TE Bvwg Beschluss 2021/11/22 W235 2126212-3

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Veröffentlicht am 22.11.2021
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Entscheidungsdatum

22.11.2021

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W235 2126212-3/13E

beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin im Verfahren über die durch mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.07.2021, Zl. 1031246605-210880795, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG ist nicht rechtmäßig. Der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.07.2021, Zl. 1031246605-210880795, wird aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Erstes Verfahren:

1.1. Der Antragsteller, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 10.09.2014 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Im Zuge dieses Verfahrens gab der nunmehrige Antragsteller im Wesentlichen und zusammengefasst an, dass er Paschtune und sunnitischer Moslem sowie ein Angehöriger des Stammes der XXXX sei. Er stamme aus dem Dorf XXXX im neu gegründeten Distrikt XXXX in der afghanischen Provinz Paktia, wo noch seine Eltern und Halbgeschwister leben würden. Einer seiner Brüder lebe in Deutschland. Afghanistan habe er verlassen, weil er Probleme mit den Taliban gehabt habe. Diese hätten seine Schwester umgebracht. Das sei vor einigen Jahren gewesen; genau wisse er es nicht. Die Taliban hätten eine Feindschaft mit dem Arbeitgeber des Antragstellers gehabt und habe man ihn unter Druck setzen wollen. Die Taliban hätten ihm auch vorgeworfen, dass er für die Amerikaner arbeite. Sie hätten ihm gedroht, dass er diese Tätigkeit nicht mehr ausüben solle, sonst würden sie ihn töten. In seinem Heimatdorf habe man oft versucht, den Antragsteller umzubringen.

1.3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.04.2016, Zl. 14-1031246605-14958705, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Antragstellers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ferner wurde dem Antragsteller unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist. Zudem wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG festgesetzt (Spruchpunkt IV.)

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die vom Antragsteller vorgebrachten Fluchtgründe nicht glaubhaft seien. Es könne keine besondere Gefährdung seiner Person bei einer Rückkehr nach Afghanistan festgestellt werden. Der Antragsteller verfüge über soziale Anknüpfungspunkte in Afghanistan und könne Unterstützung durch seine Familie bekommen. Er würde nicht in eine wirtschaftlich oder finanziell ausweglose Lage geraten. In Österreich habe er keine familiären Beziehungen und bestreite seinen Lebensunterhalt aus der Grundversorgung. Er spreche die deutsche Sprache nicht und würde sich seine Familie nach wie vor in seinem Heimatort in Paktia befinden.

1.4. Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller im Wege seiner damaligen Vertretung fristgerecht am 26.04.2016 Beschwerde und führte zusammengefasst aus, dass die Länderberichte lediglich allgemein gehalten seien und nichts mit seinem Vorbringen zu tun hätten. Ferner sei das Vorbringen des Antragstellers bei objektiver Betrachtung in Verbindung mit den Länderberichten zumindest wahrscheinlich. Der Antragsteller werde von den Taliban aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe von Menschen, die für den Staat bzw. für die US-Streitkräfte arbeiteten, verfolgt und die afghanischen Behörden würden ihn nicht beschützen können oder wollen. Dies lasse für ihn die Definition eines Flüchtlings im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zutreffen. Die belangte Behörde habe auch nicht begründet, wieso der Antragsteller in seiner konkreten Situation bei einer Rückkehr nicht in eine ausweglose Situation kommen sollte, da er außer in seiner Herkunftsregion, in welche er nicht zurückkehren könne, über keinerlei Verwandtschaft oder Lebensgrundlage in Afghanistan verfüge. Daher wäre ihm in eventu subsidiärer Schutz gemäß § 8 AsylG zuzuerkennen gewesen.

1.5. Am XXXX .10.2018 wurde der Antragsteller wegen § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG in Untersuchungshaft genommen (Landesgericht XXXX , GZ. XXXX ).

