TE Lvwg Erkenntnis 2021/11/30 LVwG-2021/14/2872-3

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Veröffentlicht am 30.11.2021
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Entscheidungsdatum

30.11.2021

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §13 Abs5

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Priv.-Doz. Dr. Heißl, E.MA, über die Beschwerde von AA, vertreten durch BB, Rechtsanwalt in **** Z, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Z (belangte Behörde) vom 4.10.2021, ***, betreffend die Zurückweisung des Einspruchs gegen eine Strafverfügung wegen Verspätung,

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang

Mit Strafverfügung vom 6.9.2021 warf die belangte Behörde dem Beschwerdeführer eine näher bezeichnete Übertretung des COVID-19-Maßnahmengesetzes vor und verhängte eine Strafe von € 600 (Ersatzfreiheitstrafe 17 Stunden).

Den dagegen erhobenen Einspruch wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid als verspätet zurück. Die Strafverfügung sei – zusammengefasst – dem Beschwerdeführer am Freitag, 17.9.2021, durch Hinterlegung zugestellt worden. Der am letzten Tag der zweiwöchigen Frist (Freitag, 1.10.2021) um 12:08 Uhr eingebrachte Einspruch sei verspätet, da die Amtsstunden nur bis 12:00 Uhr gehen würden.

In der dagegen erhobenen Beschwerde brachte der nunmehr anwaltlich vertretene Beschwerdeführer – wiederum zusammengefasst – vor, ihm sei eine Empfangsbestätigung geschickt worden, weshalb er davon ausgegangen sei, es sei rechtzeitig. Abschließend beantragte er der Beschwerde Folge zu geben, den Bescheid aufzuheben und der Beschwerde die Fortführung des gesetzlichen Verfahrens über den Einspruch des Beschwerdeführers aufzutragen in eventu Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist zu bewilligen.

Mit Schreiben vom 10.11.2021 hielt das Landesverwaltungsgericht Tirol dem Beschwerdeführer unter Hinweis auf einschlägige Judikatur die Verspätung des Einspruchs nach vorläufiger Rechtsansicht vor und räumte diesem die Möglichkeit einer Stellungnahme ein, um näher bezeichnete Fragen zur allfälligen Mangelhaftigkeit der Zustellung der Strafverfügung zu beantworten.

Der Beschwerdeführer machte mit E-Mail vom 23.11.2021 von dieser Möglichkeit Gebrauch und wendete darin die Rechtzeitigkeit des Einspruchs ein.

II.      Sachverhalt

Mit der Strafverfügung vom 6.9.2021 warf die belangte Behörde dem Beschwerdeführer eine näher bezeichnete Übertretung des COVID-19-Maßnahmengesetzes vor. In der Rechtsmittelbelehrung dieser Strafverfügung heißt es unter anderem wörtlich:

„Sie haben das Recht, gegen diese Strafverfügung Einspruch zu erheben.

Der Einspruch ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Strafverfügung schriftlich oder mündlich (nicht telefonisch) bei uns einzubringen. Wenn für die schriftliche Einbringung auch technische Übertragungsmöglichkeiten (Telefax, Email, o.ä.) zur Verfügung stehen, ist das als Ergänzung zu unserer Anschrift angegeben. Achtung: Die Einbringung auf einem solchen Weg außerhalb der Amtsstunden bleibt bis zu deren Wiederbeginn unwirksam (Gefahr der Fristversäumnis). Bitte beachten sie, dass der Absender die mit jeder Übermittlungsart verbundenen Risiken (zB Übertragungsfehler, Verlust des Schriftstückes) trägt.

Diese Strafverfügung wurde dem Beschwerdeführer an seiner Wohnadresse „Adresse 1, **** Z“ durch Hinterlegung am Freitag, 17.9.2021, zugestellt.

Mit E-Mail am Freitag, 1.10.2021, um 12:08 Uhr erhob der Beschwerdeführer Einspruch gegen die Strafverfügung.

III.     Beweiswürdigung

Die Wohnadresse des Beschwerdeführers ist unstrittig, die Zustellung der Strafverfügung durch den Zustellnachweis ausgewiesen. Das E-Mail vom 1.10.2021, 12:08 Uhr, legte die belangte Behörde gemeinsam mit den Verwaltungsakten vor.

IV.      Rechtslage

Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG, BGBl 1991/52 idF I 2018/57)

§ 49 (1) Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

Zustellgesetz (ZustG, BGBl 1982/200 idF I 2017/40)

§ 17 Hinterlegung

(1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.

Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG, BGBl 1991/51 idF I 2018/57)

§ 13 Anbringen

(2) Schriftliche Anbringen können der Behörde in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden, mit E-Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind. Etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs zwischen der Behörde und den Beteiligten sind im Internet bekanntzumachen.

(5) Die Behörde ist nur während der Amtsstunden verpflichtet, schriftliche Anbringen entgegenzunehmen oder Empfangsgeräte empfangsbereit zu halten, und, außer bei Gefahr im Verzug, nur während der für den Parteienverkehr bestimmten Zeit verpflichtet, mündliche oder telefonische Anbringen entgegenzunehmen. Die Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit sind im Internet und an der Amtstafel bekanntzumachen.

Fristen

§ 32 (2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

Auf der Homepage der Stadt Z unter ***https://www.innsbruck.gv.at/verwaltung/ amtsstunden-parteienverkehr findet sich folgende Bekanntmachung:

Mit Verfügung des Bürgermeisters der Stadt Z vom 24.1.2019 wurden die Amtsstunden des CC der Stadt Z nach § 24 Abs. 1 MGO mit sofortiger Wirkung wie folgt festgesetzt:

Tag            Vormittag  Nachmittag   

Mo-Do      08.00-12.00  13.00-16.00

Fr              08.00-12.00  geschlossen

Weiters findet sich auf der gleichen Seite der Homepage folgender „Hinweis im Sinne des § 13 AVG für elektronische Anbringen“:

Die Empfangsgeräte der bei der Stadt Z eingerichteten Behörden und Dienststellen für elektronische Anbringen in Form von Telefax, E-Mail und Online-Formular werden außerhalb der Amtsstunden nicht betreut. Ihr Anbringen gilt erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden als eingebracht und eingelangt, auch wenn es bereits vorher in den elektronischen Verfügungsbereich der Stadt Z gelangt ist.

Auf der ? auch im Internet einsehbaren ? Amtstafel ist zudem folgende Verfügung des CC der Stadt Z vom 21.6.2018 bekannt gemacht:

BEKANNTMACHUNG
nach §§ 13 und 42 Abs. 1a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG
und § 86b Bundesabgabenordnung - BAO

I. Rechtswirksame Einbringung

Für die rechtswirksame Einbringung von schriftlichen Anbringen (§ 13 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, § 86b Bundesabgabenordnung - BAO) und von schriftlichen Mitteilungen an alle bei der Stadt Z eingerichteten Behörden und Dienststellen stehen Ihnen folgende Adressen zur Verfügung:

Einbringung über:

Post:                                    Stadt Z

                                          Adresse 2

                                          **** Z

Persönliche Abgabe bei:              Adresse 3

                                          ***

Telefax:                                 +***

E-Mail (Sie erhalten eine

Eingangsbestätigung):                 ***mailto:post@innsbruck.qv.at 

Online Formular (Sie erhalten

Eine Eingangsbestätigung):           www.***

Hinweis im Sinne des § 13 AVG für elektronische Anbrinqen:

Die Empfangsgeräte der bei der Stadt Z eingerichteten Behörden und Dienststellen für elektronische Anbringen in Form von Telefax, E-Mail und Online-Formularwerden außerhalb der Amtsstunden nicht betreut. Ihr Anbringen gilt erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden als eingebracht und eingelangt, auch wenn es bereits vorher in den elektronischen Verfügungsbereich der Stadt Z gelangt ist.

Die Weiterleitung von an die persönliche E-Mail-Adresse einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters der Stadt übermittelten Anbringen ist - insbesondere im Fall der Abwesenheit der betreffenden Person - nicht sichergestellt.

II. Technische Voraussetzungen

Sofern E-Mails oder das Online-Formular Anlagen enthalten, müssen diese eines der folgenden Formate aufweisen:

Art                  Bezeichnung                                        Suffix

Text                 ASCI (ISO 8859-1), UTF-8                       *.TXT,*.TEX, *.XML, *.XSL, *.CSV

Dokument            Portable Document Format                       *.PDF

                     Rich Text Format                                 *.RTF

                     MS Office Word                                    *.DOC, *.DOCX

                     MS Office Excel                                  *.XLS, *.XLSX

                     MS Office PowerPoint                            *.PPT, *.PPTX

                     Nachrichtenformat                                *.MSC

                     PostScript                                         *.PC, *.PS

Grafik              Graphics Interchange Format                    *.GIF

                     JPEG File Interchange Format                  *.JPG, *.JPE, *.JPEG

                     Picture exchange                                 *.PCX

                     Windows Bitmap                                    *. BMP

                     Tagged Image File Format                       *.TIF, *.TIFF

                     Portable Network Graphics                      *.PNG

                     AutoCAD Drawing                                  *.DWG

                     Drawing Interchange Format                     *.DXF

Web-Formate        Hypertext Markup Language                      *.HTML, *HTM

                     Extensible Hypertext Markup Language         *.XHTML

                     Extensible Markup Language                     *.XML

                     Cascading Style Sheets                          *.CSS

Zertifikate        DER.CER *.DER,                                    *.CER

                     Certificate Revocation List                    *.CRL

                     Privacy Enhanced Mail                           *.PEM

Komprimierung     ZIP                                                 *.ZIP

                     Roshal Archive                                    *.RAR

                     GNU zip                                            *.GZIP

                     7ZIP                                                *.7Z

Sonstiges          Windows Backup File                             *.BKF

                     ISO-Abbild                                         *.ISO

Richtlinien für den eingehenden E-Mail Verkehr

Alle E-Mails, die nicht den Formatvorgaben entsprechen, werden nicht zugestellt. Es erfolgt eine automatisch generierte Information an die/den Absenderin mit dem Hinweis, dass die E-Mail nicht zugestellt werden konnte. Senden Sie in diesem Fall die E-Mail mit einem gültigen Dateiformat erneut ab.

E-Mails, welche inklusive Anhang eine Größe von 15 MB überschreiten, werden nicht angenommen.

Eingehende E-Mails, welche die maximale Anzahl von 50 Empfängerinnen überschreiten, werden nicht zugestellt:

Verschlüsselte E-Mails werden aus Sicherheitsgründen nicht angenommen (betrifft auch alle verschlüsselten oder mit Passwortschutz versehenen Dateianhänge oder Teilkomponenten).

E-Mails, welche vom Antivirensystem der Stadt als virenverseucht erkannt werden, werden nicht angenommen beziehungsweise umgehend gelöscht. Es erfolgt keine Notifikation der Absenderin oder des Absenders.

Zur SPAM Abwehr wird ein mehrstufiges Prüfsystem angewendet. Dabei muss jedes ankommende E-Mail verschiedene moderne und automatisierte Prüfverfahren (wie „ReputationsCheck“, Real-time IP Blocklist, Spoof Detection, SPF, DMARC, DKIM, Greylisting und Junk Email-Erkennung) durchschreiten. Erst wenn alle Prüfergebnisse neutral sind, wird das E-Mail an das weiteren Sicherheitsprüfverfahren (wie Virusscan, nicht erlaubte Anhänge, Scripterkennung, Größenbeschränkung, usw. ...) weitergeleitet und zugestellt beziehungsweise blockiert.

Verwenden Sie bei der Kommunikation mit den Dienststellen der Stadt Z nach Möglichkeit organisationsbezogene E-Mail-Adressen wie sie zum Beispiel auf der Homepage (http:/www.***) veröffentlicht oder auf E-Mail-Signaturen zu finden sind. Damit ist sichergestellt, dass unabhängig von der Verfügbarkeit einer bestimmten Sachbearbeiterin beziehungsweise eines bestimmten Sachbearbeiters Ihr Anliegen bearbeitet wird.

