TE Bvwg Beschluss 2021/9/28 W225 2144678-3

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Veröffentlicht am 28.09.2021
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Entscheidungsdatum

28.09.2021

Norm

AVG §69 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs4
UVP-G 2000 §40 Abs1
UVP-G 2000 §5
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §32
VwGVG §32 Abs1 Z2
VwGVG §32 Abs2

Spruch


W225 2144678-3/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Barbara WEISS, LL.M., als Vorsitzende und durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS und die Richterin Mag. Michaela RUSSEGGER-REISENBERGER als Beisitzer über den Antrag der XXXX , vertreten durch die Lindner Stimmler Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Währinger Straße 2-4/1/29, 1090 Wien, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.06.2021, W225 2144678-2/24E, rechtskräftig abgeschlossenen UVP-Genehmigungsverfahrens beschlossen:

A)

Der Antrag auf Wiederaufnahme wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Eingabe vom 12.06.2015 stellte XXXX (in der Folge: Antragstellerin), damals vertreten durch die Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH, 1010 Wien, einen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb des Vorhabens „Windpark XXXX “ gemäß § 5 UVP-G 2000.

2. Mit Bescheid vom 08.11.2016, Zl. RU4-U-794/047-2016, wurde der Antragstellerin nach Durchführung des Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb des Vorhabens „Windpark XXXX “, nämlich zur Errichtung und zum Betrieb von a) acht Windkraftanlagen (WKA) der Type Vestas V 126 mit einer Nennleistung von je 3,45 MW, einer Gesamtleistung des Windparks von 27,6 MW und einer Nabenhöhe von 137 m (GD1-GD6, SD1) bzw. von 117 m (SD2), b) der windparkinternen Verkabelung inkl. Datenleitungen sowie c) zwei Erdkabelsystemen (20 kV-Erdkabel) als externe Windparkverkabelung zum Umspannwerk XXXX und d) den Zuwegungen inklusive aller damit im Zusammenhang stehenden Begleitmaßnahmen in der Gemeinde XXXX , der Marktgemeinde XXXX , der Gemeinde XXXX und der Stadtgemeinde XXXX , im Verwaltungsbezirk XXXX , erteilt.

3. Gegen diesen Bescheid erhoben die BF1–BF17 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

4. Mit der Novelle zum Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz vom 30.11.2018, BGBl. I Nr. 80/2018, wurde ua. der Tatbestand der Z 6 lit. a, Spalte 2, Anhang 1, UVP-G 2000 dahingehend geändert, dass der Schwellenwert für Anlagen zur Nutzung von Windenergie auf eine Gesamtleistung von mindestens 30 MW erhöht wurde.

5. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.02.2019, Zl. W225 2144678-1/OZ 101, wurde das Verfahren der BF1 eingestellt, den Beschwerden der weiteren BF Folge gegeben und der Bescheid dahingehend abgeändert, dass der Antrag der Antragstellerin als unzulässig zurückgewiesen wurde, da aufgrund der Rechtslagenänderung keine Genehmigungspflicht mehr bestand.

6. Mit Schreiben vom 04.02.2019, beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht am 05.02.2019, übermittelte die Rechtsvertretung der Antragstellerin eine Antragsänderung, mit welcher das Vorhaben modifiziert wurde, indem die Nennleistung der einzelnen Windkraftanlagen der Type Vestas V126 von vormals 3,45 MW auf 3,8 MW erhöht wurde.

7. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.04.2018, W225 2144678-2/2Z, wurde das mit Erkenntnis vom 05.02.2019, Zl. W225 2144678-1/OZ 101, abgeschlossene Verfahren gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3 VwGVG amtswegig wiederaufgenommen.

8. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.04.2019, W225 2144678-2/4Z, wurde aufgrund der als aliud beurteilten Antragsänderung der Bescheid der XXXX Landesregierung vom 08.11.2016, Zl. RU4-U-794/047-2016, ersatzlos behoben.

9. Mit Antrag vom 04.04.2019 begehrte die Antragstellerin bei der zuständigen Behörde die Feststellung darüber, ob das dem Bescheid der Behörde vom 08.11.2016, Zl. RU4-U-794/047-2016, zugrundeliegende Vorhaben der Verpflichtung zur Durchführungen einer UVP unterliege.

10. Mit Schreiben vom 17.05.2019 beantragte die Antragstellerin bei der Behörde auch die Genehmigung des Vorhabens in der im Feststellungsantrag beschriebenen Spezifikation.

11. Mit Bescheid vom 28.05.2019, Zl. RU4-UF-52/001-2019, stellte die Behörde hinsichtlich des Antrags der Antragstellerin vom 04.04.2019 fest, dass für das geplante Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei. Gegen diesen Bescheid wurde Beschwerde erhoben.

12. Mit Schreiben vom 04.06.2019 erhob die Antragstellerin gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.04.2019 eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

13. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.09.2019, W118 2221403-1/2E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 28.05.2019 als unbegründet abgewiesen. Ein weiteres Rechtsmittel wurde nicht erhoben.

14. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 26.05.2021, Zl. Ra 2019/04/0071-12, behob dieser die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.04.2019 wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften.

15. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.06.2021, Zl. W225 2144678-2/24E, wurde der Bescheid der XXXX Landesregierung vom 08.11.2016, Zl. RU4-U-794/047-2016, ersatzlos behoben.

16. Dieses Erkenntnis wurde am 18.06.2021 u.a. dem damaligen Rechtsvertreter der Antragstellerin (Heid und Partner Rechtsanwälte GmbH) sowie dem Rechtsvertreter einer mitbeteiligten Partei mittels ERV zugestellt. Zudem wurde das Erkenntnis am selben Tag auch dem Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus (BMNT) per elektronischer Zustellung (nicht ERV, angenommen am 18.06.2021) zugestellt.

17. Mit Schriftsatz vom 24.06.2021 stellte die Antragstellerin den gegenständlichen Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 18.06.2021, W225 2144678-2/24E, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens. Der Antrag wurde im Wesentlichen damit begründet, dass eine neue Tatsache hervorgekommen sei, nämlich, dass der Genehmigungsantrag vom 17.05.2019 am 18.06.2021 zurückgezogen worden sei (Anmerkung des erkennenden Gerichtes: es wurde diesbezüglich lediglich ein Schriftsatz betreffend die Zurückziehung des Genehmigungsantrages vom 17.05.2019 übermittelt, auf welchem lediglich ersichtlich ist, dass der Schriftsatz am 18.06.2021 erstellt worden sei). Da sich das Erkenntnis vom 18.06.2021 somit auf einen nicht mehr anhängigen Antrag gestützt habe, sei das Verfahren wiederaufzunehmen. Diese Tatsache sei nicht früher bekannt geben worden, da die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes für die Antragstellerin nicht vorhersehbar gewesen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus den unter Punkt I. getroffenen Ausführungen.

2. Beweiswürdigung:

Der relevante Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem Akt zum gegenständlichen Verfahren sowie aus dem Akt zum Verfahren W225 2144678-2.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Abweisung des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens:

Gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens, voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten.

Die Antragstellerin erlangte frühestens am 18.06.2021 Kenntnis vom Wiederaufnahmegrund. Der am 24.06.2021 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangte Wiederaufnahmeantrag wurde somit innerhalb der zweiwöchigen Frist gemäß § 32 Abs. 2 zweiter Satz VwGVG gestellt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen. Gleiches gilt für neu entstandene Beweismittel, sofern sie sich auf "alte" - d.h. nicht ebenfalls erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstandene - Tatsachen beziehen. Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung eingetreten sind, rechtfertigen hingegen keinen Antrag auf Wiederaufnahme, sondern es ist ein neuer Antrag zu stellen, weil in diesem Fall einem auf Basis des geänderten Sachverhalts gestellten Antrag die Rechtskraft bereits erlassener Entscheidungen nicht entgegensteht (vgl. VwGH 20.03.2019, Ra 2019/20/0096).

Der gegenständliche Wiederaufnahmeantrag zielt darauf ab, das mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.06.2021, W225 2144678-2/24E, rechtskräftig abgeschlossene Verfahren aufgrund neuer Tatsachen bzw. Beweismittel im Sinn von § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG wiederaufzunehmen.

Die Antragstellerin erblickt im gegenständlich vorgelegten Schreiben (Zurückziehung des Genehmigungsantrages) eine neu hervorgekommene Tatsache bzw. Beweismittel, da daraus hervorgehen würde, dass der Antrag vom 17.05.2019 zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits zurückgezogen gewesen sei.

