TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/16 W112 2245834-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.12.2021
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Entscheidungsdatum

16.12.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs3

Spruch


W112 2245834-1/36E

1. Schriftliche Ausfertigung des am 03.09.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA KROATIEN, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.07.2021, Zl. XXXX , und die Anhaltung in Schubhaft seit 31.07.2021 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

III. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

IV. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG iVm VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Beschwerdeführer dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von € 887,2 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2. Berichtigungsbeschluss

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin in der Beschwerdesache XXXX , geb. XXXX , StA KROATIEN, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.07.2021, Zl. XXXX , und die Anhaltung in Schubhaft seit 31.07.2021:

A) Das Erkenntnis vom 03.09.2021 wird gemäß § 62 Abs. 4 AVG iVm § 17 VwGVG dahingehend berichtigt, dass in Spruchpunkt IV wie folgt zu lauten hat:

„VI. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG iVm VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Beschwerdeführer dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.“

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Dem Beschwerdeführer, der über keine Meldeadresse in Österreich verfügt, wurde am 24.11.2020 um 09:40 Uhr vom Stadtpolizeikommando XXXX im Rahmen einer Anhaltung durch persönliche Ausfolgung die Verständigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) vom Ergebnis der Beweisaufnahme zur Erlassung einer Ausweisung mit der Aufforderung, binnen 14 Tagen ab der Zustellung der Verständigung eine Stellungnahme abzugeben, ausgefolgt. Eine Festnahme erfolgte nicht, der Beschwerdeführer verließ nach der Amtshandlung die Polizeiinspektion. Der Beschwerdeführer begründete auch im Anschluss keine Meldeadresse. Er gab keine Stellungnahme ab.

Mit Bescheid vom 14.05.2021 wies das Bundesamt den Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet aus und erteilte ihm gemäß § 70 Abs. 3 FPG keinen Durchsetzungsaufschub. Dieser wurde dem Beschwerdeführer am 17.05.2021 durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 ZustG zugestellt. Die Kundmachung wurde am 20.05.2021 angeschlagen und am 04.06.2021 abgenommen. Unter einem gab es ihm einen Rechtsberater bei, zugestellt an die Rechtsberaterin am 17.05.2021.

Der Bescheid erwuchs mangels Beschwerdeerhebung in Rechtskraft.

2. Am 31.07.2021, 10:41 Uhr, wurde der Beschwerdeführer am XXXX in WIEN XXXX an einer Örtlichkeit, an der sich vor allem mit beträchtlicher Strafe bedrohte Handlungen ereignen, polizeilich betreten und konnte sich bei der Identitätskontrolle gemäß § 35 SPG nicht ausweisen. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes begleitete den Beschwerdeführer zum auf der anderen Straßenseite gelegenen XXXX , wo der Beschwerdeführer, der angab, er wisse nicht, seit wann er in Österreich sei, seinen Angaben zufolge seine Personalien [gemeint wohl: Identitätsdokument] hinterlegt hatte. Ein Lichtbild[ausweis] konnte nicht gefunden werden. Im Rahmen der Registerabfrage ermittelte die Polizei, dass ein Festnahmeauftrag gegen den Beschwerdeführer bestand. Der Beschwerdeführer bestätigte, diese Person zu sein. Daraufhin nahmen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes den Beschwerdeführer gemäß § 34 iVm § 40 BFA-VG fest und lieferten ins Polizeianhaltezentrum XXXX ein.

3. Eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers zur Schubhaftverhängung konnte laut Aktenvermerk nicht erfolgen, da der Beschwerdeführer aggressiv war und die Kooperation verweigerte. Er schimpfte in unverständlicher Sprache und weigerte sich, mit dem Dolmetscher zu kommunizieren.

Mit Mandatsbescheid vom 31.07.2021, dem Beschwerdeführer zugestellt durch persönliche Ausfolgung am selben Tag um 18:10 Uhr, verhängte das Bundesamt über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung und gab ihm einen Rechtsberater bei.

Das Bundesamt gründete den Bescheid auf folgende Feststellungen:

Der Beschwerdeführer sei nicht österreichischer Staatsbürger, somit Fremder. Er sei KROATISCHER Staatsangehöriger, somit EU-Bürger. Seine Identität stehe fest. Er habe in der Vergangenheit über ein Identitätsdokument verfügt. Er sei als gesund und arbeitsfähig zu bewerten. Es haben keine Angehörigen in Österreich festgestellt werden können. Seine Angehörigen leben offensichtlich in der Heimat. Er gehe in Österreich keiner regelmäßigen, angemeldeten Erwerbstätigkeit nach. Er sei in Österreich nicht aufrecht versichert. Es habe kein schützenswertes Privatleben festgestellt werden können. Es sei keine tiefer greifende Integration in Österreich erkennbar.

Es bestehe eine rechtskräftige Ausweisung gegen den Beschwerdeführer. Es sei ihm kein Durchsetzungsaufschub gewährt worden. Er könne nicht nachweisen, seit wann er sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalte. Er sei im Bundesgebiet noch nie behördlich gemeldet gewesen. Er sei weder aufrecht versichert, noch habe er ausreichende Existenzmittel nachgewiesen oder gehe einer aufrechten Erwerbstätigkeit nach. Er sei in Österreich noch nie einer angemeldeten Erwerbstätigkeit nachgegangen. Dass er zur Arbeitssuche eingereist sei, sei nicht glaubhaft und ausgeschlossen. Es bestehen keine Anzeichen dafür, dass er bald eine dauerhafte Arbeitsstelle in Aussicht habe. Er erfülle nicht die Voraussetzungen, um sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51 ff. NAG in Anspruch zu nehmen. Es bestehe die Gefahr, dass er zu einer Belastung für eine Gebietskörperschaft werde.

Zu seinem bisherigen Verhalten stellte das Bundesamt Folgendes fest: Es bestehe eine rechtskräftige und durchsetzbare Ausweisung. Eine Ausreisebestätigung könne er nicht vorweisen. Er habe im Bundesgebiet keine Unterkunft. Er verfüge über keine Barmittel und habe keine Angehörige in Österreich. Er habe keinerlei Barmittel. Er sei in keinster Weise in Österreich integriert oder könne keine relevanten Integrationsleistungen vorweisen.

Zu seinem Privat- und Familienleben stellte das Bundesamt Folgendes fest: Es bestehe in Österreich kein schützenswertes Privat- oder Familienleben. Es haben keine Angehörigen in Österreich festgestellt werden können. Seine Angehörigen leben offensichtlich in der Heimat. Er gehe in Österreich keiner regelmäßigen, angemeldeten Erwerbstätigkeit nach. Er sei in Österreich nicht aufrecht versichert. Es habe kein schützenswertes Privatleben festgestellt werden können. Es sei keine tiefer greifende Integration in Österreich erkennbar.

Begründend führte das Bundesamt aus, dass die Schubhaft der Sicherung der angeführten Verfahren bzw. der Sicherung der Abschiebung diene. Zur Prüfung der Fluchtgefahr sei auf alle Umstände des konkreten Falles Bedacht zu nehmen, um die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens, als schlüssig anzusehen. Dabei komme insbesondere auch dem bisherigen Verhalten des Fremden Bedeutung zu. Von einer Anordnung der Schubhaft sei Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig sei. So sei eine verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. In diesem Zusammenhang seien die Kriterien gemäß § 76 Abs. 3 FPG zu beachten. Entsprechend seines bisherigen Verhaltens begründen folgende Kriterien in seinem Fall Fluchtgefahr: „Kriterien: 1, 2, 3 und 9 sowie § 76 Abs. 2a“.

