TE Bvwg Beschluss 2021/12/14 W150 2248267-1

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Veröffentlicht am 14.12.2021
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Entscheidungsdatum

14.12.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §76
VwG-AufwErsV §1 Z5
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §9 Abs1

Spruch


W150 2248267-1/15E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. KLEIN als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX , geb. XXXX 1996, StA. Indien, vertreten durch RA Prof. Mag. Dr. Vera M. WELD, wegen unrechtmäßiger Schubhaftnahme zu Recht beschlossen:

A)

I. Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

II. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF abgewiesen.

III. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF iVm § 1 Z 5 VwG-AufwErsV idgF, hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden auch: „BF“) stellte am 08.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.03.2018, Zl. XXXX , wurde der Antrag des Genannten auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem BF wurden gemäß §§ 57, 55 AsylG Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, demzufolge dem Vorbringen des Genannten zu seinen Fluchtgründen kein Glauben geschenkt werde. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien. Die Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der Genannte bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

3. Die dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.03.2019, Zl. W169 2190978-1/2E, gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

Argumentativ wurde die Entscheidung mit der detailliert dargestellten Widersprüchlichkeit, Oberflächlichkeit und mangelnden Nachvollziehbarkeit des präsentierten Fluchtvorbringens begründet.

4. In weiterer Folge ignorierte der BF die ihm gesetzte Frist der seit 07.03.2019 bestehenden durchsetzbaren wie auch rechtskräftigen Rückkehrentscheidung und verblieb auch über den 21.03.2019 hinaus weiterhin illegal im Bundesgebiet.

5. Wenngleich die belangte Behörde - aufgrund der seitens des Beschwerdeführers ursprünglich behaupteten irrtümlichen Entsorgung seiner Reisedokumente bereits vor seiner Asylantragstellung - bei der indischen Botschaft am 22.05.2019 ein entsprechendes Heimreisezertifikat beantragt und seither zehnmal (!) erfolglos urgiert hat (zuletzt am 08.11.2021), ignorierte selbige Auslandvertretung bislang sämtliche diesbezügliche Eingaben.

6. Parallel dazu stellte der Genannte am 29.07.2021 über seine gewillkürte Vertretung auf elektronischem Weg einen Antrag auf Ausstellung eines „Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“ gemäß § 56 Abs. 1 AsylG 2005, ohne dies näher zu begründen.

7. Als Reaktion auf den daraufhin behördlich erteilten Verbesserungsauftrag übermittelte der BF – abermals über seine rechtsfreundliche Vertretung – zunächst am 05.10.2021 eine Antragsbegründung, um dann schließlich am 22.10.2021 selbst persönlich vor der Erstinstanz vorstellig zu werden, um diverse Unterlagen im Original vorzulegen. Unter den nunmehr präsentierten Dokumenten befand sich unter anderem auch der angeblich bereits Jahre zuvor auf dem Weg nach Österreich versehentlich entsorgte indische Reisepass des Genannten, welcher am 20.07.2012 offiziell ausgestellt worden war und eine Gültigkeit bis zum 19.07.2022 aufweist.

8. Nach Überprüfung der Voraussetzungen in Bezug auf die Zulässigkeit der Abschiebung unter Berücksichtigung des Schutzumfangs des Art. 8 EMRK wurde seitens des Bundesamtes am 05.11.2021 im Rahmen eines Aktenvermerks das Nichtvorliegen potentieller Abschiebungshindernisse hinsichtlich des Beschwerdeführers festgestellt sowie die beabsichtigte Abweisung des Antrags auf humanitäres Bleiberecht als gegenstandslos.

9. Darauf basierend wurde am 09.11.2021 von der belangten Behörde ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG gegen den BF erlassen.

10. In weiterer Folge wurde der Genannte am 14.11.2021 um 08:50 Uhr an seiner Wohnadresse betreten und gemäß § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG festgenommen. Unter einem wurde dem Beschwerdeführer die bevorstehende Abschiebung am 16.11.2021 mitgeteilt.

11. Mit Schriftsatz vom 15.11.2021, einlangend beim Bundesverwaltungsgericht um 12:49 Uhr, erhob der BF über seine rechtsfreundliche Vertretung Beschwerde wegen unrechtmäßiger Schubhaftnahme. Begründend wurde ausgeführt, wonach der BF zu Unrecht in Schubhaft genommen und angehalten worden wäre. Aus dem Verhalten des Beschwerdeführers ließe sich keine erhebliche Fluchtgefahr ableiten. Auch habe zum Zeitpunkt der Fest- respektive Schubhaftnahme keinerlei „Gefahr in Verzug“ bestanden. Vielmehr hätten sich die einschreitenden Exekutivbeamten mit vorgehaltener Waffe unrechtmäßig Zutritt in die Wohnung des Genannten verschafft. Des Weiteren sei dem BF keinerlei Möglichkeit zur Äußerung in Bezug auf seine geplante Abschiebung eingeräumt worden, wodurch dessen Recht auf Parteiengehör verletzt worden wäre. Nicht einmal eine Aufklärung hinsichtlich der Existenz einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung habe stattgefunden. Stattdessen hätte die Erstinstanz den Beschwerdeführer „hinters Licht geführt“ (sic!), indem man diesen fälschlicherweise in Sicherheit gewogen und dessen Reisepass zu Unrecht sichergestellt habe. Außerdem hätte der BF am 29.07.2021 humanitäres Bleiberecht beantragt; das Verfahren sei noch immer offen. Die belangte Behörde habe die gebotene Verhältnismäßigkeitsprüfung vor der Schubhaftnahme unterlassen und nicht ersatzweise ein gelinderes Mittel verhängt. Generell müsse die Verfassungsmäßigkeit faktischer Amtshandlungen im Zusammenhang mit Schubhaftnahmen bezweifelt werden. Schließlich erweise sich die geplante Abschiebung des Genannten angesichts dessen – nicht näher dargelegtes - Familienleben in Österreich vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK ebenfalls als rechtswidrig. Der BF beantragte daher sowohl eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, als auch die Schubhaftnahme und fortgesetzte Anhaltung in Schubhaft sowie dessen Abschiebung für rechtswidrig zu erklären, die bekämpfte Amtshandlung zu beheben, in eventu die ordentliche Revision zuzulassen, den Beschwerdeführer sofort in Freiheit zu setzen, den Ersatz der Verfahrenskosten durch die belangte Behörde sowie die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