III. Amtsstunden und Parteienverkehrszeiten

a) Amtsstunden:

Tag                                Vormittag                               Nachmittag

Montag - Donnerstag            08.00-12.00                             13.00-16.00

Freitag                           08.00- 12.00

b) Parteienverkehrszeiten:

Die jeweiligen Parteienverkehrszeiten können den Anschlägen in den Dienststellen der Ämter entnommen werden.

IV. Zulässigkeit der Kundmachung von mündlichen Verhandlungen im Internet

Nach § 42 Abs. 1 lit. a AVG können Kundmachung mündlicher Verhandlungen im Internet erfolgen und sind diese unter www.***Amtstafel abrufbar.

Hinweis: In behördlichen Verfahren stellt die Kundmachung einer mündlichen Verhandlung im Internet eine geeignete Kundmachungsform dar. Eine Person verliert ihre Stellung als Partei, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt (Präklusion gemäß § 42 Abs. 1 AVG).

V.       Erwägungen

A.       Verspätung des Einspruchs

Die Strafverfügung vom 6.9.2021 wurde mit Beginn der Abholfrist am Freitag, 17.9.2021, hinterlegt und somit an diesem Tag gemäß § 17 Abs 3 ZustellG zugestellt. Das Ende der in § 49 Abs 1 VStG normierten zweiwöchigen Einspruchsfrist ist somit gemäß § 32 Abs 2 AVG am Freitag, 1.10.2021. Der Beschwerdeführer brachte sein Rechtsmittel zwar am Freitag, 1.10.2021, bei der belangten Behörde ein, jedoch um 12:08 Uhr auf elektronischem Weg (E-Mail) und somit außerhalb der Amtsstunden.

Gemäß § 13 Abs 2 AVG war der Beschwerdeführer berechtigt, sein Rechtsmittel mit E-Mail einzubringen. Allerdings ist die Behörde gemäß § 13 Abs 5 AVG nur während der Amtsstunden verpflichtet, schriftliche Anbringen entgegenzunehmen oder Empfangsgeräte empfangsbereit zu halten und, außer bei Gefahr in Verzug, nur während der für den Parteienverkehr bestimmten Zeit verpflichtet, mündliche oder telefonische Anbringen entgegenzunehmen. Die Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit sind im Internet und an der Amtstafel bekanntzumachen.

Die AVG-Novelle BGBl I 2008/5 beseitigte die (im Jahr 1998 eingeführte) gesetzliche Fiktion betreffend die Rechtzeitigkeit bestimmter außerhalb der Amtsstunden einlangender Anbringen ersatzlos. Damit gilt ein Anbringen noch am selben Tag (und damit als rechtzeitig) eingebracht, wenn die Behörde auch außerhalb ihrer Amtsstunden Empfangsgeräte empfangsbereit hält und das Anbringen nach dem Ende der Amtsstunden (aber noch am letzten Tag einer allfälligen Frist) bei ihr einlangt. Entscheidend ist allerdings, ob die Behörde von der ihr nach § 13 Abs 2 zweiter Satz AVG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch macht und ihre mangelnde Bereitschaft zur Entgegennahme elektronischer Anbringen außerhalb der Amtsstunden mit der Wirkung beurkundet, dass sie auch dann, wenn sie bereits in ihren elektronischen Verfügungsbereich gelangt sind, erst zu einem späteren Zeitpunkt ? mit Wiederbeginn der Amtsstunden ? als eingebracht und eingelangt gelten (vgl VwGH 17.2.2021, Ro 2021/07/0003 mwN).

Im gegenständlichen Fall ist unstrittig, zum Zeitpunkt der Erlassung der Strafverfügung vom 6.9.2021 war gegenüber dem Beschwerdeführer die „Bekanntmachung nach §§ 13 und 42 Abs. 1a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und § 86b Bundesabgabenordnung – BAO“ – Verfügung des CC der Stadt Z vom 21.06.2018 – auf der Homepage der belangten Behörde bekanntgemacht. Darüber hinaus war auf dieser Homepage eine Bekanntmachung betreffend die Amtsstunden – Verfügung des Bürgermeisters der Stadt Z vom 24.1.2019 – einschließlich eines Hinweises „im Sinne des § 13 AVG für elektronische Anbringen“ veröffentlicht. Dieser Hinweis ist inhaltsgleich mit der Bekanntmachung des CC vom 21.6.2018 und lautet wie folgt: „Die Empfangsgeräte der bei der Stadt Z eingerichteten Behörden und Dienststellen für elektronische Anbringen in Form von Telefax, E-Mail und Online-Formular werden außerhalb der Amtsstunden nicht betreut. Ihr Anbringen gilt erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden als eingebracht und eingelangt, auch wenn es bereits vorher in den elektronischen Verfügungsbereich der Stadt Z gelangt ist.