Gegen ihn bestehe eine aufrechte Ausweisung. Er sei im Bundesgebiet ohne Unterstand. Er könne nicht beweisen, dass er bereits aus dem Bundesgebiet ausgereist sei. Er sei in Österreich weder beruflich noch familiär oder sozial integriert oder verankert. Er habe keine Angehörigen oder Verwandten in Österreich. Er habe keinerlei Barmittel. Er habe keine behördliche Meldung und gestalte seinen illegalen Aufenthalt im Verborgenen, um sich dem behördlichen Zugriff zu entziehen. Eine behördliche Greifbarkeit bestehe somit nicht. Es sei anzunehmen, dass er dieses Verhalten auch weiterhin setzen werde. Er habe keine Unterkunft oder Barmittel. Eine Fluchtgefahr liege somit begründet vor.

Daher sei die Entscheidung auch verhältnismäßig. Er sei behördlich nicht gemeldet und somit für das fremdenrechtliche Verfahren nicht greifbar. Zu Österreich bestehen keine beruflichen, sozialen oder familiären Bindungen. In Österreich habe er keine Angehörigen. Er gehe keiner legalen Beschäftigung nach. Verfahrensrelevante Integration sei nicht erkennbar. Er missachtete die österreichische Rechtsordnung, indem er sich nicht an die fremdenpolizeilichen Bestimmungen halte. Die Schubhaft sei somit als verhältnismäßig anzusehen. Die Sicherung der Abschiebung sei erforderlich, da er sich aufgrund seines Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen habe. Es sei davon auszugehen, dass er auch hinkünftig nicht gewillt sein werde, die Rechtsvorschriften einzuhalten. Aus seiner Wohn- und Familiensituation, aus seiner fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund seines bisherigen Verhaltens könne geschlossen werden, dass bezüglich seiner Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliege. Wie bereits eingehend begründet, bestehe bei ihm eine erhebliche Fluchtgefahr. Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft sei gemäß § 76 Abs. 2a FPG auch ein strafrechtliches Verhalten miteinzubeziehen. Einem geordneten Fremdenwesen komme im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es bestehe die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergebe daher in seinem Fall, dass sein privates Interesse an der Schonung seiner persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen habe.

Dabei sei auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima – ratio – Maßnahme darstelle. Es sei daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gemäß § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit. Eine finanzielle Sicherheitsleistung sei in seinem Fall nicht sinnvoll, weil er keinen Betrag erlegen könne, der in Anbetracht seines bisherigen Verhaltens ausreichend zur Sicherung des Verfahrens bzw. zur Sicherung der Abschiebung wäre. Eine Sicherheitsleistung würde ihn nicht am neuerlichen Untertauchen hindern und er habe auch keinerlei Mittel dafür. Auch was die Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betreffe, könne in seinem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden. Eine Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten würde in seinem Fall keinerlei Sinn ergeben. Keine Meldeverpflichtung und keine Anordnung der Unterkunftnahme können in seinem Fall mit der erforderlichen Sicherheit den Erfolg garantieren. Das gelindere Mittel könne in seinem Fall zu keinem gesicherten Erfolg führen. Er würde das gelindere Mittel nur dazu nutzen, um unterzutauchen und weiterhin illegal in Österreich zu verbleiben. Mit der Erlassung eines gelinderen Mittels könne in seinem Fall nicht das Auslangen gefunden werden.

Es bestehe in seinem Fall aufgrund seiner persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund seines bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitle. Es liege somit eine ultima – ratio – Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordere und eine Verfahrensführung, während derer er sich in Freiheit befinde, ausschließe. Es sei weiters aufgrund seines Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen, wie seine Haftfähigkeit, gegeben seien. Durch den Amtsarzt des Polizeianhaltezentrums sei seine Haftfähigkeit festgestellt worden. Auch seine Abschiebefähigkeit stehe derzeit außer Zweifel, jedoch werde er vor der Abschiebung auch noch amtsärztlich diesbezüglich untersucht werden. Es haben keine Umstände, die seine Haftfähigkeit in Frage stellen, festgestellt werden können und seien auch nicht von ihm behauptet worden. Es liegen keine Gründe einer Haftunfähigkeit vor. Die Behörde gelange daher zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis stehe und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten sei.

4. Das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates wurde am 02.08.2021 eingeleitet.

5. Am 02.08.2021 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz aus dem Stande der Schubhaft.

Der Beschwerdeführer wurde am 02.08.2021 zu seinem Asylantrag erstbefragt. Dabei gab er an, dass ihm sein KROATISCHER Personalausweis in Österreich gestohlen worden sei. Er spreche SLOWAKISCH als Muttersprache, KROATISCH und SERBOKROATISCH gut, ENGLISCH mittel. Er sei XXXX JAHRE alt, ledig, katholisch, seine Volksgruppenzugehörigkeit wisse er nicht, er habe zwölf Jahre lang die Grundschule besucht, keine Berufsausbildung und zuletzt in der Landwirtschaft gearbeitet. Seine Mutter sei verstorben, sein Vater und seine Schwester leben in KANADA. Er habe keine Angehörigen in Österreich, in KROATIEN habe er keine Adresse mehr. Zuletzt habe er in der SLOWAKEI gelebt, XXXX . Er habe 1989 beschlossen, seinen Herkunftsstaat zu verlassen und habe in die SLOWAKEI wollen, wegen seiner Herkunft, seine Muttersprache sei SLOWAKISCH. Er sei 1989 illegal von KROATIEN in die SLOWAKEI gereist. Er habe keine Barmittel und keinen Vertreter. Er wisse nicht, ob er sich Dokumentenkopien oder Dokumente beschaffen könne. Er habe in der Obdachlosenunterkunft „ XXXX “ geschlafen und dort eine Kopie seines KROATISCHEN Personalausweises hinterlegt. Ob die Behörde dort etwas bekomme, wisse er nicht. Er sei mit einem Reisedokument ausgereist, aber sein KROATISCHER REISEASS sei abgelaufen. Er sei seit 02.06.2021 in Österreich, in der SLOWAKEI sei es ganz ok gewesen. Er habe dort nicht um Asyl angesucht. Er wolle nicht nach KROATIEN abgeschoben werden, wenn Österreich ihn nicht wolle, wolle er gerne in die SLOWAKEI abgeschoben werden, sei sein Vater dort lebe und auch seine Muttersprache SLOWAKISCH sei. Er habe in keinem Land ein Visum oder einen Aufenthaltstitel. Auf die Frage nach dem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, er habe im Jahr 1989 KROATIEN in die SLOWAKEI verlassen, weil seine Muttersprache SLOWAKISCH sei und seine Eltern damals auch in der SLOWAKEI gelebt haben. Er habe in beiden Ländern nichts. Er sei nach Österreich gekommen und suche hier um Asyl an, damit er eine Unterkunft, Arbeit und Geld bekomme. Im Falle der Rückkehr fürchte er, in KROATIEN in Armut leben zu müssen, er habe dort nichts und niemanden.

6. Mit Aktenvermerk vom 02.08.2021 hielt das Bundesamt die Schubhaft aufrecht, weil der Beschwerdeführer den Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt habe. Gegen ihn bestehe eine rechtskräftige und durchsetzbare Ausweisung. Er sei im Bundesgebiet bisher ohne Unterkunft, Barmittel oder Dokumente angetroffen worden. Mangels Kooperation sei er im Anschluss an seine Einvernahme in Schubhaft genommen worden. Ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates sei gleich eingeleitet worden. Sein Antrag auf internationalen Schutz, der auf Grund des „EU-Protokolls“ zurückgewiesen werde, diene offensichtlich nur der Verzögerung der Abschiebung, da er auch in seiner Erstbefragung keine Asylgründe namhaft habe machen können. Es sei davon auszugehen, dass er, auf freiem Fuß belassen, untertauchen und seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen werde. Daher sei die Schubhaft trotz der Asylantragstellung aufrecht zu erhalten.

7. Am 04.08.2021 erteilte der Beschwerdeführer der Rechtsberaterin Vollmacht. Diese beantragte am selben Tag Akteneinsicht, welche am 20.08.2021 durchgeführt wurde.

8. Am 05.08.2021 wurde der Beschwerdeführer zur Einvernahme geladen und er wurde mittels Verfahrensanordnung verpflichtet, Rückkehrberatung in Anspruch zu nehmen. Ladung und Verfahrensanordnung wurden ihm am 05.08.2021 um 14:40 Uhr durch persönliche Übernahme zugestellt; der Beschwerdeführer verweigerte die Unterschrift zur Bestätigung der Übernahme.

