TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/22 W114 2246217-1

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Veröffentlicht am 22.09.2021
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Entscheidungsdatum

22.09.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
Direktzahlungs-Verordnung §8
MOG 2007 §19 Abs3
MOG 2007 §6
MOG 2007 §8b Abs3 Z1
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W114 2246217-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Bernhard DITZ über die Beschwerde von XXXX , XXXX , XXXX , BNr. XXXX , vom 21.01.2020 gegen den Bescheid des Vorstandes für den GB II der Agrarmarkt Austria, Dresdner Straße 70, 1200 Wien (AMA) vom 10.01.2020, AZ II/4/19-14304169010, betreffend Direktzahlungen für das Antragsjahr 2019 zu Recht:

A)

1. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid insofern abgeändert, als dem Antrag von XXXX , XXXX , XXXX , BNr. XXXX , auf „Zuteilung der ZA aus der nationalen Reserve infolge höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände“ vom 02.05.2019, dem von der AMA die lfd. Nr. HF 143A19 zugewiesen wurde, stattgegeben wird.

2. Der AMA wird gemäß § 19 Abs. 3 MOG aufgetragen, gemäß den Vorgaben in Spruchpunkt 1. die entsprechenden Berechnungen hinsichtlich der Gewährung der Direktzahlungen für das Antragsjahr 2019 durchzuführen und das Ergebnis XXXX , XXXX , XXXX , BNr. XXXX , bescheidmäßig mitzuteilen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. XXXX , XXXX , XXXX (im Weiteren: Beschwerdeführer oder BF), Bewirtschafter des Betriebes mit der BNr. XXXX , stellte am 02.05.2019 für das Antragsjahr 2019 den Mehrfachantrag Flächen 2019 und beantragte die Gewährung von Direktzahlungen für beihilfefähige Flächen für ein Ausmaß von 15,1436 ha. Dabei standen ihm für das Antragsjahr 2019 11,8264 eigene Zahlungsansprüche (ZA) zur Verfügung. Darüber hinaus beantragte er am 25.04.2019 die Übertragung von 0,7100 ZA vom Bewirtschafter des Betriebes mit der BNr. XXXX und von 1,0500 ZA vom Bewirtschafter mit der BNr. XXXX . Diese beiden ZA-Übertragungen berücksichtigend verfügte der Beschwerdeführer für das Antragsjahr 2019 bei einer beantragten beihilfefähigen Fläche mit einem Ausmaß von 15,1436 ha über 13,5864 ZA.

2. Ausgehend davon, dass von der ÖBB Infrastruktur bereits ab dem Antragsjahr 2011 im Rahmen eines durchgeführten Infrastrukturprojektes das zum Betrieb mit der BNr. XXXX gehörende Grundstück mit der GstNr. 166/2 KG 19626 Winkel in Anspruch genommen wurde und damit dieses Grundstück des Betriebes mit der BNr. XXXX dem Bewirtschafter dieses Betriebes ab November 2011 für eine landwirtschaftliche Nutzung nicht mehr zur Verfügung stand, sondern erst ab Mitte 2015 teilweise und ab Oktober 2018 wieder zur Gänze zur Verfügung stand, und für dieses Grundstück auch in der Vergangenheit (ab dem Antragsjahr 2015) von der AMA keine ZA zugewiesen wurden, stellte der Beschwerdeführer auch einen mit 02.05.2019 datierten „Antrag auf Zuweisung von ZA aus der Nationalen Reserve (infolge höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände gemäß Art. 30 Abs. 7 lit. b und Art. 30 Abs. 7 lit. c der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013)“. Im Formblatt dieses gestellten Antrages wurde auf eine Grundinanspruchnahme, von der der BF seit 01.11.2011 Kenntnis habe sowie auf mitvorgelegte vier aufklärende Schreiben der ÖBB Infrastruktur hingewiesen.

In diesen Schreiben wird – im Wesentlichsten zusammengefasst – von der ÖBB Infrastruktur bestätigt, dass beginnend mit November 2011 bis Mitte 2015 das zum Betrieb mit der BNr. XXXX gehörende Grundstück mit der GstNr. 166/2 KG 19626 Winkel zur Gänze und von Mitte 2015 bis inklusive September 2018 teilweise hinsichtlich einer Fläche mit einem Ausmaß von ca. 5.900 m2 infolge einer Grundinanspruchnahme durch die ÖBB Infrastruktur dem Bewirtschafter des Betriebes mit der BNr. XXXX für eine landwirtschaftliche Nutzung nicht zur Verfügung stand.

Diesem Antrag, der bei der AMA am 04.06.2019 einlangte, wurde von der AMA die lfd. Nr. HF143A19 zugewiesen.

3. Mit Bescheid vom 10.01.2020, AZ II/4-DZ/19-14304169010, wurden dem Beschwerdeführer für das Antragsjahr 2019 Direktzahlungen mit einem Ausmaß von EUR XXXX gewährt. Den Anträgen auf Übertragung von ZA von den übergebenden Betrieben mit den BNrn. XXXX und XXXX wurde stattgegeben. Der Antrag auf „Zuteilung der ZA aus der nationalen Reserve infolge höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände“, dem von der AMA die lfd. Nr. HF143A19 zugewiesen wurde, wurde abgewiesen. In der Begründung für die Abweisung dieses Antrages wurde lediglich hingewiesen, dass dieser die Voraussetzungen nicht erfülle.

