Entscheidungsdatum
14.12.2021Norm
AVG §13 Abs3Spruch
W234 2236663-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Thomas HORVATH über die Beschwerde des XXXX gegen den Bescheid der GIS Gebühren Info Service GmbH vom XXXX , GZ. XXXX , Teilnehmernummer XXXX , zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Mit am 31.07.2020 bei der GIS Gebühren Info Service GmbH (im Folgenden: „belangten Behörde“) eingelangtem Schreiben beantragte XXXX (im Folgenden: „Beschwerdeführer“) die Befreiung von der Rundfunkgebühr für Radio- und Fernsehempfangseinrichtungen. Im dabei verwendeten Antragsformular kreuzte der Beschwerdeführer unter der Rubrik „Wenn Sie eine der nachstehenden Anspruchsvoraussetzungen erfüllen, kreuzen Sie bitte das entsprechende Feld an“ die Auswahlmöglichkeit „Bezieher von Leistungen nach pensionsrechtlichen Bestimmungen oder diesen Zuwendungen vergleichbaren sonstigen wiederkehrenden Leistungen versorgungsrechtlicher Art“ an. Weiters gab der Beschwerdeführer an, dass an antragsgegenständlicher Adresse eine weitere Person ( XXXX ) wohnhaft sei.
Dem Antragsformular waren folgende Unterlagen angeschlossen:
? der Behindertenpass des Beschwerdeführers
? auszugsweise der Einkommensteuerbescheid 2018 des Beschwerdeführers
2. Am 12.08.2020 richtete die belangte Behörde an den Beschwerdeführer folgendes Schreiben:
„[…] danke für Ihren Antrag vom 31.07.2020 auf
? Befreiung von der Rundfunkgebühr für Fernsehempfangseinrichtungen
? Befreiung von der Rundfunkgebühr für Radioempfangseinrichtungen
Für die weitere Bearbeitung benötigen wir von Ihnen noch folgende Angaben bzw. Unterlagen:
? Kopie des Nachweises über eine im Gesetz genannte Anspruchsgrundlage (soziale Transferleistung der öffentlichen Hand).
? Nachweis über alle Bezüge des/der Antragsteller/in bzw. gegebenenfalls aller Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben.
Dies können beispielsweise sein - bitte immer in Kopie:
? bei Berufstätigen die aktuelle Lohnbestätigung oder der letzte Einkommensteuerbescheid
? bei Pensionisten die aktuelle Bestätigung über die Pensionsbezüge
? bei Auszubildenden die Bestätigung der Lehrlingsentschädigung
? bei Schülern und Studenten die Bescheide über Schüler- und Studienbeihilfen sowie Angabe der sonstigen Zuwendungen (Unterhaltszahlungen der Eltern) und Einkünfte (geringfügige Beschäftigung)
? bei Personen, die in der Landwirtschaft tätig sind, die Einheitswertbescheide
? sowie gegebenenfalls Bezüge von Alimenten bzw. sonstigen Unterhaltszahlungen
Pensionsbezug 2020! sämtliche aktuelle Bezüge auch von XXXX nachreichen.
Wir bitten Sie, die noch fehlenden Unterlagen innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens nachzureichen. Bitte legen Sie Ihren Unterlagen unbedingt das beiliegende Formular „Deckblatt zur Nachreichung von Unterlagen“ bei. Auf diese Weise ist eine rasche Bearbeitung Ihres Antrages möglich.
[…]
Sollten uns bis zum Stichtag die benötigten Informationen und Unterlagen nicht vorliegen, müssen wir Ihren Antrag leider zurückweisen.“
3. Der Beschwerdeführer übermittelte hierauf unter Verwendung des Deckblatts „Nachreichung von Unterlagen“, am 19.08.2020 bei der belangten Behörde einlangend, folgenden Nachweis an die belangte Behörde:
? den Einkommensteuerbescheid 2018 der Haushaltsangehörigen des Beschwerdeführers
4. Mit dem bekämpften Bescheid vom XXXX wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers zurück und führte begründend aus, dass er schriftlich dazu aufgefordert worden sei, fehlende Angaben bzw. Unterlagen, nämlich einen Nachweis über eine im Gesetz genannte Anspruchsgrundlage sowie Nachweise über alle Bezüge des Antragstellers bzw. gegebenenfalls aller Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben, nachzureichen, diese Nachweise aber nicht erbracht hätte. Wörtlich heißt es darin: „Aktueller Pensionsbescheid von XXXX aus 2020 fehlt.“
5. Gegen diesen Bescheid richtete sich die vorliegende Beschwerde vom 03.09.2020, in der der Beschwerdeführer im Wesentlichen ausführte, es sei richtig, dass der aktuelle Pensionsbescheid des Beschwerdeführers fehle. Er habe mit der Dienststelle der belangten Behörde telefoniert und dort mitgeteilt, dass er den Steuerbescheid für 2018 übermittelt habe. Für 2019 gebe es noch keinen Steuerbescheid. Man teilte ihm mit, dass der Steuerbescheid vorliege. Zudem sei ihm mitgeteilt worden, ein Nachweis über die Bezüge der letzten drei Monate sei ausreichend. Diese befinden sich in der Anlage. Er bitte um wohlwollende Erledigung seiner Beschwerde.