Am 16.08.2021 wurde der Beschwerdeführer im Asylverfahren einvernommen. Dabei gab er an, derzeit keine Dokumente zu haben, diese und Geld seien ihm in der XXXX gestohlen worden und er habe bei der nächsten Polizeidienststelle Anzeige erstattet; sie seien mit Mitarbeiter[n] der XXXX bei der Polizei gewesen. Auf Vorhalt der Angaben auf seinem Personalausweis machte der Beschwerdeführer wirre Angaben zu seiner Staatsbürgerschaft und gab an, er sei als Staatsbürger der TSCHECHOSLOWAKEI geboren und nicht KROATISCHER Staatsbürger. Er habe nur in der SLOWAKEI Familienangehörige. Er sei einen Monat oder zwei Monate, bevor er mitgenommen worden sei, nach Österreich eingereist. Er habe den Asylantrag in Österreich gestellt, weil sie ihn nicht in die SLOWAKEI zurückfahren lassen. Er wolle in die SLOWAKEI zurückkehren dürfen. Er wolle in KANADA leben und arbeiten. Er wolle bei der KANADISCHEN Botschaft einen Antrag auf Einbürgerung stellen. Das versuche er schon seit mehreren Jahren. Er sei aber noch nie auf der KANADISCHEN Botschaft gewesen. Auf die Frage, was er im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat befürchte, gab er an, dass er ja in die SLOWAKEI zurückwolle. Auf den Vorhalt, dass Österreich beabsichtige, seine Ausreise in den Herkunftsstaat zu veranlassen, gab der Beschwerdeführer an, dass dies ausgezeichnet sei. Auf die Frage, inwieweit aufenthaltsbeendende Maßnahmen in sein Privat- und Familienleben eingreifen würden, gab der Beschwerdeführer an, dass er in Österreich Verwandte habe, aber die habe er noch nie gesehen. Diese Verwandten stammen auch aus der SLOWAKEI und seien die Kinder der Schwester seiner Mutter. Er wolle so schnell wie möglich zurück in die SLOWAKEI und sein Asylgesuch „abmelden“.

Das Bundesamt hielt fest, das sich die Verständigung mit dem Beschwerdeführer äußerst schwierig gestalte, da seine Aussprache undeutlich sei und er SLOWAKISCH nicht einwandfrei beherrsche. Er mache einen verwirrten Eindruck und antworte nicht eindeutig auf Fragen.

Mit Bescheid vom 17.08.2021, dem Beschwerdeführer zugestellt am 18.08.2021, wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß Protokoll Nr. 24 über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zum EU-Vertrag von LISSABON vom 13.12.2007 zurück. Unter einem gab es ihm einen Rechtsberater bei.

Weder gab der Beschwerdeführer einen Rechtsmittelverzicht ab, noch erhob er Beschwerde. Der Bescheid erwuchs mangels Beschwerdeerhebung in Rechtskraft.

9. Am 18.08.2021 gab der Beschwerdeführer einen Wunschzettel ab und ersuchte um ein Gespräch mit seinem Referenten. Am 26.08.2021 vernahm das Bundesamt den Beschwerdeführer zur Verlängerung der Schubhaft ein. Dabei gab er an, dass er nicht rechtsfreundlich vertreten werde und gesund sei. Nach dem Vorhalt des Verfahrensgangs drehte sich der Beschwerdeführer um und verließ wortlos den Raum.

In einem Aktenvermerk vom selben Tag hielt es fest, dass die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG aufrecht bleibe, weil die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Der Beschwerdeführer habe den Asylantrag mit Verzögerungsabsicht gestellt. Da er über kein gültiges Reisedokument verfüge, sei ein Heimreisezertifikat beantragt worden. Auf Grund seines Asylantrages habe dieses Verfahren unterbrochen werden müssen. Da er weder über einen ordentlichen Wohnsitz, noch über familiäre, soziale oder berufliche Bindungen im Bundesgebiet verfüge und keine Barmittel oder ein gültiges Reisedokument habe, bestehe weiterhin die Gefahr, dass er bei einem Verfahren auf freiem Fuß untertauche. Daher sei die Schubhaft weiterhin verhältnismäßig und notwendig. Er habe im Zuge der Schubhaft einen Asylantrag gestellt. Dieser sei zurückgewiesen worden. Die Entscheidung sei seit 18.08.2021 in Rechtsmittelfrist. Daher sei die Schubhaft trotz des Asylantrages aufrecht zu erhalten und die Voraussetzungen dafür seien in einem Aktenvermerk festzuhalten.

10. Mit Schriftsatz vom 27.08.2021 erhob der Beschwerdeführer vertreten durch seine Rechtsberaterin Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft seit 31.07.2021.

Zum Sachverhalt führte die Beschwerde aus, dass der Beschwerdeführer am 24.11.2020 einer Personenkontrolle unterzogen worden sei, wobei er sich mit einer KROATISCHEN Identitätskarte, ausgestellt am 16.07.2019, ausgewiesen habe. Der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft machen können, dass er sich weniger als drei Monate im Bundesgebiet aufgehalten habe und er die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht gemäß der Freizügigkeits-RL erfülle. Dem Beschwerdeführer sei eine schriftliche „Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme“ ausgefolgt worden. In dem Schreiben werde angeführt, dass die Erlassung einer Ausweisung gemäß § 66 FPG beabsichtigt sei. Festgehalten worden sei, dass der Beschwerdeführer über keine Meldeadresse im Bundesgebiet verfüge. Am 14.05.2021 habe das Bundesamt einen auf § 66 FPG gestützten Ausweisungsbescheid erlassen. Die Zustellung des Schriftstückes sei durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 ZustG am 20.05.2021 erfolgt. Am 20.07.2021 habe die belangte Behörde einen Festnahmeauftrag erlassen. Am 31.07.2021 um 10:50 Uhr sei der Beschwerdeführer an der Adresse XXXX von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Personenkontrolle unterzogen worden. Um 11:12 Uhr sei der Beschwerdeführer gemäß §§ 34 iVm 40 BFA-VG festgenommen und ins Polizeianhaltezentrum XXXX verbracht worden. Am 31.07.2021 sei der Beschwerdeführer dem Bundesamt um 16:20 Uhr vorgeführt worden. Eine Einvernahme sei unterblieben, weil der Beschwerdeführer – gemäß dem einliegenden Aktenvermerk – nach Vorführung vor das Bundesamt in nicht verständlicher Sprache zu schrei[…]en und schimpfen begonnen habe. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 31.07.2021 sei über den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet worden. Am 02.08.2021 habe der Beschwerdeführer ein Ersuchen auf internationalen Schutz gestellt. Mit Aktenvermerk vom 02.08.2021 sei die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG aufrecht erhalten worden. Am 16.08.2021 sei eine Einvernahme durchgeführt worden. Mit Bescheid vom 18.08.2021 sei der Antrag auf internationalen Schutz gemäß dem Protokoll Nr. 24 über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union zurückgewiesen worden. Sowohl in der Erstbefragung am 02.08.2021 als auch in der Einvernahme am 16.08.2021 habe der Beschwerdeführer klargestellt, dass er mit dem Antrag bezwecke, dass er Österreich verlassen und in die SLOWAKEI ausreisen wolle, da er in der SLOWAKEI aufgewachsen sei und dort seine Familie lebe. Die Befragung am 16.08.2021 sei in SLOWAKISCHER Sprache geführt worden.