Diese Entscheidung wurde dem Beschwerdeführer am 14.01.2020 zugestellt.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 21.01.2020 online Beschwerde. In seinem Beschwerdebegehren beantragte der BF den angefochtenen Bescheid insoweit abzuändern, dass „die Zuerkennung der Beihilfe gemäß § 8b Abs. 3 Z 1 MOG erfolge“. Begründend wies er in seiner Beschwerde hin, dass sein Antrag auf Zuteilung von ZA aus der Nationalen Reserve aufgrund einer Grundinanspruchnahme im öffentlichen Interesse abgelehnt worden wäre.

Begründet werde dies damit, dass die in Anspruch genommene Fläche nicht im MFA (2015) bzw. in weiteren MFAs als "sonstige Fläche" oder mit dem Code "GI" beantragt worden wäre. Ab dem Jahr 2011 habe die ÖBB das Grundstück mit der Gst.Nr. 166/2 KG Winkel 19626 zum Teil und „im Jahr 2015“ mit einer Fläche von ca. 1,55 ha beansprucht. Somit sei es diesbezüglich zu keiner Erstzuweisung von ZA gekommen.

Eine Grundvoraussetzung im Zuge der MFA-Antragstellung sei, dass Flächen, die länger als drei Jahre nicht landwirtschaftliche genutzt werden könnten, aus dem MFA genommen werden müssten. Sie dürften nicht - auch nicht als „sonstige Fläche" oder mit der Codierung „GI" versehen - beantragt werden.

Erst für das Antragsjahr 2019 sei dem BF diese Fläche wieder zur (landwirtschaftlichen) Bewirtschaftung zur Verfügung gestanden. Daher habe er „diese Fläche“ wieder in den MFA (für das Antragsjahr 2019) aufgenommen.

Gemäß § 8b Abs. 3 Z 1 MOG und entsprechend Kapitel 1.4. des Merkblattes der AMA betreffend "Zuweisung von Zahlungsansprüchen aus der nationalen Reserve" habe er „am 04.06.2019“ einen Antrag auf Zuteilung von ZA aus der nationalen Reserve eingebracht und dem Antrag entsprechende Nachweise beigelegt, aus denen ersichtlich sei, dass die Flächen für Tätigkeiten im öffentlichen Interesse in Anspruch genommen worden wären. Nach Rekultivierung und Rückgabe wären die Flächen erstmals wieder für eine Betragung im MFA 2019 zur Verfügung gestanden.

5. Am 09.09.2021 legte die AMA dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde und die Unterlagen des bezughabenden Verwaltungsverfahrens zur Entscheidung vor.

In einer „Aufbereitung für das BVwG“ wies die AMA in einer „inhaltlichen Beurteilung der Beschwerde“ hin, dass dem BF (für das Antragsjahr) 2018 11,8264 ZA zur Verfügung gestanden wären. Für 2019 wären 1,7600 ZA von anderen Betrieben übernommen worden, sodass (dem BF für das Antragsjahr 2019) 13,5864 ZA zur Verfügung gestanden wären.

Bei einer beantragten Fläche mit einem Ausmaß von 15,1435 ha im Antragsjahr 2019 ergebe das eine Fläche (mit einem Ausmaß) von 1,5571 ha, für die keine ZA zur Verfügung stehen würden.

Weil seit 2015 keine Fläche mit Grundinanspruchnahme oder als sonstige Fläche beantragt worden wäre, könne die Zuweisung aus der nationalen Reserve infolge Höherer Gewalt nicht anerkannt werden.

Voraussetzung für die Zuweisung von ZA gemäß § 8b Abs. 3 Z. 1 MOG sei nach Ansicht der AMA die Angabe der von der vorübergehenden Grundinanspruchnahme (GI) betroffenen Fläche im Mehrfachantrag und deren Codierung mit "GI" oder "sonstige Flächen. Dies sei erforderlich, um das genaue Ausmaß der von der GI betroffenen (beihilfefähigen) Fläche festzustellen. Denn nur für diese Flächen könnten ZA aus der Nationalen Reserve zugewiesen werden. Da der BF diese Flächen im MFA 2015 nicht angegeben habe, könnten die entsprechenden ZA auch nicht zugewiesen werden. Rechtlich werde das von der AMA damit begründet, dass § 8b Abs. 3 Z.1 MOG die Zuweisung von ZA aus der Nationalen Reserve an Betriebsinhaber vorsehe, denen infolge höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände im Zuge der Erstzuweisung keine ZA zugewiesen worden wären. Die AMA leite daraus ab, dass eine solche Beantragung notwendig sei, um festzustellen ob ein Antragsteller tatsächlich von Grundinanspruchnahme betroffen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Mit Schreiben der ÖBB Infrastruktur AG vom 09.08.2011 wurde der damaligen grundbücherlichen Eigentümerin des Grundstückes mit der Gst.Nr. 166/2 KG 19626 Winkel, XXXX , mitgeteilt, dass – ausgehend von einem zwischen der ÖBB Infrastruktur AG und der damaligen Grundstückseigentümerin am 29.12.1999 befristet abgeschlossenen Bestandsvertrages - im Zuge eines Infrastrukturprojektes das Grundstück mit der Gst.Nr. 166/2 KG 19626 Winkel ab November 2011 für die Errichtung eines temporären (für die gesamte Bauzeit des Infrastrukturprojektes) erforderlichen Baubüros in Containerbauweise benötigt werde und ab November 2011 für eine landwirtschaftliche Nutzung temporär nicht mehr zur Verfügung stehe.

