TE Lvwg Erkenntnis 2021/10/22 LVwG-S-1848/001-2021

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.10.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

22.10.2021

Norm

GewO 1994 §367 Z54
VStG 1991 §44a Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Dr. Grünstäudl als Einzelrichter über die Beschwerde des A, ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Zwettl vom 6. Juli 2021, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG

§ 44a Z. 1, § 45 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit Straferkenntnis vom 6. Juli 2021, Zl.***, legte die Bezirkshauptmannschaft Zwettl (in der Folge: belangte Behörde) dem Beschwerdeführer A (in der Folge: Beschwerdeführer) zur Last, er habe es am 13. Oktober 2020 in ***, ***, als gewerberechtlicher Geschäftsführer der B GmbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft ohne ihr Verhalten durch triftige Gründe rechtfertigen zu können, durch die Firma C, ***, ***, eine Tätigkeit (Verlegung von Betonplatten in ***, ***) besorgen habe lassen, obwohl die B GmbH hätte wissen müssen, dass Frau D durch die Ausübung dieser Tätigkeit eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs.1 Z.1 GewO 1994 begehe. Frau D sei nur zur Ausübung der Durchführung einfacher Gartenarbeiten berechtigt gewesen. Dadurch habe der Beschwerdeführer § 367 Z.54 GewO 1994 verletzt. Über den Beschwerdeführer wurde in der Folge unter Anwendung des § 367 Einleitungssatz GewO 1994 eine Geldstrafe in Höhe von 300 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 60 Stunden) verhängt und ihm ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens in Höhe von 30 Euro auferlegt.

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde erhoben. Diese begründete er im Wesentlichen damit, dass er zwar gewerberechtlicher Geschäftsführer der B GmbH sei, jedoch Herr E von den Geschäftsführern zum verantwortlich Beauftragten für die Einhaltung aller verwaltungsrechtlichen Vorschriften aller Sachgebiete des Unternehmens bestellt worden sei. Er sei daher nicht für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften verantwortlich.

Zudem sei es denkunmöglich, dass Frau D zeitgleich in *** mit der Erbringung von Leistungen beauftragt werde, während sie gleichzeitig in *** beim Verlegen von Betonplatten betreten wird. Die belangte Behörde befasse sich in ihrem Straferkenntnis nicht mit dem in Betracht kommenden Tatzeitpunkt. Für diesen sei der Zeitpunkt der Auftragserteilung maßgeblich, wobei es der 13. Oktober 2020 nicht gewesen sein könne.

Weiters wurde ausgeführt, dass in der B GmbH ein Kontrollsystem eingeführt sei. Die für das Bauvorhaben zuständige Bauleiterin habe sich jedoch in einer persönlichen Ausnahmesituation befunden, weil der für die Außenanlagen zuständige Subunternehmer massiv in Verzug geraten sei. Die Bauleiterin habe ein neues Subunternehmen gesucht, welches diese Arbeiten ausführen könne und angenommen, dass das Verlegen von Randsteinen vom Nebengewerbe des § 32 GewO 1994 und die Gartengestaltung aufgrund der Gewerbeberechtigung „Durchführung einfacher Gartenarbeiten“ umfasst gewesen sei.

3.   Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Das LVwG NÖ hat in den vorgelegten Verfahrensakt Einsicht genommen.

4.   Feststellungen:

4.1. Der Beschwerdeführer ist gewerberechtlicher Geschäftsführer der B GmbH. Die GmbH war Generalunternehmer des Bauvorhabens in ***, ***. Die GmbH zog die Firma C als Subunternehmerin für Arbeiten an diesem Bauvorhaben heran.

4.2. Anlässlich einer Kontrolle der Finanzpolizei am 13. Oktober 2020 um 11:05 Uhr wurden Arbeiter der Firma C bei der Verlegung von Betonplatten auf einem Balkon im 1. Stock der Baustelle in ***, ***, betreten.

4.3. Die Arbeiter der Firma C waren bereits seit einem Monat mit der Verlegung von Betonplatten auf den Balkonen beschäftigt. Die Beauftragung der Firma C durch die B GmbH erfolgte vor dem 13. Oktober 2020.

5.   Beweiswürdigung:

Die Feststellungen beruhen auf der Einsicht in den vorgelegten unbedenklichen Verwaltungsakt der belangten Behörde. Punkt 4.1. und 4.2. sind unstrittig und ergeben sich schlüssig aus dem Zusammenhalt von Beschwerdeschrift, dem GISA-Auszug und der Anzeige der Finanzpolizei vom 30. Oktober 2020. Dass Bodenplatten auf Balkonen verlegt wurden, ergibt sich nachvollziehbar durch das von der Finanzpolizei beigefügte Foto.