Die Schubhaft sei aus folgenden Gründen rechtswidrig:

Der Sicherungszweck der Schubhaft sei nicht durchsetzbar:

Die belangte Behörde gehe erkennbar davon aus, dass der Bescheid über die Ausweisung durch die öffentliche Bekanntmachung am 20.05.2021 wirksam zugestellt und am 05.07.2021 in Rechtskraft erwachsen sei. Die vorgenommene Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 ZustG sei jedoch aus folgenden Gründen unwirksam: Gemäß § 11 AVG könne das Bundesamt, „wenn die Wichtigkeit der Sache“ es erfordere und gegen eine abwesende Person eine Amtshandlung vorgenommen werden solle, einen Abwesenheitskurator beim zuständigen Bezirksgericht anregen. Gemäß VwGH vom 20.09.2000, 97/08/0564, sei ein Vorgehen gemäß § 25 ZustG ausgeschlossen, wenn die Wichtigkeit der Sache aufgrund der Intensität des Eingriffs in die Lebensinteressen der Partei, ein Vorgehen gemäß § 11 AVG erforderlich mache. Die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme stelle zweifellos einen wesentlichen Eingriff in die Rechte der betroffenen Person dar. Im Falle des Beschwerdeführers werde darüber abgesprochen, dass er das Freizügigkeitsrecht, das ihm gemäß der Verträge der Europäischen Union zustehe, nicht mehr in Anspruch nehmen könne. Der EuGH spreche in seiner Judikatur davon, dass das mit der Unionsbürgerschaft verknüpfte Recht auf Freizügigkeit ein elementares und persönliches Recht darstelle, vgl. EuGH 05.05.2011, Rs. McCarthy, C-434/09. Eine unionsrechtskonforme Auslegung von § 11 AVG und § 25 ZustG müsse also dazu führen, dass die Wichtigkeit der Sache der Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung – von der die betroffene Person im Regelfall keine Kenntnis erlange – entgegenstehe. Zu berücksichtigen sei auch, dass gemäß Art 30 der Freizügigkeits-RL eine Entscheidung über die Beendigung des Aufenthaltes eines Unionsbürgers dem Betroffenen in einer Weise mitgeteilt werden müsse, dass er deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen könne. Art 30 und 31 der RL sind auf Fälle von Ausweisungsverfügungen gemäß Art 15 analog anwendbar (vgl EuGH 22.06.2021, C-719/19, Rz 67). Habe der betroffene Unionsbürger – wie der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall – aber schon gar keine Kenntnis von der Entscheidung, könne er konsequenterweise auch weder Inhalt noch Wirkung der Entscheidung nachvollziehen. Dieser unionsrechtlichen Vorgabe werde die Behörde auch nicht dadurch gerecht, als dem Beschwerdeführer am 24.11.2020 eine schriftliche Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme ausgehändigt worden sei. Der Beschwerdeführer beherrsche die deutsche Sprache nicht ausreichend, um den Inhalt eines derartigen Schriftstückes erfassen zu können. Dem Beschwerdeführer habe daher auch nicht klar sein können, was das Schreiben für ihn bedeute und dass er etwa verpflichtet wäre, der Behörde eine Adresse bekannt zu geben (Anzumerken sei überdies, dass in der Verständigung lediglich die Rede davon sei, der Beschwerdeführer müsse eine Änderung seiner Abgabestelle bekannt geben, widrigenfalls eine Zustellung durch Hinterlegung gemäß §§ 8 iVm 23 ZustG erfolgen würde. Dem Akteninhalt zufolge habe der Beschwerdeführer jedoch zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens über eine Abgabestelle verfügt. Da der Beschwerdeführer keine Kenntnis von der Zustellung erlangt habe (bzw erlangen habe können), habe er auch keinen Rechtsbehelf – wie in Art 31 der Freizügigkeits-RL vorgesehen – erheben können. Somit entspreche die Vorgehensweise der Behörde auch nicht den Grundsätzen eines fairen Verfahrens und effektiven Rechtsschutzes. Da die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung am 20.05.2021 somit keine Rechtswirkung entfalte, gelte der Ausweisungsbescheid gegenüber dem Beschwerdeführer nicht als erlassen und es habe zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung auch keine entsprechende Ausreiseverpflichtung bestanden. Schon aus diesem Grund stelle sich die Verhängung der Schubhaft als rechtswidrig dar.

Die Schubhaft sei unionsrechtswidrig:

In einem Urteil vom 22.06.2021 in der Rs zur Zahl C-718/19 habe der EuGH kürzlich wichtige Klarstellungen hinsichtlich der Zulässigkeit der Schubhaft gegenüber Unionsbürgerinnen (und sonstigen begünstigten Personen) getroffen. Zunächst halte der EuGH fest, dass Schubhaft in der Freizügigkeits-RL nicht explizit vorgesehen sei, jedoch ein solcher Eingriff aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt sein könne. Hervorzuheben sei, dass der EuGH die Verhängung der Schubhaft bei Bestehen von Fluchtgefahr in engem Zusammenhang mit der im Einzelfall festgestellten Gefährdung der öffentlichen Ordnung setze. Somit seien die Aussagen zur Zulässigkeit der Schubhaft auf die Durchsetzung von Aufenthaltsverboten iSd § 67 FPG begrenzt. Mit § 67 FPG seien die Art 27 ff. der Freizügigkeits-RL umgesetzt worden. § 66 FPG stelle sich jedoch als Umsetzung von Art 15 der Freizügigkeits-RL dar. Der EuGH unterscheidet in seiner Judikatur sehr klar zwischen aufenthaltsbeendenden Maßnahmen, die auf Basis einer Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gemäß Art. 27 ff. erlassen werden, und aufenthaltsbeenden Maßnahmen, die gem. Art 15 erlassen werden, weil die betroffene Person die Bedingungen für den rechtmäßigen Aufenthalt nicht (mehr) erfülle, vgl Rs Chenchooliah, C-94/18, Urteil vom 10.09.2019. Schon nach dem Wortlaut des Art. 15 der Richtlinie 2004/38 – wolle man dieser Bestimmung nicht einen großen Teil ihres Inhalts und ihrer praktischen Wirksamkeit nehmen – erfasse ihr Geltungsbereich eine Ausweisungsverfügung, die wie im Ausgangsverfahren aus Gründen ergehe, die nicht mit einer Gefahr für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit zusammenhängen, sondern damit, dass ein Familienangehöriger eines Unionsbürgers, der in der Vergangenheit über ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38 verfügt habe, das sich aus der Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit durch den Unionsbürger abgeleitet habe, nach dem Wegzug des Unionsbürgers aus dem Aufnahmemitgliedstaat und seiner Rückkehr in den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitze, gegenwärtig nicht mehr über ein solches Aufenthaltsrecht verfüge. Vgl. weiters EuGH Urteil vom 22.06.2021, C-719/19: Art. 15 („Verfahrensgarantien“) der Richtlinie 2004/38 finde insoweit auf eine Ausweisungsverfügung Anwendung, die wie im Ausgangsverfahren aus Gründen ergehe, die nicht mit einer Gefahr für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit zusammenhängen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. September 2019, Chenchooliah, C-94/18, Rn. 73). Da der EuGH aber explizit eine Verbindung herstelle zwischen der Rechtmäßigkeit der Schubhaft und der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemäß Art. 27 ff. der Freizügigkeits-RL sei im Umkehrschluss davon auszugehen, dass die Schubhaft dann unzulässig sei, weil unverhältnismäßig sei, wenn mit ihr (nur) die Durchsetzung einer Ausweisungsverfügung iSd Art 15 der Freizügigkeits-RL bezweckt werden solle. Der EuGH halte weiters fest, dass es jedenfalls unverhältnismäßig sei, dieselben Haftdauer für Drittstaatsangehörige wie für Unionsbürgerinnen vorzusehen, weil die Abschiebung von Unionsbürgerinnen wesentlich schneller und unbürokratischer laufen müsse. Das nationale Recht sehe nur in § 80 FPG Höchstdauern der Schubhaft vor, welche an die zulässige Schubhafthöchstdauer gemäß Art 15 der Rückführungs-RL anknüpfen. Wie der EuGH ausgeführt habe, sei eine Anknüpfung an diese Höchstdauer jedoch nicht zulässig. Der österreichische Gesetzgeber müsse daher – um einen unionsrechts- und verfassungskonformen Rechtszustand herzustellen – unterschiedliche (kürzere) Höchstfristen für Unionsbürgerinnen und begünstigte Drittstaatsangehörige vorsehen. Der VfGH habe im Erkenntnis vom 07.10.2020 zur Zahl G 164/2020 ua Bestimmungen zur Beugehaft unter anderem deshalb als verfassungswidrig aufgehoben, weil diese keine gesetzlich determinierten Höchstfristen vorsahen. Die Regelung habe einen Verstoß gegen Art 1 Abs 3 des Bundesverfassungsgesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit dargestellt. Mangels gesetzlicher Festlegung gesetzlicher Höchstfristen erweise sich daher die Schubhaft im Anwendungsbereich der Freizügigkeits-RL für unzulässig.