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX .01.2019, GZ. XXXX , wurde der Antragsteller wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt, wobei zwölf Monate bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren nachgesehen wurden.

Aufgrund dieser Verurteilung sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 12.02.2019 aus, dass der Antragsteller gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem XXXX .10.2018 verloren habe. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

1.6. Ebenso aufgrund dieser Verurteilung behob das Bundesamt mit Bescheid vom 12.02.2019 Spruchpunkt III. seines Bescheides vom 02.04.2016 von Amts wegen gemäß § 68 Abs. 2 AVG.

Nach Einräumung eines Parteiengehörs zu den (damals) aktuellen Länderfeststellungen des Bundesamtes zu Afghanistan, welches der Antragsteller im Wege seiner damaligen Vertretung wahrgenommen und eine Stellungnahme abgegeben hatte, erhob der Antragsteller am 13.03.2019 Beschwerde gegen den Bescheid vom 12.02.2019, mit welchem Spruchpunkt III. des Bescheides vom 02.04.2016 von Amts wegen gemäß § 68 Abs. 2 AVG behoben wurde.

1.7. Am 07.07.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, im Rahmen derer der Antragsteller sein bisheriges Vorbringen im Wesentlichen wiederholte. Zum Tod seiner Schwester brachte der Antragsteller vor, dass dies kein konkreter Angriff gewesen sei, sondern ein Angriff auf das Dorf, bei dem seine Schwester unglücklicherweise erschossen worden sei. Weiters ergänzte er sein Fluchtvorbringen dahingehend, dass ihm die Taliban gesagt hätten, er solle für sie Schutzeinrichtungen bauen und ihnen seine Maschine zur Verfügung stellen. In Deutschland habe er eine Verlobte, die deutsche Staatsangehörige sei.

Nach Durchführung dieser mündlichen Verhandlung wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.04.2016 mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.10.2020, Zl. W174 2126212-1/20E, abgewiesen.

Im selben Erkenntnis wurde der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 12.02.2019 stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben. Dieses Erkenntnis erwuchs am 09.10.2020 in Rechtskraft.

2. Gegenständliches Verfahren:

2.1. Der (nunmehrige) Antragsteller stellte am 09.11.2020 in Deutschland einen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 17.06.2021 gemäß den Bestimmungen der Dublin III-VO nach Österreich überstellt. Der am 09.11.2020 gestellte Antrag auf internationalen Schutz gilt sohin mit 17.06.2021 als in Österreich eingebracht.

2.2. Im Rahmen seiner Erstbefragung „Folgeantrag Asyl“ vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 17.06.2021 gab der Antragsteller an, er habe sich von September 2020 bis 17.06.2021 in Deutschland aufgehalten. Seinen Folgeantrag begründete er dahingehend, dass er seine Asylgründe, die er bei seinem ersten Antrag in Österreich im Jahr 2014 angegeben habe, aufrecht halte. Diese Fluchtgründe bestünden noch immer. Den neuen Antrag stelle er deshalb, da er aus diesen Gründen nicht nach Afghanistan zurückkehren könne. Neue oder andere Asylgründe habe er nicht. Es gebe keine Änderung des Fluchtgrundes.

2.3. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 und § 15a AsylG wurde dem Antragsteller auf der Grundlage von § 29 Abs. 3 Z 4 und Z 6 AsylG iVm § 68 Abs. 1 AVG und § 12a Abs. 2 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, seinen Folgeantrag zurückzuweisen, da aufgrund des bisherigen Ermittlungsergebnisses davon auszugehen sei, dass entschiedene Sache vorliege, sowie seinen faktischen Abschiebeschutz durch mündlich verkündeten Bescheid aufzuheben (vgl. AS 43). Diese Verfahrensanordnung wurde dem Antragsteller am 21.06.2021 nachweislich zugestellt (vgl. AS 249).

