TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/15 W208 2243862-1

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Veröffentlicht am 15.12.2021
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Entscheidungsdatum

15.12.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
ZDG §13 Abs1 Z2
ZDG §7

Spruch


W208 2243862-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Arthur MACHAC, KANZLEI GRADWOHL em.+MACHAC, gegen den Bescheid der ZIVILDIENSTSERVICEAGENTUR vom 20.05.2021, Zl. 364537/28/ZD0521, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 13 Abs 1 Z 2 Zivildienstgesetz 1986 stattgegeben und XXXX vorübergehend vom Zivildienst befreit.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) – dessen Tauglichkeit zum Wehrdienst erstmals am 27.04.2010 festgestellt wurde – brachte am 04.04.2010 eine mängelfreie Zivildiensterklärung ein.

2. Mit Bescheid der Zivildienstserviceagentur (ZISA) vom 28.04.2010 wurde der Eintritt seiner Zivildienstpflicht rückwirkend mit 04.04.2010 rechtskräftig festgestellt.

3. Mit Bescheid der ZISA vom 09.05.2020 wurde der BF einer Einrichtung zur Ableistung des Zivildienstes für den Zuweisungszeitraum 01.07.2020 bis 31.03.2021 zugewiesen.

4. Am 03.06.2021 brachte der BF einen Antrag auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Zivildienstes ein. Im Wesentlichen begründete er seinen Antrag mit dem Umstand, dass er Einzelunternehmer sei, durch die COVID-19 Situation hohe finanzielle Verluste erlitten habe, Zahlungen aus dem Härtefallfonds bekomme und im Falle der Zuweisung hohe finanzielle Probleme auf ihn zukämen.

5. Mit Bescheid der ZISA vom 24.06.2021 wurde dem BF - nach einem Ermittlungsverfahren indem er Beweismittel vorzulegen – gemäß § 13 Abs 1 Z 2 ZDG bis 31.12.2020 von der Leistung des Zivildienstes befreit.

6. Mit Bescheid der ZISA vom 05.11.2020 wurde der BF einer Einrichtung zur Ableistung des Zivildienstes für den Zuweisungszeitraum 01.03.2021 bis 30.11.2021 zugewiesen.

7. Am 21.02.2021 brachte der BF einen 2. Antrag auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Zivildienstes ein. Auch diesen begründete er im Wesentlichen mit der Corona-Pandemie.

8. Der BF trat in der Folge seinen Zivildienst nicht an und wurde der Zuweisungsbescheid mit Bescheid vom 29.04. 2021 gemäß § 22 Abs 1a ZDG behoben.

9. Mit Schreiben vom 08.03.2021 forderte die ZISA den BF auf Beweismittel, insbesondere dafür vorzulegen, dass er seit der letzten Befreiung seiner Harmonisierungspflicht nachgekommen sei und neue Beweismittel für das Vorliegen eines Befreiungsgrundes, die von jenen der ersten Befreiung abweichen.

10. Am 31.03.2021 gab der BF bekannt, dass er die vorgelegten Unterlagen heute übersandt habe und dass er die Strafe für den Nichtantritt in Kauf nehme.

Er übermittelte folgende Beweismittel:

?        Schreiben der WKO WIEN vom 31.03.2021

?        Screenshots von seinem Privatkonto und seinem Firmenkonto

?        Genehmigungszusagen aus dem Härtefallfonds

?        Kontoauszug vom 23.01.2021 der Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen BURGENLAND

11. Am 28.06.2021 erstattete die ZISA bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde eine Anzeige nach § 60 ZDG, weil der BF den Zivildienst nicht angetreten hatte.

12. Mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid (zugestellt am 28.05.2021) wies die ZISA den Befreiungsantrag ab.

13. Am 17.05.2021 legte die im Spruch genannte Rechtsanwaltskanzlei eine Vertretungsvollmacht vor und begehrte Akteneinsicht. Diese wurde ihr am 02.06.2021 gewährt.

14. Mit E-Mail vom 24.06.2021 und postalisch am 25.06.2021, brachte der Rechtsvertreter des BF eine Beschwerde gegen den oa Bescheid ein und beantragte eine Verhandlung und „in der Sache selbst [zu] entscheiden und den Bescheid mit Beschluss ersatzlos [zu] beheben, in eventu den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurück[zu]verweisen.“ Der Begründung ist zu entnehmen, dass der BF das Vorliegen der Befreiungsgründe des § 13 Abs 1 Z 2 ZDG als gegeben ansieht.

