TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/30 W232 2237833-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.09.2021
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Entscheidungsdatum

30.09.2021

Norm

AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
BFA-VG §9
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch


W232 2237833-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Simone BÖCKMANN-WINKLER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien und Nordmazedonien, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.11.2020, Zl. 105393202-181120742, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.07.2021 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

II. In Erledigung der Beschwerde wird festgestellt, dass gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG eine den Beschwerdeführer betreffende Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

XXXX wird gemäß § 58 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 1 und § 54 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Serbien und Mazedonien (Doppelstaatsbürgerschaft), verfügte in Österreich seit 2012 über einen Aufenthaltstitel gemäß Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) mit dem Zweck „Familienangehöriger“, zuletzt mit Gültigkeit bis 26.07.2018.

2. Vor Ablauf der Gültigkeitsdauer brachte er am 13.07.2018 bei der MA 35 einen Verlängerungsantrag ein. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens ergab sich, dass es sich bei dem vom Beschwerdeführer vorgelegten A2 Sprachzertifikat um eine Totalfälschung handelte und dieses bereits im Jahr 2015 vorgelegt wurde. Der Sachverhalt wurde zur Anzeige gebracht und wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl darüber in Kenntnis gesetzt.

3. Mit Verfahrensanordnung vom 04.09.2019 wurde dem Beschwerdeführer eine Frist von 4 Wochen zur Vorlage des Nachweises des Modul 1 der Integrationsvereinbarung eingeräumt. Durch den Beschwerdeführer wurde in weiterer Folge eine Bestätigung des ÖSD, die über das Bestehen der Prüfung A1 Grundstufe Deutsch 1 vorgelegt.

4. Am 13.02.2020 fand eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers zur Prüfung der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. Der Beschwerdeführer gab im Wesentlichen an, dass er seit 2012 durchgehend in Österreich lebe. Er sei noch Doppelstaatsbürger von Serbien und Mazedonien aber wolle seine mazedonische Staatsbürgerschaft zurücklegen. Er bemühe sich die Deutschprüfung auf Niveau A2 zu bestehen, jedoch arbeite er auch nebenbei und habe die Prüfung bereits drei Mal nicht bestanden. Er arbeite auf dem Bau und lebe mit seiner Gattin und seinem Stiefsohn in einer Mietwohnung. Er habe keine enge Bindung zu seinem Heimatland. In Mazedonien sei er das letzte Mal vor drei bis vier Jahren gewesen und in Serbien sei er das letzte Mal vor zwei Jahren gewesen um Urlaub zu machen. Seine Eltern und zwei seiner Schwestern würden in Mazedonien leben. In Serbien habe er nur weitschichtige Verwandte.

5. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.02.2020 wurde dem Beschwerdeführer die beabsichtigte Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zur Kenntnis gebracht.

6. Darauf bezugnehmend brachte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers eine Stellungnahme ein und legte eine Bestätigung des ÖIF über die nicht bestandene Integrationsprüfung auf Niveau A2 vom 04.03.2020 vor sowie einen Versicherungsdatenauszug des Beschwerdeführers vom 10.02.2020. In der Stellungnahme wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bereits vier Mal zur Deutschprüfung A2 ohne Erfolg angetreten sei. Der Beschwerdeführer verfüge über eine ausgeprägte Lern- und Schreibschwäche, sei jedoch bemüht die Prüfung positiv zu absolvieren. Der Beschwerdeführer habe in Österreich einen großen Bekannten- und Freundeskreis und sei sozial integriert. Er sei seit neun Jahren im Bundesgebiet aufhältig und sei mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Der Beschwerdeführer lebe mit seiner Gattin und deren beiden Kindern zusammen. Beruflich sei der Beschwerdeführer ebenso voll integriert und arbeite - bis auf die saisonbedingten Unterbrechungen - grundsätzlich durchgehend. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung mangels Vorlage eines Deutschzertifikats und sohin die Trennung von seiner Familie sei in Abwägung der öffentlichen Interessen mit den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers unverhältnismäßig.

7.Mit Schreiben vom 18.03.2020 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer mit, dass bezüglich der behaupteten Lese- und Schreibschwäche ein amtsärztliches Gutachten, innerhalb einer Frist von acht Wochen, vorzulegen sei.

