TE Bvwg Beschluss 2021/10/28 W240 2247646-1

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Veröffentlicht am 28.10.2021
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Entscheidungsdatum

28.10.2021

Norm

AsylG 2005 §57
BFA-VG §21 Abs3 Satz2
B-VG Art133 Abs4
FPG §61 Abs1 Z2

Spruch


W240 2247646-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. FEICHTER über die Beschwerde von XXXX , StA. Ägypten, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.10.2021, Zl. 1285120803/211354366, beschlossen:

A)       Der Beschwerde wird gemäß § 21 Absatz 3, 2. Satz BFA-VG stattgegeben, das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz wird zugelassen und der bekämpfte Bescheid behoben.

B)       Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge auch BF), ein ägyptischer Staatsangehöriger, reiste von Italien kommend illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und beabsichtigte wiederum illegal nach Deutschland weiterzureisen.

Von den deutschen Behörden wurde dem BF am 18.09.2021 jedoch die Einreise verweigert, weil er nicht über die für einen rechtmäßigen Grenzübertritt erforderlichen Dokumente verfügte. In weiterer Folge wurde der BF am 19.09.2021 an Beamte des österreichischen Sicherheitsdienstes übergeben.

Im Rahmen seiner Rückübernahme wurde der BF von Beamten des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Personenkontrolle unterzogen. Diese hatte zum Ergebnis, dass der BF auch nicht über die für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlichen Dokumente verfügte.

Bei einer Identitätsfeststellung wurde festgestellt, dass der BF bereits am 29.04.2014 in der Schweiz und am 16.05.2014 in Deutschland jeweils einen Asylantrag gestellt hatte.

Aufgrund der festgestellten Asylantragstellungen wurde der BF von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge auch BFA) kontaktiert.

Vom BFA wurde in weiterer Folge gegen den BF ein Festnahmeauftrag nach
§ 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG erlassen und wurden der BF in weiterer Folge in ein österreichisches PAZ überstellt, wo in weiterer Folge über den BF die Schubhaft verhängt wurde.

Auch am 19.09.2021 wurde ein Verfahren zur Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen eingeleitet, welches dem BF mittels Parteiengehör zur Kenntnis gebracht wurde.

Es liegt im Akt keine Stellungnahme zur Verständigung beim BFA ein.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 06.10.2021 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gem. § 61 Abs. 1 Z 2 FPG gegen diesen die Anordnung der Außerlandesbringung angeordnet. Demzufolge sei gem. § 61 Abs. 2 FPG dessen Abschiebung nach Deutschland zulässig.

Es war im Bescheid ausgeführt worden, dass der BF die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitze, sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Es stehe fest, dass er nicht krank sei und am 29.04.2014 in der Schweiz und am 16.05.2014 in Deutschland je einen Asylantrag gestellt habe. Begründend wurde im angefochtenen Bescheid insbesondere festgehalten, dass aufgrund der Ablehnung der Schweizer Behörden im Rahmen des Konsultationsverfahrens von den österreichischen Behörden am 23.09.2021 ein Konsultationsverfahren mit dem laut Einschätzung der österreichischen Behörden offensichtlich für das Asylverfahren des BF zuständigen Mitgliedsstaat Deutschland eingeleitet worden sei. Das BFA hielt fest, dass die deutschen Asylbehörden der Übernahme des BF zwecks Führung des Asylverfahrens am 05.10.2021 zugestimmt hätten. Fest stehe, dass der BF in Österreich weder beruflich noch sozial verankert sei. Auch stehe fest, dass der BF abgesehen von seiner Meldeadresse in einem österreichischen PAZ im österreichischen Bundesgebiet nie amtlich gemeldet gewesen sei und sich nie legal, für längere Zeit, in Österreich aufgehalten habe. Auch würden keine Familienangehörigen in Österreich leben.

3. Es langte eine Vertreterbekanntgabe beim BFA, datiert mit 12.10.2021 ein und es wurde insbesondere vorgebracht, dass die Aufhebung der Haft, da sich der BF in Schubhaft befinde, beantragt werde und die Rücküberstellung nach Italien möglich sei, da laut Information an die Kanzlei des ausgewiesenen Vertreters der BF und ein anderer Beschwerdeführer in Italien berufstätig sei sowie über einen aufrechten Aufenthaltstitel verfüge sowie zuletzt der Lebensmittelpunkt in Italien gewesen sei.