Der Beschwerde waren folgende Unterlagen angeschlossen:
? die erste Seite des bekämpften Bescheides
? drei Buchungsbestätigungen über die Pension des Beschwerdeführers für die Monate Juli 2020 bis September 2020
6. Die Beschwerdevorlage der belangten Behörde vom 03.11.2020 und der Verwaltungsakt langten beim Bundesverwaltungsgericht am 06.11.2020 ein.
7.1. Mit Parteiengehör vom 04.06.2021 forderte das Bundesverwaltungsgereicht den Beschwerdeführer auf, nähere Angaben zu dem von ihm im Rahmen der Beschwerde angeführten Telefonat zu machen und anzugeben, ob ihm dabei ausdrücklich mitgeteilt worden sei, dass die von ihm zu diesem Zeitpunkt bereits übermittelten Unterlagen ausreichend seien, andernfalls seine Beschwerde – vorbehaltlich der Ergebnisse einer weiteren Beweisaufnahme – als unbegründet abzuweisen sein werde.
7.2. Ebenso mit Parteiengehör vom 04.06.2021 forderte das Bundesverwaltungsgericht die belangte Behörde auf, anzugeben, ob das vom Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerde angeführte Telefonat aktenkundig sei und bejahendenfalls dessen Inhalt wiederzugeben, insbesondere, ob und in welcher Form ein weiterer Nachweis über seinen Pensionsbezug gefordert worden sei, andernfalls der Beschwerde – vorbehaltlich der Ergebnisse einer weiteren Beweisaufnahme – stattzugeben und der bekämpfte Bescheid aufzuheben sein werde.
8. Mit Schriftsatz vom 10.06.2021 teilte die belangte Behörde im Wesentlichen mit, ein Aktenvermerk finde sich zur Bearbeitung des Befreiungsantrages, datiert mit 17.08.2020, von einer Kollegin in der Befreiungsabteilung. Laut diesem teilte der Beschwerdeführer mit, er habe nichts Aktuelleres, weil er selbständig sei, mit einer kleinen Pension nebenbei. Der Einkommensteuerbescheid für 2019 sei noch nicht fertig.
Ein weiterer Vermerk finde sich am 03.09.2020, aus diesem gehe nur hervor, dass ein Telefonat mit der Hotline der belangten Behörde erfolgt sei, es sei jedoch keinerlei Beschreibung über dessen Inhalt festgehalten worden.
Des Weiteren teilte die belangte Behörde mit, dass der Beschwerdeführer am 23.03.2021 einen neuen Antrag auf Befreiung eingebracht habe, diesem sei mittels Bescheid vom 12.04.2021 stattgegeben worden.
Der Stellungnahme der belangten Behörde war folgender Nachweis angeschlossen:
? Aktenvermerk vom 17.08.2020 über ein Telefonat mit dem Beschwerdeführer
9. Mit Schriftsatz vom 11.06.2021 teilte der Beschwerdeführer im Wesentliche mit, er habe in gegenständlichen Angelegenheit oftmals mit verschiedenen Mitarbeiter/Innen telefoniert. U.a. sei er dabei aufgefordert worden, Lohnzettel für die letzten drei Monate vorzulegen, weil das Finanzamt Salzburg noch immer keinen Steuerbescheid ausgestellt habe.
