TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/4 W192 2247236-1

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Veröffentlicht am 04.11.2021
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Entscheidungsdatum

04.11.2021

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z8
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W192 2247236-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Nordmazedonien, vertreten durch Mag. Dr. Helmut BLUM, Rechtsanwalt in 4020 Linz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.08.2021, Zahl: 1129524000-200390189, zu Recht:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 52 Abs. 4 FPG i.d.g.F. stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger Nordmazedoniens, stellte am 16.09.2016 bei der nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zuständigen Behörde einen Erstantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ und berief sich dabei auf seine am 22.08.2016 mit einer in Österreich aufenthaltsberechtigten nordmazedonischen Staatsbürgerin geschlossene Ehe. Am 07.02.2017 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel als Familienangehöriger erteilt, welcher am 07.02.2019 bis zum 06.02.2022 verlängert wurde.

Die Ehe des Beschwerdeführers mit der genannten Frau wurde am 29.05.2019 geschieden.

Am 19.12.2019 erging seitens der zuständigen Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde ein Ersuchen gemäß § 37 Abs. 4 NAG an die örtlich zuständige Landespolizeidirektion wegen des Verdachts des Vorliegens einer Aufenthaltsehe.

In einem Bericht einer Landespolizeidirektion vom 02.03.2020 wurde der nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zuständigen Behörde mitgeteilt, dass die durchgeführten polizeilichen Erhebungen und ein mit dem Beschwerdeführer geführtes persönliches Gespräch den Verdacht des Vorliegens einer Aufenthaltsehe erhärtet hätten.

Am 06.09.2020 ist der Beschwerdeführer in Nordmazedonien eine neue Ehe mit einer mazedonischen Staatsbürgerin eingegangen, welche sodann unter Berufung auf die Eheschließung bei der nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zuständigen Behörde einen Aufenthaltstitel beantragte.

In der Folge wurde durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet, worüber der Beschwerdeführer mit schriftlicher Verständigung vom 15.06.2020 in Kenntnis gesetzt wurde.

Am 23.06.2020 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Stellungnahme des bevollmächtigten Vertreters des Beschwerdeführers ein, in welcher das Vorliegen einer Aufenthaltsehe insbesondere unter Verweis auf eine vom Beschwerdeführer nach der Scheidung abgeschlossene Unterhaltsvereinbarung bestritten wurde.

Am 05.03.2021 fand eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. Am gleichen Datum wurden die Ex-Ehegattin und die derzeitige Ehegattin des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt als Zeuginnen im gegenständlichen Verfahren befragt.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.08.2021 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 4 FPG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Nordmazedonien gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt II.), sowie ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 8 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte im Rahmen der Entscheidungsbegründung die Identität und Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführerin fest und führte desweiteren aus, dass die Behörde aufgrund näher dargelegter Erwägungen zum Schluss gelangt wäre, dass die erste Ehe des Beschwerdeführers nur dem Zweck gedient hätte, sich selbst und in weiterer Folge seiner nunmehrigen Ehegattin unter Umgehung der niederlassungsrechtlichen Vorschriften eine Aufenthaltsberechtigung und einen Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu verschaffen. Gegenständlich sei § 52 Abs. 4 Z 1 FPG als erfüllt anzusehen, zumal sich die erste Ehe des Beschwerdeführers als Aufenthaltsehe erwiesen hätte und somit nachträglich der Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegenstehe. Durch das Eingehen einer Aufenthaltsehe habe sich der Beschwerdeführer der Umgehung niederlassungsrechtlicher Bestimmungen schuldig gemacht. Eine Rückkehrentscheidung begründe keine Verletzung des Rechts auf Familienleben des Beschwerdeführers, zumal seine nunmehrige Gattin lediglich zum visumfreien Aufenthalt von 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen im Bundesgebiet berechtigt sei.

3. Gegen den dargestellten Bescheid richtet sich die am 06.10.2021 durch den bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers fristgerecht eingebrachte vollumfängliche Beschwerde, zu deren Begründung ausgeführt wurde, dass die Schlussfolgerung der belangten Behörde, dass die erste Ehe des Beschwerdeführers eine Aufenthaltsehe dargestellt hätte, unrichtig sei und die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes daher nicht vorliegen würden. Die Angaben des Beschwerdeführers und seiner Ex-Ehegattin zum Zeitraum des Kennenlernens, der Eheschließung und der gemeinsamen Lebensführung in Österreich hätten im Wesentlichen übereingestimmt, sodass die Ansicht der Behörde einer vorliegenden Aufenthaltsehe nicht nachvollziehbar sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsbürger Nordmazedoniens, hat am 22.08.2016 in Nordmazedonien eine Ehe mit einer nordmazedonischen Staatsbürgerin, welche im Besitz eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ ist, geschlossen. Der Beschwerdeführer begründete erstmals am 13.09.2016 einen Wohnsitz in Österreich.

Am 07.02.2017 wurde dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Ehe ein Aufenthaltstitel als Familienangehöriger erteilt. Am 07.02.2019 wurde sein Aufenthaltstitel bis zum 06.02.2022 verlängert.

Am 29.05.2019 wurde die erste Ehe des Beschwerdeführers geschieden. Rund drei Monate später heiratete er in Nordmazedonien eine nordmazedonische Staatsbürgerin, welche in der Folge am 04.10.2019 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz einbrachte. Über diesen Antrag wurde bis dato nicht entschieden, sodass die Ehegattin des Beschwerdeführers aktuell (lediglich) zum visumfreien Aufenthalt von 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen im Bundesgebiet berechtigt ist.

1.2. Es kann nicht festgestellt werden, dass die erste, im Jahr 2016 geschlossene, Ehe des Beschwerdeführers eingegangen worden ist, um dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltsrecht für Österreich zu verschaffen und ein Familienleben zwischen den Ehegatten während der Dauer der Ehe nicht geführt worden ist.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers gründen auf den im Verwaltungsakt in Kopie einliegenden nordmazedonischen Reisepass und österreichischen Führerschein des Beschwerdeführers sowie die auf diese Personalien ausgestellten österreichischen Aufenthaltstitel.

Die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Inhalt der entsprechenden Verwaltungs- und Gerichtsakten.

Die Feststellungen zu den dem Beschwerdeführer in Österreich erteilten Aufenthaltstiteln ergeben sich aus dem unstrittigen Akteninhalt in Zusammenschau mit einem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister. Seine Aufenthaltsdauer ergibt sich aus seinen im Zentralen Melderegister ersichtlichen Wohnsitzmeldungen. Die Feststellungen über die Zeitpunkte der Eheschließungen des Beschwerdeführers sowie der Scheidung der ersten Ehe resultieren aus dem unstrittigen Akteninhalt.

2.2. Die Negativfeststellung dazu, dass es sich bei der ersten Ehe des Beschwerdeführers um eine Aufenthaltsehe gehandelt hätte, ergibt sich aus dem vorliegenden Akteninhalt, aus welchem sich eine entsprechende Verdachtslage bzw. in diese Richtung geführte polizeiliche Ermittlungen zwar entnehmen lassen, jedoch tragen die in der Begründung des angefochtenen Bescheides angeführten Argumente eine entsprechende Feststellung nicht.

Vorweg ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer unbestritten bis 18.03.2019 in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner ersten Ehegattin gemeldet gewesen ist. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer nach einer rund eineinhalbmonatigen Erwerbstätigkeit in der Wohnumgebung des Ehepaars in Oberösterreich eine Erwerbstätigkeit in Wien aufgenommen hätte, steht der Annahme eines gemeinsamen Ehelebens nicht grundsätzlich entgegen. Diesbezüglich gaben sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Ex-Ehegattin an, dass der Beschwerdeführer lediglich eine Arbeit in Wien als Bauarbeiter habe finden können und er bei Schlechtwetter bzw. am Wochenende zu Hause gewesen sei. Die Ex-Ehegattin gab auch an, dass sie selbst überlegt hätte, zum Beschwerdeführer nach Wien zu ziehen, jedoch aufgrund des Schulbesuchs ihrer Kinder sowie der medizinischen Betreuung eines der Kinder entschieden hätte, an ihrem bisherigen Wohnort zu bleiben.

Im angefochtenen Bescheid (S. 13) selbst wird festgehalten, dass ein in Oberösterreich stattgefundenes Eheleben nachträglich nicht habe überprüft werden können, sodass auch insofern keine taugliche Grundlage für die Annahme einer Aufenthaltsehe vorliegt.

Eine Durchsicht der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers und seiner als Zeugin befragten ersten Ehegattin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ergibt, dass diese die Umstände ihres Kennenlernens, der Begründung ihrer Beziehung, ihrer Eheschließung und des in der Folge geführten gemeinsamen Familienlebens im Wesentlichen gleichlautend beschrieben haben. Der Beschwerdeführer und seine Ex-Gattin berichteten jeweils davon, sich im Jänner 2016 in Mazedonien kennengelernt zu haben, als die Ex-Gattin im Zuge eines Urlaubsaufenthalts mit ihren Kindern die Apotheke aufsuchte, in welcher der Beschwerdeführer arbeitete. Der Beschwerdeführer berichtete davon, dass die Beziehung zwischen März und Juni 2016 begonnen hätte, die Ex-Gattin gab damit in Einklang an, dass die Kennenlernphase von Jänner bis März 2016 gedauert hätte. Sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Ex-Ehegattin haben vor dem Bundesamt angegeben, dass bei der standesamtlichen Eheschließung nur nahe Familienmitglieder anwesend gewesen wären und anschließend eine Feier mit 50 bis 100 Personen stattgefunden hätte; ein Widerspruch ist insofern nicht zu erkennen.

Der desweiteren von der Behörde angeführte Umstand der nur wenige Monate nach dem Kennenlernen erfolgten Heirat sowie der vergleichsweise kurzen Dauer der Ehe von rund drei Jahren vermag die Annahme einer Aufenthaltsehe nicht zu stützen; diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass laut Statistik Austria von den im Jahr 2020 geschiedenen Ehen 23,6 % sowie von den im Jahr 2019 geschiedenen Ehen 25 % weniger als fünf Jahre gedauert hatten (vgl. https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/bevoelkerung/ehescheidungen/022912.html ). Da sohin die Ehedauer geschiedener Ehen in rund einem Viertel der Fälle weniger als fünf Jahre betrug, kann die Dauer der Ehe des Beschwerdeführers nicht als bemerkenswert erachtet werden.

Überdies ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer und seine erste Ehefrau im Wesentlichen gleichbleibend über die Gründe der Trennung gerade zu dem besagten Zeitpunkt berichtet haben, indem sie beide davon sprachen, dass ihnen zuvor bekanntgeworden wäre, dass die erste Ehefrau aus medizinischen Gründen keine weiteren Kinder bekommen konnte und der Kinderwunsch des Beschwerdeführers einen ausschlaggebenden Grund für die Scheidung dargestellt hätte.

Zudem ist auch dem Einwand des Rechtsvertreters, dass die vom Beschwerdeführer abgeschlossene Unterhaltsvereinbarung, mit dem er sich nach der Scheidung zur befristeten Leistung eines finanziellen Unterhalts an seine erste Ehegattin verpflichtete, gesamtbetrachtend nicht für das Vorliegen einer bloßen Aufenthaltsehe spricht.

Der vom Bundesamt für Fremdendwesen und Asyl überdies zur Begründung der festgestellten Aufenthaltsehe herangezogene enge zeitliche Zusammenhang zwischen der erfolgten Verlängerung des Aufenthaltstitels des Beschwerdeführers, der Ehescheidung sowie der neuerlichen Eheschließung des Beschwerdeführers mit seiner jetzigen Ehefrau rund drei Monate später, mögen die Feststellung einer Aufenthaltsehe für sich genommen nicht zu tragen.

Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer keine Belege für ein stattgefundenes Eheleben vorzulegen vermochte, ist für sich genommen nicht ausreichend, um das Vorliegen einer Aufenthaltsehe feststellen zu können.

Angesichts der oben dargelegten Erwägungen kann demnach der Schlussfolgerung der Behörde, dass der Beschwerdeführer seine erste Ehe nur deshalb geschlossen und für rund drei Jahre – bis zur Verlängerung seines Aufenthaltstitels – aufrechterhalten hätte, um dann seine Studienfreundin heiraten und dieser wiederum eine Ableitung eines Aufenthaltstitels von seinem Aufenthaltsrecht zu ermöglichen, nicht gefolgt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBl I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

3.2. Zur Rückkehrentscheidung:

3.2.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Serbiens, ist im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ und demnach rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig, sodass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Beurteilung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung dem Grunde nach zutreffend auf § 52 Abs. 4 FPG gestützt hat, welcher wie folgt lautet:

„Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1.       nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2.       ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3.       ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4.       der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5.       das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.“

Der mit „Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen“ betitelte § 60 AsylG 2005 lautet auszugsweise:

§ 60. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn

1.       gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht, oder

2.       gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht.

(2) […]

(3) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen widerstreitet dem öffentlichen Interesse, wenn

1.       dieser ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dieser durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt oder

2.       im Falle der §§ 56 und 57 dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.“

Der mit „Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel“ betitelte § 11 NAG lautet:

„§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

1.       gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;

2.       gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;

3.       gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;

4.       eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

5.       eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder

6.       er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

1.       der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2.       der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3.       der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4.       der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

5.       durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden;

6.       der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, rechtzeitig erfüllt hat, und

7.       in den Fällen der §§ 58 und 58a seit der Ausreise in einen Drittstaat gemäß § 58 Abs. 5 mehr als vier Monate vergangen sind.