1.2. In einem weiteren Schreiben der ÖBB Infrastruktur AG vom 06.10.2015 wurde nunmehr XXXX , informiert, dass sich die Nutzung des Grundstückes mit der Gst.Nr. 166/2 KG 19626 Winkel im Zuge des Infrastrukturprojektes verändert habe. Dieses Grundstück werde nicht mehr vollflächig, sondern seit Mitte 2015 nur in Teilbereichen als Baustelleneinrichtungsfläche genutzt.

1.3. In einem weiteren Schreiben der ÖBB Infrastruktur AG vom 25.04.2019 wird auf ein (dem Bundesverwaltungsgericht nicht vorgelegtes) Schreiben der ÖBB Infrastruktur AG vom 09.10.2015, GZ: NA-PLWO4-NAA464/04-0024/Sc, hingewiesen, wonach ab Mitte 2015 von der ÖBB Infrastruktur AG für das Infrastrukturprojekt vom Grundstück mit der Gst.Nr. 166/2 KG 19626 Winkel nur mehr eine Fläche mit einem Ausmaß von ca. 5.900 m2 (= 0,59 ha) beansprucht worden wäre.

1.4. Für eine landwirtschaftliche Nutzung von Flächen auf dem Grundstück mit der Gst.Nr. 166/2 KG 19626 Winkel wurden von der AMA weder im Kalenderjahr 2015 noch in einem späteren Kalenderjahr einem Bewirtschafter eines landwirtschaftlichen Betriebes, insbesondere auch nicht dem Beschwerdeführer ZA zugewiesen.

1.5. Weder im MFA 2015, noch im jeweiligen MFA für die Antragsjahre 2016, 2017 und 2018 wurden vom BF Flächen des Grundstückes mit der Gst.Nr. 166/2 KG 19626 Winkel als beihilfefähige Flächen oder als Flächen mit dem Hinweis auf eine Grundinanspruchnahme aufgenommen.

1.6. Der Beschwerdeführer stellte am 02.05.2019 für das Antragsjahr 2019 den Mehrfachantrag Flächen 2019 und beantragte die Gewährung von Direktzahlungen für beihilfefähige Flächen für ein Ausmaß von 15,1436 ha. Während er in den MFAs für die Antragsjahre 2015, 2016, 2017 und 2018 Direktzahlungen nur für die Feldstücke 1 „Hausfeld“, 2 „Eichgraben“, 4 „Schadenhütten“, 5 „Pimas“, 12 „Kalabrunn“ und 13 „Mitterndorf“ beantragte, beantragte er im MFA für das Antragsjahr 2019 darüber hinaus auch Direktzahlungen für das Feldstück 15 „Krainzen“ mit einem Ausmaß von 0,7110 ha.

1.7. Mit einem mit 02.05.2019 datiertem Formular stellte der BF einen „Antrag auf Zuweisung von ZA aus der Nationalen Reserve (infolge höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände gemäß Art. 30 Abs. 7 lit. b und Art. 30 Abs. 7 lit. c der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013)“. In diesem Formular wies er auf eine Grundinanspruchnahme hin, von der er seit 01.11.2011 Kenntnis habe. Dieser Antrag langte in der AMA am 04.06.2019 ein.

1.8. Mit dem Antrag auf Antrag auf Zuweisung von ZA aus der Nationalen Reserve legte der Beschwerdeführer auch Nachweise über eine Grundinanspruchnahme von Flächen des Grundstückes mit der Gst.Nr. 166/2 KG 19626 Winkel durch die ÖBB Infrastruktur AG vor.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die wiedergegebenen Feststellungen ergeben sich aus den von der AMA dem BVwG vorgelegten Unterlagen des von der AMA geführten Verwaltungsverfahrens. Widersprüchlichkeiten dazu liegen nicht vor.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und Verfahren:

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden in Rechtssachen in Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß § 6 Marktordnungsgesetz 2007 (MOG 2007), BGBl. I Nr. 55/2007 i.d.g.F., ist die AMA zuständige Marktordnungs-, Interventions- und Zahlstelle im Sinne dieses Bundesgesetzes, soweit sich nicht der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft im Interesse der Wahrung des Gesamtzusammenhangs und der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung durch Verordnung Angelegenheiten der Vollziehung des gemeinschaftlichen Marktordnungsrechts vorbehält.