Anzumerken ist diesbezüglich, dass die Antragstellerin "den Grund, auf den sich das Wiederaufnahmebegehren gem § 69 Abs 1 Z 1 bis 4 AVG bzw gem § 32 Abs 1 Z 1 bis 4 VwGVG stützt, aus „eigenem Antrieb“ in seinem Antrag „konkretisiert und schlüssig“ darlegen [muss] (VwGH 20. 9. 1995, 93/13/0161; 26. 3. 2003, 98/13/0142; 17. 12. 2008, 2006/13/0146; 26. 4. 2013, 2011/11/0051; 14. 3. 2019, Ra 2018/18/0403). Auch diesbezüglich trifft allein den Antragsteller und nicht auch die Behörde bzw das VwG die Pflicht, die Umstände, aus denen seiner Ansicht nach hervorgeht, dass einer der in § 69 Abs 1 Z 1 bis 4 AVG bzw in § 32 Abs 1 Z 1 bis 4 VwGVG angeführten Tatbestände verwirklicht ist, konkret und dezidiert anzuführen (Hengstschläger/Leeb6 Rz 588; Kolonovits/Muzak/Stöger11 Rz 607; Schulev-Steindl6 Rz 348).“ (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 70 Rz 56 (Stand 1.1.2020, rdb.at))

Dieser Anforderung genügt der gegenständliche Wiederaufnahmeantrag im konkreten Fall aufgrund folgender Erwägungen nicht:

„Erkenntnisse (und Beschlüsse) des VwG erlangen mit ihrer Erlassung rechtliche Existenz. Sie bedürfen der Mitteilung nach außen in den verfahrensrechtlich vorgesehenen Formen, um die beabsichtigten rechtlichen Wirkungen auszulösen. Bezüglich der rechtsförmlichen Erlassung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ist dabei der Zustellung ihre mündliche Verkündung gleichzuhalten (VwGH 13. 10. 2015, Fr 2015/03/0007). […] Verwaltungsgerichtliche Erkenntnisse (Beschlüsse) erwachsen, weil dagegen lediglich die außerordentlichen Rechtsmittel der Revision an den VwGH bzw Beschwerde an den VfGH zur Verfügung stehen, sogleich in formelle Rechtskraft und werden damit grundsätzlich […] allen Parteien gegenüber verbindlich und vollstreckbar (Leeb in: Hengstschläger/Leeb, AVG ErgBd § 29 VwGVG Rz 3). In Mehrparteienverfahren gilt eine Entscheidung als erlassen, sobald sie einer Partei gegenüber erlassen wurde (VwSlg 2728 A/1952, 7790 A/1970; ebenso VfSlg 5592/1967, 8509/1979).“ (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 29 VwGVG Rz 1 (Stand 1.10.2018, rdb.at)).

Dem damaligen Rechtsvertreter der Antragstellerin (Heid und Partner Rechtsanwälte GmbH) wurde das gegenständlich wiederaufzunehmende Erkenntnis mittels ERV am 18.06.2021 übermittelt. Wenn die Antragstellerin anführt, dass diese dem Verwaltungsgerichtshof mit Schriftsatz vom 28.05.2021 mitgeteilt habe, dass diese das Vollmachtsverhältnis mit der Heid und Partner Rechtsanwälte GmbH aufgelöst habe und künftig die Lindner Stimmler Rechtsanwälte GmbH & Co KG mit ihrer ausschließlichen rechtsfreundlichen Vertretung im Verfahren beauftragt habe und dass sich das neue Vollmachtsverhältnis auch auf das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht erstrecken würde, so ist dieser entgegenzuhalten, dass dem Bundesverwaltungsgericht der Wechsel des Rechtsvertreters nicht angezeigt wurde. Zur Wirksamkeit des Widerrufes einer Vollmacht muss dieser mitgeteilt werden (siehe VwGH 26.06.2003, 99/18/0411). Auch der Verwaltungsgerichtshof (wenn auch zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichts-Novelle-2012) hat dazu angeführt, dass eine Vertretung vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht ohne weiteres auch eine Vertretung für das daran anschließende fortgesetzte Verwaltungsverfahren miteinschließt (VwGH 15.09. 2011, 2009/07/0162; VwGH 25.06.1996, 95/09/0215; VwGH 26.06.1991, 91/09/0064). Das erkennende Gericht konnte daher rechtmäßig davon ausgehen, dass die Antragstellerin weiterhin von der Heid und Partner Rechtsanwälte GmbH vertreten ist, wodurch das Erkenntnis der Antragstellerin rechtmäßig zugestellt wurde.

Da das betreffende Erkenntnis am 18.06.2021 zudem sowohl einer anderen mitbeteiligten Partei mittels ERV als auch dem Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus (BMNT) (angenommen am 18.06.2021) elektronisch (nicht per ERV) übermittelt worden ist, wurde das wiederaufzunehmende Erkenntnis jedenfalls mit 18.06.2021 rechtswirksam abgeschlossen, da es zu diesem Zeitpunkt für das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich unwiderrufbar und unabänderlich geworden ist.