8. Mit dem oben angeführten Bescheid vom 09.11.2020 sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG erlassen werde (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt werde, dass seine Abschiebung nach Serbien, Nordmazedonien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.), und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt III.)

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im Falle des Beschwerdeführers die Tatbestände nach § 52 Abs. 4 Z 1, Z 1a, Z4 und Z 5 FPG vorliegen würden. Der Beschwerdeführer habe durch die Vorlage eines gefälschten Deutschzertifikates versucht sich ein Aufenthaltsrecht zu erschleichen und stelle daher eine Gefahr für die öffentliche Ordnung dar. Ferner habe er bis dato keinen Nachweis über die bestandene Deutschprüfung auf Niveau A2 erbracht. Des Weiteren habe der Beschwerdeführer mehrmals den Arbeitgeber gewechselt und habe Arbeitslosengeld sowie Notstands- und Überbrückungshilfe in Anspruch genommen. Der Beschwerdeführer verfüge zweifelsfrei über ein Familienleben in Österreich, jedoch habe er gewusst, dass sein Aufenthalt nur bei Vorliegen der Voraussetzungen verlängert werde. Zudem habe der Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit, während eines aufrechten Aufenthaltsverbotes, getrennt von seiner Gattin gelebt. Dieser Umstand zeige, dass die Ehe des Beschwerdeführers trotz jahrelanger Trennung aufrechterhalten werden könne und ihm daher eine kurzzeitige Trennung zumutbar sei. Ferner habe der Beschwerdeführer jahrelang in Nordmazedonien gelebt und sei dort sozialisiert worden. Er sei mit den Gepflogenheiten des Landes vertraut und könne sich dort in seiner Muttersprache verständigen. Zudem habe der Beschwerdeführer sowohl in Serbien, als auch in Nordmazedonien Angehörige. Insgesamt seien die individuellen Interessen des Beschwerdeführers im Sinne des Art. 8 EMRK nicht derart ausgeprägt, dass die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der fremdenpolizeilichen und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen höher zu werten wären.

9. Mit Schreiben vom 04.12.2020 wurde gegen den genannten Bescheid Beschwerde erhoben, in welcher zusammengefasst vorgebracht wird, dass der Beschwerdeführer sich nach wie vor bemühe die Deutschprüfung auf A2 zu erbringen. Er arbeite in Österreich auf Baustellen und komme für seinen Lebensunterhalt selbstständig auf. Die Ehefrau des Beschwerdeführers sei krankheitsbedingt nicht berufstätig und auf finanzielle Unterstützung durch ihren Ehemann angewiesen. Der Beschwerdeführer werde ein fachärztliches Gutachten über seine Lese- und Schreibschwäche vorlegen. Aufgrund einer Terminverschiebung seitens der MA 15 in Zusammenhang mit der Covid-19 Pandemie habe der Beschwerdeführer bis dato noch keine fachärztliche Bestätigung erhalten können.

10. Am 30.07.2021 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seines Rechtvertreters sowie einer Dolmetscherin für die Sprache Serbisch statt, anlässlich der der Beschwerdeführer einvernommen wurde. Vom Beschwerdeführer vorgelegt und zum Akt genommen wurden ein Empfehlungsschreiben seines Arbeitgebers, ein Konvolut an Verdienstnachweisen und ein Versicherungsdatenauszug vom 28.07.2021.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister und Strafregister und einen Auszug des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger von Serbien und Nordmazedonien.

Der Beschwerdeführer wurde in Nordmazedonien geboren und verbrachte dort bis zu seiner erstmaligen Einreise in das österreichische Bundesgebiet sein Leben. Ab Juni 1992 hielt sich der Beschwerdeführer für einige Jahre in Österreich auf und verließ aufgrund einer Abschiebung und eines 10-jährigen Aufenthaltsverbotes das Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich seit 2012 über einen Aufenthaltstitel gemäß Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) mit dem Zweck „Familienangehöriger“, zuletzt mit Gültigkeit bis 26.07.2018. Am 13.07.2018 stellte er erneut einen Verlängerungsantrag.