Der Stellungnahme des Beschwerdeführers waren folgende Unterlagen angeschlossen:
? das Parteiengehör des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.06.2021
? das Aufforderungsschreiben der belangten Behörde vom 12.08.2020
? die Beschwerde vom 03.09.2020
? der bekämpfte Bescheid vom XXXX
? E-Mail-Korrespondenzen zwischen dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde vom 01.01.2021, 07.01.2021, 08.01.2021, 22.01.2021, 01.02.2021 und 19.04.2021
? ein Schreiben des Beschwerdeführers an die belangte Behörde vom 11.03.2021
? ein (neuer) Antrag des Beschwerdeführers auf Gebührenbefreiung vom 11.03.2021 samt Beilagen
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1. Der Beschwerdeführer brachte am 31.07.2020 bei der belangten Behörde einen Antrag auf Befreiung von der Rundfunkgebühr für Fernseh- und Radioempfangseinrichtungen ein. Er gab darin an, Bezieher von Leistungen nach pensionsrechtlichen Bestimmungen oder diesen Zuwendungen vergleichbaren sonstigen wiederkehrenden Leistungen versorgungsrechtlicher Art zu sein. Weiters machte er einen Zwei-Personen-Haushalt geltend.
Dem Antrag waren der Behindertenpass des Beschwerdeführers sowie auszugsweise der Einkommensteuerbescheid 2018 des Beschwerdeführers angeschlossen.
2. Am 12.08.2020 richtete die belangte Behörde an den Beschwerdeführer ein Schreiben, in dem sie auf das Fehlen von Unterlagen, insbesondere eines Nachweises über eine im Gesetz genannte Anspruchsgrundlage sowie von Nachweisen über alle Bezüge des Antragstellers bzw. gegebenenfalls aller Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben, hinwies und forderte den Beschwerdeführer auf: „Pensionsbezug 2020! sämtliche aktuellen Bezüge auch von XXXX nachreichen.“
Für die Nachreichung der fehlenden Unterlagen wurde eine Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens gesetzt. Weiters wurde angemerkt, dass der Antrag des Beschwerdeführers zurückgewiesen werden müsse, wenn „bis zum Stichtag die benötigten Informationen und Unterlagen nicht vorliegen.“
3. Der Beschwerdeführer übermittelte hierauf, am 19.08.2020 bei der belangten Behörde einlangend, den Einkommensteuerbescheid 2018 seiner Haushaltsangehörigen.
4. Mit dem bekämpften Bescheid vom XXXX wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers zurück und führte begründend aus, dass dieser schriftlich dazu aufgefordert worden sei, fehlende Angaben bzw. Unterlagen, und zwar einen Nachweis über eine im Gesetz genannte Anspruchsgrundlage sowie Nachweise über alle Bezüge des Antragstellers bzw. gegebenenfalls aller Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben, zu erbringen, diese Nachweise aber nicht erbracht habe. Wörtlich heißt es darin: „Aktueller Pensionsbescheid von XXXX aus 2020 fehlt.“
5. Im Rahmen der Beschwerde vom 03.09.2020 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er habe den Steuerbescheid 2018 vorgelegt. Für 2019 gebe es noch keinen Steuerbescheid. Die Bezüge seiner Frau habe er am 17.09.2020 (gemeint 17.08.2020) übermittelt. Er bitte um wohlwollende Erledigung.
Der Beschwerde waren die erste Seite des bekämpften Bescheides sowie drei Buchungsbestätigungen über die Pension des Beschwerdeführers für die Monate Juli 2020 bis September 2020 angeschlossen.
6. Nach Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht übermittelte die belangte Behörde am 10.06.2021 eine Stellungnahme, in der sie im Wesentlichen ausführte, der Beschwerdeführer habe in einem Telefonat vom 17.08.2020 laut beiliegendem Aktenvermerk mitgeteilt, dass er nichts Aktuelleres habe, weil er selbstständig sei mit einer kleinen Pension nebenbei; der Einkommensteuerbescheid 2019 liege noch nicht vor. Ein weiteres Telefonat habe am 03.09.2020 stattgefunden, über dessen Inhalt gebe es keine Aufzeichnungen.
Zudem sei einem neuen Antrag des Beschwerdeführers auf Befreiung mittels Bescheid vom 12.04.2021 stattgegeben worden.
Der Stellungnahme war ein Aktenvermerk der belangten Behörde vom 17.08.2020 angeschlossen.
