TE Vwgh Erkenntnis 1990/3/7 90/03/0023

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Veröffentlicht am 07.03.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13a;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §69 Abs1 litb;
AVG §69 Abs1 Z2 impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 16. November 1989, Zl. IIb2-V-7955/1-1989, betreffend Antrag auf Wiederaufnahme eines wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 durchgeführten Verwaltungsstrafverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der vorliegenden Beschwerde und der Ausfertigung des mit ihr angefochtenen Bescheides ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:

Der Beschwerdeführer fuhr am 9. Februar 1989 in Kitzbühel mit seinem Pkw auf einen anderen geparkten Pkw auf. Bei dem Unfall entstand an beiden Fahrzeugen Sachschaden. Der Beschwerdeführer wurde hiebei verletzt. Er unterließ es, sofort die nächste Gendarmerie- oder Polizeidienststelle von dem Unfall zu verständigen. Er wurde deshalb mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 17. März 1989 der Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO schuldig erkannt. Dieses Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer mündlich verkündet, wobei er auf die schriftliche Ausfertigung des Straferkenntnisses und die Einbringung einer Berufung dagegen verzichtete.

Am 7. Juni 1989 beantragte der Beschwerdeführer - nunmehr anwaltlich vertreten - die Wiederaufnahme des Verwaltungsstrafverfahrens wegen der Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO. Dem Vertreter des Beschwerdeführers seien erst nach Abschluß des Verwaltungsstrafverfahrens von dritter Seite der ärztliche Kurzbericht des Landeskrankenhauses Innsbruck vom 12. Jänner 1989, die Krankengeschichte vom 13. Februar 1989 samt Dekurs, der Operationsbericht vom 9. Februar 1989 und ein Schreiben des Landeskrankenhauses Innsbruck an das Krankenhaus Kitzbühel vom 15. März 1989 übermittelt worden. Aus diesen Urkunden ergebe sich, daß der Beschwerdeführer bei dem Unfall schwerstens verletzt worden sei (unter anderem Kieferbruch). Auf Grund der erlittenen Verletzungen sei der Beschwerdeführer vom Krankenhaus Kitzbühel noch am Unfallstag in die Kieferchirurgie des Landeskrankenhauses Innsbruck eingewiesen und dort operiert worden, wobei der Klinikaufenthalt vom 9. Februar 1989 bis 12. Februar 1989 gedauert habe. Es lägen nunmehr neue Beweismittel vor, die belegen, daß es dem Beschwerdeführer nach dem Unfall auf Grund der Schwere der erlittenen Verletzungen in keiner Weise zumutbar gewesen sei, sofort die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen.

Mit Bescheid vom 25. September 1989 gab die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel dem Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Verfahrens nicht statt.

Die gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer eingebrachte Berufung wies die Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom 16. November 1989 ab. Zur Begründung wurde nach Wiedergabe des Inhaltes des § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 ausgeführt, daß die Tatsache der Verletzung des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren bekannt gewesen und es daher an ihm gelegen sei, diese Tatsache im erstinstanzlichen Verfahren vor der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel geltend zu machen. Im übrigen sei die Verletzung nicht so schwer gewesen, daß der Beschwerdeführer nach dem Unfall zum Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht mehr in der Lage gewesen wäre, weil er den Pkw nach Hause gelenkt habe, wo er auch bei seinem Pkw in der Garage angetroffen worden sei. Der Beschwerdeführer habe auf Befragen sofort zugegeben, das Fahrzeug gelenkt zu haben. Die Bestimmung des § 4 Abs. 5 StVO stelle nicht auf die Zumutbarkeit der Verständigung ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950, der gemäß § 24 VStG 1950 auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalte des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten. Daraus ergibt sich, daß die Partei, die den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahren stellt, kein Verschulden daran treffen darf, daß neue Tatsachen oder Beweismittel im früheren Verfahren nicht berücksichtigt werden konnten. Wenn der Beschuldigte im Verwaltungsstrafverfahren es unterläßt, sich eines bestimmten Beweismittels zu seiner Verteidigung zu bedienen, so begibt er sich des Rechtes auf Wiederaufnahme des Verfahrens unter Bedachtnahme auf dieses Beweismittel (vgl. dazu u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Juli 1985, Zl. 85/03/0041, sowie die weitere darin angeführte Vorjudikatur).

Der vorliegenden Beschwerde ist kein Umstand zu entnehmen, der den Beschwerdeführer gehindert hätte, die dem Wiederaufnahmeantrag beigeschlossenen Unterlagen schon im Verwaltungsstrafverfahren als Beweismittel dafür zu beantragen, daß er den ihm angelasteten Verstoß gegen § 4 Abs. 5 StVO nicht zu verantworten hat. Denn das Vorbringen des Beschwerdeführers in der vorliegenden Beschwerde, daß die angeführten Urkunden seinem Vertreter erst nach Abschluß des Strafverfahrens zugekommen sind, stellt keine stichhältige Begründung dafür dar, daß er deswegen diese Beweismittel "nicht schon früher im laufenden Verfahren" habe vorlegen können. Es ist nämlich unerfindlich, warum der Beschwerdeführer bei Anwendung "eines solchen Grades des Fleißes und der Aufmerksamkeit, welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet werden kann (vgl. dazu unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Jänner 1985, Zlen. 84/03/0404, 0405) nicht in der Lage gewesen sein sollte, schon im Verwaltungsstrafverfahren bei den ihn behandelnden Ärzten und Kliniken das Vorhandensein der jetzt mit dem Wiederaufnahmeantrag vorgelegten Urkunden festzustellen und diese Schriftstücke der Behörde zur Verfügung zu stellen. Daß er insoweit untätig blieb, ja nicht einmal Beweisanträge in dieser Richtung stellte, sei es vor der Verkündung des Straferkenntnisses, sei es durch die Wahrung und Wahrnehmung des Rechtes zur Erhebung des Rechtsmittels der Berufung, ist ihm als Verschulden im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 anzulasten, wodurch er sich des Rechtes auf Wiederaufnahme des Verfahrens unter Bedachtnahme auf diese Beweismittel begab. Dem Vorbringen der Beschwerde, daß "Geständnis und Verzicht auf Bescheidausfertigung sowie Rechtsmittel im Lichte der konkreten Umstände der Geschehnisse wohl nur mit der Rechtsunkundigkeit des damals noch unvertretenen Beschwerdeführers erklärt werden" könnten, wozu noch komme, daß wohl auch eine Rechtsmittelbelehrung dem Beschwerdeführer den Rechtsmittelverzicht nahegelegt habe, ist zu entgegnen, daß Rechtsunkundigkeit keinen Wiederaufnahmegrund bildet und es nicht Aufgabe der Behörde ist, die Partei anzuleiten, wie sie sich verantworten müsse, damit sie allenfalls straffrei bleibe (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Jänner 1989, Zl. 88/03/0188).

Es ist daher schon die Ansicht der belangten Behörde, daß das schuldhafte Verhalten des Beschwerdeführers einer Wiederaufnahme des Verwaltungsstrafverfahrens entgegenstand, nicht als rechtswidrig zu erkennen. Bei diesem Ergebnis kann dahinstehen, ob die nunmehr vorgelegten Beweismittel allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalte des Spruches anders lautenden Bescheid herbeiführen hätten können.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990030023.X00

Im RIS seit

07.03.1990

Zuletzt aktualisiert am

25.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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