Der Beschwerdeführer war in Österreich - mit Unterbrechungen - bei verschiedenen Dienstgebern beschäftigt und befindet sich seit Februar 2021 in einem aufrechten Dienstverhältnis als Bauarbeiter, wobei sein Verdienst die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955) übersteigt.

Der Beschwerdeführer bestreitet selbstständig seinen Lebensunterhalt.

Der Beschwerdeführer spricht Mazedonisch (Muttersprache), Serbisch und Deutsch. Der Beschwerdeführer hat Deutschkenntnisse auf Niveau A1 in Form eines ÖIF-Sprachzertifikates nachgewiesen. Er hat die ÖIF-Integrationsprüfung auf Niveau A2 vier Mal nicht bestanden. Die mündlichen Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers übersteigen jedoch deutlich das Niveau A1.

Er hat in seinem Herkunftsstaat Nordmazedonien noch Familienangehörige (Eltern und zwei Schwestern). In Serbien leben weitere Verwandte des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer steht in regelmäßigen telefonischem Kontakt zu seinen in Nordmazedonien lebenden Familienangehörigen.

In Österreich leben die Tante des Beschwerdeführers und deren Sohn sowie der Onkel des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer ist geschieden und hat einen leiblichen Sohn aus erster Ehe. Zu seinem Sohn aus erster Ehe hat der Beschwerdeführer keinen Kontakt. Der Beschwerdeführer ist seit März 2002 mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet und lebt mit ihr und seinem (erwachsenen) Stiefsohn seit 2012 im Bundesgebiet in gemeinsamen Haushalt. Die Ehefrau des Beschwerdeführers bezieht eine Invaliditätspension und benötigt im Alltag die Hilfe des Beschwerdeführers. Des Weiteren unterstützt der Beschwerdeführer seine Gattin finanziell.

Im Strafregister der Republik Österreich scheinen keine Verurteilungen auf.

2. Beweiswürdigung:

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seines im Original in Vorlage gebrachten (und sich in Kopie im Akt befindlichen) mazedonischen Reisepasses, fest (AS 177-179).

Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen des Beschwerdeführers, seinen Lebensumständen im Bundesgebiet und dem Kontakt zum Heimatstaat sowie der sozialen und beruflichen Integration im Bundesgebiet basieren maßgeblich auf dem Akteninhalt in Zusammenschau mit den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellungen zu den Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers gründen auf dem vom Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck sowie seinen diesbezüglichen Angaben (vgl. Verhandlungsschrift S. 2). Da beinahe die gesamte mündliche Verhandlung in deutscher Sprache abgehalten werden konnte, war die Feststellung zu treffen, dass die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers das Niveau A1 deutlich übersteigen.

Die Feststellungen zum Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers seit 2012 ergibt sich aus dem diesbezüglich unzweifelhaften Akteninhalt.

Dass der Beschwerdeführer selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommt, ergibt sich aus dem vorgelegten Versicherungsdatenauszug und dem Empfehlungsschreiben seines derzeitigen Arbeitgebers.

Dass der Beschwerdeführer verheiratet ist, konnte aufgrund der vorgelegten Heiratsurkunde festgestellt werden (vgl. AS 180).

Die Feststellung, dass im Strafregister der Republik Österreich keine Verurteilungen aufscheinen ergibt sich aus dem im Akt einliegenden Strafregisterauszug.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

Der mit „Rückkehrentscheidung“ betitelte § 52 FPG Abs. 4 2005 lautet wie folgt:

„Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1.         nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,
1a.         nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,
2.         ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
3.         ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
4.         der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder
5.         das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.“

Der mit „Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel“ betitelte § 11 NAG lautet in den Absätzen 1 und 2 wie folgt:

„§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn
1.         gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;
2.         gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;
3.         gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;
4.         eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;
5.         eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder
6.         er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn
1.         der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;
2.         der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;
3.         der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;
4.         der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;
5.         durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden;
6.         der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, rechtzeitig erfüllt hat, und
7.         in den Fällen der §§ 58 und 58a seit der Ausreise in einen Drittstaat gemäß § 58 Abs. 5 mehr als vier Monate vergangen sind.