(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 7 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.       der Grad der Integration;

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(4) Der Aufenthalt eines Fremden widerstreitet dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1), wenn

1.       sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde oder

2.       der Fremde ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.

(6) Die Zulässigkeit, den Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des Abs. 2 Z 2 und 4 mit einer Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) erbringen zu können, muss ausdrücklich beim jeweiligen Aufenthaltszweck angeführt sein.

(7) Der Fremde hat bei der Erstantragstellung ein Gesundheitszeugnis vorzulegen, wenn er auch für die Erlangung eines Visums (§ 21 FPG) ein Gesundheitszeugnis gemäß § 23 FPG benötigen würde.“

§ 41a Abs. 9 NAG lautet:

„Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu erteilen, wenn sie

1.       für einen Zeitraum von zwölf Monaten über eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß §§ 55 Abs. 1 oder 56 Abs. 1 AsylG 2005,

2.       für einen Zeitraum von zwölf Monaten über eine „Aufenthaltsberechtigung“ gemäß §§ 55 Abs. 2 oder 56 Abs. 2 AsylG 2005 oder

3.       über eine Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 3

verfügen und das Modul 1 der Integrationsvereinbarung (§ 9 IntG) erfüllt haben oder zum Entscheidungszeitpunkt eine Erwerbstätigkeit ausüben, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG BGBl. Nr. 189/1955 erreicht wird.“

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 61 Z 2 iVm § 54 Abs. 1 FPG in der Stammfassung in ständiger Rechtsprechung festgehalten, dass die Verhängung eines Aufenthaltsverbots aufgrund eines Sachverhaltes, der die Versagung des dem Fremden zuletzt erteilten Aufenthaltstitels gerechtfertigt hätte, nur zulässig ist, wenn dieser Sachverhalt erst nach Erteilung des Titels eingetreten oder der Aufenthaltsbehörde bekannt geworden ist (vgl. etwa VwGH 04.06.2009, 2009/18/0097, mwN). Nach § 54 Abs. 1 FPG in der Stammfassung konnten Fremde, die sich auf Grund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verlängerungsverfahrens im Bundesgebiet aufhielten, ausgewiesen werden, wenn nachträglich ein Versagungsgrund eintrat oder bekannt wurde, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre, oder der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegenstand; ein Aufenthaltsverbot durfte gemäß § 61 Z 2 FPG nicht erlassen werden, wenn eine Ausweisung gemäß § 54 Abs. 1 FPG wegen des maßgeblichen Sachverhaltes unzulässig gewesen wäre. Der zuletzt genannten Bestimmung entspricht nunmehr § 52 Abs. 4 Z 1 und 4 FPG, wonach gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen ist, wenn nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre (Z 1) oder wenn - was im Verlängerungsverfahren maßgeblich ist (vgl. zur diesbezüglichen Abgrenzung VwGH 24.01.2019, Ra 2018/21/0227) - der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund nach § 11 Abs. 1 und 2 NAG entgegensteht (Z 4). Die Rechtsprechung zum im Wesentlichen gleichlautenden § 54 Abs. 1 FPG in der Stammfassung ist auf die nunmehr geltende Rechtslage zu übertragen (vgl. VwGH 04.03.2020, Ra 2019/21/0403).

Das Vorliegen einer Aufenthaltsehe erfüllt den Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG 2005. Überdies kann auf Grund der von der rechtsmissbräuchlichen Eingehung einer Ehe bewirkten Störung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens der Versagungsgrund gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 NAG 2005 erfüllt sein ( vgl. VwGH 08.02.2021, Ra 2021/22/0004 mit Hinweis E 19. Juni 2008, 2007/18/0041).

Die durch ein Berufen auf eine Aufenthaltsehe in einem Verfahren über einen Erstantrag herbeigeführte positive Erledigung dieses Antrags ist Voraussetzung für die Titelerteilung in einem Verlängerungs- bzw. Zweckänderungsverfahren und hat somit diese Titelerteilung - mittelbar - bewirkt (vgl. VwGH 28.05.2019, Ra 2019/22/0105). Der VwGH hat somit eine mittelbare Wirkung (des Erschleichens eines Bescheides in Form des Verschweigens) im Verhältnis zwischen einem Erstantrag und darauf aufbauenden Verlängerungsanträgen anerkannt (vgl. VwGH 14.07.2021, Ra 2018/22/0017).

