folge auch zu keinen Amtshaftungsansprüchen bzw zu weniger Amtshaftungsansprüchen des Bundes für das Handeln der Organe und Bediensteten der FMA kommen. Der Bund könnte die FMA beispielsweise stärken, indem er ihr mehr personelle oder finanzielle Ressourcen zur Verfügung stellt. Darüber hinaus sind auch die allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätze geeignet, das Ausufern von Haftungsfällen zu reduzieren (zB eingeschränkte Haftung bei bloßen Vermögensschäden). Ein Ausschluss der Amtshaftung für nichtbeaufsichtigte Dritte, die noch dazu Kunden/Gläubiger des ausgefallenen Kreditinstituts und ökonomisch primär Geschädigte sind, geht daher weiter, als für die Erreichung des Regelungsziels notwendig ist.

j) Die Entschädigung durch die Einlagensicherung iHv EUR 100.000,-- vermag die Schäden durch die Verletzung der Aufsichtspflicht in vielen Fällen (nämlich jene die eine Summe bis EUR 100.000,-- auf einer Bank angelegt haben) unmittelbar auszugleichen, doch ändert dies nichts daran, dass für Anleger, die über EUR 100.000,-- bei einer Bank angelegt haben, eine Eigentumsbeschränkung besteht, weil sie den Schaden nicht auf Amtshaftungsansprüche gegen den Bund stützen können. Die Eigentumsbeschränkung ist trotz des ESAEG nicht verhältnismäßig, da zum Erreichen eines allfälligen öffentlichen Interesses, wie der Stabilität des Finanzmarktes, andere, für den Anleger weniger eingriffsintensive, Maßnahmen geeignet sind. Dies könnte wie oben angedacht eine Verbesserung der Ausstattung der FMA sein.

k) Der Haftungsausschluss des §3 Abs1 Satz 2 FMABG verstößt daher auch gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Eigentumsfreiheit.

5. Vergleich mit der deutschen Rechtslage

a) Die beklagte Partei hat in der Klagebeantwortung auf die Rechtslage in Deutschland verwiesen und sich darauf gestützt, dass §4 Abs4 deutsches Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz ('dFinDAG') zu dem gleichen Ergebnis führt wie §3 Abs1 Satz 2 FMABG und Amtshaftungsansprüche für Dritte ausschließt. Aus diesem Grund gehe ich an dieser Stelle auf den Vergleich mit der deutschen Rechtslage ein.

b) §4 Abs4 dFinDAG, wie auch dessen Vorgängerbestimmung §6 Abs4 deutsches Kreditwesengesetz ('dKWG') idF 22.10.1997 normiert, dass die Bundesanstalt ihre Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt.

c) Für das Erheben eines Amtshaftungsanspruchs aufgrund fehlerhafter Entscheidungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ('BaFin') nach §839 BGB iVm Art34 Satz 1 GG ist es nötig, dass die Amtspflicht den Zweck umfassen muss, das Interesse gerade dieses Geschädigten wahrzunehmen. […] Diese Eigenschaft wurde vom BGH zuvor für verschiedene Bestimmungen des dKWG bejaht, weshalb sich der deutsche Gesetzgeber bei der Bestimmung des §6 Abs3 dKWG […] dafür entschied, zu normieren, das Bundesaufsichtsamt nehme die ihm nach diesem Gesetz und nach anderen Gesetzen zugewiesenen Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahr.

d) Der deutsche Gesetzgeber hat im Gesetzesentwurf dazu erläutert, dass durch die Neuregelung ausgeschlossen werden soll, 'dass einzelne Personen die in geschäftlichen Beziehungen zu Kreditinstituten oder sonstigen Unternehmen und Privatpersonen stehen, an die das Bundesaufsichtsamt Maßnahmen richten kann, wegen eines bestimmten Handelns oder Unterlassens der Behörde Schadensersatzansprüche gegen den Staat erheben können.' Eine Haftung für beaufsichtigte Kreditinstitute bestehe hingegen weiterhin. […]