2.4. Am 01.07.2021 wurde der Antragsteller unter Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Paschtu einer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unterzogen, in welcher er zunächst angab, dass er sich psychisch und physisch in der Lage fühle, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Es gehe ihm gut. Der Antragsteller sei weder in ärztlicher Behandlung noch nehme er Medikamente. Auch leide er nicht an lebensbedrohenden Krankheiten. Der Antragsteller habe Beweismittel und zwar Videos, die bei seinem Cousin in Afghanistan seien. Der Cousin habe ihm gesagt, dass er nicht zurückkommen solle. Sein Cousin habe dem Antragsteller die Videos noch nicht geschickt. Auf dem Video würde man die Feinde des Antragstellers sehen. Diese würden zu einer Gruppe „ XXXX “ gehören und man sehe, dass sie nach dem Antragsteller suchen würden. Sie würden nach ihm fragen. Die Feinde, XXXX , würden zu den Taliban gehören. Die Videos seien nicht sehr alt. Er wisse nicht genau, wie alt sie seien. Aber als der Antragsteller in Deutschland gewesen sei, habe ihm sein Cousin gesagt, dass es jetzt Videos gebe und, dass ihn seine Feinde suchen würden. Es sei ein Video. Auf die Frage, wo das Video aufgenommen worden sei, gab der Antragsteller an: „Das Video wurde draußen gemacht. Sie haben statt mir jemand anderen festgenommen und in diesem Video wurde mitgeteilt, dass man auf der Suche nach mir ist. Nachgefragt, nein, ich weiß nicht wo das Video aufgenommen wurde.“ Das Video habe er sich nicht zusenden lassen, weil er nicht viel Kontakt zu seinem Cousin habe. Die Kontaktaufnahme sei schwierig, da dort kein Internet funktioniere. Seine rechtskräftige Verurteilung bedauere er. Er haben einmal „was“ gemacht. Der Antragsteller sei mit einer Deutschen verlobt. Sie sei eine Verwandte von ihm.

Zur beabsichtigten Vorgehensweise des Bundesamtes seinen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 AVG zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben, gab der Antragsteller an, dass er Probleme in seinem Heimatland habe und nach Österreich gekommen sei. Man habe ihm gesagt, dass er Österreich verlassen müsse und daher sei er nach Deutschland ausgereist. Seine alten Fluchtgründe seien noch immer aufrecht. Er habe derzeit auch keinen Kontakt zu seiner Familie. Die Fluchtgründe aus dem Jahr 2014 seien aufrecht und habe ihm seine Familie gesagt, dass er nicht zurückkommen solle, weil er dort in Gefahr sei. Zur Lage in Afghanistan brachte der Antragsteller vor, es gebe in Afghanistan fast jeden Tag Anschläge und er habe persönliche Feinde. In Afghanistan gebe es keine Sicherheit. In Afghanistan gebe es kein System wie in Österreich. Hier bekomme man Sozialunterstützung und andere Hilfe, das gebe es alles in Afghanistan nicht. Auf Vorhalt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und, dass ihm eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nicht zustehe, gab der Antragsteller an, dass er nichts dagegen machen könne, wenn er abgeschoben werde und er dazu nichts zu sagen habe.