7. Nach Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht übermittelte der Beschwerdeführer am 11.06.2021 eine Stellungnahme, in der er im Wesentlichen ausführte, er habe zahlreiche Telefonate mit verschiedenen Mitarbeitern der belangten Behörde geführt. Dabei sei er u.a. aufgefordert worden, Lohnzettel der letzten drei Monate vorzulegen. Der Steuerbescheid 2019 wurde ihm am 27.11.2020 zugestellt.
Der Stellungnahme waren das Parteiengehör des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.06.2021, das Aufforderungsschreiben der belangten Behörde vom 12.08.2020, die Beschwerde vom 03.09.2020, der bekämpfte Bescheid vom XXXX , E-Mail-Korrespondenzen zwischen Beschwerdeführer und belangter Behörde vom 01.01.2021, 07.01.2021, 08.01.2021, 22.01.2021, 01.02.2021 und 19.04.2021, ein Schreiben des Beschwerdeführers an die belangte Behörde vom 11.03.2021 sowie ein (neuer) Antrag des Beschwerdeführers auf Gebührenbefreiung vom 11.03.2021 samt Beilagen angeschlossen.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen beruhen auf den von der belangten Behörde und vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A)
3.1. Für den Beschwerdefall sind die folgenden Bestimmungen maßgeblich:
3.1.1. § 13 Abs. 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 57/2008, lautet:
„§ 13. […] (3) Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.“
3.1.2. § 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden: VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 138/2017, regelt die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte und lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
[…]
(5) Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
[…]“
3.1.3. Das Bundesgesetz betreffend die Einhebung von Rundfunkgebühren (Rundfunkgebührengesetz – RGG), BGBl. I Nr. 159/1999 idF BGBl. I Nr. 70/2016, lautet auszugsweise:
„Rundfunkgebühren
§ 3. (1) Die Gebühren sind für jeden Standort (§ 2 Abs. 2) zu entrichten und betragen für
Radio-Empfangseinrichtungen ..................................0,36 Euro
Fernseh-Empfangseinrichtungen ...............................1,16 Euro
monatlich
[…]
(5) Von den Gebühren nach Abs. 1 sind auf Antrag jene Rundfunkteilnehmer zu befreien, bei denen die in §§ 47 bis 49 der Anlage zum Fernmeldegebührengesetz (Fernmeldegebührenordnung), BGBl. Nr. 170/1970, genannten Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkgebühr vorliegen.
[…]
Verfahren
§ 6. (1) Die Wahrnehmung der behördlichen Aufgaben nach § 4 Abs. 1 obliegt der Gesellschaft; gegen von der Gesellschaft erlassene Bescheide ist Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig. Das AVG ist anzuwenden.
(2) Im Verfahren über Befreiungen sind die §§ 50, 51 und 53 der Anlage zum Fernmeldegebührengesetz (Fernmeldegebührenordnung), BGBl. Nr. 170/1970, anzuwenden.
[…]“
3.1.4. Die §§ 47 bis 51 der Anlage zum Fernmeldegebührengesetz (Fernmeldegebührenordnung), BGBl. Nr. 170/1970 idF BGBl. I Nr. 70/2016, lauten auszugsweise:
„Befreiungsbestimmungen
§ 47. (1) Über Antrag sind von der Entrichtung
– der Rundfunkgebühr für Radio-Empfangseinrichtungen (§ 3 Abs. 1 1. Untersatz RGG),
– der Rundfunkgebühr für Fernseh-Empfangseinrichtungen (§ 3 Abs. 1 2. Untersatz RGG)
zu befreien:
1. Bezieher von Pflegegeld oder einer vergleichbaren Leistung;
2. Bezieher von Beihilfen nach dem Arbeitsmarktservicegesetz, BGBl. Nr. 313/1994;
3. Bezieher von Leistungen nach pensionsrechtlichen Bestimmungen oder diesen Zuwendungen vergleichbare sonstige wiederkehrende Leistungen versorgungsrechtlicher Art der öffentlichen Hand,
4. Bezieher von Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977,
5. Bezieher von Beihilfen nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz,
6. Bezieher von Beihilfen nach dem Studienförderungsgesetz 1992,
7. Bezieher von Leistungen und Unterstützungen aus der Sozialhilfe oder der freien Wohlfahrtspflege oder aus sonstigen öffentlichen Mitteln wegen sozialer Hilfsbedürftigkeit.