(…).“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1.         die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2.         das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3.         die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4.         der Grad der Integration,
5.         die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6.         die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7.         Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8.         die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9.         die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und des Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Der Verfassungsgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass bereits die Ausweisung, nicht erst deren Vollzug einen Eingriff in das durch Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt (vgl. die bei Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, S 344 zitierte Judikatur des VfGH).

Entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte als auch jener des Verfassungsgerichtshofes muss der Eingriff hinsichtlich des verfolgten legitimen Ziels verhältnismäßig sein.

Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. etwa VwGH 5.12.2018, Ra 2018/20/0371, mwN).

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen eines Menschen zu verstehen (vgl. EGMR 15.01.2007, Sisojeva ua. gegen Lettland, Appl. 60654/00). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass "der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. etwa VwGH 25.4.2018, Ra 2018/18/0187; 6.9.2017, Ra 2017/20/0209; 30.8.2017, Ra 2017/18/0070 bis 0072; 20.6.2017, Ra 2017/22/0037, jeweils mwN).

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Serbiens und Nordmazedoniens und befindet sich seit 2012 im österreichischen Bundesgebiet. Er hält sich somit nunmehr seit über neun Jahren in Österreich auf. In dieser Zeit war er beinahe durchgehend im Bundesgebiet gemeldet und blieb strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer pflegt zwar telefonischen Kontakt zu seinen in Nordmazedonien lebenden Eltern und Schwestern, jedoch ist eine ausgeprägte familiäre oder soziale Bindung zum Heimatland im Rahmen des Verfahrens nicht hervorgekommen, zumal der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben zuletzt vor fünf Jahren in Nordmazedonien gewesen ist.

Das erkennende Gericht verkennt nicht, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Verlängerungsanträge seiner Aufenthaltstitel bei der MA 35 bereits im Jahr 2015 und dann erneut im Jahr 2018 ein gefälschtes Sprachzertifikat vorgelegt hat. Grundsätzlich kommt den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK - vgl. VwGH 9.3.2003, 2002/18/0293) ein hoher Stellenwert zu. Unter Beachtung aller maßgeblichen Faktoren ist jedoch im vorliegenden Fall ein Überwiegen der individuellen Interessen des Beschwerdeführers im Hinblick auf Art. 8 EMRK zu erkennen.

Dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, wonach eine Trennung von einem österreichischen oder in Österreich dauerhaft niedergelassenen Ehepartner alleine wegen eines unrechtmäßigen Aufenthaltes nicht verhältnismäßig ist. Eine solche Trennung ist im Ergebnis nur dann gerechtfertigt, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme insgesamt ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, wie etwa bei Straffälligkeit des Fremden oder bei einer von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regelungen über eine geordnete Zuwanderung und den "Familiennachzug" (Hinweis E 20. Oktober 2016, Ra 2016/21/0271).

Dazu ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer seit der Erstbewilligung am 21.08.2012 einen gültigen Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ innehatte, womit er sich grundsätzlich rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Das persönliche Interesse am Verbleib in Österreich nimmt ferner mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zu. Dennoch ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären und sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2015, Zl. Ra 2015/19/0247).

„Folgende Umstände - zumeist in Verbindung mit anderen Aspekten - stellen Anhaltspunkte dafür dar, dass der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit zumindest in gewissem Ausmaß genützt hat, um sich zu integrieren: Erwerbstätigkeit des Fremden (vgl. E 26. Februar 2015, Ra 2014/22/0025; E 18. Oktober 2012, 2010/22/0136; E 20. Jänner 2011, 2010/22/0158), das Vorhandensein einer Beschäftigungsbewilligung (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253), eine Einstellungszusage (vgl. E 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165; E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082), das Vorhandensein ausreichender Deutschkenntnisse (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253; E 14. April 2016, Ra 2016/21/0029 bis 0032), familiäre Bindungen zu in Österreich lebenden, aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen (vgl. E 23. Mai 2012, 2010/22/0128; (betreffend nicht zur Kernfamilie zählende Angehörige) E 9. September 2014, 2013/22/0247), ein Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich bzw. die Vorlage von Empfehlungsschreiben (vgl. E 18. März 2014, 2013/22/0129; E 31. Jänner 2013, 2011/23/0365), eine aktive Teilnahme an einem Vereinsleben (vgl. E 10. Dezember 2013, 2012/22/0151), freiwillige Hilfstätigkeiten (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253), ein Schulabschluss (vgl. E 16. Oktober 2012, 2012/18/0062) bzw. eine gute schulische Integration in Österreich (vgl. E, 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253; E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082) oder der Erwerb des Führerscheins (vgl. E 31. Jänner 2013, 2011/23/0365)." (vgl. VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005).