8. Mit Schriftsatz vom 28.06.2021 legte die ZISA – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen – die Beschwerde und den dazugehörigen Verwaltungsakt dem BVwG zur Entscheidung vor (eingelangt 29.06.2021).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Zivildiensterklärung des nunmehr 29-jährigen BF wurde mit 04.04.2011 rückwirkend wirksam. Zu diesem Zeitpunkt stand der BF in einer laufenden Schulausbildung an einer HTL für Maschinenbau, die er 2009 begonnen hatte und 2015 abschließen wollte. Danach ersuchte er, lt seiner Zivildiensterklärung um Zuweisung zum Zivildienst.

In der Folge bemühte sich der BF aber nicht um Zuweisung, sondern begann nach Abbruch seiner Schulausbildung seine berufliche Existenz zu verwirklichen. Aus dem Versicherungsdatenauszug der ÖSV vom 16.06.2020, gehen folgende Beschäftigungen hervor:

18.11.2010 – 31.05.2011  Selbstständige Erwerbstätigkeit

15.02.2013 – 31.03.2013 Geringfügige Beschäftigung als Arbeiter beim einem Sicherheitsunternehmen

19.02.2013 – 31.12.2013  mit kurzen Unterbrechungen, geringfügig beschäftigter Arbeiter bei einem Personaldienstleister

20.10.2014 – 23.10.2014 Arbeiter bei einer Personalberatung und –vermittlung

03.03.2016 – 12.03.2016 Arbeiter bei einer Kommanditgesellschaft

19.09.2016 – 24.10.2016 mit Unterbrechungen Arbeitslosenbezug

14.06.2017 – 17.06.2017 Geringfügige Beschäftigung als Angestellter beim einer GmbH

01.04.2019 – 31.03.2020 Nicht bezahlte Beiträge BSVG, GSVG, FSVG

19.04.2019 – laufend  Selbstständige Erwerbstätigkeit

Die zuletzt angeführte Erwerbstätigkeit hat der BF laut WKO am 19.04.2019 angemeldet und handelt es sich dabei um das freie Gewerbe, als nicht protokollierter Einzelunternehmer „Organisation von Veranstaltungen, Märkten und Messen (Eventmanagement)“.

Die Geschäftstätigkeit umfasst nach Darstellung des BF: die tägliche Recherche zu neuen Künstlern, Festival und Clubs auf der Welt bzgl Kooperationen, Kundenaquirierung, Förderung nationale Artists, Kooperation mit dem Club „ XXXX “, Vorbereiten des eigenen Labels), tägliche Promotion auf sozialen Netzwerken, Verträge und Betreuung der Künstler (Transport, Unterbringung, Bewerbung), Kundenbetreuung, Planung und Durchführung von Events, Kartenverkauf, Buchhaltung.

Zur Harmonisierungspflicht gab der BF im Wesentlichen an, dass ihm seine Arbeitszeiten (am Abend und in der Nacht) und die „Outdoor-Saison“ im Sommer nicht ermöglichen würden, selbst ohne die COVID-19 Pandemie den Zivildienst zu leisten.

Er führte auch noch seine finanziellen Verbindlichkeiten an, die sich aus Mieten und Betriebskosten zusammensetzen und rund € 1.200,--/mtl betrugen und legte eine Kontobestätigung seiner Bank vor die auf einem von ihm seit 24.10.2019 eröffneten Girokonto ein Minus von € 7.900,-- zum Stichtag 16.06.2020 auswies.

Aus einem Schreiben der Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen WIEN vom 17.03.2020 geht hervor, dass ihm eine Stundung der Sozialversicherungsbeiträge für das 1. und 2. Quartal 2020 iHv rund € 2.380,-- bis 31.07.2020 gewährt wurde.

Auf Basis dieser Beweismittel wurde dem BF bis 31.12.2020 von der Ableistung des Zivildienstes gemäß § 13 Abs 1 Z 2 ZDG befreit.