Gemäß § 1 AMA-Gesetz, BGBl. 376/1992 i.d.g.F., können Angelegenheiten, soweit diese durch Bundesgesetz oder durch Verordnungen, die auf Grund von Bundesgesetzen erlassen werden, an die AMA übertragen werden, von der AMA unmittelbar als Bundesbehörde besorgt werden.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 i.d.F. BGBl. I Nr. 122/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Maßgebliche Rechtsgrundlagen in der für das betroffene Antragsjahr maßgeblichen Fassung:

Die Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des europäischen Parlamentes und des Rates über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 352/78, (EG) Nr. 165/94, (EG) Nr. 2799/98, (EG) Nr. 814/2000, (EG) Nr. 1290/2005 und (EG) Nr. 485/2008 vom 17.12.2013, im Folgenden VO (EU) 1306/2013, lautet auszugsweise:

„Artikel 2

In dieser Verordnung verwendete Begriffe […]

(2) Für die Zwecke der Finanzierung, der Verwaltung und Überwachung der GAP, werden als Fälle "höherer Gewalt" und "außergewöhnliche Umstände" insbesondere folgende Fälle bzw. Umstände anerkannt:

a)       Tod des Begünstigten;

b)       länger andauernde Berufsunfähigkeit des Begünstigten;

c)       eine schwere Naturkatastrophe, die den Betrieb erheblich in Mitleidenschaft zieht;

d)       unfallbedingte Zerstörung von Stallgebäuden des Betriebs;

e)       eine Seuche oder Pflanzenkrankheit, die den ganzen Tier- bzw. Pflanzenbestand des Begünstigten oder einen Teil davon befällt;

f)       Enteignung des gesamten Betriebes oder eines wesentlichen Teils davon, soweit diese Enteignung am Tag des Eingangs der Verpflichtung nicht vorherzusehen war.“

Die Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.12.2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates, ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 608, im Folgenden VO (EG) 1307/2013, lautet auszugsweise:

„Artikel 4

Begriffsbestimmungen und damit zusammenhängende Bestimmungen

(1) Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Begriff

a) "Betriebsinhaber" eine natürliche oder juristische Person oder eine Vereinigung natürlicher oder juristischer Personen, unabhängig davon, welchen rechtlichen Status diese Vereinigung und ihre Mitglieder aufgrund nationalen Rechts haben, deren Betrieb sich im räumlichen Geltungsbereich der Verträge im Sinne des Artikels 52 EUV in Verbindung mit den Artikeln 349 und 355 AEUV befindet und die eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausübt;

b) "Betrieb" die Gesamtheit der für landwirtschaftliche Tätigkeiten genutzten und vom Betriebsinhaber verwalteten Einheiten, die sich im Gebiet desselben Mitgliedstaats befinden;

c) "landwirtschaftliche Tätigkeit"

i.       die Erzeugung, die Zucht oder den Anbau landwirtschaftlicher Erzeugnisse, einschließlich Ernten, Melken, Zucht von Tieren sowie Haltung von Tieren für landwirtschaftliche Zwecke,

ii.      die Erhaltung einer landwirtschaftlichen Fläche in einem Zustand, der sie ohne über die in der Landwirtschaft üblichen Methoden und Maschinen hinausgehende Vorbereitungsmaßnahmen für die Beweidung oder den Anbau geeignet macht, auf der Grundlage von Kriterien, die von den Mitgliedstaaten anhand eines von der Kommission vorgegebenen Rahmens festgelegt werden, oder

iii.    die Ausübung einer von den Mitgliedstaaten festgelegten Mindesttätigkeit auf landwirtschaftlichen Flächen, die auf natürliche Weise in einem für die Beweidung oder den Anbau geeigneten Zustand erhalten werden;

d) "landwirtschaftliche Erzeugnisse" die in Anhang I der Verträge aufgeführten Erzeugnisse, ausgenommen Fischereierzeugnisse, sowie Baumwolle;

e) "landwirtschaftliche Fläche" jede Fläche, die als Ackerland, Dauergrünland und Dauerweideland oder mit Dauerkulturen genutzt wird; […].“

„Artikel 21

Zahlungsansprüche

(1) Die Basisprämienregelung kann von Betriebsinhabern in Anspruch genommen werden, die

a)       Zahlungsansprüche im Rahmen der vorliegenden Verordnung durch Zuweisung gemäß Artikel 20 Absatz 4, durch Erstzuweisung nach Maßgabe der Artikel 24 oder Artikel 39, durch Zuweisung aus der nationalen Reserve oder den regionalen Reserven gemäß Artikel 30 oder durch Übertragung gemäß Artikel 34 erhalten

[…].

(2) Die Gültigkeit der im Rahmen der Betriebsprämienregelung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 erhaltenen Zahlungsansprüche läuft am 31. Dezember 2014 ab.