[…]
§ 48. (1) Die Zuerkennung einer Gebührenbefreiung an Personen nach § 47 ist jedoch dann unzulässig, wenn das Haushalts-Nettoeinkommen den für die Gewährung einer Ausgleichszulage für einen Ein- oder Mehrpersonenhaushalt festgesetzten Richtsatz um mehr als 12% übersteigt.
(2) Die Bestimmungen des Abs. 1 finden auf die nach § 47 Abs. 2 Z 1 und Z 2 lit. b anspruchsberechtigte Personengruppe keine Anwendung.
(3) Nettoeinkommen im Sinne des Abs. 1 ist die Summe sämtlicher Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich mit Verlusten und vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge.
(4) Bei Ermittlung des Nettoeinkommens sind Leistungen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, Kriegsopferrenten, Heeresversorgungsrenten, Opferfürsorgerenten, Verbrechensopferrenten sowie Unfallrenten und das Pflegegeld nicht anzurechnen. Nicht anzurechnen sind außerdem die Einkünfte der am Standort einer zu pflegenden Person lebenden Pflegeperson, die aus den Einkünften anderer im Haushalt lebender Personen bestritten werden.
(5) Übersteigt das Nettoeinkommen die für eine Gebührenbefreiung maßgebliche Betragsgrenze nach Abs. 1, kann der Befreiungswerber als abzugsfähige Ausgaben geltend machen:
1. den Hauptmietzins einschließlich der Betriebskosten im Sinne des Mietrechtsgesetzes, des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes und anderer vergleichbarer mieterschützender Gesetze, wobei eine gewährte Mietzinsbeihilfe anzurechnen ist; besteht kein Rechtsverhältnis nach dem Mietrechtsgesetz, dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz oder anderen vergleichbaren mieterschützenden Gesetzen, so ist ein monatlicher Pauschalbetrag in der Höhe von 140,00 Euro als Wohnaufwand anzurechnen,
2. anerkannte außergewöhnliche Belastungen im Sinne der §§ 34 und 35 des Einkommensteuergesetzes 1988, Ausgaben im Zusammenhang mit einer 24-Stunden-Betreuung können auch geltend gemacht werden, wenn der Bezug eines Zuschusses des Sozialministeriumservice zur Unterstützung der 24-Stunden Betreuung nachgewiesen wird.
§ 49. Eine Gebührenbefreiung setzt ferner voraus:
1. Der Antragsteller muss an dem Standort, für welchen er die Befreiung von den Rundfunkgebühren beantragt, seinen Hauptwohnsitz haben,
2. der Antragsteller muss volljährig sein,
3. der Antragsteller darf nicht von anderen Personen zur Erlangung der Gebührenbefreiung vorgeschoben sein,
4. eine Befreiung darf nur für die Wohnung des Antragstellers ausgesprochen werden. In Heimen oder Vereinen nach § 47 Abs. 2 eingerichteten Gemeinschaftsräumen gelten für Zwecke der Befreiung als Wohnung.
§ 50. (1) Das Vorliegen des Befreiungsgrundes ist vom Antragsteller nachzuweisen, und zwar:
1. in den Fällen des § 47 Abs. 1 durch den Bezug einer der dort genannten Leistungen,
[…]
(4) Die GIS Gebühren Info Service GmbH ist berechtigt, den Antragsteller zur Vorlage sämtlicher für die Berechnung des Haushalts-Nettoeinkommens erforderlichen Urkunden aufzufordern.
[…]
§ 51. (1) Befreiungsanträge sind unter Verwendung des hiefür aufgelegten Formulars bei der GIS Gebühren Info Service GmbH einzubringen. Dem Antrag sind die gemäß § 50 erforderlichen Nachweise anzuschließen.
[…]“
3.2. In Bezug auf den Beschwerdefall enthält demnach die Fernmeldegebührenordnung eine Verpflichtung des Antragstellers, für die Gewährung der Befreiung von der Entrichtung der Rundfunkgebühr den Befreiungsgrund durch den Bezug einer der in § 47 Abs. 1 Fernmeldegebührenordnung genannten Leistungen nachzuweisen, und berechtigt die belangte Behörde, den Antragsteller zur Vorlage sämtlicher für die Berechnung des Haushalts-Nettoeinkommens erforderlichen Urkunden aufzufordern. Die erforderlichen Nachweise sind gemäß § 51 Abs. 1 zweiter Satz Fernmeldegebührenordnung dem Antrag anzuschließen.