Die Begründung in diesem Bescheid lautete: „Sie üben das freie Gewerbe der Organisation von Veranstaltungen, Märkten und Messen (Eventmanagement) aus und haben keine Mitarbeiter zu Ihrer Unterstützung. Seit Beginn der Covid-19-Pandemie konnten Sie keine Veranstaltungen organisieren und haben eine Umsatzeinbuße von 100 %. Sie haben darum auch Zahlungen aus dem Härtefonds der Bundesregierung erhalten. Durch das Zurückfahren der Krisenmaßnahmen wäre es nun wieder möglich Veranstaltungen zu organisieren. Bei Ableistung des ordentlichen Zivildienstes könnten Sie ihre Verbindlichkeiten nicht erfüllen und es drohe dem Unternehmen der Konkurs. Die Corona-Pandemie konnte vom Zivildienstpflichtigen nicht vorhergesehen werden und dementsprechend auch nicht kalkuliert werden. Selbst bei Anwendung größtmöglicher Sorgfalt hätte sich der Zivildienstpflichtige nicht auf die völlig unvorhersehbaren Umstände im Rahmen der Harmonisierungspflicht einstellen können. In Anbetracht Ihres Vorbringens und der Vorlage der Bestätigungen erscheint es der erkennenden Behörde als Verletzung von besonders rücksichtswürdigen wirtschaftlichen Interessen, müssten Sie durch die Leistung des ordentlichen Zivildienstes einen wesentlichen finanziellen Rückschlag erleiden oder sogar das Unternehmen schließen. Für die Festsetzung des Befreiungszeitraumes war maßgeblich, dass dem Antragsteller die Möglichkeit eingeräumt wird, seine wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse zu ordnen und auf einen absehbaren Zeitraum hin zu planen. Es ist davon auszugehen, dass jeder Zivildienstpflichtige in Kenntnis der noch vor ihm liegenden Dienstleistung alle seine persönlichen und wirtschaftlichen Lebensumstände so einrichten muss, dass vorhersehbare Schwierigkeiten bei Leistung des Zivildienstes vermieden werden (Harmonisierungspflicht, VwGH 17.12.1998, 98/11/0018)“

Der BF hat zur Untermauerung seiner weiterhin bestehenden finanziellen bzw wirtschaftlichen Probleme neue Beweismittel vorgelegt aus denen sich das Folgende ergibt:

Aus dem Schreiben der WKO WIEN vom 31.03.2021 ergibt sich, dass seit dem 19.06.2020 keine Änderung der Umstände eingetreten ist. Der BF ist nach wie vor als Einzelunternehmer (ohne Mitarbeiter) Eigentümer der Firma „ XXXX “, Mitglied der Wirtschaftskammer und aufgrund der COVID-19-Pandemie auf Unterstützung aus dem Härtefallfonds der Bundesregierung angewiesen, weil er eine Umsatzeinbuße von 100 % erlitten hat.

Aus den Screenshots aus dem Härtefallfonds ergibt sich, dass der BF für die Zeiträume 16.12.2020-15.02.2021 mehrfach € 500,-- erhalten und um weitere Unterstützung angesucht hat.

Sein Kontoauszug vom 23.01.2021 der Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen BURGENLAND, weist eine Vorschreibung für das 1. Quartal 2021 iHv € 7.310,-- aus die er begleichen konnte und ein Guthaben von € 75,--.

Die COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen, der vor allem Nachtgastronomie, waren im Jahr 2021 nur kurzfristig aufgehoben und bestand keine Möglichkeit für den BF seine schon seit Anfang 2020 (1. Lockdown) vorliegende existenzbedrohende wirtschaftliche Situation zu konsolidieren.

Bis zum bis heute 4. Lockdown zur Brechung der DELTA-Virus-Welle der Pandemie hat sich daran nichts geändert. Angesichts der von den Gesundheitsexperten zu erwartenden 5. Welle aufgrund der OMIKRON-Mutation des Virus im Jänner 2022, ist auch nicht mit nachhaltigen Öffnungen im Bereich der Event- und der Nachtgastronomie zu rechnen, die dem BF eine Konsolidierung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse schon im kommenden Jahr soweit ermöglichen werden, dass er ohne Gefährdung der Existenz seiner Firma den Zivildienst ableisten könnte.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen konnten unmittelbar aufgrund der Aktenlage getroffen werden, die der belangten Behörde bekannt ist.

