TE Vwgh Beschluss 2021/10/4 Ro 2021/05/0034

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Veröffentlicht am 04.10.2021
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
98/04 Wohnungsgemeinnützigkeit

Norm

VwGG §30 Abs2
VwGG §30 Abs3
WGG 1979 §10a

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der Wohnbauvereinigung G Gesellschaft m.b.H., vertreten durch die Jarolim Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Volksgartenstraße 3/2. OG, den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 1. Juli 2021, VGW-101/V/050/8692/2021/R-12, gemäß § 30 Abs. 2 iVm Abs. 3 VwGG dahingehend abzuändern, dass der gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 21. April 2021, VGW-101/050/9620/2020-61, VGW-101/V/050/9621/2020, VGW-101/V/050/9622/2020 und VGW-101/V/050/9623/2020, betreffend Zustimmung zum Erwerb von Anteilen gemäß § 10a WGG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung; mitbeteiligte Parteien: 1. L GmbH; 2. F GmbH; 3. T und 4. Ö Gemeinnützige Wohnungsaktiengesellschaft, alle vertreten durch die Pelzmann Gall Größ Rechtsanwälte GmbH in 1220 Wien, Wagramer Straße 19/33), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 3 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

1        Mit dem oben genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) vom 21. April 2021 gab dieses der Säumnisbeschwerde der erst- bis viertmitbeteiligten Parteien Folge und erteilte in seinem Spruchpunkt I. 2. gemäß § 10a Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (im Folgenden: WGG) näher genanntem Kauf- und Abtretungsvertrag aus dem Jahr 2019, mit welchem näher umschriebene Geschäftsanteile an der G. GmbH von den erst- bis drittmitbeteiligten Parteien an die viertmitbeteiligte Partei verkauft und abgetreten worden waren, unter Auflagen die Zustimmung.

2        Die revisionswerbende Partei ist eine gemeinnützige Bauvereinigung und steht zu 99,99% im Eigentum der G. GmbH.

3        Mit der erkennbar gegen Spruchpunkt I. 2. des oben genannten Erkenntnisses erhobenen Revision stellte die revisionswerbende Partei den Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Dazu brachte sie im Wesentlichen und zusammengefasst vor, hinsichtlich der Geschäftsanteile sei wissentlich ein Doppelverkauf vorgenommen worden. Die Genehmigung gemäß § 10a WGG löse die unverzügliche und uneingeschränkte Verfügungsfähigkeit der viertmitbeteiligten Partei über die Geschäftsanteile aus, ohne dass „im Lichte der anhängigen Verfahren“ endgültig geklärt sei, wer der tatsächliche rechtmäßige Eigentümer der Geschäftsanteile sei. Der Revisionsverband beanstande schon seit mehreren Jahren die unklaren Eigentumsverhältnisse an der revisionswerbenden Partei, was für diese „äußerst schädlich“ und insbesondere bei Kreditvergaben durch Banken „von großer Bedeutung“ sei. Die vom Revisionsverband reklamierten Gebarungsmängel und Warnhinweise würden sämtliche Finanzierungsgespräche erheblich erschweren. In Folge der Beanstandung durch den Revisionsverband habe auch das Amt der Wiener Landesregierung der revisionswerbenden Partei mit Schreiben vom 19. November 2020 aufgetragen, wirksame Maßnahmen zur Abstellung des Mangels der unklaren Gesellschafterstruktur ihrer Hauptgesellschafterin zu treffen.

Dieser Zustand und die damit verbundenen Nachteile würden perpetuiert, wenn der Anteilserwerb eines mittelbaren Hauptgesellschafters der revisionswerbenden Partei genehmigt würde, der diese „Gesellschafterstellung entweder gar nicht hat oder die Anteile sofort an die Erstkäufer herausgeben muss“. Es sei oberste Priorität den „richtigen“ Gesellschafter zu ermitteln, sodass dieser auch im Firmenbuch eingetragen werden könne. Ansonsten würde man Gefahr laufen, dass ein neuer Gesellschafter im Firmenbuch eingetragen werde, welcher womöglich nach Abschluss des Verfahrens doch nicht Eigentümer sei. Dies hätte „weitreichende Auswirkungen“ auf die revisionswerbende Partei, da diese am Markt weiterhin unter der Unsicherheit über die Zukunft des Unternehmens leiden würde. Dieser Umstand ziehe im Umkehrschluss aufgrund der Unsicherheit von Interessenten auch Probleme bei der Verwertung von Wohnungen nach sich. Es leide auch die Kreditwürdigkeit der revisionswerbenden Partei enorm und könnten tatsächliche oder potentielle Auftragnehmer Zweifel an der Zahlungsfähigkeit hegen. Dies würde für die revisionswerbende Partei einen defacto Ausschluss von öffentlichen Bauträgerwettbewerben bedeuten. Aufgrund der im Prüfbericht beanstandeten Mängel laufe diese auch Gefahr, dass die Auszahlung von Fördermitteln versagt werde. Damit könne sie auch ihrem im öffentlichen Interesse gelegenen Auftrag gemäß WGG zur Errichtung von leistungsfähigem geförderten Wohnbau nicht mehr nachkommen. Es sei daher in Anbetracht der potentiellen unwiederbringlichen Schäden im ureigensten Interesse der revisionswerbenden Partei, dass erst der letztinstanzlich rechtskräftig beschiedene Gesellschafter zur Eintragung ins Firmenbuch gelange und dies so rasch als möglich.

4        Diesem Aufschiebungsantrag wurde mit dem oben genannten Beschluss des Verwaltungsgerichtes vom 1. Juli 2021 im Wesentlichen mit der Begründung keine Folge gegeben, dass nicht konkret dargelegt werde, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von der revisionswerbenden Partei behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergebe. Die Behauptung, eine unklare Eigentümersituation hätte negative Konsequenzen, würde sich in der Aufzählung hypothetischer Probleme erschöpfen. Die Übertragung der Geschäftsanteile an die viertmitbeteiligte Partei sei nicht irreversibel und das Erfordernis einer allfälligen Rückabwicklung sei daher nicht geeignet, einen unverhältnismäßigen Nachteil darzutun.

5        Mit dem vorliegenden Antrag vom 7. September 2021 begehrt die revisionswerbende Partei, diesen Beschluss des Verwaltungsgerichtes abzuändern und der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

6        Gemäß § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG hat bis zur Vorlage der Revision das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

7        Gemäß § 30 Abs. 3 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ab Vorlage der Revision Beschlüsse gemäß § 30 Abs. 2 leg. cit. von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn er die Voraussetzungen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben.

8        Im Fall eines Antrages nach § 30 Abs. 3 VwGG ist - wenn eine wesentliche Änderung der für die Entscheidung über den Antrag auf aufschiebende Wirkung maßgeblichen Voraussetzungen nicht behauptet wird - grundsätzlich nur die Begründung des ursprünglichen Antrages maßgeblich, und es dient das Verfahren nach § 30 Abs. 3 leg. cit. nicht dazu, dem Antragsteller eine „Nachbegründung“ seines Antrages zu erlauben. Vielmehr soll es einerseits eine Überprüfung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes auf Basis der diesem bereits vorliegenden Entscheidungsgrundlagen und andererseits die Berücksichtigung von wesentlichen Änderungen, die auch die Stellung eines neuen Antrages rechtfertigen würden, ermöglichen (vgl. etwa VwGH 12.3.2020, Ro 2020/05/0006, mwN).

9        Die von der revisionswerbenden Partei in ihrem Antrag vom 7. September 2021 als wesentliche Änderung vorgebrachten Ausführungen - es sei „nach Bekanntwerden der angefochtenen Entscheidung zu Finanzierungsabsagen seitens diverser Banken“ gekommen und dieser Umstand stelle eine Änderung der Sachlage, „nämlich konkrete wirtschaftliche Nachteile in Zusammenhang mit der in diesem Tätigkeitsbereich unerlässlichen Kreditvergabe“ dar; dies führe aufgrund der weitgehend fixen Verwaltungskosten zu erheblichen buchhalterischen Aufwendungen und die Aufgabe der Gemeinnützigkeit könne nicht mehr vollinhaltlich erfüllt werden - können bereits mangels ausreichender Konkretisierung keine wesentliche Änderung der für die Entscheidung über den Antrag auf aufschiebende Wirkung maßgeblichen Voraussetzungen darstellen.

10       Behauptete Auswirkungen aus Beanstandungen des Revisionsverbandes sowie des Amtes der Wiener Landesregierung stellen von vornherein keinen unverhältnismäßigen Nachteil im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG dar.

11       Der Revisionswerber hat - unabhängig von der Frage, ob einer Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen - schon in seinem Aufschiebungsantrag zu konkretisieren, worin für ihn der unverhältnismäßige Nachteil gelegen wäre, und ermöglicht erst die ausreichende Konkretisierung die vom Gesetz gebotene Interessenabwägung (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa erneut VwGH 12.3.2020, Ro 2020/05/0006, mwN; sowie zur Dartuung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteils VwGH 25.5.2021, Ra 2021/07/0027, mwN).

12       Abgesehen davon, dass die von der revisionswerbenden Partei als unverhältnismäßiger Nachteil geltend gemachten wirtschaftlichen Auswirkungen nicht ausreichend konkretisiert sind, hängt ihr Vorbringen zum Vorliegen eines unverhältnismäßigen Nachteiles von Mutmaßungen über potentielle Verfahrensausgänge, sohin von der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung ab, welche jedoch im Provisorialverfahren betreffend die aufschiebende Wirkung nicht zu prüfen ist (vgl. jüngst etwa VwGH 29.7.2021, Ra 2021/05/0114, mwN). So werden sämtliche - pauschal formulierten - negativen Auswirkungen hypothetisch (vgl. hierzu auch VwGH 30.6.2015, Ra 2015/01/0016) für den Fall dargestellt, dass die (potentielle) Firmenbucheintragung der viertmitbeteiligten Partei als Alleingesellschafterin aufgrund des oben genannten Erkenntnisses „womöglich“ unrechtmäßig erfolge. Derartige, von der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung abhängende Aspekte haben jedoch für die Beurteilung eines unverhältnismäßigen Nachteiles im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG außer Betracht zu bleiben.

13       Dem auf § 30 Abs. 3 VwGG gestützten Antrag war daher nicht stattzugeben.

Wien, am 4. Oktober 2021

Schlagworte

Unverhältnismäßiger Nachteil

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RO2021050034.J00

Im RIS seit

21.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.12.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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