Die Amtsstunden werden laut der Verfügung des CC der Stadt Z vom 21.6.2018 und der Verfügung des Bürgermeisters der Stadt Z vom 24.1.2019 übereinstimmend für den – im gegenständlichen Fall relevanten ? Freitag von 8:00 bis 12:00 Uhr festgelegt.

Im vorliegenden Fall liegt somit eine Kundmachung betreffend organisatorischer Beschränkungen im Sinn des § 13 Abs 2 Satz 2 AVG vor. Da die vorliegende Beschwerde am letzten Tag der Beschwerdefrist erst außerhalb der Amtsstunden eingebracht wurde, ist sie als verspätet anzusehen (vgl zu einer vergleichbaren Fallkonstellation VwGH 17.2.2021, Ro 2021/07/0003 mwN; LVwG Tirol 21.6.2021, LVwG-2021/14/1411).

§ 13 Abs 2 letzter Satz AVG idF BGBl I 2008/5 und § 13 Abs 5 AVG idF BGBl I 2011/100 waren bereits Gegenstand einer Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof. Dieser hatte betreffend die beiden zitierten Bestimmungen keine Bedenken (VfGH 3.3.2014, G 106/2013).

Auf diese Umstände wies auch die Rechtsmittelbelehrung in der Strafverfügung eindeutig hin. Deshalb kann auch die automatisch erstellte Empfangsbestätigung der belangten Behörde nichts daran ändern. Diese entfaltete keine normative Wirkung. Es handelt sich nicht um eine förmliche (schriftliche) Verlängerung einer Frist (VwGH 27.11.2012, 2012/10/0134).

Zusammengefasst übermittelte der Beschwerdeführer seinen Einspruch am letzten Tag der zweiwöchigen Frist (Freitag, 1.10.2021) um 12:08 Uhr und damit erst nach den ordnungsgemäß festgelegten Amtsstunden auf digitalem Weg (E-Mail). Der Einspruch gilt somit nach den ordnungsgemäß angeschlagenen und veröffentlichten Kundmachungen erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden als eingebracht und war somit verspätet.

Die belangte Behörde hat somit im angefochtenen Bescheid zu Recht den Einspruch als verspätet zurückgewiesen. Allerdings hat diese nunmehr den noch offenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erledigen.

B.       Entfall der mündlichen Verhandlung

In der Rechtsmittelbelehrung des gegenständlichen angefochtenen Bescheides vom 4.10.2021 heißt es ausdrücklich: „Sie haben das Recht, in der Beschwerde zu beantragen, dass eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt wird.

Der Beschwerdeführer beantragte weder in seiner Beschwerde noch in seiner Stellungnahme vom 23.11.2021 die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Vielmehr hielt ihm das Landesverwaltungsgericht Tirol die offensichtliche Verspätung des Einspruchs mit Schreiben vom 10.11.2021 vor. Ebenso stellte die belangte Behörde in dem an das Landesverwaltungsgericht Tirol gerichteten Vorlageschreiben keinen Antrag auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.

Die gegenständliche Beschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung eines Einspruches als verspätet und damit gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 44 Abs 3 Z 4 VwGVG konnte daher die öffentliche mündliche Verhandlung entfallen.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von € 240 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Hinweis:

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).

Landesverwaltungsgericht Tirol

Priv.-Doz. Dr. Heißl, E.MA

(Richter)

Schlagworte

Betretungsverbot;
Amtsstunden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.14.2872.3

Zuletzt aktualisiert am

03.01.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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