3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verkündete gemäß § 12a Abs. 2 iVm § 22 Abs. 10 AsylG und § 62 Abs. 2 AVG mündlich den Bescheid, dass der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben wird.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich beim Antragsteller weder eine schwere körperliche oder ansteckende Krankheit noch eine schwere psychische Störung ergeben habe. Er sei gesund und arbeitsfähig. Im Strafregister scheine eine Verurteilung durch das Landesgericht XXXX vom XXXX .01.2019 wegen § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG auf. Unter Berücksichtigung aller bekannter Tatsachen würden keine Umstände existieren, welche einer Ausweisung aus dem Bundesgebiet entgegenstünden. Der Antragsteller habe vorgebracht, dass seine Fluchtgründe gleichgeblieben seien, er noch immer verfolgt werde und es ein Video gebe. Damit habe er sein Vorbringen gesteigert. Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt habe sich somit seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert. Sein nunmehriges Vorbringen sei nicht glaubwürdig. Der neue Antrag auf internationalen Schutz werde voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein. Unter Berücksichtigung aller bekannter Umstände habe nicht festgestellt werden können, dass die Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Antragstellers nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Der Antragsteller sei in Österreich bereits rechtskräftig verurteilt worden. Er führe kein schützenswertes Familienleben in Österreich. Der Eingriff in sein Privatleben sei gerechtfertigt. Unter Beachtung sämtlicher bekannter Tatsachen könne kein unverhältnismäßiger Eingriff in Art. 3 und Art. 8 EMRK erkannt werden. Derzeit herrsche weltweit die als COVID-19 bezeichnete Pandemie. COVID-19 werde durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursacht. Wie gefährlich der Erreger SARS-CoV-2 sei, könne derzeit noch nicht genau beurteilt werden. Man gehe aber von einer Sterblichkeitsrate von bis zu drei Prozent aus, wobei vor allem alte Menschen und immungeschwächte Personen betroffen seien. Dieser Entscheidung wurden unter Anführung von Quellen Länderfeststellungen zu Afghanistan (Stand: 10.06.2021) unter Berücksichtigung der Situation aufgrund der COVID-19 Pandemie zugrunde gelegt. Hierzu wurde ausgeführt, dass die Lage im Herkunftsstaat seit der Entscheidung über den vorherigen Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen unverändert sei.

Der Antragsteller habe sein Vorbringen gesteigert, indem er angegeben habe, dass es ein Video geben würde. Angemerkt werde, dass dieses Video nicht in Vorlage gebracht worden sei und er diesbezüglich auch nur vage Angaben gemacht habe. Da kein glaubwürdiger Kern seines neuen Vorbringens ersichtlich sei, werde voraussichtlich eine Zurückweisung des Folgeantrags erfolgen. Die Behörde sei somit zur Ansicht gelangt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass ihm im Fall einer Abschiebung nach Afghanistan eine unmenschliche Behandlung drohe. Eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif bzw. in Herat sei ihm daher zumutbar. Der Status des subsidiär Schutzberechtigten sei ihm somit nicht zuzuerkennen gewesen. Darüber hinaus sei er in Österreich bereits strafrechtlich rechtskräftig verurteilt worden. Die Lage im Herkunftsstaat sei seit der Entscheidung über den vorherigen Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen unverändert. Die Feststellungen zum Herkunftsstaat würden auf einer Zusammenstellung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl basieren, jene zur Pandemie bzw. zu COVID-19 seien der weltweiten Gesamtberichterstattung zu entnehmen und würden sich aus dem Amtswissen sowie aus den Angaben der Johns Hopkins University ergeben.

In rechtlicher Hinsicht verwies das Bundesamt zunächst darauf, dass ein Folgeantrag vorliege und das Vorverfahren rechtskräftig geworden sei. Bereits im Vorverfahren sei festgestellt worden, dass dem Antragsteller bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland keine Verletzung seiner Integrität drohe. Da sich die allgemeine Lage, die persönlichen Verhältnisse und der körperliche Zustand des Antragstellers seit der letzten Entscheidung nicht geändert hätten, könne davon ausgegangen werden, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zu keiner Bedrohung der Menschenrechte des Antragstellers führen werde. Die Feststellung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung, die in Rechtskraft erwachsen sei, sei nach wie vor nicht anzuzweifeln. Die aktuelle COVID-19 Pandemie erfordere auch nicht die Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung. Aufgrund der Lage im Herkunftsstaat in Verbindung mit dem Vorbringen des Antragstellers könne somit davon ausgegangen werden, dass ihm keine Verletzung wie in § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG beschrieben werde, drohe. Es lägen somit alle Voraussetzungen für eine Aufhebung des Abschiebeschutzes vor.

