TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/13 W159 2241719-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.10.2021
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Entscheidungsdatum

13.10.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3
FPG §55 Abs4

Spruch


W159 2241719-1/25E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. von Bosnien und Herzegowina gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.03.2021, Zl. XXXX , nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 24.06.2021 und am 23.09.2021 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe gemäß §§ 52 Abs. 4 und Abs. 9 sowie 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 sowie 55 Abs. 4 FPG als unbegründet abgewiesen, dass die Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina zulässig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein in Österreich geborener Staatsbürger von Bosnien und Herzegowina, ist schon in früher Jugend durch straffälliges Verhalten, insbesondere Gewaltdelikte, in Erscheinung getreten.

Mit Schreiben vom 21.10.2019 räumte ihm das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl das Parteiengehör zu zahlreichen Fragen im Zusammenhang mit einer allfälligen Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot ein. Mit Schreiben vom 26.11. 2019 nahm er dazu selbst in deutscher Sprache Stellung und gab an, dass er in Bosnien nur ca. zwei Wochen auf Urlaub gewesen sei. Er sei komplett gesund, habe in Österreich die Volks- und Hauptschule besucht, dann ein Jahr lang die Handelsschule, ein Jahr lang die HTL und weiters eine Lehre als Koch und Kellner begonnen, aber nicht abgeschlossen. Er sei mit XXXX verheiratet und habe eine Tochter, XXXX . Auch seine Eltern und Geschwister würden in Österreich, nämlich in XXXX , leben. Nach der abgebrochenen Lehre im Hotel XXXX in XXXX habe er auf der Festung XXXX und dann im Grillrestaurant XXXX gearbeitet, er habe auch versucht, sich selbständig zu machen. Seine Gewerbeanmeldung sei jedoch abgelehnt worden. Nunmehr führe sein Vater das Restaurant weiter.

Am 19.01.2021 erfolgte ein weiteres schriftliches Parteiengehör.

Mit Schreiben vom 04.02.2021 wurde auch der (damaligen) Ehefrau des Beschwerdeführers schriftlich das Parteiengehör zu einigen Fragen eingeräumt. Sie führte dazu schriftlich mit E-Mail vom 17.02.2021 aus, dass sie sich gerade in Scheidung befinden würden. Am 16.02.2021 hätten sie einen Scheidungstermin beim BG XXXX gehabt, zu dem der Beschwerdeführer jedoch nicht erschienen sei. Sie wären seit längerer Zeit getrennt. Er melde sich nicht bei ihnen und sei auch hinsichtlich der Alimente nicht zuverlässig. Es bestehe kein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis, weder in finanzieller, noch in persönlicher Hinsicht. Als sie sich frisch getrennt hätten, hätte sie im August 2020 zwei Anrufe erhalten. Im September 2020 habe sie nur Drohungen erhalten. Dann habe er gar nicht mehr versucht, seine Tochter zu kontaktieren. Zu der Verhandlung betreffend Kontakt mit der Tochter am 18.01.2021 sei er auch nicht erschienen. Da sie seit September 2020 keinen Kontakt hätten, würde es für sie auf keinen Fall ein Problem darstellen, wenn der Beschwerdeführer nach Bosnien abgeschoben würde. Sollte dies der Fall sein, würde sie ihn weder besuchen, noch den Kontakt aufrechterhalten.

Der Beschwerdeführer führte zu den Fragen des Bundesamtes aus, dass er in Österreich geboren sei und Österreich niemals länger als drei Monate verlassen habe, er wiederholte seine Ausführungen betreffend Schulausbildung. Derzeit wohne er bei seinen Eltern, weil er wegen seiner Nochehefrau seine Wohnung verloren habe. Er sei derzeit beim AMS gemeldet. Er möchte in Österreich ein schönes Leben bis zur Pension führen und werde von Rechtsanwalt XXXX vertreten.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion XXXX , vom 17.03.2021, IFA-Zahl XXXX wurde in Spruchteil I. eine Rückkehrentscheidung erlassen, unter Spruchpunkt II. festgestellt, dass die Abschiebung nach Bosnien zulässig sei, zu Spruchpunkt III. ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen, unter Spruchpunkt IV. eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und unter Spruchpunkt V. einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. In der Begründung des Bescheides wurde der Verfahrensgang zunächst aufgelistet, dann die Beweismittel angeführt und Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, insbesondere zu den zahlreichen von dem Beschwerdeführer begangenen Straftaten getroffen, sowie Feststellungen zum Herkunftsstaat. In der Beweiswürdigung wurde auf die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers, insbesondere, dass er einen abgelaufenen befristeten Aufenthaltstitel als Familienangehöriger gehabt habe, eingegangen. Der Aufenthaltstitel sei ihm auf Grund der Heirat mit einer österreichischen Staatsbürgerin ausgestellt worden, nachdem ihm sein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ wegen Straffälligkeit rückgestuft und in eine „Rot-Weiß-Rot Plus Karte“ umgewandelt worden sei. Der Beschwerdeführer leide an keiner lebensbedrohenden Krankheit, es würden sich auch keine Hinweise darauf ergeben, dass er nicht arbeitsfähig wäre. Weiters wurden die Meldeadressen und die Versicherungszeiten aufgelistet, woraus die Schlussfolgerung gezogen worden sei, dass er nur wenige Monate eine sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit habe nachweisen können und davon den Großteil im eigenen Familienbetrieb. Überwiegend habe er jedoch Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bzw. Mindestsicherung und Notstandsgeld bezogen, weiters verfüge er auch über keine abgeschlossene Berufsausbildung, er sei bereits vier Mal in Justizanstalten aufhältig gewesen. Auch lägen 28 nicht getilgte Verwaltungsstrafen der LPD XXXX , vorwiegend wegen Fahrens ohne Lenkerberechtigung und wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen vor. Es gebe auch weiters zahlreiche Anzeigen, insbesondere nach dem SMG und sei ein rechtskräftiges Waffenverbot erlassen worden. Der Beschwerdeführer habe nicht nur mehrfach das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit und des fremden Vermögens beeinträchtigt, sondern sei auch gegenüber seiner Ehefrau massiv übergriffig geworden und habe sogar das Leben seiner Tochter bedroht. Er habe ein persönlich vorwerfbares und massiv strafbares Verhalten gesetzt und würde sein Verhalten eine tatsächliche gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen. Bei den Verurteilungen sei vor allem zu berücksichtigen, dass er zwei Mal wegen Raubes bzw. schweren Raubes verurteilt worden sei und rasch rückfällig geworden sei.

Zu den Länderfeststellungen wurde ausgeführt, dass ein dorthin zurückkehrender Erwachsener, der arbeitsfähig sei, keiner Gefahr einer realen Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle 6 oder 13 der EMRK unterlaufen würde. Das habe sich auch durch die COVID-19 Pandemie nicht geändert, sodass insgesamt keine Gründe vorliegen würden, welche gegen eine Abschiebung nach Bosnien sprechen würden.

Rechtlich wurde zu Spruchteil I. ausgeführt, dass beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen des § 52 Abs. 4 Z 1 und 4 FPG vorlägen und bei ihm von einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit auszugehen sei. Er sei bereits zwölf Mal von einem inländischen Gericht wegen Vermögens-, Urkunden- und insbesondere Gewaltdelikten rechtskräftig verurteilt worden sei, ein weiteres Verfahren nach § 28a SMG sei anhängig. Der Beschwerdeführer habe so durch sein Verhalten gezeigt, dass er kein Interesse habe, die Gesetze Österreichs zu respektieren. Zum Familienleben sei auszuführen, dass die Eltern und Geschwister rechtmäßig im Bundesgebiet leben würden und der Beschwerdeführer in Österreich geboren sei. Doch angesichts der gravierenden Straffälligkeit rechtfertige das öffentliche Interesse eine aufenthaltsbeendende Maßnahme. Insgesamt sei der langjährige Aufenthalt des Fremden durch sein massives strafrechtliches Fehlverhalten relativiert worden, es lagen nicht nur zwölf strafgerichtliche Verurteilungen, sondern auch 28 nicht getilgte verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen auf. Bosnien sei ein sicherer Herkunftsstaat, er sei ein gesunder, arbeitsfähiger Mann von knapp 28 Jahren, der dort keiner lebensbedrohenden Notlage ausgesetzt wäre. Zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich des aufgehobenen § 9 Abs. 4 BFA-VG sei einerseits festzustellen, dass die vorliegende Straffälligkeit des Beschwerdeführers als gravierend bzw. schwer qualifizieren sei, andererseits nicht nur die Schwere, sondern auch die oftmalige Begehung von Delikten gegen dasselbe Rechtsgut (insbesondere körperliche Integrität) zu berücksichtigen sei. Beim Beschwerdeführer hätten sich außer schweren Verbrechen auch eine Vielzahl minderschwerer Straftaten kumuliert und habe er sogar das Leben seiner kleinen Tochter bedroht und bestehe laut den Angaben der Kindesmutter derzeit kein Kontakt. Es entspreche nicht dem Kindeswohl, wenn Mutter und Tochter physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt seien und wäre nach den Angaben der Kindesmutter für sie und die Tochter die Außerlandesbringung kein Problem. Der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten ein massiv gegen die öffentliche Ordnung und Sicherheit gerichtetes Verhalten gesetzt. Wenn auch die lange Aufenthaltsdauer stark ins Gewicht falle, habe jedoch in Anbetracht der großen Anzahl von Verurteilungen, insbesondere Gewaltdelikten, die Interessenserwägung zum Ergebnis geführt, dass die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung schwerer wiegen, als die privaten Interessen an einem weiteren Verbleib in Österreich, sodass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