Der Beschwerdeführer ist wie bereits ausgeführt seit über neun Jahren durchgehend im Bundesgebiet aufhältig und hat nach Ansicht der erkennenden Richterin die in Österreich verbrachte Zeit gut genützt um sich sozial und beruflich zu integrieren. Der Beschwerdeführer war in Österreich - mit Unterbrechungen - bei verschiedenen Dienstgebern beschäftigt und befindet sich seit Februar 2021 in einem aufrechten Dienstverhältnis als Bauarbeiter, wobei sein Verdienst die monatliche Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG übersteigt. Aus dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom Beschwerdeführer vorgelegten Empfehlungsschreiben geht zudem hervor, dass sein derzeitiger Arbeitgeber mit der Arbeit des Beschwerdeführers sehr zufrieden ist und darauf hofft, dass der Beschwerdeführer weiter im Unternehmen bleiben kann.

Ferner verfügt der Beschwerdeführer über gute Deutschkenntnisse. Die Verständigung im Rahmen der mündlichen Verhandlung war auch ohne Hilfe der anwesenden Dolmetscherin problemlos möglich. Der Beschwerdeführer konnte zwar nur ein Sprachzertifikat auf Niveau A1 vorlegen, jedoch zeigt sich durch das mehrmalige Antreten zur Integrationsprüfung A2 der Wille des Beschwerdeführers an seinen Sprachkenntnissen weiterzuarbeiten.

Angesichts der langdauernden Beziehung mit seiner Ehegattin - einer österreichischen Staatsbürgerin - die er im März 2002 geheiratet und mit der er seit 2012 im gemeinsamen Haushalt lebt, führt der Beschwerdeführer unzweifelhaft ein Familienleben im österreichischen Bundesgebiet.

Der Verwaltungsgerichtshof sprach bereits wiederholt aus, dass der Bindung eines Fremden an einen österreichischen Ehepartner im Rahmen der Abwägung nach Art. 8 EMRK große Bedeutung zukommt (siehe VwGH 19.12.2012, 2012/22/0218; 26.02.2013, 2012/22/0229; 20.08.2013, 2012/22/0123.)

Zudem unterstützt der Beschwerdeführer seine Gattin finanziell und ist die Gattin des Beschwerdeführers aufgrund ihrer Invalidität auch im Alltag (insbesondere bei alltäglichen Besorgungen und Arztbesuchen) auf seine Hilfe angewiesen, weshalb ein Abhängigkeitsverhältnis zum Beschwerdeführer besteht.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist sohin davon auszugehen, dass das persönliche Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet das öffentliche Interesse an der Beendigung seines Aufenthaltes überwiegt.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG 2005 stellt sohin eine Verletzung des Rechts des Beschwerdeführers auf ein Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar.

Im Ergebnis war der Beschwerde sohin stattzugeben und im Sinne der zugunsten des Beschwerdeführers ausfallenden Interessenabwägung nach § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG festzustellen, dass eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer auf Dauer unzulässig ist.

Zur Erteilung eines Aufenthaltstitels „Aufenthaltsberechtigung plus“:

Der mit „Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK“ betitelte § 55 AsylG 2005 lautet wie folgt:

„(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn
1.         dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2.         der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.“

Der Beschwerdeführer übt zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit aus, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird, weshalb ihm gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen ist.

Aufgrund der Erteilung eines Aufenthaltstitels war der bekämpfte Bescheid ersatzlos gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG zu beheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus Aufenthaltsdauer Deutschkenntnisse ersatzlose Behebung Familienleben Integration Interessenabwägung Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig Rückkehrentscheidung behoben Selbsterhaltungsfähigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W232.2237833.1.00

Im RIS seit

13.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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