e) Aus §4 Abs4 dFinDAG ergibt sich daher ein Ausschluss der Staatshaftung im Bereich der Bankenaufsicht, gegenüber dritten Personen die nicht der Bankenaufsicht unterliegen. So entschied auch der BGH: 'Sowohl §839 BGB als auch Art34 Satz 1 GG setzen für eine Haftung voraus, daß der Amtsträger 'die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht' verletzt hat. Hiervon kann im Bereich der Bankenaufsicht, soweit einzelne Anleger betroffen sind, nicht ausgegangen werden.' […]

f) Vorab möchte ich anmerken, dass die Verfassungskonformität der deutschen Bestimmung durchaus umstritten ist. In der Literatur wird etwa die Ansicht vertreten, dass §4 Abs4 FinDAG mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist, weil ein so umfassendes Haftungsrisiko erfasst wird, dass die Bestimmung mit der verfassungsrechtlichen Mindestgarantie der Staatshaftung aus Art34 GG unvereinbar ist. […]

g) Die deutsche Rechtslage schließt einen Amtshaftungsanspruch unbeaufsichtigter Dritter aus, doch lässt sich dieser Ausschluss nicht mit der Österreichischen Rechtslage vergleichen. §4 Abs4 dFinDAG normiert den Schutzzweck der Bankenaufsicht und schließt Gläubigerinteressen von diesem aus, woraus in logischer Folge auch ein Haftungsausschluss für Bankgläubiger folgen muss, weil diese sich nicht auf eine Schutzgesetzhaftung berufen können. Der Österreichische Gesetzgeber hat in §3 Abs1 Satz 2 FMABG hingegen nicht den Schutzzweck der Bankenaufsicht normiert, sondern diesen unberührt gelassen und lediglich die Haftung für unbeaufsichtigte Dritte ausgeschlossen.

h) Der Schutzzweck in Österreich umfasst weiterhin individuelle Gläubigerinteressen, welche sich daher auf eine Schutzgesetzhaftung berufen können. Dieses völlig andere Iegistische Vorgehen des österreichische[n] Bundesgesetzgebers, um die Haftung Dritter auszuschließen, ist daher der Sache [nach] nicht vergleichbar. Die argumentative Heranziehung der deutschen Rechtslage ist systematisch auch deswegen nicht zielführend, wenn man den textlich anders gefassten §3 Abs6 FMABG in die Betrachtung einbezieht: Danach agiert die FMA bei der Verfolgung des 'unerlaubten Betriebes' ausschließlich im 'öffentlichen Interesse'. Dadurch soll eine Haftung des Bundes nach dem Vorbild des §4 Abs4 dt FinDAG ausgeschlossen werden. §3 Abs1 Satz 2 FMABG kann daher, da die Norm anders textiert ist, nicht wie §3 Abs6 FMABG oder §4 dt FinDAG ausgelegt werden. […]

i) Darüber hinaus hat sich der Gesetzgeber 2005 bei der Normierung des §3 Abs1 FMABG bewusst entschlossen, nicht dem deutschen Vorbild zu folgen und den Schutzzweck der aufsichtsrechtlichen Regeln auf die Wahrnehmung der öffentlichen Interessen einzuschränken, weil dies im Ergebnis faktisch jegliche Haftung des Bundes ausschließt. […] Der Gesetzgeber von 2005 hatte also ohnehin kein Interesse daran, die Haftung für Dritte auszuschließen.

6. Unionsrechtskonformität

a) Die beklagte Partei zitiert darüber hinaus auch die Entscheidung des EuGH in der Rs Peter Paul ua […] Dieser Entscheidung ging ein Vorabentscheidungsersuchen des BGH zur damals geltenden Rechtslage im Bereich der Einlagensicherung voraus, in dem der EuGH zu dem Schluss kam, dass es grundsätzlich nicht unionsrechtswidrig sei, wenn nach nationalem Recht die für die Bankenaufsicht zuständigen Behörden nur im öffentlichen Interesse tätig werden.

b) Die Mitgliedstaaten sind s

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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