Zu Spruchpunkt II. wurde insbesondere ausgeführt, dass sich weder aus den Feststellungen zur Lage im Zielstaat, noch aus dem Vorbringen eine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG ergebe und handle es sich bei Bosnien laut Herkunftsstaatenverordnung vielmehr um einen sicheren Drittstaat mit einer Beitrittsperspektive für die Europäische Union. Es lägen somit unter Berücksichtigung sämtlicher Lebensumstände und der grundsätzlichen Arbeitsunfähigkeit basierend auf dem vorliegenden Länderinformationsblatt keine Gründe vor, die eine Abschiebung unzulässig machen würden und stünde einer solchen auch keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegen. Es bestehe auch kein „real risk“ einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die COVID-19 Pandemie, sodass die Abschiebung nach Bosnien als zulässig zu bezeichnen sei.

Zu Spruchteil III. wurde darauf hingewiesen, dass bei dem Beschwerdeführer der § 53 Abs. 3 Z 1 FPG (mehrmalige Verurteilung wegen der gleichen schädlichen Neigung) erfüllt sei. Der Beschwerdeführer sei ein Wiederholungstäter, weise unzweifelhaft eine beträchtliche kriminelle Energie auf und habe wiederholt vor der Ausübung körperlicher Gewalt nicht zurückgescheut und sogar schwere Dauerschäden der Opfer in Kauf genommen.

Das bereits einmal verspürtes „Haftübel“ habe ihn nicht von der Begehung weiterer massiver Straftaten abhalten können, ebensowenig die Anordnung der Bewährungshilfe und die Teilnahme an einem Antiaggressionstraining. Es seien wohl private und familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich vorhanden. Diese würden jedoch angesichts der massiven Straffälligkeit des Beschwerdeführers einen weiteren Verbleib in Österreich nicht rechtfertigen. Drei Jahre Einreiseverbot seien bei einem maximalen Rahmen von zehn Jahren aus der Sicht des Bundesamtes angemessen, um dem Beschwerdeführer sein Fehlverhalten im Bundesgebiet klar zu machen. Ein gänzlicher Entfall des Einreiseverbotes scheine auf Grund der massiven Straffälligkeit und der insgesamt negativen Prognose, insbesondere im Hinblick auf ein anhängiges Strafverfahren, nicht begründbar.

Zu Spruchpunkt IV. und V. wurde ausgeführt, dass im vorliegenden Fall die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sei und daher auch keine Frist für eine freiwillige Ausreise festzulegen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Adressat, vertreten durch Rechtsanwalt XXXX , gegen alle Spruchteile fristgerecht Beschwerde. Es wurde ausgeführt, dass sich sämtliche Familienmitglieder des Beschwerdeführers in Österreich befänden. Der Beschwerdeführer sei in Österreich geboren und habe hier die Schule besucht. Österreich sei sein Heimatland. Bosnisch sei fast eine Fremdsprache für ihn. Der Beschwerdeführer habe eine schwierige Kindheit gehabt und sei sich nunmehr dem Unrecht seiner Taten bewusst. Er sei ausdrücklich gewillt, einen allumfassenden geänderten Lebensstil in Zukunft zu pflegen, er lebe mit seiner Ehegattin in Scheidung. Der Scheidungstermin sei allerdings von der Ehefrau nicht wahrgenommen worden, offenbar aus dem Grund, einen weiteren Versuch der Aufrechterhaltung der ehelichen Gemeinschaft aus Gründen der Verantwortung für das minderjährige Kind zu unternehmen. Der Beschwerdeführer habe nach der letzten Haftentlassung sich mit finanzieller Unterstützung beider Elternteile selbständig gemacht und das Grillrestaurant XXXX gegründet, das sich zunächst in der XXXX in XXXX befunden habe und nach einiger Zeit in die XXXX übersiedelt sei. Er helfe nunmehr zeitweilig in dem elterlich geführten Betrieb mit. Das Restaurant könne jedoch derzeit pandemiebedingt nicht öffnen und biete lediglich Lieferservice an. Sobald es aus pandemiebedingter Sicht möglich sei, sei der Beschwerdeführer in der Lage, wieder einer Beschäftigung nachzugehen und habe er zum Beweis dessen eine Einstellungszusage vorgelegt. Sein Unterhalt sei monatlich mit 150,-- Euro festgelegt worden und sei es ihm ein Anliegen, seine Tochter und die Kindesmutter sowohl emotional, als auch familientechnisch zu unterstützen. Es sei auch unrichtig, dass der Beschwerdeführer in keinem Abhängigkeitsverhältnis zu seinen in Österreich rechtmäßig niedergelassenen Familienmitgliedern stehe, seine Mutter leide nämlich unter schweren Depressionen und betreue der Beschwerdeführer die Mutter mit aller Fürsorge und Verantwortung. Der Gesundheitszustand seiner Mutter verschlechtere sich stetig und sei es nur mehr eine Frage der Zeit, bis den Beschwerdeführer weitreichende finanzielle und pflegetechnische Aufgaben treffen würden. Auf Grund der speziellen Familiensituation und insbesondere wegen der aufopfernden Pflegerolle innerhalb des Elternhauses sei jedenfalls von einer positiven Wandlung in Denkweise und Wertschätzung auszugehen und daher eine positive Zukunftsprognose möglich. Außerdem wäre es dem Beschwerdeführer im Falle einer Abschiebung nach Bosnien nicht möglich, seine Tochter und seine Mutter finanziell zu unterstützen, da das dortige Lohnniveau nur etwa 28 % des Mindestlohnes des Gastgewerbes in Österreich trage. Beantragt wurden die Einvernahmen der Eltern XXXX als Zeugen. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde ausgeführt, dass ein sofortiger Vollzug des Bescheides für den Beschwerdeführer einen unverhältnismäßigen Nachteil bewirken würde.

Im Vorlageschreiben der belangten Behörde von 19.04.2021 wurde insbesondere hervorgestrichen, dass der Aktenlage das in der Beschwerde vorgebrachte Umdenken und einer Änderung der Einstellung zu den rechtlich geschützten Werten nicht zu entnehmen sei und würden den Angaben des Beschwerdeführers betreffend Scheidung die Angaben der in Scheidung befindlichen Ehefrau widersprechen. Dass er sich um seine Mutter kümmern müsse, habe er erstmals vorgebracht, obwohl er dazu schon mehrfach Gelegenheit gehabt hätte.

Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.04.2021, Zahl XXXX wurde der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt V. Folge gegeben und dieser ersatzlos behoben, was insbesondere damit begründet wurde, dass der Beschwerdeführer ein reales Risiko einer Verletzung der zu berücksichtigenden Konventionsbestimmungen, insbesondere Art. 8 EMRK, geltend mache und könne bei einer Grobprüfung nicht ausgeschlossen werden, dass es sich dabei um „vertretbare Behauptungen“ handle und sei im Hinblick auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Verhandlungspflicht die Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung unter persönlicher Befragung des Beschwerdeführers, sowie unter Einvernahme der beantragten und allenfalls auch weiteren Zeugen erforderlich, was innerhalb Wochenfrist nicht möglich sei.