Es bestehe keine Fluchtgefahr:

Sollte das BVwG davon ausgehen, dass – entgegen der hier dargelegten Rechtsansicht – der Ausweisungsbescheid wirksam zugestellt worden sei, so bringe der Beschwerdeführer vor, dass auch die sonstigen Voraussetzungen für die Schubhaft – wie insbesondere das Vorliegen von Fluchtgefahr – nicht gegeben seien: Der Beschwerdeführer halte fest, dass eine nachvollziehbare Beurteilung der Fluchtgefahr im vorliegenden Fall mangels Durchführung einer Einvernahme nicht erfolgen habe können. Die Vorgehensweise der Behörde werde im angefochtenen Bescheid damit begründet, dass sich der Beschwerdeführer aggressiv verhalten und die Kooperation verweigert habe. Der Beschwerdeführer habe in unverständlicher Sprache geschimpft und sich geweigert, mit dem beigezogenen Dolmetscher zu kommunizieren. Die belangte Behörde wäre allerdings angehalten gewesen, zumindest einen weiteren Versuch zu unternehmen, um mit dem Beschwerdeführer eine Einvernahme durchzuführen, um den maßgeblichen Sachverhalt feststellen zu können. Eine Anhaltung aufgrund eines Festnahmeauftrages sei bis zu 72 Stunden zulässig. Es wäre somit noch ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden, die Einvernahme innerhalb dieses Zeitraumes nachzuholen. Der Beschwerdeführer halte fest, dass die Durchführung von Befragungen im Asylverfahren am 02.08.2021 und 16.08.2021 sowie mehrere Rechtsberatungsgespräche seit Verhängung der Schubhaft sehr wohl durchgeführt werden haben können. So stütze sich der angefochtene Schubhaftbescheid nicht auf eine ausreichende Sachverhaltsgrundlage. Die belangte Behörde ziehe § 76 Abs 3 Z 1, 2, 3 und 9 FPG als Kriterien für Fluchtgefahr heran. Mangels entsprechender Feststellungen, welche sich auf das Verhalten des beziehen, sei aber durchaus nicht ersichtlich, warum die Behörde die genannten Tatbestände als verwirklicht ansehe. Dies treffe insbesondere auf Z 2 zu – es bestehen keine Anhaltspunkte aufgrund der Aktenlage, dass der Beschwerdeführer entgegen eines Aufenthaltsverbotes in Österreich eingereist wäre. Was Z 1 und Z 3 betreffe, so werde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, dass er sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme entzogen habe. Tatsächlich habe der Beschwerdeführer aber gar keine Kenntnis davon, dass gegen ihn ein Ausweisungsbescheid erlassen worden sei, da die Zustellung gemäß § 25 ZustG erfolgt sei. Dem Beschwerdeführer könne also jedenfalls auch nicht vorgeworfen werden, dass er eine aufenthaltsbeendende Maßnahme bewusst missachtet habe. Wäre eine Einvernahme des Beschwerdeführers erfolgt und wäre ihm mitgeteilt worden, dass er aufgrund einer Ausweisung zum Verlassen des Bundesgebietes verpflichtet sei, so hätte er angegeben, dass er bereit ist, das Bundesgebiet unverzüglich zu verlassen. Der Beschwerdeführer habe sowohl in der Erstbefragung am 02.08.2021 als auch in der Einvernahme am 16.08.2021 angegeben, dass er beabsichtige, freiwillig in die SLOWAKEI auszureisen. Da die Ausweisung den Beschwerdeführer nur zum Verlassen des Bundesgebietes verpflichte, könne der Beschwerdeführer der Ausreiseverpflichtung nicht nur durch Ausreise in den Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitze, sondern auch durch Ausreise in jeden anderen Mitgliedstaat nachkommen. Der Beschwerdeführer habe in beiden Einvernahmen klargestellt, dass er in die SLOWAKEI ausreisen wolle, da er dort aufgewachsen sei und sich auch seine Familie dort aufhalte. Es gebe daher auch keinen Grund, an der Absicht des Beschwerdeführers zu zweifeln. Sicherungsbedarf sei daher nicht gegeben. In einer Einvernahme habe der Beschwerdeführer außerdem angegeben, dass er in WIEN von verschiedenen Obdachloseneinrichtungen (z.B. der XXXX der XXXX bzw dem Tageszentrum XXXX ) unterstützt werde und sich regelmäßig bei den genannten Institutionen aufhalte. Der Beschwerdeführer habe auch regelmäßig medizinische Versorgung in Anspruch genommen, diese seien in der Magistratsabteilung XXXX dokumentiert. Somit wäre – trotz der Obdachlosigkeit – der Aufenthalt des Beschwerdeführers für die Behörde leicht zu ermitteln und eine Greifbarkeit gegeben (vgl VwGH 20.10.2016, Ra 2015/21/0091). Der Beschwerdeführer hätte auch angegeben, dass er zwischenzeitig das österreichische Bundesgebiet verlassen und sich in der SLOWAKEI aufgehalten habe und dass er nicht länger als 3 Monate durchgehend in Österreich aufhältig gewesen sei. Dem Akt seien im Übrigen auch keine Anhaltspunkte dahingehend zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung des Ausweisungsbescheides bzw. im Zeitraum ab dessen Erlassung bis zur Festnahme am 31.07.2021 tatsächlich im Bundesgebiet aufhältig gewesen wäre. Lediglich zwei punktuelle Aufgriffe (am 24.11.2020 und eben am 31.07.2021) seien aktenkundig. Wenn die Behörde ausführe, der Beschwerdeführer habe sich als nicht vertrauenswürdig erwiesen und es sei davon auszugehen, dass er hinkünftig nicht gewillt sei, Rechtsvorschriften einzuhalten, so erschließe sich nicht, auf welches Verhalten sich die Behörde beziehe, zumal der Beschwerdeführer eben zu keinem Zeitpunkt einvernommen worden sei. Diesen Ausführungen komme kein Begründungswert zu.

Die Schubhaft sei unverhältnismäßig:

