TE Lvwg Erkenntnis 2021/12/2 LVwG-2021/25/2541-5

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Veröffentlicht am 02.12.2021
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Entscheidungsdatum

02.12.2021

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §81 Abs2 Z7

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über die Beschwerde von AA und BB, beide Adresse 1, **** Z, beide vertreten durch RA CC, Adresse 2, **** Y, vom 16.09.2021 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 18.08.2021, Zl ***, betreffend Verfahren gemäß § 81 Abs 2 GewO 1994 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

DD, Adresse 2, **** Z, zeigte mit Schreiben vom 09.06.2021 bei der Bezirkshauptmannschaft X die Änderung der zuletzt mit Bescheid der Bezirks-hauptmannschaft X vom 15.04.2019, Zl ***, genehmigten Betriebsanlage in Form eines Sägewerks auf Gp **1 KG W an. Diese Änderung besteht darin, dass auch im Zeitraum zwischen 06:00 Uhr und 07:00 Uhr sowie zwischen 12:00 Uhr und 13:00 Uhr eine Lkw-Zu- und Abfahrt durchgeführt wird; davon nicht umfasst ist ein Abladen der einfahrenden Lkw innerhalb dieser Zeiten.

Das von der Erstbehörde durchgeführte Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass die gegenständliche Änderung das Emissionsverhalten der Anlage zu den Nachbarn hin nicht nachteilig beeinflussen wird.

Daraufhin erging der nunmehr bekämpfte Bescheid vom 18.08.2021, in welchem die Bezirkshauptmannschaft X die beschriebenen Änderungen gemäß §§ 345 Abs 6 iVm 81 Abs 2 Z 7 GewO 1994 zur Kenntnis nimmt. In der Begründung dieses Bescheides führt die belangte Behörde ua aus, dass den Nachbarn AA und BB nur eine beschränkte Parteistellung und zwar dahingehend zukommt, ob die Voraussetzungen für das Anzeigeverfahren vorliegen.

Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde von AA und BB, in welcher diese den bekämpften Bescheid zu seinem gesamten Inhalt nach anfechten und durch ihren Rechtsvertreter im Wesentlichen ausführen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für ein gewerberechtliches Anzeigeverfahren nicht vorlägen, da keine Überprüfung der Gesamtsituation weder im gegenständlichen Verfahren noch in den bisherigen, vorliegenden Bescheiden erfolgt sei. Es sei zu erwarten, dass sich die Emissionssituation zu ihrem Nachteil weiter verschlechtern werde. Die Erstbehörde wäre angehalten gewesen, ihre Einwendungen zu berücksichtigen, was dazu führe, dass die beabsichtigte Änderung im ordentlichen Genehmigungsverfahren zu behandeln gewesen wäre. Die seinerzeit für die Bewilligung angenommenen Voraussetzungen würden tatsächlich nicht vorliegen, weshalb es verfehlt sei, von dieser unrichtigen Grundlage bei der Beurteilung der verfahrensgegenständlichen Änderung auszugehen. Bei der Erstbehörde sei ein Antrag auf bescheidmäßige Feststellung der Genehmigungspflicht gestellt worden, worüber diese keine Entscheidung getroffen habe. Die Begründung des bekämpften Bescheides sei unzureichend. Die Beschwerdeführer hätten die Aufnahme diverser Beweise beantragt, insbesondere die Durchführung von Lärmmessungen und eines Ortsaugenscheines. Es gebe auch keine Begründung dafür, warum diese Beweisaufnahmen die Erstbehörde für erlässlich halte, was als wesentlicher Verfahrensfehler gelte. Die Beschwerdeführer hätten betreffend von dieser Betriebsanlage ausgehenden Lärmimmissionen bereits mehrmals bei der Gewerbebehörde interveniert. Diese habe sich aber nicht veranlasst gesehen, eine Überprüfung der derzeitigen Gesamtsituation vorzunehmen. Die Beschwerdeführer würden bereits jetzt durch den Betrieb der Anlage nicht nur belästigt, sondern vielmehr in ihrer Gesundheit gefährdet, zumal die höchstzulässigen Schallimmissionen für das Wohngebiet überschritten würden. Das Wohngebäude der Beschwerdeführer sei zeitlich vor der Betriebsanlage errichtet worden und werde darin bereits seit 54 Jahren eine Gästevermietung durchgeführt. In weiterer Folge findet eine Beschreibung des Produktionsablaufes in der Betriebsanlage statt. Dazu wird in weiterer Folge ausgeführt, dass die verfrüht ankommenden, zur Betriebsanlage zufahrenden Lkw dieser zugeordnet werden, wobei auch diese zusätzlichen Immissionen mit zu berücksichtigen seien. Eine Gefährdung der Nachbarn nach § 74 Abs 2 Z 1 GewO liege vor, da die Intensität der Belästigung nach Z 2 leg cit bereits überschritten werde. Die Beschwerdeführer gingen davon aus, dass diese Gefährdungen durch Auflagen abgefangen werden könnten, was von den Behörden weder geprüft, geschweige denn aufgetragen worden sei. Bei einer Gesundheitsgefährdung sei nicht auf einen durchschnittlichen Menschen abzustellen, sondern auf den tatsächlich Betroffenen. BB sei bei der EE beschäftigt und müsse bei Bedarf und Notwendigkeit auch Nachtschichten absolvieren. Eine solche Nachtschicht dauere von 17:00 Uhr bis 04:00 Uhr; zur Bewahrung seiner Gesundheit müsse er die notwendige Ruhe erlangen, was bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich sei und lägen bereits jetzt durch die von der Betriebsanlage ausgehenden Lärmimmissionen gesundheitliche Probleme vor. Die Betriebsanlage würde divergierend zu den zugrundeliegenden Bescheiden und Beschreibungen geführt werden. Der gewerbetechnische Amtssachverständige läge bei seiner Beurteilung eine Situation zugrunde, die jedoch tatsächlich nicht existiere, weshalb die darauf resultierenden Schlussfolgerungen ebenfalls nur unrichtig sein könnten. Wäre eine Überprüfung der baulichen Situation im Vergleich zu den zugrundeliegenden Bescheiden erfolgt, wäre aufgefallen, dass es erhebliche Divergenzen gibt, die in emissionsmäßiger Hinsicht massiv zum Nachteil der Nachbarn ausschlagen würden. Die Behörde sei angehalten, eine Überprüfung der vorliegenden Betriebsanlage vorzunehmen. Es werde Bescheidabänderung dahingehend beantragt, dass die angezeigten Änderungen nicht zur Kenntnis genommen werden und eine Bewilligungspflicht der Änderungen festgestellt werde, in eventu Bescheidabänderung, dass die Bewilligungspflicht der Änderungen festgestellt wird, in eventu ersatzlose Bescheidaufhebung, in eventu Aufhebung des angefochtenen Bescheides und Zurückverweisung an die Erstbehörde zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gab der gewerbetechnische Amtssachverständige eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme ab, die folgender Maßen lautet:

„Wenn ich gefragt werde, ob bzw wie sich die zeitweise beantragte Zufahrt eines Lkw in der Zeit zwischen 06.00 Uhr und 07.00 Uhr oder zwischen 12.00 Uhr und 13.00 Uhr aus immissionsfachlicher Sicht in relevanter Art und Weise negativ auf die nächstgelegenen Nachbarschaftsrechte, insbesondere auf die Liegenschaft Gp **2, KG W, auswirkt, führe ich Folgendes an:

Im Allgemeinen wird dahingehend auf die Anzeige der Firma FF vom 09.06.2021 verwiesen. Weiters wird dahingehend auch auf die Stellungnahme vom 23.06.2021, Zl ***, verwiesen. Aufbauend auf die amtliche Stellungnahme und unter Berücksichtigung der Punkte 1. bis 3. aus den Einwendungen vom 13.08.2021 zum Bescheid vom 18.08.2021, Zl ***, wurde am 06.09.2021 ein Lokalaugenschein bei der Betriebsanlage durchgeführt. Dieser Lokalaugenschein wurde vom Betreiber der Anlage begleitet.