Aus der unbedenklichen Anzeige der Finanzpolizei ergibt sich ebenso, dass die Subunternehmerin C der Finanzpolizei am 14. Oktober 2020 telefonisch mitteilte, dass „sie den Auftrag für das Verlegen der Platten vor ca. einem Monat (Mitte September) von der Fa. B GmbH übernommen habe und seitdem wären die Arbeiter auf der Baustelle tätig“. Es steht sohin zweifelsfrei fest, dass die Auftragserteilung durch die B GmbH vor dem 13. Oktober 2020 erfolgte.

6.   Rechtslage:

Die maßgeblichen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) lauten auszugsweise:

„§ 367. Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 2 180 € zu bestrafen ist, begeht, wer […] 54. ohne sein Verhalten durch triftige Gründe rechtfertigen zu können, sich durch einen anderen eine Tätigkeit besorgen läßt oder einen anderen zu einer Tätigkeit veranlaßt, obwohl er wissen mußte, daß der andere durch die Ausübung dieser Tätigkeit eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z 1 oder § 366 Abs. 1 Z 10 oder § 367 Z 8 begeht, oder dies nach seinem Beruf oder seiner Beschäftigung bei Anwendung entsprechender Aufmerksamkeit wissen konnte, und zwar auch dann, wenn der andere nicht strafbar ist; […]“

Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG 1991) lauten auszugsweise:

㤠44a. Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

4. den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;

5. im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.“

7.   Erwägungen:

Gemäß § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es gemäß § 44a Z. 1 VStG rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht. Die Einhaltung des § 44a Z. 1 und 2 VStG dient nach der Rechtsprechung dazu, den Beschuldigten in die Lage zu versetzen, sich gegen den Tatvorwurf verteidigen zu können und nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt zu sein (VwGH 12.2.2021, Ra 2020/04/0034 mit Verweis auf VwGH 17.2.2016, Ra 2016/04/0006).

Das Ausmaß der gebotenen Konkretisierung ist nicht isoliert zu betrachten. Es hängt vom Tatbild und den Gegebenheiten des Einzelfalles ab. Für eine ausreichende Konkretisierung sind nach der Rechtsprechung des VwGH die Angabe von Tatort, Tatzeit sowie des wesentlichen Inhaltes des Tatgeschehens erforderlich (VwGH 27. 4. 2011, 2010/08/0091).

Im vorliegenden Fall enthält der Spruch des Straferkenntnisses nicht die korrekte Tatzeit. Als Tatzeitpunkt wird im Straferkenntnis der Tag der Kontrolle auf der Baustelle angegeben (13. Oktober 2020). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat bei einer Verwaltungsübertretung nach § 367 Z. 54 GewO 1994 der Spruch des Straferkenntnisses die Bezeichnung des für die Auftragserteilung in Betracht kommenden Tatzeitpunktes zu enthalten. Es ist auf diesen Tatzeitpunkt abzustellen ist und nicht etwa auf die Handlungsweise des Beauftragten. Im Beschwerdefall hat die Behörde dem Beschwerdeführer die Übertretung der ersten Tatbestandsalternative des § 367 Z. 54 GewO 1994 vorgeworfen. Dabei hat sie als Tatzeitpunkt den Zeitpunkt der Kontrolle (13. Oktober 2020) an der genannten Baustelle, und nicht den Zeitpunkt der Auftragserteilung gewählt. Damit enthält der Spruch des angefochtenen Bescheides entgegen § 44a Z. 1 VStG iVm § 367 Z. 54 GewO 1994 keine Bezeichnung des für die Auftragserteilung durch den Beschwerdeführer in Betracht kommenden Tatzeitpunktes (VwGH vom 9.4.2013, 2011/04/0019 mit Verweis auf VwGH 28. Jänner 1993, 92/04/0195). Die Behörde hat sich in ihrem Straferkenntnis mit dem Zeitpunkt der Auftragserteilung nicht befasst und diesen Zeitpunkt dem Beschwerdeführer im gesamten Verwaltungsverfahren nicht vorgeworfen.

Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens ist die dem Beschuldigten innerhalb der Verjährungsfrist zur Last gelegte Tat mit ihren wesentlichen Sachverhaltselementen (vgl. VwGH 8.3.2017, Ra 2016/02/0226, mwN). Das Verwaltungsgericht ist nicht zur Änderung der Tatzeit und damit zur Auswechslung der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tat berechtigt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

8.   Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:

Da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG die mündliche Verhandlung.

9.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Vielmehr waren die Rechtsfragen anhand der jeweils zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu lösen.

Schlagworte

Gewerberecht; Verwaltungsstrafe; Tatumschreibung; Tatzeit; Konkretisierung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.S.1848.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.12.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten