TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/14 I403 2246247-1

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Veröffentlicht am 14.09.2021
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Entscheidungsdatum

14.09.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §67
FPG §70 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


I403 2246247-1/3Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Deutschland, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.07.2021, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird ersatzlos behoben. Damit kommt der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.07.2021, Zl. XXXX aufschiebende Wirkung zu.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Gegen den Beschwerdeführer wurde mit dem im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde, des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung zu 20 Monaten Freiheitsstrafe (Urteil des Landesgerichts XXXX vom 11.01.2021, Zl. XXXX ) ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), ihm kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde dagegen die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

Dagegen wurde am 24.08.2021 Beschwerde erhoben. Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 10.09.2021 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Deutschlands. Er lebt seit 2012 im Bundesgebiet. Er hat in Österreich zunächst ein Studium begonnen, dies aber nicht weiterverfolgt, sondern seit November 2013 (mit Unterbrechungen) in verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen gearbeitet. Am 14.12.2015 schloss er die Lehre zum Großhandelskaufmann ab. Seit zwei Jahren ist er bei der „ XXXX gmbH“ angestellt.

Der Beschwerdeführer hatte in XXXX gesondert verfolgten Tätern, welche 7 Aufzuchten mit jeweils zumindest 240 Cannabispflanzen anbauten, einmal im Zeitraum von Herbst 2018 bis Winter 2018 und einmal Anfang 2019 bei der Ernte von 80 Pflanzen geholfen; in XXXX im XXXX hatte er mit abgesondert verfolgten Tätern im Zeitraum Herbst 2018 bis Winter 2018/2019 zumindest 300 Cannabispflanzen angebaut bzw. anbauen lassen und zumindest 293 Cannabispflanzen bis Ende März 2019 abgeschnitten. Der Beschwerdeführer hatte zudem im Zeitraum von Herbst/Winter 2018/2019 bis 29.3.2019 in XXXX , XXXX und anderen Orten verschiedenen Personen Haschisch verkauft (einmal 225 Gramm, an sieben weitere Personen jeweils 5 Gramm Marihuana). Der Beschwerdeführer hatte zudem von 2012 bis zu seiner Festnahme am 29.03.2019 Marihuana und Kokain zum Eigengebrauch gekauft und besessen und bei seiner Festnahme einen Schlagring in seinem Besitz gehabt.

Aufgrund dieser Straftaten wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 11.01.2021, Zl. XXXX wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach dem § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG, teils als Beitragstäter nach dem § 12 3. Fall StGB, wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach dem § 28a Abs 1 5. Fall SMG, wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach dem § 27 Abs 1 Z 1, 1. und 2. Fall iVm Abs 2 SMG und des Vergehens nach dem § 50 Abs 1 Z 2 WaffG zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt. Mildernd wurden die Unbescholtenheit, das Geständnis, die teilweise Sicherstellung des Suchtgiftes, das teilweise Alter unter 21 Jahren, die teilweise Beitragstäterschaft und die lange Verfahrensdauer berücksichtigt, erschwerend dagegen das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit mehreren Vergehen, die Tatbegehung in Gesellschaft, die Tatwiederholungen, das massive Überschreitung der Grenzmenge und der lange Deliktszeitraum.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Insbesondere wurde das im Verwaltungsakt enthaltene Urteil des Landesgerichts XXXX vom 11.01.2021, Zl. XXXX berücksichtigt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Rechtsgrundlage

§ 18 Abs. 3 BFA-VG lautet:

„Bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.“

3.2. Anwendung auf den gegenständlichen Fall

In seinem Bescheid vom 20.07.2021 hat das BFA in Spruchpunkt III. einer Beschwerde gegen das unter einem erlassene Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt. Dabei stützte es sich auf § 18 Abs. 3 BFA-VG, wonach die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot vom Bundesamt abzuerkennen ist, wenn die sofortige Ausreise des Betroffenen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist. Es hätte dazu einer Begründung bedurft, weshalb die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers nach einem neunjährigen Aufenthalt in Österreich ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens (siehe etwa VwGH 4.4.2019, Ra 2019/21/0053, Rn. 12) zu erfolgen habe.

Überlegungen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes anzustellen sind, vermögen die Begründung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine Aufenthaltsbeendigung vom BFA nur dann zu stützen, wenn - wie bei der Versagung eines Durchsetzungsaufschubs nach § 70 Abs. 3 FPG 2005 - die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist. Dafür genügt es nicht, auf eine - die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende - Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat. Dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich gewesen sind. Es bedarf daher einer über die Erwägungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nach § 67 FPG 2005 hinausgehenden besonderen Begründung, weshalb die Annahme gerechtfertigt ist, der weitere Aufenthalt des Fremden während der Dauer des Beschwerdeverfahrens gefährde die öffentliche Ordnung oder Sicherheit derart, dass die sofortige Ausreise bzw. Abschiebung des Fremden schon nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides -ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - erforderlich ist (VwGH 16.01.2020, Ra 2019/21/0360).

Eine derartige Begründung ist das BFA völlig schuldig geblieben, sondern wurde nur auf die Abwägungen verwiesen, welche zur Verhängung des Aufenthaltsverbotes geführt haben. Zudem ist auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer einer Beschäftigung nachgeht und in den letzten zwei Jahren auch nicht mehr straffällig wurde. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich unter Berücksichtigung dieser Umstände keine Notwendigkeit, dass der Beschwerdeführer die Ausreise sofort antritt, zumal er seine Freiheitsstrafe noch nicht abgeleistet hat, sondern auf eine Gewährung des elektronisch überwachten Hausarrests wartet.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet zudem die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Beweiswürdigung als nicht tragfähig, da keine persönliche Einvernahme des Beschwerdeführers stattgefunden hat und etwa auch nicht festgestellt wurde, ob der Beschwerdeführer ein Daueraufenthaltsrecht erworben hat oder nicht. Daher kann – angesichts der Judikatur zu § 21 Abs. 7 BFA-VG (insb. VwGH, Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017) – der Sachverhalt nicht als geklärt angesehen werden und ist die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung unter persönlicher Befragung des Beschwerdeführers notwendig.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

aufenthaltsbeendende Maßnahme Aufenthaltsverbot aufschiebende Wirkung Durchsetzungsaufschub ersatzlose Teilbehebung Interessenabwägung Kassation öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Spruchpunktbehebung Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Suchtgifthandel Suchtmitteldelikt Teilerkenntnis Verbrechen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I403.2246247.1.00

Im RIS seit

21.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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