In der Rechtsmittelbelehrung dieses mündlich verkündeten und im Einvernahmeprotokoll schriftlich festgehaltenen Bescheides wurde darauf hingewiesen, dass diese Beurkundung als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gelte und die Verwaltungsakten unverzüglich von Amts wegen dem Bundesverwaltungsgericht zur Überprüfung übermittelt würden. Dies gelte als Beschwerde.

4.1. Am 06.07.2021 wurde der Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung W235 zugewiesen.

4.2. Mit Beschluss vom 13.07.2021 sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG iVm § 22 BFA-VG rechtmäßig sei.

Begründend wurde ausgeführt, dass dem Vorbringen, es liege ein Video als neues Beweismittel vor, kein glaubhafter Kern zukomme. Abgesehen von diesem unglaubhaften Vorbringen habe sich der Antragsteller ausschließlich auf jene Fluchtgründe bezogen, die er bereits im früheren Verfahren geltend gemacht habe. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass dem Antragsteller im Fall der Rückkehr nach Afghanistan ein ernsthafter Schaden drohe. Selbst wenn er aufgrund der Sicherheitslage nicht in sein Heimatdorf oder in seinen Heimatdistrikt zurückkehren könne, stehe ihm jedenfalls eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Herat und/oder Mazar-e Sharif zur Verfügung. Er werde dort nicht in eine ausweglose Lage oder in eine existenzbedrohende Situation geraten. Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Antragstellers seien gegenüber den im rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sei zu entnehmen, dass die Lage im Herkunftsstaat seit der Entscheidung über den letzten Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen unverändert geblieben sei. Die Erwägungen, dass dem Antragsteller im Fall der Rückkehr nach Afghanistan kein ernsthafter Schaden drohe, würden auf den Ausführungen im Bescheid, dass die Lage im Herkunftsstaat seit der Entscheidung über den letzten Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen unverändert geblieben sei, gründen. Eine Änderung des maßgeblichen Sachverhalts liege nicht vor, weshalb der Folgeantrag sowohl in Bezug auf das Begehren auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein werde. Da im über den ersten Antrag auf internationalen Schutz ergangenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes festgehalten worden sei, dass der Antragsteller in den Städten Herat und Mazar-e Sharif (alternativ auch Kabul) keine Verletzung der durch Art. 2 und Art. 3 EMRK geschützten Rechte erleiden würde und ihm dort die Ansiedlung auch zumutbar wäre, im nunmehrigen Verfahren keine Risiken für den Antragsteller hervorgekommen oder behauptet worden seien und keine erheblichen, in der Person des Antragstellers liegende, neue Sachverhaltselemente bekannt geworden seien, stelle die Abschiebung des Antragstellers in seinen Herkunftsstaat für ihn keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention dar und der Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art. 8 EMRK sei gerechtfertigt. Es bestehe für den Antragsteller als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.

5. Der dagegen erhobenen Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 20.10.2021, Ra 2021/20/0329-10, stattgegeben und der angefochtene Beschluss wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

In den Erwägungen dieses Erkenntnisses wurde insbesondere ausgeführt:

„Das Bundesverwaltungsgericht hat sich bei seiner Beurteilung, ob eine Rückführung des Revisionswerbers nach Afghanistan eine reale Gefahr der Verletzung (u.a.) von Art. 2 oder Art 3 EMRK bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, in Bezug auf die Lage in diesem Staat allein auf die Feststellungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gestützt. Ausgehend davon hat es das Vorliegen einer solchen Gefahr und die Notwendigkeit der inhaltlichen Prüfung des Folgeantrages auch in Bezug auf das Begehren des Revisionswerbers, ihm subsidiären Schutz zu gewähren, verneint, weil es seit Abschluss des ersten Asylverfahrens keine entscheidungswesentlichen Veränderungen in diesem Land gegeben habe.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat (auch) das Bundesverwaltungsgericht der Beurteilung der Lage im Herkunftsstaat die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen. Bei instabilen und sich rasch ändernden Verhältnissen im Herkunftsstaat können auch zeitlich nicht lange zurückliegende Berichte ihre Aktualität bereits verloren haben (vgl. etwa VwGH 12.5.2021, Ra 2020/18/0275, mwN).

