TE Vwgh Beschluss 2021/12/15 Ra 2021/10/0133

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Veröffentlicht am 15.12.2021
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Index

L92054 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Oberösterreich
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
B-VG Art133 Abs9
SHG OÖ 1998 §9 Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Tscheließnig, über die Revision der H F in L, vertreten durch Dr. Thomas J.A. Langer, LL.M., Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 84, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 22. Juni 2021, Zl. LVwG-350649/5/GS/PP, betreffend Abweisung eines Wiederaufnahmeantrages i.A. der Sozialhilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Linz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1.1. Mit Erkenntnis vom 16. April 2019 gewährte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich der Revisionswerberin - im Beschwerdeverfahren - soziale Hilfe in stationären Einrichtungen im Sinn (der §§ 15, 17) des Oö. Sozialhilfegesetzes 1998 - Oö. SHG 1998 ab dem 21. November 2018, wobei es die Revisionswerberin zum Einsatz der eigenen Einkünfte abzüglich der in § 5 Abs. 2 Oö. Sozialhilfeverordnung 1998 vorgesehenen Freibeträge verpflichtete; die „Verpflegskosten“ (das Heimentgelt) würden nur insoweit übernommen, als sie nicht durch Einsatz der eigenen Mittel, Ersatzleistung unterhaltspflichtiger Angehöriger, Beitragsleistungen Dritter und allfälliger Schadenersatzansprüche gedeckt seien.

2        Begründend führte das Verwaltungsgericht dazu (soweit für die vorliegende Revisionssache von Interesse) u.a. aus, das Einkommen der Revisionswerberin umfasse - neben einer Pension, Pflegegeld und Mieteinnahmen - auch einen dieser aufgrund eines Kaufvertrages samt Leibrentenvereinbarung mit J.W. seit 1. Oktober 2015 monatlich überwiesenen Betrag von € 1.500,--. Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin seien diese Zahlungen von dem weiten und umfassenden Einkommensbegriff des Oö. SHG 1998 umfasst, welcher deutlich über den (von der Revisionswerberin ins Treffen geführten) einkommenssteuerrechtlichen Einkommensbegriff hinausgehe (dazu Hinweis auf § 9 Oö. SHG 1998 sowie die Gesetzesmaterialien dazu); auch sei eine Leibrente nicht gemäß § 4 Abs. 2 Oö. Sozialhilfeverordnung 1998 vom sozialhilferechtlichen Einkommensbegriff ausgenommen.

3        Revision gegen dieses Erkenntnis wurde nicht erhoben.

4        1.2. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 22. Juni 2021 wies das Verwaltungsgericht einen auf § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG gestützten Antrag der Revisionswerberin auf Wiederaufnahme des mit dem erwähnten Erkenntnis abgeschlossenen Verfahrens ab, wobei es die Revision gegen seine Entscheidung nicht zuließ.

5        Dies begründete das Verwaltungsgericht im Kern damit, es hätte auch in Kenntnis der nunmehr von der Revisionswerberin vorgelegten Beweismittel (einer Zusatzvereinbarung, datierend vom 19. September 2017, zum ursprünglichen Kaufvertrag vom 18. November 2015, sowie eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens vom 28. April 2021) keine anders lautende Entscheidung als jene vom 16. April 2019 getroffen, sodass schon deshalb der Wiederaufnahmegrund des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG zu verneinen sei.

6        In diesem Zusammenhang führte das Verwaltungsgericht u.a. aus, nach der vorgelegten Zusatzvereinbarung handle es sich um einen Verzicht auf weitere Leibrentenzahlungen (erst) nach Vollendung des 90. Lebensjahres der Revisionswerberin (Hinweis auf Punkt II. der Zusatzvereinbarung), sodass die Revisionswerberin jedenfalls bis zum Februar 2021 (Vollendung des 90. Lebensjahres) monatlich € 1.500,-- erhalten habe. Im Übrigen sei die Revisionswerberin laut dem vorgelegten neurologisch-psychiatrischen Gutachten im September 2017 mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in der Lage gewesen, den Inhalt der Zusatzvereinbarung zum Kaufvertrag vom 18. November 2015 zu verstehen, ihren Willen danach zu bestimmen und darüber frei zu entscheiden.

7        2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       3.1. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (vgl. etwa VwGH 25.3.2020, Ra 2020/10/0015, mwN); ein - wie immer gearteter - Verweis auf die Revisionsgründe vermag daher die erforderliche gesonderte Darlegung der Zulässigkeit der Revision nicht zu ersetzen (vgl. etwa VwGH 7.9.2020, Ra 2020/01/0244, mwN).

11       Dies gilt auch für den eingangs der Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision gemachten Hinweis, die „vorliegenden Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung“ würden „im Folgenden kurz zusammengefasst und später in den Revisionsgründen erschöpfend ausgeführt“.

12       3.2. Soweit die Revisionswerberin im Weiteren mit Blick auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtes zu ihrer Geschäfts(un)fähigkeit und zur Qualifikation der erhaltenen Leibrente als Einkommen iSd Oö. SHG 1998 behauptet, der angefochtene Beschluss weiche „von der Rechtsprechung des VwGH“ ab, wird dem Erfordernis, konkret bezogen auf den Sachverhalt unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes darzutun, von welcher hg. Rechtsprechung das Verwaltungsgericht in welchen Punkten abgewichen sein soll, nicht entsprochen (vgl. dazu aus der Rechtsprechung etwa VwGH 26.5.2021, Ra 2018/16/0128, mwN; zu dem weiten, umfassenden Begriff des „Einkommens“ iSd Oö. SHG 1998, welcher über den Inhalt des Begriffes „Einkommen“ nach § 2 Abs. 2 Einkommenssteuergesetz 1988 hinaus geht, vgl. im Übrigen bereits VwGH 4.7.2005, 2004/10/0236 = VwSlg. 16.676 A).

13       3.3. Die Revisionswerberin bringt außerdem vor, es fehle hg. Rechtsprechung zu der „Rechtsfrage, ob ein Verzicht auf eine Leibrente nur ex nunc wirkt oder die Rentenvereinbarung entsprechend ex tunc abgeändert wurde“. Damit spricht die Revision erkennbar die im vorliegenden Fall durch das Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung der Zusatzvereinbarung vom 19. September 2017 an.

14       Das Verwaltungsgericht stützt sein Auslegungsergebnis, wonach diese Zusatzvereinbarung einen Verzicht auf weitere Leibrentenzahlungen (erst) nach Vollendung des 90. Lebensjahres der Revisionswerberin enthalte, auf Punkt II. dieser Vereinbarung.

15       Dieser lautet wie folgt:

„In Abänderung des unter Punkt I. näher bezeichneten Kaufvertrages [vom 18. November 2015] vereinbaren die Vertragsparteien die Befristung der Leibrentenvereinbarung mit jenem Zeitpunkt, in dem Frau [F.] das 90. Lebensjahr vollendet hat. Frau [F.] verzichtet daher auf weitere Leibrentenzahlungen nach Vollendung des 90. Lebensjahres und nimmt Herr [W.] diesen Verzicht rechtsverbindlich an.“

16       Angesichts dieser Klausel lässt die vom Verwaltungsgericht im konkreten Einzelfall getroffene Auslegung des Vertrages jedenfalls grobe Auslegungsfehler oder sonstige krasse Fehlbeurteilungen nicht erkennen, sodass auch insoweit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen wird (vgl. etwa VwGH 26.11.2015, Ro 2015/07/0040, mwN).

17       3.4. Die anschließende Bezugnahme der Revisionswerberin auf die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 letzter Halbsatz Oö. SHG 1998 lässt eine konkrete, auf den vorliegenden Sachverhalt bezogene Darlegung vermissen, welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof noch nicht beantwortet habe (vgl. etwa VwGH 17.6.2021, Ra 2020/04/0113 bis 0120, mwN).

18       3.5. Schließlich bringen die Zulässigkeitsausführungen eine Verletzung näher genannter „tragender Grundsätze des Verfahrensrechtes“ durch den angefochtenen Beschluss vor, ohne allerdings die Relevanz der derart behaupteten Verfahrensmängel für den Verfahrensausgang durch ein konkretes tatsächliches Vorbringen aufzuzeigen (vgl. etwa VwGH 2.9.2020, Ra 2016/08/0006, mwN).

19       4. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

20       Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 15. Dezember 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021100133.L00

Im RIS seit

07.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

10.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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