In weiterer Folge wurde nach Rücksprache mit dem Referatsleiter des Gewerbereferates an der Bezirkshauptmannschaft X sowie dem Richter Dr. Hohenhorst eine umfassende Umgebungslärmmessung bei der Liegenschaft auf Gp **2 durchgeführt. Die Messung erfolgte in Stockwerk 3 des Gebäudes auf der zuvor angeführten Liegenschaft. Das Messmikrophon wurde 50 cm vor dem geöffneten Fenster direkt in Richtung des Sägewerkes angeordnet. Die Messbedingungen für die gegenständlich zu beurteilenden Zeiträume können für die Messung am 20.10.2021 und auch am 22.10.2021 als repräsentativ angesehen werden. Am 21.10.2021 war die Messung in der Zeit zwischen 10.30 Uhr und 16.00 Uhr durch Niederschlagsereignisse beeinflusst.

Die Messung umfasste einen durchgehenden Zeitraum vom 20.10.2021 ab 10.59 Uhr bis 22.10.2021 um 09.12 Uhr. Weiters umfasste die Messung einen Zeitraum von 09.15 Uhr bis 09.51 Uhr am 22.10.2021.

In Summe ergibt sich, dass der energieäquivalente Dauerschallpegel in diesen betriebsfreien Stunden des Sägewerkes zwischen 06.00 Uhr und 07.00 Uhr sowie zwischen 12.00 Uhr und 13.00 Uhr im Mittel bei ca 51 dB(A) liegt.

Geprägt sind diese betriebsfreien Stunden von Verkehrsbewegungen auf der unmittelbar vorbeiführenden lokalen Gemeindestraße sowie durch entfernte Verkehrsbewegungen auf der V-Straße. Auch Betriebsemissionen aus dem angrenzenden Nachbarbetrieb sind wahrnehmbar.

Für die Zeiträume, in denen das Sägewerk in Betrieb ist, liegt der energieäquivalente Dauerschallpegel im Bereich von ca 56 dB(A). Der Basispegel beträgt ca 51 dB(A). Die kennzeichnenden Pegelspitzen, welche beim Betrieb des Sägegatters im Mittel im Zwei-Minuten-Takt auftreten, liegen am Immissionspunkt zwischen 96 und 105 dB(A).

In Summe ergibt sich, dass der Sägewerksbetrieb (Betrieb des Sägegatters) den Immissionspegel am Messpunkt in der Durchschnittsbetrachtung, angegeben als energieäquivalenter Dauerschallpegel, um ca +5 dB anhebt. Im Detail und in Bezug auf die Pegelspitzen wird auf die Auswertungen verwiesen. Während der Messungen war die Brettersortieranlage nicht mit in Betrieb.

In Zusammenschau mit den beurteilungsrelevanten Zeiträumen zwischen 06.00 Uhr und 07.00 Uhr und zwischen 12.00 Uhr und 13.00 Uhr ergibt sich sohin, dass eine fallweise auftretende Lkw-Zufahrt, ohne weitere Tätigkeiten auszuführen, nicht in der Lage ist, den energieäquivalenten Dauerschallpegel in den betriebsfreien Stunden anzuheben. Dies gilt auch für eine fallweise auftretende Lkw-Abfahrt in den zuvor genannten Stunden. Die beantragten Lkw-Fahrten in den zuvor genannten Zeiträumen heben sich aus schalltechnischer Sicht nicht in einem relevanten Ausmaß von den Verkehrsgeräuschen aus der Umgebung ab. Voraussetzung dafür ist, wie beantragt, dass der Motor abgestellt wird und keine weiteren Tätigkeiten innerhalb der beantragten Betriebszeiten durch die Lkw durchgeführt werden.