4. Gegen den Bescheid des Bundesamtes richtet sich die eingebrachte Beschwerde. Darin wurde die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt bzw. die Beschwerdestattgabe. Insbesondere wurde vorgebracht, dass sich das BFA zu Unrecht nicht näher mit dem konkreten Fall des BF auseinandergesetzt habe. Der BF lebe seit Jahren in Italien und habe vor seiner Einreise in Österreich in Italien gearbeitet. Dies sei vom BFA nicht berücksichtigt worden. Es wurde darauf verwiesen, dass der BF rechtsunkundig sei und gar nicht hätte wissen können, auf welche rechtlichen Umstände es bei der Beurteilung der Rechtsmäßigkeit einer Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet ankomme. Die Entscheidung des BFA sei auch ohne die Durchführung einer Einvernahme erlassen worden, dies stelle einen groben Verfahrensmangel dar und verletze den BF in seinen Rechten. Der BF sei lediglich dazu aufgefordert, eine Stellungnahme abzugeben. Im Rahmen einer Einvernahme hätte der rechtsunkundige BF daher angeleitet werden müssen, alle Angaben zu tätigen, welche für die Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes von Relevanz seien. Im Verfahren vor dem BFA sei der Grundsatz des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG verletzt worden. Das BFA sei daher seiner Ermittlungspflichten nicht gehörig nachgekommen, wodurch das BFA zu einem unrichtigen Ergebnis gelangt sei. Das BFA hätte die humanitäre Klausel des Art. 17 Dublin III-VO anwenden müssen und die Zuständigkeit Österreichs festzustellen müssen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist volljährig und ist ägyptischer Staatsangehöriger.

Der Beschwerdeführer (in der Folge auch BF), ein ägyptischer Staatsangehöriger, reiste von Italien kommend illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und beabsichtigte wiederum illegal nach Deutschland weiterzureisen.

Der BF hat sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten und keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Bei einer Identitätsfeststellung wurde festgestellt, dass der BF bereits am 29.04.2014 in der Schweiz und am 16.05.2014 in Deutschland jeweils einen Asylantrag gestellt hatte.

Am 19.09.2021 wurde ein Verfahren zur Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen eingeleitet, welches dem BF mittels Parteiengehör am 19.09.2021 zur Kenntnis gebracht wurde.

Es liegt im Akt keine Stellungnahme zur Verständigung beim BFA ein. Das BFA behauptet im nunmehr angefochtenen Bescheid, dass Deutschland für die Führung des Verfahrens des BF zuständig sei und Deutschland im Rahmen des Konsultationsverfahrens zugestimmt hätte, dazu liegen jedoch keine Unterlagen im Akt ein.

Von der ausgewiesenen Vertretung des BF wurde ausgeführt, dass laut Information an die Kanzlei des ausgewiesenen Vertreters die Überstellung des BF nach Italien erfolgen solle, weil der BF in Italien berufstätig sei sowie über einen aufrechten Aufenthaltstitel verfüge sowie zuletzt der Lebensmittelpunkt in Italien gewesen sei.

Es kann mangels hinreichender nachvollziehbarer Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes laut Akteninhalt nicht festgestellt werden, ob Deutschland der für das Verfahren des BF zuständige Mitgliedstaat ist. Es kann nicht festgestellt werden, ob der BF, der im gegenständlichen Verfahren nicht einvernommen wurde, in Hinblick auf seine persönliche Situation im Falle einer aktuellen Überstellung nach Deutschland Gefahr liefe, in seinen von der EMRK eingeräumten Rechten verletzt zu werden.

2.       Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBL I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und

Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. In Asylverfahren tritt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an die Stelle des Bundesasylamtes (vgl. § 75 Abs. 18 AsylG 2005 idF BGBGl. I 2013/144).

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:

„§ 61. (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1.dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder ….

(2)      Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3)      Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4)      Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.

(5)      Eine Beschwerde gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung ist binnen einer Woche einzubringen.“

§ 21 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:

„§ 21 (3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.“

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) lauten:

„Art. 3

Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1)      Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2)      Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3)      Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

Artikel 5

Persönliches Gespräch

(1)      Um das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zu erleichtern, führt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat ein persönliches Gespräch mit dem Antragsteller. Dieses Gespräch soll auch das richtige Verständnis der dem Antragsteller gemäß Artikel 4 bereitgestellten Informationen ermöglichen.

(2)      Auf das persönliche Gespräch darf verzichtet werden, wenn

a)       der Antragsteller flüchtig ist oder

b)       der Antragsteller, nachdem er die in Artikel 4 genannten Informationen erhalten hat, bereits die sachdienlichen Angaben gemacht hat, so dass der zuständige Mitgliedstaat auf andere Weise bestimmt werden kann. Der Mitgliedstaat, der auf das Gespräch verzichtet, gibt dem Antragsteller Gelegenheit, alle weiteren sachdienlichen Informationen vorzulegen, die für die ordnungsgemäße Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats von Bedeutung sind, bevor eine Entscheidung über die Überstellung des Antragstellers in den nach Artikel 26 Absatz 1 zuständigen Mitgliedstaat ergeht.