Das Bundesverwaltungsgericht beraumte eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung für den 27.05.2021 an, welche auf Grund der Vertagungsbitte des Beschwerdeführervertreters auf den 24.06.2021 verlegt wurde. In Folge kurzfristiger Verhaftung des Beschwerdeführers zum Strafvollzug war jedoch eine Vorführung des Beschwerdeführers nicht möglich. Weiters wurde von der belangten Behörde ein Bericht der LPD XXXX , SPK XXXX , Kriminalpolizei, vorgelegt, wonach der Beschwerdeführer einem marokkanischen Staatsbürger versprochen hatte, eine Wohnung zu besorgen, eine Anzahlung von Euro 6.800,-- kassiert habe, aber davongefahren sei und in der Folge nicht mehr kontaktiert werden konnte. Es wurde daher eine Anzeige wegen schweren Betruges weitergeleitet.

Zu der genannten Beschwerdeverhandlung erschien ein Vertreter der belangten Behörde, sowie die geladenen Zeugin XXXX , sowie der Beschwerdeführervertreter. XXXX gab wahrheitserinnert und über die Entschlagungsgründe belehrt an, dass sie von dem Beschwerdeführer seit 07.05.2021 geschieden sei. Die Scheidung sei einvernehmlich erfolgt. Sie möchte ihren Mädchennamen XXXX annehmen, sie sei von dem Beschwerdeführer schon seit Sommer 2020 getrennt, sie hätten sich 2016 kennengelernt und 2018 geheiratet. Sie habe aber nur geheiratet, weil sie schwanger geworden sei. Derzeit hätten beide das Sorgerecht für die Tochter, aber sie habe bereits das alleinige Sorgerecht beantragt. Sie möchte auch, dass die Tochter ihren ledigen Namen XXXX erhalte. Sie lebe mit ihrer Tochter in XXXX im Bezirk XXXX , Oberösterreich. Treffen der Tochter mit dem Beschwerdeführer erfolgten nur über Sozialbegleitung der Firma XXXX . Bis jetzt hätten nur zwei Treffen stattgefunden. Der Beschwerdeführer sei im Rückstand mit dem Unterhalt gewesen und habe ihr vorgestern auf drei Mal insgesamt 1.050,-- Euro überwiesen, sie werde nunmehr einen Antrag auf Erhöhung des Unterhaltes stellen. Mit dem Beschwerdeführer sei sie nicht mehr in Kontakt. Auf einen Unterhalt auf ihre Person habe sie verzichtet. Sie sei derzeit bei der Firma XXXX in der Produktion tätig und möchte über das AMS eine Kurzlehre machen. Gefragt, was sie dazu sagen würde, wenn der Beschwerdeführer nach Bosnien abgeschoben werde, meinte sie „Pech gehabt“. Ihr sei es persönlich egal, da sie ohnehin keinen Kontakt habe und auch keine Zahlungen erhalte. Er zeige auch kein Interesse an dem gemeinsamen Kind und sei beim letzten Besuchstermin früher weggegangen. Über Fragen durch den Behördenvertreter, wonach der Beschwerdeführervertreter behaupte, dass der Beschwerdeführer regelmäßig Unterhalt zahle, gab sie an, dass er nur säumig zahle und sie ihn immer wieder habe daran erinnern müssen. Von wo er das Geld für den Unterhalt habe, wisse sie nicht, sie wisse überhaupt wenig über das aktuelle Leben ihres Ex-Mannes. Gefragt, weswegen der erste Scheidungstermin geplatzt sei, gab die Zeugin an, dass der Beschwerdeführer nicht erschienen sei. Beim zweiten Termin sei sie selbst COVID positiv gewesen. Sonst möchte sie zu dem Fremdenrechtsverfahren des Beschwerdeführers nichts mehr sagen.

Die Zeugin XXXX (Mutter des Beschwerdeführers) gab nach Wahrheitserinnerung und Belehrung über die Entschlagungsgründe an, dass es ihr gesundheitlich im Moment nicht gut gehe und dies mit dem allgemeinen Gesundheitszustand zu tun habe. Sie habe psychische Beschwerden und Probleme mit ihrem Knie, eine Operation sei nicht erfolgreich gewesen und sie brauche daher ein künstliches Kniegelenk. Sie habe weiters Probleme mit dem Kreislauf und zu hohen Blutdruck. Sie bekomme Anfälle, eine Art Schock, sei dann bewusstlos, komme ins Krankenhaus und sei dort auch schon drei Tage lang stationär aufgenommen worden. Befragt, inwiefern sie Menschen zur Bewältigung des Alltages benötige, gab sie an, dass sie im Moment von ihrem Sohn unterstützt werde und ohne seine Unterstützung wäre sie überlebensunfähig. Sie habe aber noch zwei leibliche Kinder und zwei Pflegekinder von ihrem Mann, also insgesamt vier. Der älteste Sohn wohne in XXXX , die eine Pflegetochter in XXXX und die zweite Tochter in XXXX . Gefragt, ob der Ehemann oder die anderen Kinder anstatt des Beschwerdeführers bei der Bewältigung des Alltages helfen könnten, führte sie aus, dass diese schon eine eigene Familie hätten und ihr Mann als Selbständiger arbeite und viel Arbeit habe. Er arbeite in dem Restaurant in der Küche. Gefragt, was sie zur Abschiebung des Beschwerdeführers nach Bosnien sagen würde, führte sie aus, dass er Österreicher sei und hier geboren sei, wo könne er dort hingehen? Aktuelle Befunde habe sie nicht mit, sie könne aber wegen ihrer Gesundheit nur maximal 20 Stunden arbeiten. Seit 19.05.2021 sei das Gastgewerbelokal wieder geöffnet. Ursprünglich habe es ihrem Sohn gehört. Die Gewerbebehörde habe jedoch die Anmeldung wegen der Vorstrafen ihres Sohnes verweigert und sei nunmehr ihr Mann Geschäftsführer. Das Lokal gehe gut und sie könnten sich Angestellte leisten. Sie hätten derzeit einen Kellner und eine Küchenhilfe und würden auf ihren Sohn warten. Er habe auch während des Lieferservices geholfen. Als er ein „Visum“ gehabt habe, habe er offiziell im Lokal gearbeitet.

Der Zeuge XXXX (Vater des Beschwerdeführers) wurde nach Wahrheitserinnerung und Belehrung über die Entschlagungsgründe wie folgt befragt: Sein Sohn habe zuerst das Restaurant geführt, dann habe er es übernommen und der Sohn habe mitgearbeitet. Das Restaurant habe 50 Sitzplätze, der Beschwerdeführer habe sowohl in der Küche als auch als Kellner gearbeitet. Er habe noch selbst ein zweites Geschäft, wo er Cevapcici produziere. Seit August letzten Jahres, als der Sohn sich von seiner Frau getrennt habe, wohne er wieder bei seinen Eltern. Die Ehe sei am Anfang gut verlaufen, dann hätten die beiden Probleme miteinander gehabt, aber Details wisse er nicht, zu ihnen sei die Schwiegertochter ganz nett gewesen. Seiner Frau gehe es gesundheitlich ganz schlecht. Sie habe psychische Probleme, Probleme mit ihrem Knie und habe eine Knieoperation gehabt. Auch habe sie mit dem Gewicht Probleme und habe sie die Scheidung und die Sache mit dem Enkelkind mitgenommen. Zurzeit arbeite sie geringfügig und die Ärztin habe ihr geraten, sie solle eine Invaliditätspension beantragen. Gefragt, inwiefern der Sohn seiner Frau helfe, gab er an, dass er die beiden kleinen Hunde ausführe, er helfe auch beim Reinigen der Wohnung und beim Einkaufen. Gefragt, ob seine Frau der dauernden Hilfe benötige, um den Alltag zu bewältigen, gab er an, dass sie Hilfe brauche, wenn sie von der Arbeit heimkomme. Sie habe Schmerzen in den Knien. Die beiden anderen Geschwister seien schon verheiratet und würden woanders leben und er selbst führe zwei Geschäfte und komme wenig dazu, seiner Frau zu helfen. Gefragt, was er zur Abschiebung seines Sohnes nach Bosnien sagen würde, gab er an, dass der Beschwerdeführer hier ein Kind habe, er könne das Kind jetzt sehen, wo soll er in Bosnien hingehen, dort habe er niemanden. Die ganze Familie sei hier. Über Fragen durch den Rechtsvertreter, dass die Zeugin (Kindesmutter) behauptet hätte, dass er das Kind erst zwei Mal gesehen hätte und kein Interesse am Kind habe, führt der Zeuge aus, dass die Kindesmutter von Anfang an nicht gewollt habe, dass der Sohn das Kind sehe. Sie hätten das erst gerichtlich durchfechten müssen. Er kenne die Ex-Schwiegertochter erst, seit sie zusammen mit seinem Sohn gewesen sei. Er habe seinen Sohn vor allem in der Coronazeit finanziell unterstützt. Bei der Unterhaltszahlung habe er ihm nicht geholfen, möglicherweise die Schwester des Beschwerdeführers.