Zusammenfassend kann ausgeführt werden, dass diese Lkw-Fahrten in den oben genannten Zeiten keine relevanten schalltechnischen Auswirkungen auf die umliegende Nachbarschaft haben.

Darüberhinausgehende Emissionen innerhalb der Betriebszeiten des Sägewerks und mögliche Auswirkungen auf die umliegende Nachbarschaft sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Die Messergebnisse können aber unabhängig davon als Grundlage für darüberhinausgehende Fragestellungen herangezogen werden.

Wenn in der Projektbeschreibung des bekämpften Bescheides auf Seite 2 oben nur davon die Rede ist, dass es nicht geplant ist, die einfahrenden Lkw abzuladen, so bezieht sich meine fachliche Ausführung auch darauf, dass in dieser Zeit Lkw nicht beladen werden dürfen. Meine fachliche Ausführung bezieht sich auf den reinen Zu- bzw Abfahrtsvorgang, aber auf keine weiteren Manipulationen. Eine allfällige Ladungssicherung zählt nicht mehr zum Aufladevorgang. Die Zufahrt ist zu den nächstgelegenen Nachbarn auf der abgewandten Seite des Betriebsgebäudes und dauert nur wenige Sekunden; so ergibt es sich aus der Anzeige.“

II.      Sachverhalt:

DD betreibt ein Sägewerk auf Gp **1, KG W; es handelt sich dabei um eine gewerbebehördlich genehmigte Betriebsanlage, die letzte Änderungsgenehmigung beruht auf dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 15.04.2019, ***. Für die gegenständliche Betriebsanlage wurden in den bisherigen Genehmigungsbescheiden die Betriebszeiten nicht bescheidmäßig fixiert mit der Ausnahme der Sortieranlage von Montag bis Freitag von 08.00 Uhr bis 17.00 Uhr und samstags von 08.00 Uhr bis 12.00 Uhr. Die bisherige Rahmenbetriebszeit für die Betriebsanlage beträgt werktags von 07.00 Uhr bis 12.00 Uhr und von 13.00 Uhr bis 20.00 Uhr.

Durch die angezeigte Änderung ist es möglich, auch im Zeitraum zwischen 06.00 Uhr und 07.00 Uhr sowie zwischen 12.00 Uhr und 13.00 Uhr eine LKW Zu- und Abfahrt durchzuführen. Die einfahrenden LKW parken anschließend auf dem Werkgelände und werden nur innerhalb der genehmigten Betriebszeiten ent- bzw beladen.

Der energieäquivalente Dauerschallpegel liegt in den betriebsfreien Stunden des Sägewerkes zwischen 06.00 Uhr und 07.00 Uhr sowie zwischen 12.00 Uhr und 13.00 Uhr im Mittel bei ca 51 dB(A). Für die Zeiträume, in denen das Sägewerk in Betrieb ist, liegt der energieäquivalente Dauerschallpegel im Bereich von ca 56 dB(A). Eine fallweise auftretende LKW Zu- bzw Abfahrt ohne Laufenlassen des Motors und ohne weitere Tätigkeiten durchzuführen, ist nicht in der Lage, den energieäquivalenten Dauerschallpegel in den betriebsfreien Stunden anzuheben. Die reinen LKW Zu- bzw Abfahrten zwischen 06.00 Uhr und 07.00 Uhr und zwischen 12.00 Uhr und 13.00 Uhr haben keine relevanten schalltechnischen Auswirkungen auf die umliegende Nachbarschaft.

III.     Beweiswürdigung:

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den Akten der Bezirkshauptmannschaft X und des Landesverwaltungsgerichtes Tirol und dabei wieder insbesondere aus den ausführlichen, logischen, widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Stellungnahmen des gewerbetechnischen Amtssachverständigen im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren. Der Amtssachverständige hat im Zuge des Rechtsmittelverfahrens Schallmessungen zwischen 20. und 22.10.2021 vorgenommen und auf deren Ergebnisse er seine fachlichen Schlussfolgerungen aufbaut, deren Richtigkeit von den Parteien auch gar nicht in Zweifel gezogen wurde.