Auch was die Frage der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und die Anwendbarkeit gelinderer Mittel betreffe, sei die Begründung im Bescheid mangelhaft. Die Behörde beziehe bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch § 76 Abs. 2a FPG ein, obwohl sich diese Bestimmung nur auf Fälle strafrechtlich relevanten Fehlverhaltens beziehen. Der Beschwerdeführer sei aber unbescholten, ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten werde dem Beschwerdeführer im Bescheid auch nicht angelastet. Gerade der Umstand, dass der Beschwerdeführer unbescholten sei, spreche dafür, dass die Haft, die bereits jetzt knapp vier Wochen andauere, unverhältnismäßig sei, da es eben nicht um die Durchsetzung eines Aufenthaltsverbotes, welches aus Erwägungen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erlassen worden sei, gehe. Vielmehr sei der einzige Vorwurf, der dem Beschwerdeführer gemacht werde, dass er die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht (mehr) erfülle. In der Rs C-718/19 vom 22.06.2021 halte der EuGH fest, dass jede Haftmaßnahme eine Beschränkung des Rechts auf Freizügigkeit darstelle und immer unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit betrachtet werden müsse. Im Anlassfall sei es um die Verhängung einer Schubhaft gegangen, nachdem gegen die betroffene Person ein Aufenthaltsverbot gemäß Art. 27 ff. der Freizügigkeits-RL erlassen worden sei. Dies entspreche nach der österreichischen Rechtslage der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 FPG. Gegenständlich gehe es aber um die Durchsetzung einer Ausweisung gemäß § 66 FPG, die sich auf Art 15 der Freizügigkeits-RL als unionsrechtlicher Grundlage stütze. Die Ausweisung stütze sich nur auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht (mehr) erfülle, nicht jedoch auf Gründe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Wie dargestellt, sei der Beschwerdeführer unbescholten und eine entsprechende Gefährdung sei nicht festgestellt. Umso mehr gelte daher, dass die Anordnung der Schubhaft im Fall des Beschwerdeführers nur als ultima ratio und einen entsprechend kurzen Zeitraum in Frage komme. Die belangte Behörde habe ein Heimreisezertifikat von der KROATISCHEN Vertretungsbehörde beantragt, da der Beschwerdeführer über keinen gültigen Personalausweis mehr verfüge. Der Beschwerdeführer habe den Verlust des Dokuments bei der Polizeiinspektion angezeigt. Die Dauer der Schubhaft sei daher aus jetziger Sicht nicht absehbar und die Schubhaft somit jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt als unverhältnismäßig anzusehen. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft seien auch etwaige Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes miteinzubeziehen (vgl VwGH 18.03.2021, Ra 2020/21/0375). Die belangte Behörde berücksichtige den Gesundheitszustand nur unter dem Aspekt der Haftfähigkeit, nicht jedoch unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit. Der Beschwerdeführer leide an einer XXXX und sei zu diesem Zweck auch bereits einmal ins Spital verbracht worden. Zudem sei aufgrund des persönlichen Eindrucks der Rechtsberaterinnen, die mit dem Beschwerdeführer gesprochen haben, davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer auch an einer – möglicherweise nicht diagnostizierten – psychischen Beeinträchtigung leide. Für das Bestehen einer psychischen Beeinträchtigung seien auch dem Akt mehrere Hinweise zu entnehmen. In diesem Zusammenhang sei das angesprochene aggressive Verhalten des Beschwerdeführers und das Schimpfen in unverständlicher Sprache im Rahmen der Vorführung am 31.07.2021 zu nennen. Weiters werde in der Niederschrift der Einvernahme im Asylverfahren am 16.08.2021 an mehreren Stellen festgehalten, dass der Beschwerdeführer einen verwirrten Eindruck mache. Der Beschwerdeführer beantrage daher die Heranziehung des medizinischen Aktes des Polizeianhaltezentrums XXXX als Beweismittel sowie die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens, etwa durch den Verein XXXX (inklusive Gewährung von Parteiengehör). Der erkennende Richter bzw die erkennende Richterin möge sich auch einen persönlichen Eindruck von der Person des Beschwerdeführers machen. Weiters wäre im Fall des Beschwerdeführers gelindere Mittel zur Erreichung des Sicherungszwecks ausreichend gewesen. Die Obdachlosigkeit stehe der Anordnung gelinderer Mittel nicht entgegen. Im Fall des Beschwerdeführers wäre insbesondere das gelindere Mittel einer periodischen Meldeverpflichtung, aber auch das gelindere Mittel der angeordneten Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten, in Frage gekommen. Das Vorliegen einer Krankheit zähle nach der Judikatur des VwGH zu jenen Umständen, die die Anordnung eines gelinderen Mittels nahelegen (vgl VwGH 02.08.2013, 2013/21/0008). Wie sich aus Rz 58 des zitierten EuGH-Urteils zur Zahl C-718/19 ergebe, solle weniger einschränkenden Maßnahmen der Vorzug gegeben werden.

Für den Fall der Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantrage der Beschwerdeführer die Heranziehung eines Dolmetschers [bzw.] einer Dolmetscherin für die Sprache SLOWAKISCH.

Da dem Beschwerdeführer mit Einbringung der Beschwerde Ausgaben in Höhe von € 30 entstehen, ergehe der Antrag, dass ihm im Fall des Obsiegens Kostenersatz in Höhe von € 30 zugesprochen werde.

Aus den genannten Gründen beantrage der Beschwerdeführer, das BVwG möge ein medizinisches (psychiatrisches) Sachverständigengutachten einholen, eine mündliche Verhandlung durchführen, den angefochtenen Bescheid beheben und aussprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgt sei, aussprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers nicht vorliegen und dem Beschwerdeführer Aufwandersatz im Umfang der Eingabengebühr iHv € 30 zuerkennen.

11. Die Beschwerde langte am selben Tag beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Am selben Tag übermittelte das Bundesamt die Akten und erstattete eine Stellungnahme, in der es ausführte, dass der Beschwerdeführer, nachdem das Bundesamt gegen ihn eine Ausweisung erlassen habe und ihn in Schubhaft genommen habe, einen ungerechtfertigten Asylantrag gestellt habe, der mit 18.08.2021 zurückgewiesen worden sei. Vor der Verhängung der Schubhaft sei im Rahmen einer minutiös durchgeführten Einzelfallprüfung das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes sowie das Vorliegen einer ultima-ratio-Situation nachvollziehbar geprüft worden. Auf den handschriftlichen Aktenvermerk vom 31.07.2021 dürfe explizit hingewiesen werden. Ein durchschlagender Sicherungsbedarf und somit das Vorliegen von Fluchtgefahr lasse sich zwanglos aus der Aktenlage ableiten.

Zur Beschwerde führte das Bundesamt Folgendes aus:

Nach Ansicht der Behörde sei die Zustellung des Bescheides zur Ausweisung sehr wohl wirksam. Durch die Argumentation „Wichtigkeit der Sache aufgrund der Intensität des Eingriffs in die Lebensinteressen der Partei“ werde hier versucht, aus einer Mücke einen Verwaltungselefanten zu machen. Eine Ausweisung, die weder einer zeitnahen Rückkehr ins Bundesgebiet, noch einer Aufnahme legaler Beschäftigung, noch einer dauerhaften Niederlassung für EU-Bürger entgegenstehe, stelle keinesfalls einen derart massiven Eingriff in die Lebensinteressen des Beschwerdeführers dar, dass ein Abwesenheitskurator bestellt werden müsse. Bei der Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung in ähnlich gelagerten Fällen handle es sich um eine Standardprozedur, die bis dato stets von allen Instanzen akzeptiert worden sei. Die Argumentation zur „Unkenntnis“ des Verfahrens gehe insofern in die Lehre, dass erstens die Amtssprache in Österreich Deutsch sei; es bestehe keine Verpflichtung der Behörde diese Unterlage in der jeweiligen Landessprache auszufolgen. Zweitens obliegt es der betroffenen Person, sich um eine entsprechende Übersetzung zu kümmern. Drittens stehe das BFA den betroffenen in den Amtsstunden fünf Tage die Woche zur Verfügung. Der Beschwerdeführer habe sich weder bei der Behörde gemeldet, noch diese schriftlich um Auskunft gebeten.

Nachdem die Behörde von der Rechtmäßigkeit der Zustellung ausgehen könne und der Beschwerdeführer der behördlichen Anordnung nicht nachgekommen sei, sei nach entsprechender Prüfung die Schubhaft verhängt worden. Die Schubhaften der Behörde EU-Bürger betreffend unterliegen einer laufenden Überprüfung der Instanzen und werden stets bestätigt. Es bestehe keine Unionsrechtswidrigkeit.

In der Beschwerde werde von der Kooperationsbereitschaft des Beschwerdeführers gesprochen. Das sei ein probates Mittel der Beschwerdeverfasser, die ultimo ratio Eigenschaft der Schubhaft zu untergraben. Hätte nämlich der Beschwerdeführer bis dato Interesse an einer Kooperation gehabt, hätte sich das sicherlich einrichten lassen. Der Beschwerdeführer sei kein einziges Mal bereit gewesen, mit den Behördenvertretern und den Dolmetschern zu reden. Er mache keine Angaben vor der Behörde, die Tatsache aber, dass er mit der BBU problemlos rede, zeige das bewusst betriebene Spiel des Beschwerdeführers: Er denke gar nicht daran, seiner Mitwirkungspflicht nachzukommen und den Behördenkontakt zu wahren, er sei im höchstem Maße unzuverlässig.