Soweit die belangte Behörde in ihrem Bescheid auf den „festgestellten Sachverhalt“ verweist, ist ihr entgegen zu halten, dass der nunmehr gegenständliche Bescheid keinen solchen enthält. Es wird lediglich der Verfahrensgang wiedergegeben. Ein einziger Satz im Bescheid beschäftigt sich mit dem von der Behörde angenommenen Sachverhalt. Dieser lautet sinngemäß, dass der BF die ihm durch die Befreiung eingeräumte Möglichkeit Vorkehrungen zur Bewältigung seiner wirtschaftlichen Situation zu treffen, offensichtlich nicht genutzt hat. Diese Feststellung ist richtig, verkennt aber, dass der BF aufgrund der fortdauernden Pandemie keine reale Möglichkeit hatte, seine wirtschaftlichen Verhältnisse zu konsolidieren. Die Hoffnung von einem Ende der Pandemie, die im Frühsommer vorgeherrscht hat und von der offenbar auch die belangte Behörde ausging, hat sich zerschlagen.

Die Feststellungen zum Andauern der Pandemie und zur potentiellen Gefährlichkeit der neuen OMIKRON-Mutation sind gerichtsnotorisch und können als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, da sie die Medien beherrschen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zulässigkeit und Verfahren

Gemäß § 2a Abs 4 ZDG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) über Beschwerden gegen Bescheide der Zivildienstserviceagentur. Die Beschwerde wurde fristgerecht eingebracht und ist auch sonst kein Anhaltspunkt für eine Unzulässigkeit erkennbar.

Die Einzelrichterzuständigkeit ergibt sich aus § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, (BVwGG), wonach das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter entscheidet, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht. Das ist hier der Fall.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG Abstand genommen werden, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist bzw. nicht substantiiert bestritten wurde, sodass eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung des Sachverhaltes erwarten lässt. Auch die Rechtsfrage ist nicht derart komplex, dass es einer mündlichen Erörterung bedürfte. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl 1958/210 (keine „civil rights“ betroffen) noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl Nr C 83 vom 30.03.2010 S. 389 (kein Bezug zu EU-Normen) entgegen.

Zu A)

3.2. Gesetzliche Grundlagen

Der hinsichtlich der Befreiung von der Ableistung des ordentlichen Zivildienstes anwendbare Bestimmungen des Zivildienstgesetzes (ZDG) lauten (Hervorhebung durch BVwG):

„§ 7. (1) Zum ordentlichen Zivildienst sind alle Zivildienstpflichtigen verpflichtet, die das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Zivildienstflichtige, bei denen sich die Dauer des ordentlichen Zivildienstes vom Tag der Zuweisung an über die Vollendung des 35. Lebensjahres hinaus erstreckt, sind verpflichtet, diesen Zivildienst noch zur Gänze zu leisten.

§ 13. (1) Die Zivildienstserviceagentur hat den Zivildienstpflichtigen ~ gleichgültig ob er bereits Zivildienst leistet oder noch nicht ~ von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes zu befreien

1. von Amts wegen, wenn und solange es Belange des Zivildienstes oder sonstige öffentliche Interessen - insbesondere gesamtwirtschaftliche, familienpolitische oder Interessen der Entwicklungshilfe - erfordern,

2. auf Antrag des Zivildienstpflichtigen, wenn und solange es besonders berücksichtigungswürdige wirtschaftliche, familiäre oder auf Grund einer eingetragenen Partnerschaft bestehende Interessen erfordern.

(2) Der Bescheid, mit dem die Befreiung verfügt wird, setzt einen allfälligen Zuweisungsbescheid außer Kraft.

(3) Die Zivildienstserviceagentur hat die Befreiung (Abs. 1) zu widerrufen, wenn die Voraussetzung für die Befreiung wegfällt.

(4) Der auf seinen Antrag von der Leistung des Zivildienstes befreite Zivildienstpflichtige hat das weitere Vorliegen der Voraussetzung jedes dritte Jahr der Zivildienstserviceagentur nachzuweisen und den Wegfall der Voraussetzung unverzüglich der Zivildienstserviceagentur mitzuteilen. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so tritt der Bescheid über die Befreiung nach einem weiteren Monat außer Kraft.“

3.3. Beurteilung des konkreten Sachverhaltes

3.3.1. Die belangte Behörde hat die neuerliche Befreiung im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, dass der BF seiner Harmonisierungspflicht nicht nachgekommen sei und die Möglichkeit Vorkehrungen zur Bewältigung seiner wirtschaftlichen Situation zu treffen, nicht genutzt habe.

3.3.2. Der BF begründet seine Beschwerde sinngemäß damit, dass der BF seit Beginn der COVID-19-Pandemie keine Veranstaltungen organisieren konnte, Umsatzeinbußen von 100 % erlitt und auf Zahlungen aus dem Härtefallfonds der Regierung angewiesen ist. Bei Ableistung des Zivildienstes könne der BF seine Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen und drohe nicht nur dem Unternehmen der Konkurs, sondern würde er als Einzelunternehmer auch seine Existenzgrundlage verlieren der auch seinen Wohnsitz mangels Finanzierungsmöglichkeit aufgeben müsste. Die Corona-Auflagen seien zum Zeitpunkt der neuerlichen Antragstellung sogar strenger gewesen (völlige Schließung der Hotellerie und Gastronomie) als bei der ersten, wo zumindest bis 01:00 Uhr offengehalten werden konnte. Der Verlauf der Pandemie sei weder in der Vergangenheit vorhersehbar gewesen noch sei er es in der Zukunft. Der BF habe sich nicht im Sinne der Harmonisierungspflicht darauf einstellen können. Die Dauer der von der Behörde im ersten Bescheid gewählten Befreiung sei nicht ausreichend gewesen, damit der BF seine wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse, so hätte ordnen können, dass ihm die Ableistung des Zivildienstes ohne eines besonders berücksichtigungswürdigen Nachteils möglich gewesen wäre. Die Einstellung eines Mitarbeiters wäre in der Zeit zwischen 24.06.2020 und 01.03.2021 nicht möglich gewesen. Es können vom BF auch nicht erwartet werden, dass er über 9 Jahre (von der Feststellung der Zivildienstpflicht 2011 bis heute) im Rahmen der Harmonisierungspflicht seine Lebensverhältnisse auf die bevorstehende Zivildienstpflicht in dem Ausmaß berücksichtigt, wie die Behörde dies erwarte. Sodann wird noch argumentiert, dass der BF mit der Grundvergütung im Zivildienst die Mietkosten seiner Wohnung iHv € 700,-- nicht bestreiten würde können und obdachlos würde.

3.3.3. Nach § 13 Abs 1 Z 2 ZDG müssen für eine Befreiung von der Ableistung des Zivildienstes auf Antrag des Zivildienstverpflichteten wirtschaftliche oder familiäre Interessen vorliegen und müssen diese zusätzlich besonders berücksichtigungswürdig sein.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) zu § 13 Abs 1 Z 2 ZDG hat ein Zivildienstpflichtiger die Planung und Gestaltung seiner privaten und wirtschaftlichen (beruflichen) Angelegenheiten im Interesse einer Harmonisierung mit der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes so vorzunehmen, dass für den Fall seiner Zuweisung vorhersehbare Schwierigkeiten vermieden oder möglichst verringert, nicht aber vergrößert oder gar erst geschaffen werden. Den Zivildienstpflichtigen trifft also die Verpflichtung, seine Angelegenheiten mit der Zivildienstpflicht zu harmonisieren. Verletzt er diese Harmonisierungspflicht, können die daraus abgeleiteten Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig angesehen werden (VwGH 13.12.2001, 2000/11/0085, zur dem Zivildienst vergleichbaren Wehrpflicht und zum Zivildienst, VwGH 18.05.2010, 2008/11/0172).

Hat ein Zivildienstpflichtiger bereits vor Erfüllung der ihn treffenden Zivildienstleistungspflicht seine berufliche Existenz zu verwirklichen begonnen, so können die durch die Unterbrechung der beruflichen Tätigkeit infolge der zivildienstbedingten Abwesenheit verursachten wirtschaftlichen Rückschläge nicht die besondere Rücksichtswürdigkeit geltend gemachter wirtschaftlicher Interessen begründen (Hinweis E 23. 4. 1996, 95/11/0399; VwGH 10.11.1998, 97/11/0293).

3.3.4. Im konkreten Fall ist es dem BF vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung gelungen besonders berücksichtigungswürdige wirtschaftliche Gründe anzuführen. Das Vorliegen familiärer Interessen hat der BF nicht behauptet.

Wie die belangte Behörde zwar richtig festgestellt hat, weiß der BF seit der Feststellung seiner Tauglichkeit (2010) bzw seit Annahme seiner Zivildiensterklärung (2011), dass er den Zivildienst leisten wird müssen. Er hat die wirtschaftlichen Schwierigkeiten denen er sich jetzt ausgesetzt sieht, auch erst geschaffen und gegen seine Harmonisierungspflicht verstoßen, als er sich nach der Beendigung seiner HTL-Ausbildung (die er mit 2015 avisiert hat) nicht bei der ZISA gemeldet bzw sich um eine zeitnahe Zuweisung zu einer Einrichtung bemüht hat, bevor er einer Vollzeitbeschäftigung nachgegangen ist.

Aufgrund der bereits erfolgten ersten Befreiung vom 24.06.2020 aus besonders berücksichtigungswürdigen wirtschaftlichen Gründen nach § 13 Abs 1 Z 2 ZDG, die die belangte Behörde damit begründet hat, dass keine Verletzung der Harmonisierungspflicht vorgelegen hat, ist nunmehr nur mehr der Zeitraum seit dem Ende dieser Befreiung zu berücksichtigen und zu beurteilen, ob diese besonders berücksichtigungswürdigen Gründe weggefallen und neue nicht aufgetreten sind.

Wie festgestellt, ist dies nicht der Fall und hat die Behörde übersehen, dass die Möglichkeit des BF sich seit der letzten Befreiung wirtschaftlich so zu konsolidieren, dass er einen Mitarbeiter einstellen kann der in während des Zivildienstes vertritt, aufgrund der Einschränkungen durch die fortdauernde COVID-19-Pandemie gerade im Gewerbe des BF, nicht bestand und auf derzeit noch nicht absehbare Zeit aufgrund der OMIKRON-Mutation auch nicht besteht, sofern der BF nicht - trotz der Förderungen - Insolvenz anmelden und sich ohnehin eine neue Beschäftigung suchen muss.

Sofern die belangte Behörde zur Harmonisierungspflicht im gstl Fall auf das VwGH-Erkenntnis vom 17.12.1998, 98/11/0018 verweist, liegt diesem ein nicht vergleichbarer Fall zugrunde. Hier ging es um einen Architektensohn, der nach einer Befreiung aufgrund des überraschenden Todes seines Vaters, nicht nur dessen Büro übernommen, sondern ein eigenes gegründet hatte, obwohl er wusste, dass er den unterbrochenen Zivildienst in absehbarer Zeit wiederaufnehmen werde müssen.

Der Antrag des BF auf Befreiung von der Leistung des ordentlichen Zivildienstes wurde von der belangten Behörde im Ergebnis daher zu Unrecht abgewiesen. Dem angefochtenen Bescheid haftet eine Rechtswidrigkeit iSd Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG an und ist der BF gemäß § 13 Abs 1 Z 2 ZDG von der Leistung des Zivildienstes zu befreien.

Die Festlegung eines Enddatums der Befreiung ist vor dem Hintergrund der Unberechenbarkeit der COVID-19-Pandemie nicht sinnvoll und notwendig, da sich aus § 13 Abs 4 ZDG ohnehin ergibt, dass der BF jedes dritten Jahr nach der Befreiung das noch Vorhandensein der Befreiungsgründe – und auch was er iSd Harmonisierungspflicht unternommen hat, damit der seiner Zivildienstpflicht nachkommen kann – erneut nachweisen muss und ansonsten die Befreiung ex lege nach Ablauf eines weiteren Monats endet.

Da der BF zu diesem Zeitpunkt maximal 32 Jahre alt sein wird, kann er danach zeitnah erneut zugewiesen werden. Die ihm dann zustehenden Leistungen sind in den §§ 25ff ZDG geregelt.

Der BF wird gut beraten sein, seinen Antrittstermin zum Zivildienst insofern mitzugestalten, als er den Wegfall der Befreiungsgründe umgehend der ZISA meldet und sodann selbst mit der Einrichtung, bei der er den Zivildienst ableisten möchte, Kontakt aufnimmt und er bzw. die jeweilige Einrichtung um entsprechende (rasche) Zuweisung bei der Behörde vorstellig werden kann. Auf www.zivildienst.gv.at kann er sich über Einrichtungen und Termine informieren und einen Zuweisungswunsch abgeben, wenngleich kein Rechtsanspruch auf eine wunschgemäße Zuweisung besteht ist die Behörde nach dem Wissensstand des Gerichtes bemüht, diesem Wunsch zu entsprechen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die zitierte ständige Judikatur des VwGH wird verwiesen.

Schlagworte

Harmonisierungspflicht Pandemie vorübergehende Befreiung wirtschaftliche Gründe Zivildienst

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W208.2243862.1.00

Im RIS seit

21.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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