IV.      Rechtslage:

Im gegenständlichen Verfahren ist folgende Bestimmung der Gewerbeordnung 1994 maßgebend:

㤠81.

(1) Wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.

(2) Eine Genehmigungspflicht nach Abs. 1 ist jedenfalls in folgenden Fällen nicht gegeben:

1.bescheidmäßig zugelassene Änderungen gemäß § 79c Abs. 2,

2.Änderungen zur Einhaltung von anderen oder zusätzlichen Auflagen gemäß § 79 Abs. 1 oder § 79b,

3.Änderungen zur Anpassung an Verordnungen auf Grund des § 82 Abs. 1,

4.Bescheiden gemäß § 82 Abs. 3 oder 4 entsprechende Änderungen,

5.Ersatz von Maschinen, Geräten oder Ausstattungen durch gleichartige Maschinen, Geräte oder Ausstattungen; Maschinen, Geräte oder Ausstattungen sind gleichartig, wenn ihr Verwendungszweck dem der in der Anlage befindlichen Maschinen, Geräte oder Ausstattungen entspricht und die von ihnen zu erwartenden Auswirkungen von den Auswirkungen der in der Anlage befindlichen Maschinen, Geräte oder Ausstattungen nicht so abweichen, daß der Ersatz als genehmigungspflichtige Änderung gemäß Abs. 1 zu behandeln ist.

6.Änderungen durch den Einsatz von Maschinen, Geräten oder Ausstattungen, die unter Verordnungen gemäß § 76 Abs. 1 fallen oder in Bescheiden gemäß § 76 Abs. 2 angeführt sind, sofern § 76 Abs. 3 nicht entgegensteht,

7.Änderungen, die das Emissionsverhalten der Anlage zu den Nachbarn nicht nachteilig beeinflussen und die auf Grund der besonderen Situation des Einzelfalles erwarten lassen, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden Auflagen Gefährdungen des Lebens oder der Gesundheit von Personen vermieden und Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 3 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden,

8.Sanierung gemäß § 12 des Luftreinhaltegesetzes für Kesselanlagen, BGBl. Nr. 380/1988,

9.Änderungen, die das Emissionsverhalten der Anlage nicht nachteilig beeinflussen,

10.Fortschreibung des Abfallwirtschaftskonzeptes (§ 353 Z 1 lit. c),

11.Änderungen von vorübergehender, vier Wochen nicht überschreitender Dauer, die keine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Personen bewirken und aus Anlass von Ereignissen oder Veranstaltungen, die in kulturellem oder sportlichem Interesse überregional breiter Kreise der Bevölkerung stattfinden, vorgenommen werden.

(3) Änderungen gemäß Abs. 2 Z 7 sind der zur Genehmigung der Anlage zuständigen Behörde vorher anzuzeigen.

(4) Im Fall einer genehmigungspflichtigen Änderung nach Abs. 1, jedoch mindestens alle sieben Jahre, ist das Abfallwirtschaftskonzept fortzuschreiben. Die Fortschreibung einer gültigen Umwelterklärung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1221/2009 über die freiwillige Teilnahme von Organisationen an einem Gemeinschaftssystem für Umweltmanagement und Umweltbetriebsprüfung (EMAS), ABl. Nr. L 342 vom 22. 12. 2009, S. 1, gilt als Fortschreibung im Sinne dieses Bundesgesetzes.“