(3)      Das persönliche Gespräch wird zeitnah geführt, in jedem Fall aber, bevor über die Überstellung des Antragstellers in den zuständigen Mitgliedstaat gemäß Artikel 26 Absatz 1 entschieden wird.

(4)      Das persönliche Gespräch wird in einer Sprache geführt, die der Antragsteller versteht oder von der vernünftigerweise angenommen werden darf, dass er sie versteht und in der er sich verständigen kann. Die Mitgliedstaaten ziehen erforderlichenfalls einen Dolmetscher hinzu, der eine angemessene Verständigung zwischen dem Antragsteller und der das persönliche Gespräch führenden Person gewährleisten kann.

(5)      Das persönliche Gespräch erfolgt unter Bedingungen, die eine angemessene Vertraulichkeit gewährleisten. Es wird von einer dafür qualifizierten Person gemäß dem innerstaatlichen Recht durchgeführt.

(6)      Der Mitgliedstaat, der das persönliche Gespräch führt, erstellt eine schriftliche Zusammenfassung, die zumindest die wesentlichen Angaben des Antragstellers aus dem Gespräch enthält. Diese Zusammenfassung kann in Form eines Berichts oder eines Standardformulars erstellt werden. Der Mitgliedstaat gewährleistet, dass der Antragsteller und/oder der ihn vertretende Rechtsbeistand oder sonstiger Berater zeitnah Zugang zu der Zusammenfassung erhält.

Art. 7

Rangfolge der Kriterien

(1)      Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2)      Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3)      Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

Artikel 24

Wiederaufnahmegesuch, wenn im ersuchenden Mitgliedstaat kein neuer Antrag gestellt wurde

(1) Ist ein Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich eine Person im Sinne des Artikels 18 Absatz 1 Buchstaben b, c oder d ohne Aufenthaltstitel aufhält und bei dem kein neuer Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, der Auffassung, dass ein anderer Mitgliedstaat gemäß Artikel 20 Absatz 5 und Artikel 18 Absatz 1 Buchstaben b, c oder d zuständig ist, so kann er den anderen Mitgliedstaat ersuchen, die Person wieder aufzunehmen.“

Im gegenständlichen Fall wurde dem BVwG der bezughabende Verwaltungsakt durch das BFA durchnummeriert und offenbar unvollständig vorgelegt.

Gemäß Art. 5 Dublin III-VO ist die Behörde verpflichtet, ein persönliches Gespräch mit dem BF zuführen. Dies gilt auch für Personen, die keinen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet gestellt haben, da letztlich der ersuchte Mitgliedstaat unter anderem aufgrund dieser Angaben seine Zuständigkeit prüfen kann.

Auf das persönliche Gespräch darf nur verzichtet werden, wenn die betreffende Person flüchtig ist oder, nachdem sie die in Art. 4 Dublin III-VO genannten Informationen erhalten hat, bereits die erforderlichen sachdienlichen Angaben gemacht hat, so dass der zuständige Mitgliedstaat auf andere Weise bestimmt werden kann. Der Mitgliedstaat, der auf das Gespräch verzichtet, gibt der betroffenen Person Gelegenheit, alle weiteren sachdienlichen Informationen vorzulegen, die für die ordnungsgemäße Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats von Bedeutung sind, bevor eine Entscheidung über die Überstellung des Antragstellers in den nach Art. 26 Abs. 1 Dublin III-VO zuständigen Mitgliedstaat ergeht.

Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass die persönliche Einvernahme weder im Ermessen der Behörde liegt, noch von einem „Ersuchen um persönliche Vorsprache“ abhängig ist.

Aus dem vorgelegten Akt ist nicht ersichtlich, dass der BF im Rahmen einer niederschriftlichen Befragung im gegenständlichen Verfahren einvernommen wurde und ob der entscheidungswesentliche Sachverhalt hinreichend festgestellt wurde.

Im Akt liegt kein Konsultationsverfahren ein und ist einzig eine mit 19.09.2021 datierte Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme, darin wurde festgehalten, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung bzw die Anordnung zur Außerlandesbringung beabsichtigt sei. Darin wurde insbesondere ausgeführt, dass der BF offenbar nicht rechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet eingereist sei bzw. sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Der BF wurde ersucht, zahlreiche Fragen zu beantworten, für die Beantwortung der Fragen und für eine etwaige Stellungnahme wurden dem BF sieben Tage eingeräumt. Es liegt im Akt keine Stellungnahme zu dieser Verständigung beim BFA ein.

Nachdem keine Stellungnahme auf die vorzitierte - lediglich in deutscher Sprache verfasste und im Akt einliegende - Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme einlangte, erließ das BFA den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 06.10.2021, mit welchem dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wurde und gem. § 61 Abs. 1 Z 2 FPG gegen diesen die Anordnung der Außerlandesbringung angeordnet wurde. Demzufolge sei gem. § 61 Abs. 2 FPG dessen Abschiebung nach Deutschland zulässig.