Die Verhandlung wurde dann zur Ladung bzw. Vorführung des Beschwerdeführers auf unbestimmte Zeit vertagt.

Zu der fortgesetzten Beschwerdeverhandlung am 23.09.2021 wurde der Beschwerdeführer durch die Justizwache vorgeführt. Es erschien ein Vertreter der belangten Behörde, sowie der Beschwerdeführervertreter. Der Beschwerdeführer hielt die Beschwerde und das bisherige Vorbringen aufrecht und wollte nichts korrigieren oder ergänzen. Er gab an, dass er früher möglicherweise XXXX geheißen habe, das sei der ledige Name seiner Mutter. Seine Eltern hätten erst nach seiner Geburt geheiratet. Er sei am XXXX in der Stadt XXXX geboren. Er sei Bosnier und Moslem, übe aber die Religion nicht aus, habe immer nur in XXXX gelebt. Gefragt, ob er eine schwierige Kindheit gehabt habe, gab er an, eigentlich nicht so, aber die Jugend sei schon schwierig gewesen, da er das erst Mal mit 16 Jahren straffällig geworden sei. Er sei bisher acht bis zehn Mal in Bosnien und Herzegowina gewesen, immer nur zwei bis drei Wochen im Sommer, das letzte Mal im Sommer 2019. Mit seinen Eltern habe er Bosnisch und Deutsch gesprochen, mit seinen Freunden und seiner Ex-Frau nur Deutsch. Er könne wohl Bosnisch, aber nicht so gut wie Deutsch. Schriftlich könne er diese Sprache nur mit vielen Rechtschreibfehlern. In der Volksschule wurde die cyrillische Schrift auch gelehrt, aber er könne sie nicht mehr. In Bosnien habe er nur mehr eine Oma, welche 86 Jahre alt sei. Von der Mutterseite habe er noch eine Tante und einen Onkel, welcher sich um seine Oma kümmern würde. Er habe nicht so regelmäßigen Kontakt mit seiner Großmutter, er rufe sie beispielsweise zum Geburtstag an. Seine Mutter habe häufiger Kontakt. Weder er noch seine Eltern hätten irgendeinen Haus- oder Grundbesitz in Bosnien. Er glaube schon, dass bei einer Rückkehr nach Bosnien ihn seine Oma aufnehmen würde, aber seine Mutter wolle das nicht. Er habe in Österreich die Volksschule und die Hauptschule besucht, dann weiters eine Klasse die HAK und eine Klasse die HTL, dann sei er das erste Mal ins Gefängnis gekommen. Er habe dann im Hotel XXXX in XXXX eine Lehre als Koch und Kellner begonnen, diese aber nicht abgeschlossen. Er habe auch auf der Festung XXXX gearbeitet und in anderen Hotels, meistens als Kellner, aber auch in der Küche und im Frühstücksservice. Dann habe er auch als Türsteher und als Kellner in Diskos gearbeitet. Mit 21 Jahren habe er sich selbständig gemacht. Er habe gemeinsam mit seinem Vater ein Imbisslokal aufgemacht. Sein Vater habe eine Metzgerei. Er habe dann noch ein zweites Imbisslokal aufgemacht, aber er habe dann Schwierigkeiten mit der Fußfessel und Streit mit seinen Eltern gehabt. Das Lokal sei dann verkauft worden. Seine Eltern hätten eine Zeit lang mit ihm keinen Kontakt gehabt. Er habe sich dann selbst ein Restaurant gekauft, aber dadurch, dass er so viele Vorstrafen gehabt habe, habe er das Gastgewerbe nicht anmelden können.

Er habe dann seine Eltern gebeten zu helfen und laufe das Gastgewerbe nunmehr auf seinen Vater. Seit sein „Visum“ abgelaufen sei im Februar 2021, habe er dort nur geholfen. Seine ältere Schwester lebe in XXXX , seine jüngere Schwester in XXXX zwischen XXXX und XXXX und sein älterer Bruder in XXXX . Dann habe er noch einen Cousin glaublich in XXXX . Er habe schon vor der Scheidung bei seinen Eltern gelebt. Seine Mutter gehe es gesundheitlich und psychisch nicht gut. Wenn er daheim sei, helfe er immer, zB. beim Zusammenräumen im Haushalt, er gehe mit den Hunden spaziere und trage zB auch die Wäsche auf den Dachboden und helfe im Garten mit. Sein Vater habe in der Metzgerei zu viel zu tun und die Geschwister hätten eigene Familien und sie schauten nur ab und zu bei seiner Mutter vorbei. Der Kontakt zu seinen Geschwistern sei sehr gut. Mit seiner Ex-Frau hingegen habe er keinen Kontakt mehr. Vor seinem Gefängnisaufenthalt habe er Kontakt zu seiner Tochter gehabt, aber sie sei zu zwei Treffen nicht erschienen. Er sei aber immer gekommen. Er sei nur einmal zehn Minuten früher gegangen, weil er einen Zahnarzttermin gehabt habe. Die Betreuerin habe gesagt, dass dies kein Problem sei. Er möchte schon nach wie vor Kontakt zu seinem Kind haben, aber seine Ex-Frau wolle das nicht. Er habe den Eindruck, dass seine Ex-Frau das Kind gegen ihn benütze. Gefragt, wie die Treffen mit dem Kind abgelaufen wären, gab er an, dass eine Betreuerin des Vereins XXXX dabei gewesen sei. Es sei in XXXX gewesen. Sie hätten sich in einer Grundschule getroffen. Dort gäbe es einen Spielraum. Sie seien dort alle mit Maske gewesen. Die Treffen seien immer gut verlaufen. Er habe mit seiner Tochter gespielt. Am Anfang sei er nicht glücklich darüber gewesen, dass seine Ex-Frau dabei sei. Sie sei nämlich ein- bis zweimal verbal auf ihn losgegangen. Er habe auch während seines Haftaufenthaltes seiner Schwester gesagt, dass sie den Unterhalt für die Tochter an seine Ex-Frau überweisen solle. Er sei in der JA XXXX und sei dort als Maler tätig. Er arbeite in der Hauswerkstatt. Er habe auch schon in der Küche gearbeitet, habe aber dort Probleme mit dem Küchenleiter gehabt.

Gefragt, welche Pläne er habe, wenn er aus dem Gefängnis komme, gab er an, dass er nunmehr eine neue Freundin namens XXXX habe. Sie sei Österreicherin mit tschechischen Wurzeln. Sie würde ihn auch regelmäßig im Gefängnis besuchen und könne er sich mit ihr eine gemeinsame Zukunft vorstellen und möchte er gerne das Restaurant weiterführen. Hinsichtlich des voraussichtlichen Entlassungstermins verwies der erschienene Justizwachebeamte auf den in der Vollzugsinformation aufscheinenden voraussichtlichen Entlassungstermin 19.04.2023. Der Rechtsvertreter ergänzte, dass der Beschwerdeführer die Fußfessel nicht bekommen habe. Gefragt, was mit ihm geschehen würde, wenn er nach Bosnien und Herzegowina abgeschoben würde, gab er an: „Keine Ahnung“. Auf die Frage des Behördenvertreters, ob er am Arbeitsmarkt Fuß fassen könnte, gab er an, dass er gute Fähigkeiten habe und verschiedene Berufe ausüben könnte. Über Vorhalt, dass er zahlreiche Vorstrafen und keine Berufsausbildung habe, gab er an, dass er immer wieder einen Job gefunden habe. Über weiteren Vorhalt, dass er vielfach arbeitslos gewesen sei oder im Familienverband gearbeitet habe, gab er an, dass er gerne im Familienverband arbeite und dass er sich auch für die Zukunft wünsche weiter im Familienverband zu arbeiten. Als Türsteher habe er in der Disco „ XXXX “ 2014/2015 gearbeitet. Gefragt, wie lange er vor seiner Verhaftung gearbeitet habe, gab er an, dass er das nicht genau wisse. Sein Vater habe ihn auch einmal abgemeldet, da das Lokal wegen der Corona-Krise geschlossen gewesen sei. Er frage seinen Vater schon wie das Geschäft laufe. Er habe auch eine Einstellungszusage. Gefragt, von wo er das Geld gehabt habe, um die Unterhaltsrückstände zu bezahlen, gab er an, dass er etwas gespart gehabt habe und, dass seine Schwester das über E-Banking in seinem Auftrag gemacht habe. Über Vorhalt, dass sein „Visum“ im Februar 2021 abgelaufen sei, ob er rechtzeitig einen Verlängerungsantrag gestellt habe, gab er an, dass die NAG Behörde auf den Ausgang des Fremdenrechtsverfahrens warte. Die Freundin habe im April 2021 kennengelernt.