Die Verhängung des gelinderen Mittels setze u.a. eine zumindest minimale Zuverlässigkeit der Verfahrensperson voraus. Der Beschwerdeführer habe aufgrund seiner Verhaltensweise und aufgrund der Umstände jegliches Recht auf ein Vertrauen seitens der Behörde verspielt. Im Verfahrensgang seien die Verfehlungen genau aufgelistet. Nachdem der Beschwerdeführer weder finanzielle Mitteln habe, noch eine Möglichkeit sich anzumelden, noch den Willen sich der behördlichen Anordnungen zu unterwerfen, sei das gelindere Mittel zur Zeitpunkt der Inhaftierung nicht zu verhängen gewesen.

Der Beschwerdeführer habe gegen Gesetze in Österreich verstoßen und widersetze sich den behördlichen Anordnungen. Trotzdem hätte die Behörde alles unternommen, den Beschwerdeführer so schnell wie möglich außer Landes zu bringen. Dies sei durch den Beschwerdeführer selbst vereitelt worden, der am 02.08.2021 einen unsinnigen Asylantrag gestellt und so zur momentanen Situation wesentlich beigetragen habe. Die Behörde habe kein Problem damit, den Beschwerdeführer in die SLOWAKEI ausreisen zu lassen, habe jedoch das Verfahren zur Erlangung des Heimreisezertifikates aufgrund der Asylantragstellung unterbrechen müssen.

Zusammenfassend könne keinerlei Säumnis der Behörde erkannt werden, da immer auf jede Änderung der Lage umgehend reagiert worden sei. Es sei eine genaue Einzelprüfung durchgeführt worden und auf die kürzest mögliche Schubhaftdauer werde hingewirkt; der Beschwerdeführer habe eine frühere Ausreise und Entlassung selbst unterminiert.

Das Bundesamt beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge die Beschwerde als unbegründet abweisen und den Beschwerdeführer zum Ersatz der Kosten in Höhe von Vorlage- und Schriftsatzaufwand verpflichten.

12. Nach Rücksprache der Rechtsberaterin mit dem Beschwerdeführer teilte diese auf Anfrage des Gerichts mit, dass der Beschwerdeführer auf einen SLOWAKISCHEN Dolmetscher bestehe. Mit Schriftsätzen vom 30.08.2021 lud das Bundesverwaltungsgericht die Parteien und eine Dolmetscherin für die Sprache SLOWAKISCH zur hg. mündlichen Verhandlung.

Das Bundesamt teilte auf Anfrage des Bundesverwaltungsgerichts am 30.08.2021 mit, dass das Verfahren zur Erlangung des Heimreisezertifikates wegen der Asylantragstellung unterbrochen habe werden müssen. Es könne erst wieder nach Durchführbarkeit des Bescheides wiederaufgenommen werden. Die Identität des Beschwerdeführers stehe nicht fest, bisher habe er kein Originaldokument vorlegen können.

Die Abteilung Dublin und Internationale Beziehungen – Rückkehrvorbereitung der Direktion des Bundesamtes bestätigte dies und gab zusätzlich an, dass Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates durch KROATIEN ca. ZWEI Monate dauern. Sollte der Beschwerdeführer identifiziert werden, sei die Ausstellung eines Heimreisezertifikates problemlos und die Rückführung des Beschwerdeführers nach KROATIEN könne innerhalb weniger Tage organisiert werden.

Am 30.08.2021 langten auch die amtsärztlichen Unterlagen des Beschwerdeführers aus dem Polizeianhaltezentrums XXXX hg. ein.

In der Gesundheitsbefragung am 31.07.2021 um 11:12 machte der Beschwerdeführer keine Angaben. Laut polizeiamtsärztlichem Gutachten vom 01.08.2021 war der Beschwerdeführer uneingeschränkt haftfähig. Laut Krankenakt war der Beschwerdeführer am 01.08.2021 subjektiv beschwerdefrei und gab an, nichts vom Arzt zu brauchen. Er habe keine bekannten Therapien, keine Dauermedikation, keine chronische Erkrankung und keine rezidivierenden Verletzungen. Er imponierte bei der Vorstellung psychisch stabil, es war kein ausgeprägter Substanzabusus erhebbar, Allgemein- und Ernährungszustand waren gut. Am 07.08.2021 ersuchte er um eine Abklärung seines XXXX -Status, ob seine XXXX aktiv oder behandlungsbedürftig sei. Am 10.08.2021 gab der Beschwerdeführer an, dass die XXXX wisse, wo er behandelt worden sei; er sei am 19.01.2021 aus dem XXXX entlassen worden und nicht mehr infektiös, SECHS Monate lang therapiert worden, die Behandlung sei abgeschlossen. Am 12.08.2021 wurde der Beschwerdeführer geröngt. Laut Erhebungen der XXXX entwich der Beschwerdeführer nach ZWEI Monaten aus dem XXXX und brach die Therapie ab. Laut Eintragung vom 13.082.201 war der XXXX auf XXXX negativ. Das XXXX zeige eine deutliche Besserung verglichen mit DEZEMBER 2021, zur Zeit bestehe kein Hinweis auf XXXX . Mit Befund und Gutachten des Polizeiamtsarztes wurde die Ausführung des Beschwerdeführers in die Klinik XXXX zur Diagnose und Therapie angeordnet. Laut der Ambulanzkarte der Klinik XXXX vom 12.08.2021 war der XXXX des Beschwerdeführers am 12.08.2021 auf XXXX negativ, das XXXX zeigte eine deutliche Besserung verglichen mit DEZEMBER 2020. Zur Zeit liege kein Hinweis auf XXXX vor. Der Beschwerdeführer sei von der XXXX zugewiesen worden und Häftling in Begleitunt der Polizei. Er sei im DEZEMBER 2020 in der Klinik XXXX wegen XXXX stationär in Behandlung, nahm seinen eigenen Angaben zufolge die Medikamente nur einen Monat lang ein. Der XXXX –Test am selben Tag war negativ. Laut den beiliegenden Befunden stammte der Vergleichsbefund des XXXX vom 30.12.2020. Laut dem Befund der XXXX vom 12.08.2021 ersuchte diese um die Überstellung des Beschwerdeführers vom Polizeianhaltezentrum in die XXXX der Klinik XXXX . Unter einem übermittelte die XXXX den Vergleichsbefund aus DEZEMBER 2020. Laut Befund vom 12.08.2021 wurde eine sofortige Abklärung bei Beschwerden in den XXXX empfohlen, sonst eine Röntgenkontrolle in DREI Monaten empfohlen.

Die hg. mündliche Verhandlung am 03.09.2021, an der der Beschwerdeführer, seine Rechtsberaterin und eine Dolmetscherin für die Sprache SLOWAKISCH teilnahmen, gestaltete sich wie folgt:

„R fragt BF: Haben Sie das Gefühl, dass Sie die Dolmetscherin gut verstehen?

BF: Ja.

D: Ich habe das Gefühl, ich kenne den BF von seinem Verfahren im Oberlandesgericht.

R: Können Sie Umstände glaubhaft machen, welche die Unbefangenheit der Dolmetscherin in Zweifel ziehen? Oder vereinfacht gesagt, haben Sie irgendeinen Einwand gegen die Dolmetscherin, z.B. weil Sie sie kennen, oder aus anderen Gründen?

BF: Nein, ich kenne die Dolmetscherin nicht und habe keinen Einwand gegen sie.

Nach Beratung mit BFV: Ich möchte die Verhandlung machen und kenne die Dolmetscherin nicht.

R: Sollten Sie zu irgendeinem Zeitpunkt das Gefühl bekommen, dass es Probleme bei der Übersetzung gibt, oder sollten Sie etwas nicht verstehen, ersuche ich Sie das sofort zu sagen.

BF: Ja.

R: Letzteres gilt nicht nur für die Übersetzung, sondern auch für den Fall, dass Sie den Inhalt einer Frage nicht verstehen. Sie können das jederzeit sagen und ich werde die Frage umformulieren oder Ihnen mit anderen Worten erklären, was ich wissen will.

BF: Ja.

R befragt D: Sind Sie mit der Bestellung als Dolmetscherin im vorliegenden Verfahren einverstanden?

D: Ja.

[…]

R befragt den BF, ob er physisch und psychisch in der Lage ist, der heute stattfindenden mündlichen Beschwerdeverhandlung zu folgen und die an ihn gerichteten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten bzw. ob irgendwelche Hinderungsgründe vorliegen.

BF: Ich fühle mich geistig und körperlich in der Lage an der Verhandlung teilzunehmen.

[…]

Befragung von BF:

R: Geben Sie für das Protokoll Ihren vollen Vornamen, Nachnamen, Geburtsort und -datum und Staatsangehörigkeit an!

BF: XXXX in der damaligen Tschechoslowakei, heutige Slowakei, im Bezirk XXXX , ich weiß nicht genau, wo. Ich bin TSCHECHOSLOWAKISCHER Staatsbürger.

R: Sind Sie nur TSCHECHOSLOWAKISCHER Staatsbürger oder haben Sie auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates?

BF: Nein.

R: Laut Akt sind Sie KROATE.

BF: Nein, ich bin kein KROATE.

R: Geben Sie Ihren Familienstand an! Haben Sie Kinder?

BF: Ledig. Ich habe keine Kinder.

R: Welche Sprachen sprechen Sie?

BF: Slowakisch, Englisch und die Sprachen des ehemaligen Jugoslawien[s]. Wenn es notwendig ist, kann ich mich auch in den Sprachen des ehemaligen Jugoslawien verständigen.

D: Wenn der BF keine Kinder hat, dann kann er doch nicht der aus der Verhandlung beim OLG sein. Der hatte nämlich zwei Kinder.

R: Haben Sie jemals eine andere Identität verwendet?

BF: Nein.

R: Sind Sie XXXX , geb. XXXX in XXXX , Jugoslawien?

BF: Nein.

R: Haben Sie Belege für Ihre Identität?

BF: Nachdem, ich in Haft gekommen bin wurde ich fotografiert. Dort sind meine Bilder. Meine Fingerabdrücke sind dort. Und ich war auch beim Arzt. Dort wurde ich untersucht.

R: Wo ist Ihr Reisepass?

BF: Ich habe keinen Reisepass.

R: Hatten Sie niemals einen Reisepass oder haben Sie nur aktuell keinen mehr?

BF. Ich habe mehrmals einen Reisepass gehabt. Aber mein Reisepass ist nicht mehr gültig.

R: Wo ist Ihr Personalausweis?

BF: Ich habe eine Identitätskarte gehabt. Die wurde mir allerdings gestohlen.

R: Laut Beschwerde haben Sie den Verlust des Personalausweises gemeldet. Können Sie die Verlustmeldung vorlegen?

BFV legt vor: Anzeigebestätigung über Diebstahl und Urkundenunterdrückung vom 21.12.2020, Diebstahl am 18.12.2020 in der XXXX .

R: Von welchem Staat wurde dieser Personalausweis ausgestellt, von der SLOWAKEI oder KROATIEN?

BF: Er wurde im ehemaligen JUGOSLAWIEN ausgestellt.

R: Warum haben Sie als SLOWAKE einen Personalausweis, der im ehemaligen JUGOSLAWIEN ausgestellt wurde?

BF: Ich wurde in der TSCHECHOSLOWAKEI geboren und außer meiner Staatsbürgerschaft kann ich auch eine andere Staatsbürgerschaft besitzen.

R: Sind Sie also Doppelstaatsbürger, SLOWAKE und KROATE?

BF: Ich habe auf allen Staatsbürgerschaften außer der TSCHECHOSLOWAKISCHEN Staatsbürgerschaft verzichtet.

R: Wann haben Sie auf die JUGOSLAWISCHE Staatsbürgerschaft verzichtet?

BF: Ich und meine Eltern sind TSCHECHOSLOWAKISCHE Staatsbürger. Meine Eltern sind dann ins ehemalige JUGOSLAWIEN gegangen und wollten dort arbeiten. Dann hat mich niemand mehr nach der Staatsbürgerschaft gefragt.

R: Ihr KROATISCHER Personalausweis wurde 2019 ausgestellt. Ich kann nicht feststellen, dass Sie Ihre KROATISCHE Staatsbürgerschaft zurückgelegt haben.

BF: Das ist kein Reisepass. Das ist ein Personalausweis. Nur ein Reisepass ist Nachweis einer Staatsbürgerschaft. Das ist eine Identifikationskarte. In XXXX am Gemeindeamt habe ich mich gemeldet und gesagt, ich möchte eine andere Staatsbürgerschaft habe[n].

R: Laut Ihrem Personalausweis sind Sie KROATE. Auf diesem steht: Citizenship: HRV.

BF: Ich bin kein KROATE und habe auch keine KROATISCHE Staatsbürgerschaft.

R: Haben Sie einen Führerschein?

BF: Keinen Führerschein.

R: Wenn Ihr Personalausweis bereits im Dezember 2020 gestohlen wurde, was haben Sie seitdem gemacht, um neue Dokumente zu bekommen?

BF: Ich habe nichts unternommen.

R: Warum nicht?

BF: Ich will nur die SLOWAKISCHE Staatsbürgerschaft haben.

R: Sie sind XXXX Jahre alt. Schildern Sie Ihren Lebenslauf! Wo haben Sie gelebt? Welche Ausbildung haben Sie gemacht? Wo haben Sie gearbeitet?

BF: Ich bin in der SLOWAKEI geboren und habe dort auch gelebt. Sieben Jahre habe ich in KANADA gelebt.

R: Von wann bis wann haben Sie in KANADA gelebt?

BF: 2013 bis 2019 habe ich in KANADA gelebt.

R: Wo haben Sie zwischen Ihrer Geburt und 2013 gelebt?

BF: 2013 bis 2020 war ich in KANADA. Vor KANADA habe ich in der SLOWAKEI gelebt.

R: Wie kann Ihr Personalausweis 2019 in XXXX ausgestellt werden, wenn Sie bis 2020 in KANADA gelebt haben?

BF: Ich kann das nicht beantworten. Ich bin in der TSCHECHOSLOWAKEI geboren. Damals waren die Gesetze so. nachdem ich in der TSCHECHOSLOWAKEI geboren wurde, habe ich die TSCHECHOSLOWAKISCHE Staatsbürgerschaft bekommen.

R: Wo haben Sie seit 2020 gelebt?

BF: In WIEN und in XXXX . Ich bin zwischen WIEN und XXXX gependelt.

R: Von wann bis wann haben Sie in WIEN gelebt?

BF: Ich bin fünfmal aus XXXX nach WIEN gefahren. Ich wollte in WIEN einen Antrag stellen, um nach KANADA ziehen zu können.

R: Wann sind Sie das letzte Mal nach WIEN gekommen?

BF: Vor zwei, drei Monaten war ich zuletzt in WIEN.

R: Haben Sie Belege dafür, dass Sie Österreich auch wieder verlassen (Zugtickets, Bustickets, Handyrechnungen).

BF: Ich habe keine Belege. Das hat mich bereits die Polizei gefragt. Ich wurde mehrmals von der Polizei in WIEN angehalten. Sie haben mich mehrmals gefragt.

R: Es gibt auch eine kanadische Botschaft in XXXX . Warum kommen Sie dazu nach WIEN?

BF: Das stimmt nicht, in XXXX gibt es keine KANADISCHE Botschaft. Die in WIEN gilt für ganz Europa.

R: Sie gaben in der Erstbefragung am 02.08.2021 an, dass Sie bis 02.06.2021 in der SLOWAKEI gelebt haben und seither in Österreich. Sie wurd

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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