Da die Antragstellerin somit am selben Tag (18.06.2021) den Genehmigungsantrag vom 17.05.2019 zurückgezogen habe, diese dem erkennenden Gericht die Uhrzeit aber vorenthalten hat (es wurde dahingehend auch nicht dargelegt, wann das Schriftstück über die Zurückziehung des Genehmigungsantrages an die zuständige Behörde übermittelt worden sei), mangelt es dem Antrag jedenfalls an der konkretisierten und schlüssigen Behauptung, dass überhaupt Tatsachen oder Beweismittel im Sinn von § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG neu hervorgekommen sind (siehe dazu auch VwGH 14.03.2019, Ra 2018/18/0403). Anzumerken ist dahingehend, dass es sich dabei um keinen verbesserungsfähigen Mangel, daher um einen Fehler, der nicht zur Abweisung, sondern zur Zurückweisung des Wiederaufnahmeantrags führen würde, handelt (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 70 Rz 57 (Stand 1.1.2020, rdb.at)).

Der Vollständigkeit halber ist zudem anzuführen, dass wenn „die Partei eine Tatsache oder ein Beweismittel im Verwaltungsverfahren bzw im Verfahren vor dem VwG nicht geltend gemacht [hat], obwohl ihr dies bei gehöriger Aufmerksamkeit und gebotener Gelegenheit möglich gewesen wäre, […] ein ihr zurechenbares Verschulden vor[liegt], das eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausschließt (VwGH 21. 9. 1995, 95/07/0117; 9. 10. 2001, 2001/05/0138; 22. 12. 2005, 2004/07/0209). Bei einem solchen (Mit-)Verschulden kann sich die Partei nicht darauf berufen, dass die Behörde ihrerseits bzw das VwG seinerseits der Ermittlungspflicht im Hauptverfahren nicht in gebotener Weise entsprochen und deshalb einen unrichtigen Sachverhalt festgestellt hat (VwGH 28. 7. 1994, 94/07/0097; 8. 4. 1997, 94/07/0063). Ein Verschulden der Partei ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil sie von der Behörde bzw vom VwG nicht darüber belehrt worden ist, was sie alles zur Wahrung ihrer Rechte unternehmen könne und welche Beweisanträge sie zweckmäßigerweise zu stellen habe (VwGH 2. 2. 1970, 29/70; 21. 2. 1977, 2795/76; 18. 1. 1989, 88/03/0188; vgl auch Hengstschläger/Leeb, 6 Rz 583) […] Diesbezügliche Versäumnisse der Partei, wie zB die Unterlassung möglicher Beweisanträge (vgl VwGH 18. 10. 1990, 90/09/010) oder der Einholung eines Gutachtens (VwGH 15. 7. 2003, 2003/05/0070; 28. 2. 2005, 2001/03/0450) oder der (fristgerechten) Vorlage eines ärztlichen Attestes (vgl VwGH 7. 3. 1990, 90/03/0023), sind ihr als Verschulden zuzurechnen und schließen daher eine Wiederaufnahme gem § 69 Abs 1 Z 2 AVG bzw § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG aus (VwSlg 15.218 A/1928).“ (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 70 Rz 38 (Stand 1.1.2020, rdb.at)).

Somit würde die, zudem rechtsfreundlich vertretene, Antragstellerin jedenfalls auch ein ihr zurechenbares und die Wideraufnahme ausschließendes Verschulden treffen.

Der Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 18.06.2021, W225 2144678-2/24E, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens war damit abzuweisen.

3.2. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 VwGVG unterbleiben. Die Sachlage erschien aufgrund der Aktenlage geklärt und es war die zu beantwortende Frage, ob ein Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG vorliegt, rechtlicher Natur, weswegen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, etwa, um einen persönlichen Eindruck zu gewinnen oder Zeugen zu hören, nicht erforderlich. Ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde auch nicht gestellt und fällt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein Verfahren über die Wiederaufnahme eines Verfahrens selbst grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 GRC (VwGH 29.05.2017, Ra 2017/16/0070).

Zu B)   Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt. Die aufgeworfenen Rechtsfragen wurden in der unter oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits eindeutig beantwortet. Das Bundesverwaltungsgericht folgt dieser Rechtsprechung mit gegenständlicher Entscheidung.

Schlagworte

Antragszurückziehung Genehmigungsantrag konkrete Darlegung Konkretisierung nova producta nova reperta Rechtskraft der Entscheidung Umweltverträglichkeitsprüfung Verschulden Wesentlichkeit Wiederaufnahme Wiederaufnahmeantrag Wiederaufnahmegrund Windpark Zurechenbarkeit Zurückziehung Antrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W225.2144678.3.00

Im RIS seit

18.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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