Über Vorhalt des Strafregisterauszuges, in dem insgesamt 12 Verurteilungen vor allem wegen Gewaltdelikten enthalten seien, außerdem wären noch zwei weitere Strafverfahren anhängig, gab er an, dass das alles mit der Schule zu tun gehabt habe. Er habe eigentlich aufs Gymnasium gehen wollen, aber die Volksschullehrerin habe ihn in die Hauptschule nach XXXX geschickt. Dies sei damals ein Problemviertel gewesen. Dort sei er auch das erste Mal mit Drogen in Kontakt gekommen. Er sei dann gewalttätig geworden und habe dann alles seinen Lauf genommen. Er sei früh ins Gefängnis gekommen. Dort habe er noch schlimmere Dinge gesehen und gelernt. Er habe versucht sein Leben in den Griff zu bekommen mit dem Imbissstand und sei er jetzt nicht mehr so gewalttätig wie als Jugendlicher, eigentlich gar nicht mehr. Er sei auch in psychologischer Behandlung bei Herrn XXXX gewesen, habe eine Drogentherapie und ein Antiaggressionstraining gemacht. Abschließend führte der Beschwerdeführer aus, dass er hoffe, nicht abgeschoben zu werden. Sein Leben sei hier in Österreich in XXXX . Er sehe hier seine Zukunft und nicht in Bosnien und Herzegowina.

Der Beschwerdeführervertreter verzichtete ausdrücklich auf den Vorhalt des aktuellen Länderinformationsblattes zu Bosnien und Herzegowina, wollte jedoch folgende abschließende Stellungnahme in der Verhandlung abgeben: „Der Beschwerdeführer ist seit seiner Geburt in Österreich, hier auch geboren und hat die österreichische Staatsbürgerschaft aufgrund seines ersten Jungenddeliktes nicht erhalten. Er ist in Österreich mehrfach straffällig geworden. Er hat immer wieder die falschen Kreise gesucht und gefunden. Er ist eigentlich seit der Geburt seiner kleinen Tochter auf einen guten Weg gewesen alles Vorherige hinter sich zu lassen. Die Problematik ergab sich dann aus der Beziehung zu seiner nunmehr geschiedenen Ehefrau, die eine sehr „schlagkräftige“ war, wobei der Beschwerdeführer auf eine Aussage gegen die Ehefrau verzichtet hat, sie aber das Gegenteil getan hat. Aufgrund des gemeinsamen kleinen Kindes wollte der Beschwerdeführer keinen weiteren Streit. Das liegt auch der letzten Verurteilung zugrunde. Eine Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina bzw. ein Einreiseverbot nach Österreich ist meines Erachtens aufgrund der familiären Verwurzelung in Österreich nicht zulässig aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer dann drei Jahre lang sein Kind nicht sehen dürfte. Die Ehefrau hat auch hier in der Verhandlung unwahre Behauptungen aufgestellt, dass sich der Beschwerdeführer sich nicht um das Kind gekümmert hat. Vielmehr hat die Ex- Ehefrau den Umgang mit dem Kind verweigert. Es ist daher davon auszugehen, dass im Falle eines Einreiseverbotes alles unternommen wird, die nunmehr zweijährige XXXX ihrem Vater völlig zu entfremden. Zusätzlich hat der Beschwerdeführer hier in Österreich das Geschäftslokal des Vaters zu führen, da dieser ein gewisses Alter erreicht hat und nurmehr seine Metzgereitätigkeiten ausüben will und kann. Auch die Mutter ist nicht in der Lage dieses zu führen, sodass die familiäre Grundlage für das Einkommen entzogen wird.“

Der Behördenvertreter verwies auf die Ausführungen in der Beschwerdevorlage.

Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Bosnien und Herzegowina, gehört der bosnischen Volksgruppe und dem Islam an, übt diese Religion allerdings nicht aus. Er wurde am XXXX in XXXX geboren, ist auch dort aufgewachsen und hat dort gelebt. Er war nur ca. acht bis zehn Mal für zwei bis drei Wochen in Bosnien und Herzegowina, wo lediglich eine 86-jährige Großmutter lebt, bei der er allerdings auch wohnen könnte. Seine Eltern und seine Geschwister leben ebenfalls in Österreich. Der Beschwerdeführer hat in Österreich die Volks- und die Hauptschule, ein Jahr die HAK und ein Jahr die HTL besucht und anschließend eine Lehre als Koch- und Kellner begonnen, aber nicht abgeschlossen. In der Folge arbeitete er im Gastgewerbe in verschiedenen Funktionen, war jedoch häufig auch arbeitslos oder auf Mindestsicherung oder Notstandshilfe angewiesen. Der Beschwerdeführer hat versucht sich mit einem Imbisslokal selbstständig zu machen. Er konnte das Gewerbe jedoch wegen seinen zahlreichen Vorstrafen nicht anmelden und daraufhin übernahm sein Vater das Gewerbe des Beschwerdeführers. Er arbeitete mit und half auch bis zu seinem Haftaufenthalt bzw. könnte er auch im Falle einer Haftentlassung dort weiterarbeiten.

Der Beschwerdeführer hat im Dezember 2018 die österreichische Staatsbürgerin XXXX geheiratet. Aus der Ehe ist die am XXXX geborene XXXX entsprungen. Die Ehe wurde am 07.05.2021 einvernehmlich geschieden. Die Tochter lebt bei der Mutter. Es besteht kein Kontakt zwischen den ehemaligen Eheleuten mehr. Der Kontakt zur Tochter ist faktisch auch nicht mehr vorhanden. Der Beschwerdeführer hat in der Zwischenzeit eine neue Freundin. Die Mutter des Beschwerdeführers hat angegeben, dass ihr Sohn bis zu seiner Inhaftierung sie im Alltag stark unterstützt hat und sie auf diese Unterstützung angewiesen sei. Sie arbeitet jedoch trotz organischer und psychischer Probleme nach wie vor 20 Stunden. Der Vater des Beschwerdeführers führt das Imbisslokal und einen Fleischereibetrieb. Der Beschwerdeführer spricht Deutsch auf muttersprachlichem Niveau, aber auch Bosnisch, wenn auch nicht so gut Deutsch. Er beherrscht die bosnische Sprache auch schriftlich (wenn auch mit vielen Rechtsschreibfehlern). Es gibt keinerlei Hinweise auf irgendwelche Erkrankungen des Beschwerdeführers.

Er wurde in Österreich wie folgt verurteilt:

1. Mit Urteil des LG XXXX vom 09.07.2008, Zahl XXXX wegen §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 und 129 Abs. 1 und 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren.

2. Mit Urteil des BG XXXX vom 11.12.2008, Zahl XXXX wegen § 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 1 Monat bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren.

3. Mit Urteil des LG XXXX vom 10.03.2009, Zahl XXXX wegen § 107 Abs. 1 und 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren.

4. Mit Urteil des BG XXXX vom 23.03.2010, Zahl XXXX wegen § 91 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Wochen.

5. Mit Urteil des LG XXXX vom 02.02.2010, Zahl XXXX wegen § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten.

6. Mit Urteil des LG XXXX vom 19.07.2010, Zahl XXXX wegen §§ 142 und 143 iVm § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monaten bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren.

Mit diesem Urteil wurde der Beschwerdeführer deswegen, weil er zwei Opfern zunächst Schläge gegen die linke Schläfe versetzt habe und ihnen dann ein Messer angesetzt habe und aufgefordert habe das Geld herzugeben, wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes verurteilt. Wenige Monate später wurde er wiederum wegen Verbrechens des Raubes sowie des Vergehens der Urkundenunterdrückung und des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel verurteilt, weil er einem Mädchen die Handtasche entriss und ihr mit Gewalt Bargeld, ein Handy, einen Schlüsselbund, einen Führerschein und einen Zulassungsschein sowie eine Bankomatkarte wegnahm.