Das ist auch im Verfahren über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes zu beachten, weil sich – worauf bereits oben hingewiesen wurde – auch in diesem Verfahren die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts auf den Zeitpunkt seiner Entscheidung zu beziehen hat. Dass die beschleunigte Abwicklung des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht in erster Linie anhand des Ergebnisses der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bis dahin vorgenommenen Ermittlungen zu erfolgen hat, bedeutet nicht, dass sich das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Entscheidung selbst dann allein auf die Feststellungen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl stützen dürfte, wenn sich diese als unrichtig, unvollständig oder überholt darstellen. Ob insoweit die Ergänzung des entscheidungsmaßgeblichen Sachverhalts vom Bundesverwaltungsgericht durchzuführen ist oder die Notwendigkeit erheblicher ergänzender Erhebungen dazu führt, dass im Rahmen der im Verfahren betreffend Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorzunehmenden Grobprüfung eine einwandfreie Beurteilung nicht (mehr) möglich und infolgedessen der (von Gesetzes wegen in Beschwerde gezogene) Bescheid (ersatzlos) aufzuheben ist, ist letztlich anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.

Der Revisionswerber verweist hinsichtlich der Sicherheitslage in Afghanistan darauf, dass im Zeitpunkt der Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht bereits – diesem Gericht auch zugängliche – Informationen vorgelegen seien, anhand derer das Verwaltungsgericht, hätte es diese berücksichtigt, von zu dieser Zeit in Afghanistan instabilen und sich rasch ändernden Verhältnissen hätte ausgehen müssen, sodass auch die zeitlich nicht lange zurückliegende – sich insgesamt auf dem Stand vom 11. Juni 2021 befindende (und somit im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes etwa einen Monat alte) – Berichtslage, die das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für seine Entscheidung herangezogen hatte, ihre Aktualität in für die Entscheidung maßgeblichen Teilen bereits verloren gehabt habe. Der Revisionswerber vermag in diesem Zusammenhang aufzuzeigen, dass die Berücksichtigung der in den von ihm zitierten Berichten enthaltenen (neueren) Informationen – etwa betreffend (beginnende) Kampfhandlungen nächst den vom Bundesverwaltungsgericht als sicher bezeichneten Städten – zur Abstandnahme von der Zurückweisung des Folgeantrages, zumindest in Bezug auf das Begehren auf Zuerkennung von subsidiärem Schutz, führen könnte. Ausgehend davon wird in der Revision auch hinreichend dargetan, dass das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Verfahren schon im Hinblick auf die – für die Zulässigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes wesentliche – Beurteilung der Frage, ob es im Zeitpunkt seiner Entscheidung (allenfalls: weiterhin) auf der Hand gelegen sei, dass der Antrag auf internationalen Schutz (insgesamt) zurückgewiesen werden würde, zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, wenn es bei seiner Entscheidung aktuellere Berichte einbezogen hätte.“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

2. Zu A)

2.1. Gemäß § 12a Abs. 2 AsylG kann das Bundesamt, wenn der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt hat und kein Fall des Abs. 1 vorliegt, den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn 1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht, 2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist und 3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG ergehen Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 BFA-VG mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG ist eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

Nach Abs. 2 leg. cit. sind die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 22 Abs. 3 BFA-VG binnen acht Wochen zu entscheiden.

2.2. Da im gegenständlichen Fall das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Zuge eines Folgeantrages den faktischen Abschiebeschutz des Antragstellers aufgehoben hat, war diese Entscheidung gemäß § 22 BFA-VG vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen.