[…].“

„Artikel 24

Erstzuweisung der Zahlungsansprüche

(1) Zahlungsansprüche werden den Betriebsinhabern zugewiesen, die gemäß Artikel 9 der vorliegenden Verordnung zum Bezug von Direktzahlungen berechtigt sind, sofern sie,

a)       außer im Falle höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände, bis zu dem gemäß Artikel 78 Unterabsatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 festzusetzenden Termin für die Einreichung von Anträgen im Jahr 2015 die Zuweisung von Zahlungsansprüchen im Rahmen der Basisprämienregelung beantragen, und

b)       vor jedweder Kürzung oder jedwedem Ausschluss nach Titel II Kapitel 4 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 infolge eines Beihilfeantrags auf Direktzahlungen, auf eine nationale Übergangsbeihilfe oder auf ergänzende nationale Direktzahlungen im Jahr 2013 gemäß der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 zum Empfang von Zahlungen berechtigt waren.

[…]

(2) Außer im Falle höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände ist die Anzahl der je Betriebsinhaber 2015 zugewiesenen Zahlungsansprüche gleich der Zahl der beihilfefähigen Hektarflächen, die der Betriebsinhaber gemäß Artikel 72 Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 in seinem Beihilfeantrag für 2015 anmeldet und die ihm zu einem von dem betreffenden Mitgliedstaat festgesetzten Zeitpunkt zur Verfügung stehen. Dieser Zeitpunkt darf nicht nach dem in diesem Mitgliedstaat festgesetzten Zeitpunkt für die Änderung dieses Beihilfeantrags liegen.

[…]“

„Artikel 30

Einrichtung und Verwendung der nationalen Reserve oder der regionalen Reserven

(1) Jeder Mitgliedstaat richtet eine nationale Reserve ein. Dazu nehmen die Mitgliedstaaten im ersten Anwendungsjahr der Basisprämienregelung eine lineare prozentuale Kürzung der für die Basisprämienregelung auf nationaler Ebene geltenden Obergrenze vor.

[…]

(7) Die Mitgliedstaaten können ihre nationalen oder regionalen Reserven dazu verwenden,

[…]

c)       Betriebsinhabern Zahlungsansprüche zuzuweisen, denen infolge höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände keine Zahlungsansprüche nach diesem Kapitel zugewiesen werden konnten;“

„Artikel 32

Aktivierung von Zahlungsansprüchen

(1) Eine Stützung im Rahmen der Basisprämienregelung wird den Betriebsinhabern bei Aktivierung eines Zahlungsanspruchs je beihilfefähige Hektarfläche mittels Anmeldung gemäß Artikel 33 Absatz 1 in dem Mitgliedstaat, in dem der Zahlungsanspruch zugewiesen wurde, gewährt. Bei aktivierten Zahlungsansprüchen besteht Anspruch auf die jährliche Zahlung der darin festgesetzten Beträge, unbeschadet der Anwendung von Haushaltsdisziplin, Kürzung von Zahlungen gemäß Artikel 11 sowie linearen Kürzungen gemäß Artikel 7, Artikel 51 Absatz 2 und Artikel 65 Absatz 2 Buchstabe c der vorliegenden Verordnung sowie der Anwendung von Artikel 63 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013.

(2) Im Sinne dieses Titels bezeichnet der Begriff "beihilfefähige Hektarfläche"

a)       jede landwirtschaftliche Fläche des Betriebs, […]“

„Artikel 33

Anmeldung der beihilfefähigen Hektarflächen

(1) Für die Zwecke der Aktivierung von Zahlungsansprüchen nach Artikel 32 Absatz 1 meldet der Betriebsinhaber die Parzellen an, die der beihilfefähigen Hektarfläche für jeden Zahlungsanspruch entsprechen. Außer im Falle höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände müssen die angemeldeten Parzellen dem Betriebsinhaber zu einem vom Mitgliedstaat festzusetzenden Zeitpunkt zur Verfügung stehen, der jedoch nicht nach dem in demselben Mitgliedstaat festgesetzten Zeitpunkt für die Änderung des Beihilfeantrags gemäß Artikel 72 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 liegen darf.

[…].“

Die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014 der Kommission vom 11.03.2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013, ABl. L 181 vom 20.06.2014, S. 48, im Folgenden VO (EU) 640/2014, lautet auszugsweise:

„Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke des integrierten Systems im Sinne von Artikel 67 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 gelten die Begriffsbestimmungen in Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 und Artikel 67 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013.

Zudem gelten folgende Begriffsbestimmungen:

[…].

22.      „Nutzung“: in Bezug auf Flächen die Nutzung einer Fläche für den Anbau von Kulturpflanzen im Sinne von Artikel 44 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013, als Dauergrünland gemäß Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe h der genannten Verordnung, als Dauergrünland im Sinne von Artikel 45 Absatz 2 Buchstabe a der genannten Verordnung oder als Grünlandflächen außer Dauergrünland und Dauerweideland oder als Bodenbedeckung oder die Nichtbepflanzung; […].“

Das Bundesgesetz über die Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen (Marktordnungsgesetz 2007 – MOG 2007), BGBl. I Nr. 55/2007 idF. BGBl. I Nr. 104/2019, lautet auszugsweise:

§ 8b. […]

(3) Die Mittel der nationalen Reserve können

1.       gemäß Art. 30 Abs. 7 lit. c der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 zur Zuweisung von Zahlungsansprüchen an Betriebsinhaber, denen infolge höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände im Zuge der Erstzuweisung keine Zahlungsansprüche zugewiesen wurden,

[…]

verwendet werden.“

§ 19. […]

(3) Das Bundesverwaltungsgericht kann der AMA auftragen, gemäß den Vorgaben im Erkenntnis die entsprechenden Berechnungen durchzuführen und das Ergebnis bescheidmäßig mitzuteilen.

[…].“

Die Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik (Direktzahlungs-Verordnung 2015) im Folgenden DIZA-VO, BGBl. II Nr. 368/2014, in der Fassung des BGBl. II Nr. 174/2021, lautet auszugsweise:

„Höhere Gewalt oder außergewöhnliche Umstände

§ 8. (1) Als Fälle höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände können zusätzlich zu den in Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 352/78, (EG) Nr. 165/94, (EG) Nr. 2799/98, (EG) Nr. 814/2000, (EG) Nr. 1290/2005 und (EG) Nr. 485/2008, ABl. Nr. L 347 vom 20.12.2013 S. 549, genannten Fällen und Umständen insbesondere auch

1.       die dauerhafte Abtretung von mindestens 0,3 ha beihilfefähiger Fläche an die öffentliche Hand oder

2.       die vorübergehende Grundinanspruchnahme von mindestens 0,3 ha beihilfefähiger Fläche im öffentlichen Interesse

anerkannt werden.

(2) Das Vorliegen eines Falls höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände ist mittels eines von der AMA verfügbar gemachten Formblatts geltend zu machen und durch geeignete Unterlagen zu belegen.“

Die nicht veröffentlichten Erläuterungen zu § 8 der DIZA-VO lauten:

„Auf Basis des § 8 Abs. 2 Z 7 MOG 2007 sind die dauerhafte Abtretung von Flächen an die öffentliche Hand und die vorübergehende Grundinanspruchnahme im öffentlichen Interesse als weitere Fälle höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände bestimmt worden. Eine vorübergehende Grundinanspruchnahme im öffentlichen Interesse kann nur dann vorliegen, wenn für den Betreiber (z.B. ÖBB, AsfinAG) eine Möglichkeit zur Einräumung von Zwangsrechten (Abtretung von Grundstücken, Einräumung von Servituten, usw.) besteht.“

3.3. Rechtliche Würdigung:

Mit dem Antragsjahr 2015 wurden die Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Marktordnung reformiert. An die Stelle der Einheitlichen Betriebsprämie traten die Basisprämie und mehrere ergänzende Zahlungen, insb. die Zahlung für dem Klima- und Umweltschutz förderliche Landbewirtschaftungsmethoden (= Ökologisierungszahlung bzw. „Greeningprämie“).

Die Gewährung der Basisprämie setzt gemäß Art. 24 Abs. 1 VO (EU) 1307/2013 die (Neu-) Zuweisung von Zahlungsansprüchen voraus. Gemäß Art 21 Abs. 2 VO (EU) 1307/2013 lief die Gültigkeit der im Rahmen der Einheitlichen Betriebsprämie gemäß VO (EG) 1782/2003 bzw. VO (EG) 73/2009 zugewiesenen Zahlungsansprüche am 31. Dezember 2014 ab. Neue Zahlungsansprüche konnten einem Antragsteller zugewiesen werden, wenn dieser gemäß Art. 24 Abs. 1 VO (EU) 1307/2013 im Antragsjahr 2013 zum Empfang von Direktzahlungen berechtigt war, allerdings nur soweit als er eine entsprechende beihilfefähige Hektarfläche vorweisen konnte.

Als beihilfefähige Hektarfläche konnte er jedoch nur landwirtschaftliche Fläche beantragen, d.i. jede Fläche, die als Ackerland, Dauergrünland und Dauerweideland oder mit Dauerkulturen genutzt wird. Für die im Jahr 2015 nicht landwirtschaftlich genutzte Fläche konnte der Beschwerdeführer daher keine Zahlungsansprüche erhalten.

Die angeführten Rechtsvorschriften ermöglichen jedoch die Zuteilung von Zahlungsansprüchen aus der Nationalen Reserve, soweit ein Fall höherer Gewalt oder außergewöhnliche Umstände vorliegen.

Art. 2 Abs. 2 VO (EU) 1306/2013 führt beispielsweise Gründe an, die als Fälle „höherer Gewalt“ und „außergewöhnliche Umstände“ gelten können: Tod, Berufsunfähigkeit, schwere Naturkatastrophe, unfallbedingte Zerstörung, Seuchen oder Pflanzenkrankheiten, Enteignung. Andere Gründe können nur mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn sie mit den in der Verordnung angeführten in Art und Schwere vergleichbar sind.