Die Annahme des Vorliegens einer Aufenthaltsehe iSd § 30 Abs. 1 NAG 2005 setzt nicht voraus, dass der Ehepartner gemäß § 117 FrPolG 2005 bestraft oder eine Anzeige gemäß § 117 FrPolG 2005 erstattet worden ist (vgl. VwGH 23.03.2017, Ra 2016/21/0349). Es steht einer derartigen Annahme auch nicht entgegen, dass ein Strafverfahren nach § 117 FrPolG 2005 nicht mit einer Verurteilung endete (vgl. VwGH 27.02.2020, Ra 2019/22/0203 mwN.)

Für die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Berufens auf eine Scheinehe bzw. Aufenthaltsehe kommt es nur auf die diesbezügliche Absicht des Fremden und nicht auf jene seiner Ehefrau, die zunächst auf das Vorliegen einer echten Ehe vertraute, an (vgl. VwGH 25.01.2005, 2004/21/0135; VwGH 27.03.2007, 2006/21/0391; VwGH 22.11.2007, 2004/21/0268; VwGH 09.08.2018, Ra 2018/22/0033). Die Verwaltungsbehörde bzw. das VwG dürfen in Bezug auf das Vorliegen einer Scheinehe eine eigene Beurteilung vornehmen (vgl. VwGH 23.01.2020, Ra 2019/21/0384).

3.2.2. Die belangte Behörde hat die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf § 52 Abs. 4 Z 1 FPG gestützt, ohne konkret offenzulegen, welchen nachträglichen Versagungsgrund der §§ 60 AsylG 2005 oder 11 Abs. 1 und 2 NAG sie als erfüllt erachtete. Inhaltlich ist davon auszugehen, dass die Behörde sich auf § 11 Abs. 1 Z 4 NAG, sohin das Vorliegen einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2), bezog. Sonstige mögliche Gründe für den Ausspruch einer Rückkehrentscheidung lassen sich dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Sachverhalt nicht entnehmen und haben sich auch im Beschwerdeverfahren nicht ergeben.

Wie oben ausgeführt, konnte gegenständlich nicht festgestellt werden, dass es sich bei der ersten Ehe des Beschwerdeführers, auf welche sich sein Erstantrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz gründete, um eine Aufenthaltsehe gehandelt hat. Dies ergibt sich schon aus dem Umstand, dass nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheids eine Überprüfung des Ehelebens in Österreich nicht durchgeführt wurde, die von der Behörde herangezogenen sonstigen Anhaltspunkte vermögen das Vorliegen einer Aufenthaltsehe nicht zu tragen.

Es ist sohin nicht zu erkennen, dass der Tatbestand des § 52 Abs. 4 Z 1 FPG, welcher auf ein nachträgliches Eintreten oder Bekanntwerden eines Versagungsgrundes gemäß § 11 Abs. 1 und 2 NAG sowie § 60 AsylG 2005 verweist, erfüllt wurde.

Lediglich der Vollständigkeit halber ist auszuführen, dass auch für die Erfüllung eines der weiteren in § 52 Abs. 4 FPG genannten Tatbestände (Zn 1a, 2, 3 und 5) keine Anhaltspunkte vorliegen.

Aus all dem folgt, dass mangels einer Rechtsgrundlage für die Rückkehrentscheidung dieser Spruchpunkt I. aufzuheben ist.

3.3 Zur Zulässigkeit der Abschiebung, zur Ausreisefrist und zum Einreiseverbot (Spruchpunkte II. bis IV.):

Die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers, die Festlegung der Frist für dessen freiwillige Ausreise sowie der Ausspruch eines Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 8 FPG beruhen auf der - wie eben dargelegt - aufzuhebenden Rückkehrentscheidung. Demgemäß entbehren mit dem Entfall des Spruchpunkts I. auch die Spruchpunkte II. bis IV. einer Rechtsgrundlage und sind daher ebenfalls ersatzlos zu beheben.

4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:

Da auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid mangels einer Rechtsgrundlage aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Gefährdungsprognose nach § 11 Abs. 2 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 4 Z 1 NAG.

Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage(n) kamen nicht hervor.

Schlagworte

Aufenthaltsehe Behebung der Entscheidung Ehe Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Behebung Rechtsgrundlage Rückkehrentscheidung behoben Versagungsgrund

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W192.2247236.1.00

Im RIS seit

14.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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