§ 12a Abs. 2 Z 2 AsylG stellt als Tatbestandsvoraussetzung für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes darauf ab, dass der Antrag auf internationalen Schutz voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang ausgesprochen, dass in Gesamtschau der die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes normierenden (Verfahrens-)bestimmungen damit nur gemeint sein könne, dass bereits bei einer Grobprüfung des Antrags dessen (spätere) Zurückweisung mangels entscheidungswesentlicher Änderung des Sachverhalts auf der Hand liegen müsse. Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtige daher zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG. Es müsse sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichne. Nur dann könne auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolge, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen rechtskräftigen Vorentscheidung zu verhindern (vgl. VwGH vom 12.12.2018, Ra 2018/19/0010).

§ 12a Abs. 2 AsylG enthält für die Frage, ob entschiedene Sache vorliegt und der faktische Abschiebeschutz allenfalls aberkennt werden kann, weil der Folgeantrag ohne den Antrag inhaltlich in Behandlung zu nehmen wegen entschiedener Sache zurückzuweisen ist, keine Sonderbestimmungen. Anzuwenden ist daher § 68 AVG, wonach Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sind, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet.

„Entschiedene Sache“ im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (vgl. VwGH vom 09.09.1999, Zl. 97/21/0913; vom 27.09.2000, Zl. 98/12/0057; vom 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235; vom 17.09.2008, Zl. 2008/23/0684; vom 11.11.2008, Zl. 2008/23/1251; vom 19.02.2009, Zl. 2008/01/0344 und vom 06.11.2009, Zl. 2008/19/0783). Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. in Bezug auf verschiedene Folgeanträge VwGH vom 26.07.2005, Zl. 2005/20/0226 mwN). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (vgl. VwGH vom 10.06.1998, Zl. 96/20/0266). Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhalts die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung – nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen – berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrags darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa VwGH vom 04.11.2004, Zl. 2002/20/0391 mwN).

2.3. Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller erklärt, dass seine alten Fluchtgründe immer noch aufrecht seien. Ferner brachte er zu seinem Herkunftsstaat befragt vor, dass es in Afghanistan keine Sicherheit und kein System wie in Österreich gebe. Hier bekomme man Sozialunterstützung und andere Hilfe, das gebe es alles in Afghanistan nicht. Diesbezüglich ist allerdings darauf zu verweisen, dass sich die Lage in Afghanistan gravierend verändert hat; insbesondere stand die Übernahme des Landes durch die Taliban (die zwischenzeitig auch erfolgt ist) unmittelbar bevor und waren daher die Länderfeststellungen vom 10.06.2021, die das Bundesamt seinem mündlich verkündeten Bescheid zugrunde gelegt hat aufgrund der sich rasch und unvorhersehbar ändernden Situation in Afghanistan im Entscheidungszeitpunkt des Bundesverwaltungsgerichtes nicht mehr ausreichend aktuell.

Der Verwaltungsgerichtshof führte in seiner Entscheidung vom 20.10.2021 aus, dass es im vorliegenden Fall nicht ausreichend sei, die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgenommenen Erwägungen bloß anhand des von dieser Behörde festgestellten Sachverhalts zu prüfen.

Auf der Grundlage des dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsaktes kann daher – insbesondere aufgrund der aktuellen Berichtslage zu Afghanistan in Zusammenhang mit der Antragstellung in Bezugnahme auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten - das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 AsylG im Sinne der aufgezeigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht erkannt werden.

Der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.07.2021 ist daher aufzuheben.

3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Aus-spruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die unter Punkt II.2.2. angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Diesbezüglich wird insbesondere auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.10.2021, Ra 2021/20/0329-10, verwiesen. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

4. Daher war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung nicht rechtmäßig Rechtsanschauung des VwGH

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W235.2126212.3.01

Im RIS seit

19.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

19.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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