3.3. Wenn die belangte Behörde einen Antrag zurückweist, ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (vgl. VwGH 27.08.2020, Ra 2020/15/0035; 29.01.2020, Ra 2019/09/0118; 12.09.2007, 2005/03/0205).
3.4. Gemäß § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.
Die von der Behörde gesetzte Frist muss zur Vorlage bereits vorhandener Unterlagen angemessen sein, nicht aber zur Beschaffung dieser Unterlagen (VwGH 26.07.2012, 2008/07/0101; 31.08.1999, 99/05/0143).
§ 13 Abs. 3 AVG dient dem Schutz der Parteien vor Rechtsnachteilen, die ihnen aus Anbringen entstehen können, die aus Unkenntnis der Rechtslage oder infolge eines Versehens mangelhaft sind (vgl. VwGH 13.11.2012, 2012/05/0184; 21.09.2010, 2010/11/0108).
Eine Behörde hat nur dann nach § 13 Abs. 3 AVG vorzugehen, wenn das Anbringen einen „Mangel“ aufweist, also von Anforderungen des Materiengesetzes an ein vollständiges, fehlerfreies Anbringen abweicht. Was unter einem Mangel schriftlicher Eingaben iSd § 13 AVG zu verstehen ist, muss der in Betracht kommenden Verwaltungsvorschrift entnommen werden. Als Mangel ist insbesondere das Fehlen von Belegen anzusehen, wenn die Parteien aufgrund des Gesetzes erkennen konnten, welche Unterlagen erforderlich sind (VwGH 16.09.2009, 2008/05/0206).
§ 13 Abs. 3 AVG gibt der Behörde nicht die uneingeschränkte Ermächtigung, unter allen Umständen alle Unterlagen, die einem Ansuchen nach dem Gesetz anzuschließen sind, zu verlangen, sondern erlaubt nur diejenigen anzufordern, die für die Entscheidung des Parteibegehrens notwendig sind (vgl. zB VwGH 14.10.2013, 2013/12/0079).
Die Behörde hat im Verbesserungsauftrag konkret und unmissverständlich anzugeben, welche vom Gesetz geforderten Eigenschaften dem Anbringen fehlen (vgl. VwGH 14.10.2013, 2013/12/0079; 22.05.2012, 2008/04/0208; 07.09.2009, 2009/04/0153; 30.10.2008; 2007/07/0075; 27.05.2007, 2005/11/0216). Ferner muss ein Verbesserungsauftrag konkret sein und eine unmissverständliche Aufforderung enthalten, welche Mängel zu beheben sind (siehe VwGH 27.03.2007, 2005/11/0216; 21.06.2021, Ra 2021/04/0011).
Folglich ist zu prüfen, ob 1.) der verfahrensgegenständliche Antrag im Hinblick auf die Vorlage eines Nachweises der Anspruchsberechtigung bzw. des Haushalts-Nettoeinkommens (§ 51 Abs. 1 Fernmeldegebührenordnung) mangelhaft und insoweit der erteilte Verbesserungsauftrag erforderlich war, 2.) ob der Verbesserungsauftrag den Anforderungen des § 13 Abs. 3 AVG iSd zitierten Judikatur entsprach und 3.) ob ein korrekt erteilter Verbesserungsauftrag vom Beschwerdeführer nicht befolgt wurde. Erst wenn alle diese drei Prüfungsschritte zu bejahen sind, erweist sich die Zurückweisung als rechtsgemäß.
3.5.1. Der Beschwerdeführer schloss seinem Antrag seinen Behindertenpass und seinen Einkommensteuerbescheid 2018 an. Allerdings unterließ er es, auch einen – nach § 50 Abs. 4 Fernmeldegebührenordnung geforderten – Einkommensnachweis seiner Haushaltsangehörigen in Vorlage zu bringen.