V.       Erwägungen:

Das Verfahren nach § 81 GewO 1994 setzte die Existenz einer genehmigten Betriebsanlage voraus; den Prüfungsgegenstand dieses Verfahrens bildet – von dem im zweiten Satz des § 81 Abs 1 GewO 1994 genannten Sonderfall abgesehen – die den Inhalt des dem Verfahren zugrundeliegenden Antrages bildende Änderung dieser Betriebsanlage, nicht aber schlechterdings die geänderte Betriebsanlage insgesamt. Auch dient das Verfahren nach § 81 GewO 1994 nicht der inhaltlichen Überprüfung des nach § 77 GewO ergangenen Genehmigungsbescheides. Dessen Inhalt ist dem Verfahren nach § 81 zugrunde zu legen (vgl VwGH 26.05.1998, 98/04/0028; 09.09.1998, 96/04/0022). Die Rüge der Beschwerdeführer, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für ein gewerberechtliches Anzeigeverfahren nicht vorlägen, da eine umfassende Überprüfung der Gesamtsituation hinsichtlich der vorliegenden Bescheide nicht erfolgt sei, besteht somit nicht zu Recht. Den diesbezüglichen Anträgen ist die Erstbehörde daher zu Recht nicht nachgekommen.

Zur Rüge, dass die Behörde über den Antrag der nunmehrigen Beschwerdeführer auf bescheidmäßige Feststellung der Genehmigungspflicht nicht abgesprochen habe, bleibt festzuhalten, dass die Zur Kenntnisnahme der Anzeige eine Abweisung des Antrages auf Feststellung der Genehmigungspflicht inkludiert, so wie eine Erteilung einer Bewilligung die Abweisung der dagegen erhobenen Einwendungen enthält.

Die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Verfahren nach § 359b GewO 1994 lässt sich auf das Verfahren nach § 81 Abs 3 GewO 1994 übertragen. In verfassungskonformer Interpretation sind die Bestimmungen des § 81 Abs 3 iVm § 345 Abs 6 GewO 1994 daher dahingehend auszulegen, dass den Nachbarn ein rechtliches Interesse an der Überprüfung der Voraussetzungen des § 81 Abs 3 iVm § 81 Abs 2 Z 9 GewO und daher eine auf die Beurteilung dieser Frage beschränkte Parteistellung zukommen (VwGH 04.11.2016, Ro 2014/05/0029). Diese Judikatur ist nun ausschließlich auf die noch verbliebene Z 7 anwendbar.

Aufgrund dieser beschränkten Parteistellung stellt den gegenständlichen Verfahrens-gegenstand die Frage dar, ob ein Anzeige- oder Bewilligungsverfahren für die vorliegende Änderung durchzuführen ist. Aufgrund dieser beschränkten Parteistellung stand es den nunmehrigen Beschwerdeführern nicht zu, Beweisaufnahmen wie Lärmmessungen oder die Durchführung eines Lokalaugenscheines zu beantragen.

Die Immissionen seitens der bereits genehmigten Anlage, die in keinem Zusammenhang mit der beantragten Änderung stehen und nicht durch sie bewirkt werden, sind nicht Gegenstand des die Genehmigung oder Änderung betreffenden Verfahrens. Derartigen Einwirkungen ist bei Zutreffen der in § 79 Abs 1 vorgesehenen Voraussetzungen mit Vorschreibungen nach dieser Gesetzesstelle zu begegnen. Die von den Beschwerdeführern aufgezeigten durch den bestehenden Produktionsablauf entstehenden Immissionen stehen in keinem Zusammenhang mit der gegenständlichen Änderung, weshalb vorliegendes Verfahren nicht zum Anlass genommen werden kann, eine Gesamtüberprüfung der Betriebsanlage durchzuführen. § 81 GewO ermächtigt nicht, die erteilte Genehmigung abzuändern oder zu beheben und insofern die bestehende bescheidmäßige Regelung einer Reform zu unterziehen, sondern lediglich die bisher bescheidmäßig nicht geregelte Sache – nämlich die Änderung – einer solchen Regelung (erstmals) zu unterziehen (VwGH 5.11.1997, 97/04/0100; 10.11.1999, 99/04/0121; 27.09.2000, 98/04/0093).