Diese Sichtweise entspricht auch der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs zum Begriff der „höheren Gewalt“. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Begriff der höheren Gewalt im Bereich der Agrarverordnungen im Sinne von vom Willen des Wirtschaftsteilnehmers unabhängigen ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Umständen zu verstehen, deren Folgen trotz aller aufgewandten Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können (vgl. EuGH 05.02.1987, Rs 145/85 Denkavit, Rz 11). Dabei besteht die Verpflichtung, die Folgen des ungewöhnlichen Ereignisses mit allen geeigneten Mitteln zu begrenzen (VwGH 07.11.2005, 2005/17/0086). Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Vorliegen von höherer Gewalt unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu den Agrarverordnungen ausgeführt, dass zwischen den gewöhnlichen unternehmerischen Risiken, die bei allen vergleichbaren Geschäften bestehen, und außergewöhnlichen Risiken zu unterscheiden sei. "Ungewöhnlich" ist danach ein Umstand, der als unvorhersehbar anzusehen ist oder zumindest als derart unwahrscheinlich, dass ein sorgfältiger Kaufmann (in diesem Fall: Landwirt) davon ausgehen kann, dass das Risiko vernachlässigt werden kann (beispielsweise: Blitzschlag, Eisgang auf Schifffahrtskanälen, Lawinenverschüttung von Straßen, die im Winter normalerweise passierbar sind, vgl. VwGH 11.11.2005, 2005/17/0086).

Allerdings scheint es aufgrund der nicht taxativen Aufzählung der Gründe für das Bestehen höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände in Art. 2 Abs. 2 VO (EU) 1306/2013 nicht undenkbar, auch in einer Grundinanspruchnahme im öffentlichen Interesse einen möglichen außergewöhnlichen Umstand zu sehen, wie dies der österreichische Verordnungsgeber in § 8 DIZA-VO normiert hat. Danach soll die vorübergehende Grundinanspruchnahme von mindestens 0,3 ha beihilfefähiger Fläche im öffentlichen Interesse auch generell als solch außergewöhnlicher Umstand anerkannt werden, ohne weitere Kriterien zu prüfen.

Gemäß § 18b Eisenbahngesetz 1957 (EisbG) hat das Eisenbahnunternehmen das Enteignungsrecht nach Maßgabe des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetzes, BGBl. Nr. 71/1954. Dabei kann gemäß § 3 Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetz (EisbEG) - unter Berücksichtigung von § 2 EisbEG - die dauernde oder vorübergehende Abtretung von Grundstücken insoweit begehrt werden, als es zur Herstellung der Bahn, der Bahnhöfe, der an der Bahn und an den Bahnhöfen für Zwecke des Eisenbahnbetriebes zu errichtenden Gebäude oder zu sonstigen Anlagen, deren Herstellung dem Eisenbahnunternehmen obliegt, dann zur Unterbringung des beim Bau zu entfernenden Erdmateriales und Schuttes, endlich zur Gewinnung des notwendigen Schüttungs-, Rohstein- und Schottermateriales erforderlich ist.

In der verfahrensgegenständlichen Angelegenheit konnte der Beschwerdeführer die Inanspruchnahme des Grundstückes mit der Gst.Nr. 166/2 KG 19626 Winkel durch die ÖBB Infrastruktur AG nicht abwenden. Um eine Enteignung zu vermeiden, hatte der Eigentümer dieses Grundstückes nur die Möglichkeit, mit der ÖBB Infrastruktur AG den entsprechenden Grundabtretungsvertrag abzuschließen. Damit verbunden stand auch ab November 2011 das gesamte Grundstück mit der Gst.Nr. 166/2 KG 19626 Winkel für eine landwirtschaftliche Nutzung nicht mehr zur Verfügung. Der Bewirtschafter des Betriebes mit der BNr. XXXX musste bereits im Jahr 2011 aufgrund der zwischen dem Eigentümer des Grundstückes mit der Gst.Nr. 166/2 KG 19626 Winkel und der ÖBB Infrastruktur abgeschlossenen Vereinbarung bezüglich der Inanspruchnahme des Grundstückes mit der Gst.Nr. 166/2 KG 19626 Winkel davon ausgehen, dass die Flächen des Grundstückes mit der Gst.Nr. 166/2 KG 19626 Winkel für eine landwirtschaftliche Nutzung voraussichtlich bis zum Jahr 2019, und damit für eine Dauer von mehr als drei Jahren, für eine landwirtschaftliche Nutzung nicht zur Verfügung steht.

Der Beschwerdeführer behauptet nunmehr, dass Flächen, die aufgrund einer Grundinanspruchnahme für eine landwirtschaftliche Nutzung und damit auch für eine Gewährung von Direktzahlungen für eine Dauer von mehr als drei Jahren nicht zur Verfügung stehen, in einem entsprechenden MFA nicht ausgewiesen werden dürfen. Daher habe er Flächen, des von der Grundinanspruchnahme betroffenen Grundstückes mit der Gst.Nr. 166/2 KG 19626 Winkel weder im MFA 2015, noch im MFA 2016, noch im MFA 2017 und auch nicht im MFA 2018 ausgewiesen.

Nach Auffassung des erkennenden Gerichtes gibt es dazu weder in europarechtlich determinierten noch in innerstaatlichen Vorschriften klare und eindeutige Regelungen, die diese Auffassung klar und eindeutig belegen würden. Jedoch hat aber auch die AMA selbst in der Vergangenheit diese Auffassung im vom BVwG zu W104 2232851-1 geführten Verfahren bestätigt und anerkannt (vgl. Erkenntnis des BVwG vom 29.01.2021, W104 2232851-1/5E). Die AMA selbst leitet diese Verpflichtung aus Punkt 1.5.3.8 der Sonderrichtlinie-ÖPUL ab.

Wenn man damit dieser vom Beschwerdeführer und von der AMA getragenen Auffassung beipflichtet, gelangt man logisch zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer damit nachvollziehbar von der Grundinanspruchnahme betroffene Flächen des Grundstückes mit der Gst.Nr. 166/2 KG 19626 Winkel ab dem MFA 2012 bis einschließlich zum MFA 2018 rechtskonform nicht im jeweiligen MFA ausgewiesen hat.

Den in der gegenständlichen Angelegenheit anzuwendenden Vorschriften, die in diesem Erkenntnis angeführt werden, kann aber auch keine Bestimmung entnommen werden, wonach ein Bewirtschafter, der von einer Grundinanspruchnahme betroffen ist, verpflichtend im MFA 2015 oder in einem anderen Antragsjahr jene Flächen anzugeben hat, die von einer Grundinanspruchnahme betroffen sind, sodass ihm im Falle einer späteren Nutzungsmöglichkeit dann für diese Flächen ZA aus der Nationalen Reserve zugewiesen werden könnten. Für die von der AMA diesbezüglich aufgestellte Behauptung existiert nach Auffassung des erkennenden Gerichtes somit keine zur Anwendung zu gelangende Rechtsvorschrift.

Unstrittig ist, dass jedenfalls durch die nachgewiesene Grundinanspruchnahme ein außergewöhnlicher Umstand i.S. der förderungsrechtlichen Vorschriften vorlag, aufgrund dessen der Beschwerdeführer das Grundstück mit der Gst.Nr. 166/2 KG 19626 Winkel im Jahr 2015 nicht landwirtschaftlich nutzen und daher auch dafür keine Direktzahlungen beantragen konnte. Deshalb konnten ihm damals auch keine Zahlungsansprüche zugewiesen werden und er konnte diese nicht aktivieren.

§ 8 Abs. 2 DIZA-VO fordert, dass das Vorliegen einer Falls höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände mittels eines Formblattes geltend zu machen ist und dass dieser außergewöhnliche Umstand durch geeignete Unterlagen zu belegen ist. Diesen Erfordernissen ist der Beschwerdeführer zweifellos nachgekommen, was auch von der AMA selbst nicht abgestritten wird.

Weitere rechtliche Verpflichtungen treffen einen Förderungswerber, der die Zuteilung von Zahlungsansprüchen aus der nationalen Reserve gem. § 8b Abs. 3 Z 1 beantragt, nicht. Insbesondere bestand keine Verpflichtung, die strittigen Flächen, die ab November 2011 mehr als drei Jahren nicht mehr in seinem Besitz waren, im MFA 2015 anzugeben und mit dem Code „GI“ zu versehen, nur um glaubhaft zu machen, dass diese Flächen beihilfefähig gewesen wären, wenn sie landwirtschaftlich genutzt und in seinem Besitz gewesen wären, wie die Behörde geltend macht.

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer alle ihn treffenden Pflichten in Bezug auf die Geltendmachung des außergewöhnlichen Umstandes erfüllt hat.

Wenn nunmehr die AMA offensichtlich die Frage aufwirft, in welchem Umfang dem BF in der gegenständlichen Angelegenheit aus der Nationalen Reserve ZA zuzuweisen sind, geht das erkennende Gericht davon aus, dass - unter Berücksichtigung von Art. 24 Abs. 2 VO (EU) 1307/2013 - von der AMA zu prüfen ist, welche Flächen des relevanten Grundstückes mit der Gst.Nr. 166/2 KG 19626 Winkel vom BF im MFA 2019 als beihilfefähige Flächen beantragt wurden und im Rahmen der Bewirtschaftung im Antragsjahr 2019 auch tatsächlich bewirtschaftet wurden.

Aufgrund der technisch aufwendigen Berechnungen hat das Gericht von der durch § 19 Abs. 3 MOG eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, der Behörde aufzutragen, die entsprechenden Berechnungen durchzuführen und das Ergebnis bescheidmäßig mitzuteilen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zum Begriff der höheren Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände liegt Rechtsprechung vor. Im Übrigen erscheint die Rechtslage so eindeutig, dass von einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht gesprochen werden kann.

Schlagworte

außergewöhnliche Umstände beihilfefähige Fläche Berechnung Bescheidabänderung Bewirtschaftung Direktzahlung Eisenbahnanlage höhere Gewalt INVEKOS Mehrfachantrag-Flächen Mitteilung öffentliche Interessen Prämiengewährung Voraussetzungen Zahlungsansprüche Zuteilung Zuweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W114.2246217.1.00

Im RIS seit

24.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

24.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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