3.5.2. Die belangte Behörde richtete daher am 12.08.2020 ein Schreiben mit der Aufforderung an den Beschwerdeführer, einen Nachweis über eine im Gesetz genannte Anspruchsgrundlage sowie einen Nachweis über alle Bezüge des Antragstellers bzw. gegebenenfalls aller Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben, nachzureichen. Wörtlich hieß es darin: „Pensionsbezug 2020! sämtliche aktuellen Bezüge auch von XXXX nachreichen[.]“
3.5.3. Der erteilte Verbesserungsauftrag vom 12.08.2020 ist weder hinreichend konkret noch unmissverständlich:
Da der Verbesserungsauftrag nur die Haushaltsangehörige des Beschwerdeführers nennt und der Ausdruck „Pensionsbezug 2020!“ keiner (anderen) Person zugeordnet ist (und zudem nicht klar ist, ob es sich dabei um eine abgeschlossene Phrase handelt, die durch das Ausrufezeichen beendet wird oder das Ausrufezeichen lediglich der Betonung dient), ist der Verbesserungsauftrag geeignet, beim Leser den Eindruck entstehen zu lassen, dass ausschließlich Nachweise der Haushaltsangehörigen des Beschwerdeführers nachzureichen seien. (Daran ändert selbst die Verwendung des Wortes „auch“ nichts, weil nicht zweifelsfrei feststeht, worauf es sich bezieht, vgl. die Formulierung: „Pensionsbezug 2020! [und] sämtliche aktuellen Bezüge auch […] nachreichen.“)
Auch wenn der allgemein gehaltene Teil des Verbesserungsauftrages deutlich darauf hinweist, dass sowohl der Nachweis einer Anspruchsberechtigung als auch ein Einkommensnachweis fehlen, erschließt sich aus dem darunter stehenden Satz nicht eindeutig, welche Nachweise von wem gefordert werden.
Der erteilte Verbesserungsauftrag vom 12.08.2020 entspricht damit nicht den Anforderungen des § 13 Abs. 3 AVG iSd oben zitierten Judikatur.
3.5.4. Ergänzend ist darauf zu verweisen, dass eine Formulierung wie „Pensionsbezug 2020 (!) von XXXX und sämtliche weitere aktuelle Bezüge von XXXX und XXXX bitte nachreichen.“ den Anforderungen des § 13 Abs. 3 AVG entsprochen hätte.
3.5.5. Aus der Stellungnahme der belangten Behörde bzw. des Beschwerdeführers ergaben sich keine Anhaltspunkte für eine von obigen Ausführungen abweichende Beurteilung des Verbesserungsauftrages.
3.6. Ausgehend von diesen Erwägungen war somit nach § 28 Abs. 1, 2 und 5 VwGVG vorzugehen und der angefochtene Bescheid infolge Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Bei einer Aufhebung gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG handelt es sich um eine materielle Erledigung der Rechtssache durch (ersatzlose) Behebung des angefochtenen Bescheides in Form eines Erkenntnisses. Die Behebungsgründe bei einem Vorgehen nach § 28 Abs. 5 VwGVG werden gesetzlich nicht genannt. In Betracht kommen etwa die Unzuständigkeit der Behörde oder die rechtswidrige Zurückweisung eines Antrags analog zum bisherigen Verständnis zu § 66 Abs. 4 AVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 [2018] § 28 VwGVG Anm. 17 und 18 mwN).
Als Folge der Aufhebung des angefochtenen Bescheides ist der verfahrensgegenständliche Antrag auf Befreiung von den Rundfunkgebühren wiederum als unerledigt zu betrachten und die belangte Behörde hat erneut über diesen Antrag zu entscheiden.
3.7. Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Die belangte Behörde wird sohin im fortgesetzten Verfahren - unter Ermittlung der Anspruchsgrundlage und des Haushalts-Nettoeinkommens - zu prüfen haben, ob der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkgebühr iSd §§ 47 ff Fernmeldegebührenordnung erfüllt.
Dabei wird die belangte Behörde auch zu berücksichtigen haben, dass – laut ihren eigenen Angaben – einem neuen Antrag des Beschwerdeführers mittels Bescheid vom 12.04.2021 stattgeben wurde.
3.8. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im vorliegenden Fall gemäß § 24 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 VwGVG abgesehen werden, weil schon auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Zu Spruchpunkt B)
3.9. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe insb VwGH 21.06.2021, Ra 2021/04/0011); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die vorliegende Entscheidung folgt – wie dargelegt – der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
angemessene Frist Behebung der Entscheidung Einkommensnachweis Einkommenssteuerbescheid ersatzlose Behebung Konkretisierung Mängelbehebung mangelhafter Antrag Mangelhaftigkeit Nachreichung von Unterlagen Nachweismangel Pension Rundfunkgebührenbefreiung Verbesserungsauftrag ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W234.2236663.1.00Im RIS seit
15.12.2021Zuletzt aktualisiert am
15.12.2021