Zum Vorbringen, dass die Betriebsanlage divergierend zu den zugrundeliegenden Bescheiden und Beschreibungen geführt werde, bleibt festzuhalten, dass es sich bei einem Betriebsanlagengenehmigungsverfahren um ein Projektverfahren handelt, in dem die Beurteilung der im § 353 genannten Einreichunterlagen zugrunde zu legen sind. Diese sind auf ihre Genehmigungsfähigkeit zu prüfen (VwGH 07.07.2015, Ra 2015/04/0049). Die Behörde hat alleine vom beantragten Projekt und der vorlegten Betriebsbeschreibung (§ 353) auszugehen (VwGH 25.10.2011, 2009/04/029). Bei der Entscheidung der Behörde haben daher Anlagen außer Betracht zu bleiben, die nicht Gegenstand des Genehmigungsansuchens sind, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie möglicherweise tatsächlich dem eingereichten Projekt technisch zuzurechnen sind. Auch dann, wenn das Projekt im Zeitpunkt der Erlassung des Genehmigungsbescheides bereits in einer vom Projekt abweichenden Weise errichtet worden sein sollte, ist Gegenstand nach § 77 GewO ausschließlich das eingereichte Projekt (VwGH 26.05.1998, 98/04/0023). Ein konsenswidriger Betrieb der Betriebsanlage bzw mögliche künftige Entwicklungen, die eine Änderung der Betriebsanlage darstellten, sind dem Konsenswerber im Bewilligungsverfahren nicht zu unterstellen (VwGH 31.03.2016, Ra 2015/07/0163). Mit dem Vorwurf, es sei eine vom bescheidmäßig erteilten Konsens (tatsächlich oder vermutlich) abweichende Ausführung der Betriebsanlage erfolgt, wird keine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Änderungsgenehmigung dargetan (VwGH 31.05.2000, 98/04/0043). Die „Sache“ über die die Behörde im Genehmigungsverfahren zu entscheiden hat, wird durch das Genehmigungsansuchen bestimmt (VwGH 22.04.2015, 2012/04/0130). Die Behörde ist daher an den Inhalt des Ansuchens gebunden.

Es ist nicht von Bedeutung, welches von der in Rede stehenden Betriebsanlage ausgehende Maße von Immissionen insgesamt auf die Liegenschaft der Nachbarn einwirkt, zu beurteilen ist viel mehr lediglich jenes Maß an Immissionen, um welches die von der bereits genehmigten Betriebsanlage ausgehenden Immissionen erhöht werden, sowie allfällige neu auftretende Immissionen (VwGH 10.02.1998, 97/04/0165). Im Lichte dessen ist der Vorwurf unzutreffend, dass der gewerbetechnische Amtssachverständige seiner Beurteilung eine Situation zugrunde lege, die tatsächlich nicht existiere und dass deshalb seine Schlussfolgerungen unrichtig sein müssten.

Zusammengefasst ergibt sich somit, dass gegenständliche Betriebsanlagenänderung das Emissionsverhalten der Anlage zu den Nachbarn nicht nachteilig beeinflusst und Gefährdungen des Lebens und der Gesundheit von Personen vermieden und Beeinträchtigungen im Sinn des § 74 Abs 2 Z 3 bis 5 GewO auf ein zumutbares Maß beschränkt werden, somit es sich um eine emissionsneutrale Änderung iSd § 81 Abs 2 Z 7 GewO handelt, welche gemäß Abs 3 leg cit der zuständigen Behörde vorher anzuzeigen ist. Die belangte Behörde hat die gegenständliche Änderung daher in rechtlicher einwandfreier Weise im Anzeigeverfahren durchgeführt, weshalb der diesbezüglichen Beschwerde der Nachbarn AA und BB kein Erfolg zu kommen konnte.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Hohenhorst

(Richter)

Schlagworte

Emissionsneutrale Änderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.25.2541.5

Zuletzt aktualisiert am

15.12.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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