7. Mit Urteil des LG XXXX vom 05.07.2011, Zahl XXXX wegen §§ 142 Abs. 1 und 229 Abs. 1 sowie 241e StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten.

8. Mit Urteil des LG XXXX vom 14.03.2013, Zahl XXXX wegen §§ 83 Abs. 1, 127, 128 Abs. 1, 15 iVm 87 und 88 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren.

9. Mit Urteil des BG XXXX vom 06.07.2015, Zahl 029U 104/215b wegen § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten.

10. Mit Urteil des LG XXXX vom 03.02.2016, Zahl XXXX wegen § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten.

11. Mit Urteil des LG XXXX vom 24.09.2019, Zahl XXXX wegen §§ 223 Abs. 2, 224 StGB sowie 12 iVm § 127 und 128 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten.

12. Mit Urteil des LG XXXX vom XXXX , Zahl XXXX wegen §§ 83 Abs. 1, 229 Abs. 1, 146 Abs. 1, 84 Abs. 2, 223 Abs. 2 und 224 StGB sowie 15 iVm 269 StGB, 107 StGB und 15 iVm mit 83 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten.

In dem zuletzt genannten Urteil wurde der Beschwerdeführer dafür verurteilt, dass er XXXX durch Versetzen von Schlägen ins Gesicht und in den Bauchraum sowie auf den Kopf, wobei es einmal beim Versuch geblieben sei sowie durch die Drohung, er werde sie und ihre Tochter umbringen und durch die Äußerung: „Ich ficke eure Mütter und euch alle, ihr Hurensöhne. Ich komme zu euch und werde euch alle erstechen und durchlöchern, du Hure und den XXXX auch“ in Furcht und Unruhe versetzt, weiters die Geburtsurkunde, den Reisepass, die Heiratsurkunde, den Staatsbürgerschaftsnachweis, den Meldezettel und die e-Card mit dem Vorsatz unterdrückt, um zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes gebraucht würden, weiters einen total gefälschter kroatischer Führerschein gegenüber den Beamten der Polizeiinspektion XXXX verwendet, gegenüber einem Polizeibeamten sich gegen die Identitätsfeststellung und Festnahme gewehrt und ihm Faustschläge ins Gesicht versetzt, weiters einem Taxi-Lenker, nachdem er vorgetäuscht habe ein zahlungswilliger und zahlungsfähiger Fahrgast zu sein, Faustschläge ins Gesicht versetzt, wodurch er das Vergehen der Körperverletzung, das Vergehen der gefährlichen Drohung, das Vergehen der Urkundenunterdrückung, das Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden, das Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt, das Vergehens der schweren Körperverletzung, das Vergehens der Körperverletzung und das Vergehen eines Betruges begangen habe und zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Als mildernd wurde das Geständnis sowie, dass es zum Teil beim Versuch geblieben sei, als erschwerend mehrere strafbare Handlungen, welche durch längere Zeit fortgesetzt wurden sowie zahlreiche einschlägige Vorstrafen gewertet.

Es sind noch weitere zwei Strafverfahren nach § 28 SMG sowie nach § 146 (schwerer Betrug) gegen den Beschwerdeführer anhängig. Darüber hinaus gibt es auch noch zahlreiche verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen gegen den Beschwerdeführer, insbesondere wegen Fahrens ohne Lenkerberechtigung und Geschwindigkeitsübertretungen.

Der Beschwerdeführer befindet sich voraussichtlich bis zum 19.04.2023 in Haft. Er arbeitet in der Haft als Maler- und Haushandwerker.

Zu Bosnien und Herzegowina wird folgendes festgestellt:

Politische Lage

Letzte Änderung: 27.07.2021

Der Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina (BuH) wurde im November/Dezember 1995 durch das Daytoner „Rahmenabkommen für den Frieden“ geschaffen, dessen Annex 4 die gesamtstaatliche Verfassung festschreibt. BuH besteht aus zwei flächenmäßig nahezu gleich großen, weitgehend autonomen Gebietskörperschaften, genannt Entitäten: Die überwiegend bosniakisch-kroatische Föderation BuH (51% des Territoriums, ca. 63% der Gesamtbevölkerung) und die überwiegend serbische Republika Srpska (RS) (49% des Territoriums, ca. 35% der Gesamtbevölkerung). Neben den beiden Entitäten gibt es den multiethnischen Sonderdistrikt Br?ko. Die Föderation BuH gliedert sich in zehn Kantone, die wiederum aus mehreren Gemeinden bestehen. Die RS ist zentral organisiert und nur in Gemeinden gegliedert. Als kollektives Staatsoberhaupt des Gesamtstaats fungiert das Staatspräsidium, das in direkter Wahl für eine Amtszeit von vier Jahren bestimmt wird. Es besteht aus je einem Vertreter der drei konstituierenden Völker. Der Vorsitz rotiert alle acht Monate. Die Regierungen des Gesamtstaates, der beiden Entitäten, des Distrikts Br?ko und der zehn Kantone in der Föderation BuH kommen zusammen auf über 150 Ministerien (AA 5.4.2021).

Der Staat wird von einem dreiköpfigen Präsidium geführt, das aus jeweils einem Kroaten, einem Serben und einem Muslim (Bosniaken) besteht, die sich nach acht Monaten im Vorsitz abwechseln. Die drei Mitglieder des Präsidiums werden alle vier Jahre direkt gewählt. Die Legislative liegt beim Zwei-Kammern-Parlament (Skupstina). Die 42 Mitglieder des Abgeordnetenhauses werden vom Volk für vier Jahre direkt gewählt (28 Föderation Bosnien und Herzegowina, 14 Serbische Republik). Die Mitglieder der Kammer der Völker werden von den Parlamenten der Teilstaaten gewählt (zehn Föderation Bosnien und Herzegowina, fünf Serbische Republik). Jeder der zwei Teilstaaten hat eine eigene Regierung und ein eigenes Parlament. In der Föderation Bosnien-Herzegowina besteht das Parlament aus zwei Kammern (Abgeordnetenhaus/ 98 Sitze und Kammer der Völker/ 58 Sitze). Ebenso in der Serbischen Republik: Nationalversammlung/83 Sitze und Rat der Völker/ 28 Sitze. Der jeweilige Präsident wird vom Parlament gewählt (Länder-Lexikon o.D.).

Mit der Entscheidung des Lenkungsausschusses (Stearing Board) des Friedensimplementierungsrats (PIC) für Bosnien und Herzegowina ist der erfahrene CSU-Politiker, Christian Schmidt, mit der Funktion des Hohen Representanten (HR) betraut worden. Dieser hat die Aufgabe, den Friedensvertrag von Dayton, der den blutigen Bosnienkrieg (1992-1995) beendete, zu überwachen und den politisch-zivilen Teil des Abkommens zu implementieren. Durch die ständigen Blockaden vor allem seitens der bosnischen Serben und bosnischen Kroaten ist der bosnische Staat heute praktisch funktionsunfähig und zeigt kaum Fortschritte auf dem Weg zu einer funktionierenden Demokratie. Schon seit Jahren versucht Moskau eine Schließung des Büros des Hohen Repräsentanten (OHR) zu erreichen, was die Krise in Bosnien in absehbarer Weise noch vergrößern und das Bestehen dieses Staates gefährden würde (DW 7.6.2021).

Die in ihren jeweilige Volksgruppen dominierenden National-Parteien haben bei den Kommunalwahlen in BuH empfindliche Niederlagen einstecken müssen. In der Hauptstadt Sarajevo verlor die muslimisch-bosniakische Regierungspartei SDA mehrere Stadtteile an ein links-liberales Oppositionsbündnis. Im serbischen Landesteil, der RS, verlor die Regierungspartei SNSD des serbischen Präsidentschaftsmitglieds Milorad Dodik die Bürgermeisterwahl in der Regionshauptstadt Banja Luka. Bosnische Medien werteten die Wahlergebnisse als Beginn eines möglichen Wandels. Sie schrieben sie auch dem Versagen der National-Parteien bei der Bewältigung der Corona-Pandemie zu, von der BuH besonders hart betroffen ist. So gab es etwa Korruption im Zusammenhang mit dem Kauf medizinischer Geräte (DW 16.11.2020).

Bosnien und Herzegowina muss im Einklang mit den einschlägigen Schlussfolgerungen des Rates vom Dezember 2019 die 14 Schlüsselprioritäten umsetzen, die in der Stellungnahme der Europäischen Kommission vom Mai 2019 zum Antrag des Landes auf EU-Mitgliedschaft genannt wurden. Die Stellungnahme ist ein umfassender Fahrplan für tiefgreifende Reformen in den Bereichen Demokratie/Funktionsweise der staatlichen Verwaltung, Rechtsstaatlichkeit, Grundrechte sowie öffentliche Verwaltung. Bosnien und Herzegowina muss seinen rechtlichen und institutionellen Rahmen - wo erforderlich auch auf Verfassungsebene - grundlegend verbessern, um den Anforderungen für die EU-Mitgliedschaft gerecht zu werden. Die Erfüllung der 14 Schlüsselprioritäten wird es dem Land ermöglichen, Beitrittsverhandlungen mit der EU aufzunehmen. Im Juli 2020 verabschiedeten alle Regierungsebenen den strategischen Rahmen für die Reform der öffentlichen Verwaltung, was zur Umsetzung der Schlüsselpriorität 14 beitrug. Nun müssen alle Regierungsebenen den entsprechenden Aktionsplan annehmen. Bosnien und Herzegowina hat im September 2020 die überarbeitete nationale Strategie zur Verfolgung von Kriegsverbrechen angenommen, und damit einen Beitrag zur Schlüsselpriorität 5 geleistet. Ferner sind Vorbereitungen für die Tagungen des Gemischten Parlamentarischen Ausschusses im Gange. Bosnien und Herzegowina muss auch bei den anderen Schlüsselprioritäten Fortschritte erzielen (VB 7.5.2021).

Quellen:

•        AA - Auswärtiges Amt (5.4.2021): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: Februar 2021), https:

//www.ecoi.net/en/file/local/2050119/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die

_Einstufung_von_Bosnien_und_Herzegowina_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2 %A7_29_a_AsylG_%28Stand_Februar_2021%29%2C_05.04.2021.pdf , Zugriff 26.4.2021

•        AA - Auswärtiges Amt (30.11.2020a): Bosnien und Herzegowina, Überblick, https://www.auswaert iges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bosnienundherzegowina-node/bosnien-und-herzegowina/20 7680 , Zugriff 26.4.2021

•        DW - Deutsche Welle Gastkolumne (7.6.2021): Christian Schmidt - der richtige Mann für Bosnien und Herzegowina, https://www.dw.com/de/gastkolumne-christian-schmidt-der-richtige-mann-f% C3%Bcr-bosnien-und-herzegowina/a-57803671 , Zugriff 5.7.2021

•        Länder-Lexikon (o.D.): Bosnien-Herzegowina, https://www.laender-lexikon.de/Bosnien-Herzegowi na , Zugriff 27.7.2021

•        VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (7.5.2021): Auskunft des VB, per E-Mail

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 27.07.2021

Sowohl die politische Situation als auch die allgemeine Konfliktlage in der Region bleiben auch 25 Jahre nach Kriegsende angespannt. Zwischen Bosnien und Herzegowina (BuH) und Kroatien bestehen einige ungelöste, andauernde Grenz- und Territorialfragen, insbesondere im Hinblick auf die Nutzung der Adria. Ebenso gibt es zwischen BuH und Serbien Territorialstreitigkeiten entlang des Flusses Drina. Im Rahmen der EUFOR Mission Operation Althea, die 2004 mit dem Ende von SFOR die Überwachung des Dayton-Abkommens übernahm, sind derzeit 600 Soldaten aus 19 Staaten stationiert. Die OSZE-Mission in BuH ist mit etwa 68 Personen weiterhin in dem Land präsent und operiert unter der Führung der USA. Ziel der Mission ist es, die allgemeine Sicherheitslage zu verbessern und die Verteidigungsstrukturen zu stärken. Darüber hinaus hat die Mission zum Ziel, die bosnische Regierung beim Aufbau einer demokratischen Gesellschaft, einer funktionierenden Zivilgesellschaft und einem guten Regierungssystem zu unterstützen (BICC 1.2021).

In einem Non-Paper, das Anfang 2021 aufgetaucht ist und angeblich von slowenischem Premier Janša stammt, wird vorgeschlagen, die gesamte Nachkriegsordnung in Südosteuropa zu zerstören und neue Grenzen nach ethnischen Kriterien zu ziehen, also genau das zu machen, was in den 1990er-Jahren zu den Kriegen in Kroatien und in Bosnien-Herzegowina geführt hat. Insbesondere in Sarajevo, der Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas, eines Staats, der laut dem Non-Paper zerstückelt und zerstört werden soll - genauso wie es die Kriegstreiber in den 1990ern versuchten -, reagierte man heftig auf das slowenische Papier, zumal Slowenien bisher immer als enger Freund von Bosnien-Herzegowina galt (DS 15.4.2021).

Das Non-Paper schlägt die Aufteilung Bosnien-Herzegowinas, jenes serbisch-kroatisch-muslimischen Staates vor, den der französische Staatspräsident Emmanuel Macron einmal als „tickende Zeitbombe“ bezeichnet hat. Die Republika Srpska solle Serbien zugeschlagen werden, die vornehmlich kroatischen Gebiete der Herzegowina Kroatien. Der muslimisch dominierte Rumpfstaat könne zwischen der EU und der Anbindung an die Türkei wählen. Die Fantasterei über die Schaffung eines Großserbiens, Großkroatiens und Großalbaniens ist auch die Folge der arroganten Gleichgültigkeit in Brüssel nach dem Verlust der EU-Perspektive für die sechs sogenannten Westbalkan-Staaten (DS 27.4.2021).

Quellen:

•        BICC - Bonn International Center for Conversion (1.2021): Informationsdienst, Sicherheit,Länderinformationen Bosnien-Herzegowina, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/b osnien/2020_Bosnien-Herzegowina.pdf , Zugriff 26.4.2021

•        DS - Der Standard (15.4.2021): International Europa Slowenien, Geleaktes Papier, Grenzen nach Ethnien: Slowenischer Vorschlag verstört den Balkan, https://www.derstandard.at/story/2000125

883075/grenzen-nach-ethnien-slowenischer-vorschlag-verstoert-den-balkan , Zugriff 16.4.2021

•        DS - Der Standard (27.4.2021): Kolumne, Paul Lendvai, Die „tickende Zeitbombe“ auf dem Balkan, https://www.derstandard.at/story/2000126164069/die-tickende-zeitbombe-auf-dem-balkan ; Zugriff 27.4.2021

Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 14.07.2021

Die Staatsverfassung sieht das Recht auf ein faires Verfahren in Zivil- und Strafsachen vor, während die Verfassungen der Entitäten ein unabhängiges Justizwesen vorsehen. Dennoch beeinflussen politische Parteien und die Akteure des organisierten Verbrechens die Justiz sowohl auf Staats- als auch auf Entitätsebene in politisch sensiblen Fällen, insbesondere im Zusammenhang mit Korruption, sowohl auf staatlicher als auch auf Entitätsebene. Die Behörden versäumen es bisweilen, Gerichtsentscheidungen durchzusetzen. Während die zivilen Behörden eine wirksame Kontrolle und Koordinierung der Strafverfolgungsbehörde und Sicherheitskräfte aufrechterhalten, führte das Fehlen einer klaren Aufteilung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zwischen den Strafverfolgungsbehörden des Landes zu gelegentlichen Verwirrung und überlappenden Zuständigkeiten. Die Ineffizienz der Gerichte untergräbt die Rechtsstaatlichkeit, indem sie die Inanspruchnahme von Zivilurteilen weniger effektiv macht. In mehreren Fällen stellte das Verfassungsgericht Verstöße gegen das Recht auf einen Abschluss des Verfahrens innerhalb einer angemessenen Frist fest. Die Nichteinhaltung von Gerichtsentscheidungen durch die Regierung veranlasste die Beschwerdeführer, den EGMR anzurufen. Das Gesetz sieht die Unschuldsvermutung vor. Der Angeklagte hat das Recht auf einen Anwalt und falls er sich keinen Anwalt leisten kann, wird auf Staatskosten ein Pflichtverteidiger bereitgestellt. Der Angeklagte hat das Recht auf einen gerichtlich bestellten Dolmetscher, die Zeugen und Beweise in seinen eigenen Namen vorzulegen und Urteile anzufechten. Die Behörden respektieren im Allgemeinen die meisten dieser Rechte, die sich auf alle Angeklagten erstrecken (USDOS 30.3.2021).

Im Jahr 2020 wurden im Bereich Justiz keine Fortschritte erzielt. Die Behinderung von Justizreformen durch politische Akteure und innerhalb der Justiz sowie das schlechte Funktionieren der Justiz untergraben die Ausübung der Rechte der Bürger und den Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität (EK 10.2020).

Im September 2020 verabschiedete der Ministerrat von BuH die im Mai 2018 vorgelegte, lang verzögerte überarbeitete nationale Strategie zur Bearbeitung von Kriegsverbrechen. Die Strategie zielt darauf ab, Fälle von Kriegsverbrechen effizient vom Staat an Gerichte der unteren Ebene zu verteilen, um den Rückstau an Fällen zu beseitigen. Die NGO TRIAL International äußerte die Sorge, dass im Jahr 2020, 25 Jahre nach dem Völkermord von Srebrenica, Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen immer noch geleugnet oder bagatellisiert werden. Nach Angaben der OSZE waren im August 2020 243 Kriegsverbrecherprozesse gegen 483 Angeklagte vor allen Gerichten in BuH anhängig. Zwischen Januar und Juli 2020 fällten die Gerichte in BuH in 11 Fällen erstinstanzliche Urteile; 12 der 19 Angeklagten wurden verurteilt. Im gleichen Zeitraum fällten bosnische Gerichte in sechs Fällen rechtskräftige Urteile, fünf von neun Angeklagten wurden verurteilt und in zwei Fällen endete das Verfahren mit dem Tod des Angeklagten (HRW 13.1.2021).

In zwei unterschiedlichen Fällen wurden gegen zwei bosnische Staatsbürger, die im Zuge der Rückkehraktionen Ende 2019 aus Syrien nach Bosnien und Herzegowina abgeschoben wurden, entsprechende Urteile wegen der Teilnahme an Kriegshandlungen in Syrien oder im Irak und Mitgliedschaft bei ISIS vom Staatsgericht ausgesprochen. Im ersten Fall wurde ein 22-jähriger Bosnier, der als Minderjähriger mit seiner Familie nach Syrien und Irak verzogen war, rechtskräftig zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt. Im zweiten Fall wurde ein 27-jähriger Bosnier wegen Teilnahme an Kriegshandlungen und Anstiftung zum Terrorismus durch Propagandavideos erstinstanzlich zu einer sechsjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Sakib MAHMULJIN, der ehemalige Kommandant der Dritten Kompanie der Armee der Republik BuH, wo ein Teil auch die „El Mujahidin“ Sektion war, wurde vom zuständigen Gericht in Sarajevo wegen Kriegsverbrechen, begangen 1995 gegen serbische Kriegsgefangene und Zivilisten in der Gegend von Zavidovici und Vozuca in Zentralbosnien, zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt (VB 7.5.2021).

Wie viele Bereiche des täglichen Lebens in BuH ist auch die Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis von Korruption durchzogen. Problematisch ist zudem, dass die existierenden, transparenten Regelungen zur Auswahl des Richters in einem Verfahren (gesetzlich bestimmter Richter) in der Praxis oft nur auf dem Papier angewandt werden. Sippenhaft wird nicht praktiziert (AA 5.4.2021).

Die von den zuständigen Stellen in Bosnien und Herzegowina erarbeiteten Gesetzesänderungen für Richter und Staatsanwälte, die im sogenannten höchstrichterlichen und staatsanwaltschaftlichem Gremium (High Judicial and Prosecutorial Council - HJPC) zusammengefasst sind, sollen für eine transparente Umsetzung von Regelungen im Zusammenhang mit Interessenskonflikt, Transparenz bei Bestellungen und Ernennungen, Disziplinarrecht und ?Prozeduren für Staatsanwälte und Richter in BuH sorgen. Die „Venedig Kommission“ des Europarats und deren Mitglieder üben deutliche Kritik an der Vorlage und verweisen darauf, dass trotz bereits mehrfach geübter Kritik essenzielle Änderungen ausgeblieben sind und dies einer bewussten Verweigerung gleichkommt, da bereits 2014 auf notwendige Anpassungen im Sinne der Annäherung an die EU - Richtlinien hingewiesen wurde (VB 6.5.2021).

Grundsätzlich gilt, dass sich jeder bosnische Staatsbürger im Falle von „Verfolgungshandlungen gegen seine/ihre Person“ an Polizei oder direkt an die Staatsanwaltschaft wenden kann. Sollten die offiziellen Stellen nicht tätig werden bzw. sollte es sich bei der Verfolgungshandlung gegen den Betroffenen um eine Menschenrechtsverletzung handeln, stehen halb- bis nichtstaatliche Organisationen mit Rechtsbeistand zur Seite. Auch hat das Ministerium für Menschenrechte und Flüchtlinge in der Sektion für Menschenrechte eine Abteilung zum „Schutz von individuellen Menschenrechten und Bürgerrechten“, welche u.a. Anliegen und Beschwerden annimmt und bearbeitet und Bürgern fachliche Hilfe leistet (VB 7.5.2021).

Quellen:

•        AA - Auswärtiges Amt (5.4.2021): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: Februar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2050119/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die _Einstufung_von_Bosnien_und_Herzegowina_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Februar_2021%29%2C_05.04.2021.pdf , Zugriff 26.4.2021

•        EK - Europäische Kommission (6.10.2020): Bosnia and Herzegovina 2020 Report [SWD(2020)

350 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/2040142/bosnia_and_herzegovina_report_2020.pdf , Zugriff 26.4.2021

•        HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Bosnia and Herzegovina, https: //www.ecoi.net/de/dokument/2043526.html , Zugriff 26.4.2021

•        USDOS - US Department of State (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Bosnia and Herzegovina, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048112.html , Zugriff 26.4.2021

•        VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (7.5.2021): Auskunft des VB, per E-Mail

•        VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (6.5.2021): Auskunft des VB, per E-Mail

Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 27.07.2021

Auch im Bereich Sicherheit schlägt sich die komplexe bosnisch-herzegowinischen Verfassung nieder: Auf Gesamtstaatsebene existiert neben der dem deutschen BKA vergleichbaren Polizeibehörde SIPA (u. a. zuständig für Kriegsverbrechen, Organisierte Kriminalität und Korruption) die Grenzpolizei sowie die Direktion zur Koordinierung der Polizeidienste, der u. a. Interpol und der Objektschutz zugeordnet sind. Aufsicht über diese gesamtstaatlichen Polizeibehörden liegt beim Sicherheitsministerium. In der Föderation BuH existiert eine Föderationspolizei mit Sitz in Sarajevo, deren Zuständigkeit sich auf das Gebiet der Föderation erstreckt, die aber keinerlei Weisungsbefugnis gegenüber den auf Kantonsebene bestehenden Polizeibehörden hat. In der RS übt die Gesamtpolizei hingegen auch Aufsicht über die sechs regionalen Polizeibehörden der Entität aus. Die Polizei im Sonderdistrikt Br?ko ist unabhängig. Jede dieser Behörden verfügt wiederum über Spezialeinheiten. Daneben besteht ein gesamtstaatlicher, sowohl In- als auch Auslandsaktivitäten abdeckender Geheimdienst (OSA), der aus der Zusammenlegung der früher existierenden beiden Entitätsgeheimdienste entstanden ist. Seit 2006 steht er formal unter parlamentarischer Kontrolle, allerdings ist das zuständige parlamentarische Komitee schon seit Längerem wegen politischer Streitigkeiten nicht mehr zusammengetreten. Das Militär befindet sich seit 2003 in einem Reformprozess (u. a. in Hinblick auf die NATO-Annäherung Bosnien und Herzegowinas). Mit Inkrafttreten des Verteidigungsgesetzes und des Wehrdienstgesetzes (beide 2005) wurde mit den bewaffneten Streitkräften (Oruzane Snage Bosne i Herzegowine - OSBIH) eine gesamtstaatliche Armee geschaffen. Die Armeen der Entitäten bzw. aus Kriegszeiten erhalten gebliebene Truppenteile der drei konstituierenden Volksgruppen ab Brigadeebene aufwärts wurden abgeschafft, die Wehrpflicht ebenfalls. Alle Staatsbürger unter 40 Jahren, darunter auch Frauen, haben Zugang zu den Streitkräften (AA 5.4.2021).

Parallel zum Militär fand auch innerhalb der Polizei ein umfassender Reformprozess s

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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