Aus dem angefochtenen Bescheid ergibt sich aus dem Spruch und aus der Beweiswürdigung, dass das BFA beabsichtigt, den BF nach Deutschland abzuschieben. Eine rechtliche Beurteilung und Nachprüfung durch die erkennende Richterin ist jedoch mangels entsprechender Ausführungen und Unterlagen im Akt (insbesondere zum Konsultationsverfahren) nicht möglich.

Es langte nach Erlassung des Bescheides eine Vertreterbekanntgabe beim BFA, datiert mit 12.10.2021, ein und es wurde insbesondere vorgebracht, dass die Rücküberstellung des BF nach Italien möglich sei, da laut Information an die Kanzlei des ausgewiesenen Vertreters der BF und ein anderer Beschwerdeführer in Italien berufstätig sei sowie über einen aufrechten Aufenthaltstitel verfüge sowie zuletzt der Lebensmittelpunkt in Italien gewesen sei. In der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde wurde insbesondere ausgeführt, dass sich das BFA zu Unrecht nicht näher mit dem konkreten Fall des BF auseinandergesetzt habe. Der BF lebe seit Jahren in Italien und habe vor seiner Einreise in Österreich in Italien gearbeitet. Dies sei vom BFA nicht berücksichtigt worden. Es wurde darauf verwiesen, dass der BF rechtsunkundig sei und gar nicht hätte wissen können, auf welche rechtlichen Umstände es bei der Beurteilung der Rechtsmäßigkeit einer Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet ankomme. Die Entscheidung des BFA sei auch ohne die Durchführung einer Einvernahme erlassen worden, dies stelle einen groben Verfahrensmangel dar und verletze den BF in seinen Rechten. Der BF sei lediglich dazu aufgefordert, eine Stellungnahme abzugeben. Im Rahmen einer Einvernahme hätte der rechtsunkundige BF daher angeleitet werden müssen, alle Angaben zu tätigen, welche für die Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes von Relevanz seien. Im Verfahren vor dem BFA sei der Grundsatz des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG verletzt worden.

Somit ist aus den dem BVwG vorliegenden Unterlagen weder ein hinreichend sorgfältig geführtes Ermittlungsverfahren der belangten Behörde, noch eine nachweisliche Kontaktaufnahme mit Deutschland oder mit Italien zu entnehmen.

Insgesamt hat die Behörde im gegenständlichen Verfahren somit weder ein aktenkundiges und überprüfbares Beweisverfahren geführt, noch zu irgendeinem Zeitpunkt des Verfahrens hinreichendes Parteiengehör gewährt. Die ausgewiesene Vertretung hat in der Vertreterbekanntgabe nach Bescheiderlassung und in der Beschwerde behauptet, dass bei weiteren Ermittlungen Italien als für das Verfahren des BF zuständiger Mitgliedstaat festgestellt worden wäre, diese Behauptung ist im fortgesetzten Verfahren durch das BFA hinreichend zu überprüfen.

Dies wird unter Einhaltung der Mindestvoraussetzungen eines rechtsstaatlichen Verfahrens nunmehr durchzuführen sein. Danach wird gegebenenfalls der vollständige, chronologisch geordnete Akt dem BVwG erneut zur Beurteilung vorzulegen sein.

Es ist nicht Sinn und Zweck eines beschleunigten Verfahrens, durch die hier gewählte Vorgehensweise das BVwG dazu zu verhalten, selbst umfangreiche Ermittlungen nicht nur zum Verfahrensgang, sondern zum gesamten entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu führen und die daraus erzielten Ermittlungsergebnisse den Parteien zur Wahrung des Parteiengehörs (erstmals) zur Stellungnahme vorzulegen.

Wie dargelegt wurde im gegenständlichen Fall der entscheidungsrelevante Sachverhalt trotz bestehenden Möglichkeiten nicht ausreichend ermittelt und festgestellt, weshalb gemäß
§ 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG zwingend vorzugehen war.

Eine mündliche Verhandlung konnte gem. § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG idgF unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 Satz 1 B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wurde.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Die Entscheidung liegt in der Bewertung der Asyl- und Aufnahmesituation im Mitgliedsstaat, welche bereits durch umfassende und im Detail bzw. in der fachlichen Substanz unwidersprochen gebliebene Feststellungen festgehalten wurde und demgemäß in einer Tatbestandsfrage.

Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht sowohl auf umfangreiche Judikatur des EGMR sowie auf eine ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten der angefochtenen Bescheide wiedergegeben.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Voraussetzungen Zulassungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W240.2247646.1.00

Im RIS seit

12.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

12.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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