12. Am 16.11.2021 erfolgte schließlich am Luftweg die unbegleitete Abschiebung des BF nach Indien.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang wird als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt. Er ist aus der Aktenlage vollständig belegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde, dem Gerichtsakt zur oben angeführten GZ des BVwG sowie durch Einsicht in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

Die Identität des BF ergibt sich aus dessen Reisepass.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.


Zu Spruchteil A)

Zu I.

Die vorliegende Beschwerde vom 15.11.2021 richtet sich eindeutig im Wortlaut und inhaltlich gegen die „Schubhaftnahme und weitere Anhaltung in Schubhaft“.

Zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung wurde der BF weder in Schubhaft angehalten noch lag eine mit Mandatsbescheid erlassene Anordnung einer Schubhaft vor. Vielmehr wurde dieser am 14.11.2021 in Verwaltungsverwahrungshaft genommen, in welcher er bis zu seiner zwei Tage später, konkret am 16.11.2021, erfolgten Abschiebung in sein Herkunftsland verblieb.

Der Beschwerdeführer befand sich daher weder zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung über seine gewillkürte Rechtsvertretung noch zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt jemals in Schubhaft.

Auch wenn die Beschwerde die gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG erforderliche Bezeichnung des angefochtenen Bescheides nicht enthält, war ein Mängelbehebungsauftrag nicht erforderlich, weil von vorherein klar war, dass der BF die Bezeichnung des Bescheides mangels Existenz nicht nennen konnte und ein entsprechender Auftrag als aussichtslos feststand (VwGH 14.11.1989, 89/05/0076).

Die anwaltlich verfasste Beschwerde enthält explizit kein Vorbringen zur Anhaltung in Verwaltungsverwahrungshaft; weder wurden der Zeitraum noch sonstige Gründe, die gegen diese Form der Haft sprechen könnten, genannt, sodass kein Versehen des rechtsfreundlich vertretenen BF angenommen werden kann. Auch diesbezüglich konnte ein Mängelbehebungsauftrag entfallen. Ein solcher kann nicht dazu dienen, einen verfehlten Beschwerdeantrag zu korrigieren (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/03/0037). Die Beschwerde lässt eindeutig erkennen, was der BF anstrebt und womit er seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt. Das Rechtsmittel war dezidiert gegen eine Schubhaftnahme gerichtet, die jedoch weder vor noch zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung oder zu einem späteren Zeitpunkt bis zu seiner erfolgten Abschiebung am 16.11.2021 vorlag. Eine Beschwerde quasi auf „Vorrat“ um allfällige künftige Behördenschritte im Vorfeld frühzeitig abdecken zu können, kennt die Rechtsordnung nicht.

Zu II.

Da seitens des BF keine rechtswirksame Beschwerde eingebracht worden ist, war auch der Antrag auf Kostenersatz zurückzuweisen.

Zu III.

Da die Beschwerde zurückgewiesen wurde, ist gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG die Behörde die obsiegende und der BF die unterlegene Partei. Dem BF gebührt daher kein Kostenersatz. Der belangten Behörde gebührt als obsiegender Partei Kostenersatz.

Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird in § 1 VwG-AufwErsV festgesetzt. Es war der Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei (€ 57,40.-) und der Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei (€ 368,80.-) gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z 3 und Z 4 VwG-AufwErsV zuzusprechen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnten - wie auch sämtliche andere im anwaltlich formulierten Rechtsmittelschriftsatz des BF - entfallen, da die Beschwerde in ihrer Gesamtheit zurückzuweisen war.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu allen Spruchpunkten zu entnehmen ist, warf der gegenständliche Fall vor dem Hintergrund der bestehenden Judikatur der Gerichte des öffentlichen Rechts keine Auslegungsprobleme der anzuwendenden Normen auf, schon gar nicht waren Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen.

Die Revision war daher in Bezug auf sämtliche Spruchpunkte nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Beschwerdegegenstand Festnahme Festnahmeauftrag Kostenersatz Schubhaftbeschwerde Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W150.2248267.1.00

Im RIS seit

07.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

07.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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