TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/28 G314 2217929-1

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Veröffentlicht am 28.05.2021
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Entscheidungsdatum

28.05.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §55 Abs3

Spruch


G314 2217929-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des kroatischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX.2019, Zl. XXXX, betreffend die Erlassung einer Ausweisung samt Durchsetzungsaufschub zu Recht:

A)       Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) beantragte am XXXX.2018 bei der Behörde nach dem NAG (Landeshauptmann von XXXX; im Folgenden kurz XXXX) die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung für den Zweck „Selbständiger“.

Mit Schreiben vom 16.01.2019 kontaktierte die XXXX das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gemäß § 55 Abs 3 NAG hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung des BF, weil er zwar über eine Gewerbeberechtigung verfüge, aber keine Nachweise für die tatsächliche Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit oder für das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel erbracht habe.

Das BFA verständigte die BF davon mit dem Schreiben vom 22.01.2019 und forderte ihn auf, eine Stellungnahme abzugeben und Fragen zu seinem Aufenthalt im Bundesgebiet sowie zu seinen privaten und familiären Verhältnissen zu beantworten. Der BF übermittelte dem BFA daraufhin ein Konvolut von Rechnungen seines Einzelunternehmens.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der BF gemäß § 66 Abs 1 FPG iVm § 55 Abs 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde ihm gemäß § 70 Abs 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.). Die Ausweisung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass er seit 2017 durchgehend in Österreich gemeldet sei, aber keine Sorgepflichten und keine in Österreich lebenden Angehörigen habe. Er gehe keiner Beschäftigung nach und habe keine Beschäftigungsbewilligung, die er als kroatischer Staatsangehöriger nach wie vor benötige. Sein Gewerbe sei mittlerweile abgemeldet. Da nach der Ausweisung eine Wiedereinreise möglich sei, werde ein allfälliges Privat- und Familienleben des BF dadurch nicht beeinträchtigt.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des BF, mit der er primär die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheids anstrebt und hilfsweise einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag stellt. Dies wird zusammengefasst damit begründet, dass er in Österreich selbständig erwerbstätig sei und ausreichende Existenzmittel sowie eine Krankenversicherung vorlägen. Der BF sei daher in Österreich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigt. Er habe sein Gewerbe lediglich während der Wintermonate ruhend gestellt. Eine Anmeldebescheinigung wirke nur deklarativ. Das BFA hätte ihn zur Intensität seiner privaten und familiären Bindungen in Österreich und zur Möglichkeit der Bestreitung seiner Lebenserhaltungskosten vernehmen müssen. Das Unterbleiben dieser Einvernahme verletze sein Recht auf Wahrung des Parteiengehörs und den amtswegigen Ermittlungsgrundsatz.

Das BFA legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem Antrag vor, sie als unbegründet abzuweisen.

Am 21.06.2019 und am 26.06.2019 übermittelte der BF dem BVwG auftragsgemäß ergänzende Unterlagen. Am 28.06.2019 wurde das BVwG darüber informiert, dass laut XXXX nunmehr die Voraussetzungen für die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung vorliegen würden.

Feststellungen:

Der BF wurde am XXXX in XXXX geboren. Er ist kroatischer Staatsangehöriger und spricht Kroatisch. Er ist seit XXXX.2017 durchgehend mit Hauptwohnsitz in XXXX an der Anschrift gemeldet, an der zuvor seit XXXX.2017 sein Nebenwohnsitz gewesen war.

Der BF war im Bundesgebiet von XXXX.2017 bis XXXX.2017, von XXXX.2018 bis XXXX.2018 und von XXXX.2019 bis XXXX.2020 selbständig erwerbstätig. Von XXXX.2017 bis XXXX.2017 war er Inhaber des freien Gewerbes „XXXX“, im Zeitraum XXXX.2018 bis XXXX.2020 bestand eine Gewerbeberechtigung „XXXX“. Von XXXX.2019 bis XXXX.2019 und von XXXX.2020 bis XXXX.2021 bestand ein Beschäftigungsverhältnis als Arbeiter. Von XXXX.2021 bis XXXX.2021 bezog er Arbeitslosengeld; seit XXXX.2021 ist er wieder als Arbeiter erwerbstätig. Am XXXX.2019 wurde ihm eine Anmeldebescheinigung als Selbständiger ausgestellt.

Der BF ist in strafgerichtlich unbescholten; es sind keine Verstöße gegen die öffentliche Ordnung aktenkundig.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsaktes des BVwG.

Die Feststellungen basieren insbesondere auf dem Beschwerdevorbringen und den vom BF vorgelegten Urkunden sowie auf Informationen aufgrund von Abfragen im Zentralen Melderegister (ZMR), Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), Gewerbeinformationssystem Austria (GISA), Strafregister und beim Dachverband der Sozialversicherung.

Die Feststellungen zu Namen, Geburtsdatum, Geburtsort und Staatsangehörigkeit des BF beruhen auf den konsistenten Angaben dazu im angefochtenen Bescheid sowie im ZMR und IZR. Kroatische Sprachkenntnisse sind angesichts seiner Herkunft und Staatsangehörigkeit anzunehmen. Der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet geht aus dem ZMR hervor. Sein Mietvertrag wurde vorgelegt. Seine (selbständige und unselbständige) Erwerbstätigkeit und der Bezug von Arbeitslosengeld ergibt sich aus dem Versicherungsdatenauszug sowie aus den vom BF vorgelegten Rechnungen und Einkommensnachweisen. Die Feststellungen zu den ihm erteilten Gewerbeberechtigungen beruhen auf den (historischen) GISA-Auszügen.

Der Antrag der BF auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung und deren Erteilung sind im IZR dokumentiert. Die Feststellung seiner strafgerichtlichen Unbescholtenheit beruht auf dem Strafregister, in dem keine Verurteilungen aufscheinen. Es liegen keine Hinweise auf andere Verstöße gegen die öffentliche Ordnung vor.

Rechtliche Beurteilung:

Die in der Beschwerde behaupteten Verfahrensmängel (Verletzung der Grundsätze des Parteiengehörs und der Amtswegigkeit des Ermittlungsverfahrens) liegen nicht vor, zumal der BF einerseits im Rahmen der ihm vom BFA eingeräumten schriftlichen Äußerungsmöglichkeit eine Stellungnahme erstattete und andererseits auch im Rahmen der Beschwerde eine ausreichende Möglichkeit zur Stellungnahme bestand.

Als kroatischer Staatsangehöriger ist der BF EWR-Bürger iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG.

Da er in Österreich zunächst selbständig war und derzeit als Arbeitnehmer erwerbstätig ist, ist er gemäß § 51 Abs 1 Z 1 NAG zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Folgerichtig wurde ihm mittlerweile auch bereits eine (deklarativ wirkende) Anmeldebescheinigung ausgestellt. Da eine Ausweisung gemäß § 66 Abs 1 FPG voraussetzt, dass dem ausgewiesenen EWR-Bürger aus den Gründen des § 55 Abs 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, kann sie vor diesem Hintergrund keinen Bestand mehr haben. Damit erübrigt sich auch die Erteilung eines Durchsetzungsaufschubes, sodass beide Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids ersatzlos zu beheben sind.

Da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt eine Beschwerdeverhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG.

Die Revision ist wegen der Einzelfallbezogenheit dieser Entscheidung, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung EU-Bürger Interessenabwägung Krankenversicherung Privat- und Familienleben Selbstständigkeit Unionsrecht Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G314.2217929.1.00

Im RIS seit

01.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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