TE Vwgh Erkenntnis 2021/11/16 Ra 2021/03/0044

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Veröffentlicht am 16.11.2021
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Index

L65007 Jagd Wild Tirol
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §8
JagdG Tir 2004 §11 Abs4
JagdG Tir 2004 §4
JagdG Tir 2004 §4 Abs2
JagdG Tir 2004 §5
JagdG Tir 2004 §5 Abs5
JagdG Tir 2004 §5 Abs5 litd
JagdG Tir 2004 §62b
JagdG Tir 2004 §8
JagdG Tir 2004 §9 Abs1
VwGG §26 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Agrargemeinschaft G in G, vertreten durch Mag. Ferdinand Kalchschmid, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 2-4/3. Stock, gegen das am 18. Februar 2021 mündlich verkündete und am 25. Februar 2021 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol, Zl. LVwG-2019/46/2157-5, betreffend Feststellung einer Eigenjagd (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Innsbruck; mitbeteiligte Partei: T M in G, vertreten durch Dr. Ewald Jenewein, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Brixner Straße 2), zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Erkenntnis wird dahin abgeändert, dass die Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 4. Juli 2019, IL-JA.FEST-22/6-2019, zurückgewiesen wird.

Die als Revision zu wertende Revisionsbeantwortung der belangten Behörde wird zurückgewiesen.

Das Land Tirol hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Antrag der revisionswerbenden Partei, eingelangt bei der belangten Behörde am 17. Mai 2017, begehrte diese die Feststellung des Eigenjagdgebietes G.

2        Im Verfahren vor der belangten Behörde wurde die Kundmachung der mündlichen Verhandlung auch dem Mitbeteiligten als Bezirksjägermeister zur Kenntnis gebracht. Der Mitbeteiligte nahm auch an der mündlichen Verhandlung teil und brachte in der Verhandlung Bedenken zur Bejagbarkeit der neu festzustellenden Eigenjagd vor.

3        Mit Bescheid vom 4. Juli 2019 stellte die belangte Behörde gemäß § 4 Abs. 2 iVm § 5 Abs. 5 Tiroler Jagdgesetz 2004 (TJG 2004) fest, dass die Grundstücke Nr. 461/1, 461/2, 461/3, 461/4 und 461/5, welche sich im Alleineigentum der revisionswerbenden Partei befänden und in der EZ 28, KG G, innelägen, das Eigenjagdgebiet G im Ausmaß von 137,6291 ha bildeten.

4        Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol. In dieser brachte er vor, dass er mit einem näher bezeichneten Grundstück Mitglied der Jagdgenossenschaft G und damit als Grundeigentümer von der Eigenjagdfeststellung unmittelbar betroffen sei. Darüber hinaus sei er der für das beantragte Jagdgebiet zuständige Bezirksjägermeister. Der Mitbeteiligte wandte sich in der Beschwerde gegen die unterlassene Berücksichtigung einer von ihm in seiner Funktion als Bezirksjägermeister erstatteten fachlichen Stellungnahme zum eingeholten Amtssachverständigengutachten sowie gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 5 lit. a und c TJG 2004.

5        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde Folge, behob den Bescheid und wies den Antrag der revisionswerbenden Partei auf Feststellung des Eigenjagdgebietes als unbegründet ab (Spruchpunkt 1.). Darüber hinaus erklärte es (unter Spruchpunkt 2.) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig.

6        Das Verwaltungsgericht stellte fest, das beantragte Eigenjagdgebiet setze sich zur Gänze aus Flächen der Genossenschaftsjagd G zusammen. Das Grundstück Nr. 406 sei über einen Grenzpunkt mit der Genossenschaftsjagd G verbunden und von dieser mitumfasst. Im Übrigen sei das genannte Grundstück zur Gänze von der Eigenjagd L umschlossen. Die gegenständlichen, in der EZ 28, KG G, einliegenden Grundstücke bildeten eine zusammenhängende land- oder forstwirtschaftlich nutzbare Grundfläche im Ausmaß von mindestens 115 ha. Durch die beantragte Feststellung der Eigenjagd komme es zum Entstehen einer rund 3,5 ha großen Exklave (Grundstück Nr. 406) im Grenzbereich zur Eigenjagd L, welche infolge einer positiven Erledigung einer Angliederung zugeführt werden müsste. Der Mitbeteiligte sei Alleineigentümer eines näher bezeichneten Grundstückes, welches von der Genossenschaftsjagd G mitumfasst sei.

7        In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Beschwerdelegitimation des Mitbeteiligten als Eigentümer eines von der Genossenschaftsjagd G umfassten Grundstückes ergebe sich - in Anlehnung an die näher zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - daraus, dass das Grundstück des Mitbeteiligten feststellungsgemäß von der Genossenschaftsjagd mitumfasst sei, sich die beantragte Eigenjagd zur Gänze aus Flächen dieser Genossenschaftsjagd zusammensetze und der Mitbeteiligte aufgrund der Ausweitung des Kreises der Verfahrensparteien durch § 5 Abs. 5 lit. d TJG 2004 als Partei zu qualifizieren sei. Zum Einwand der revisionswerbenden Partei, die Parteistellung des Mitbeteiligten sei jedenfalls präkludiert, sei festzuhalten, dass der Mitbeteiligte dem Feststellungsverfahren ausnahmslos in seiner Funktion als Bezirksjägermeister beigezogen worden sei. Eine persönliche Verständigung des Mitbeteiligten als Grundeigentümer sei unterblieben. Darüber hinaus habe die belangte Behörde die Voraussetzung einer „doppelten Kundmachung“ der mündlichen Verhandlung gemäß § 42 Abs. 1 AVG für den Eintritt der Präklusion unberücksichtigt gelassen. Da der Mitbeteiligte auch nicht rechtzeitig eine persönliche Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten habe, sei dessen Parteistellung nicht präkludiert.

8        Zu den weiteren Voraussetzungen der Feststellung einer Eigenjagd sei auszuführen, dass die Materialien zu § 5 Abs. 5 lit. d TJG 2004 als Beispiel für einen Fall, in dem Dritte durch eine Eigenjagdfeststellung in ihren rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen unverhältnismäßig beeinträchtigt werden, ausdrücklich auch jenen Fall nennen würden, wonach aufgrund der Feststellung des neuen Eigenjagdgebietes übrig bleibende Flächen an das neu festgestellte Jagdgebiet oder an andere Jagdgebiete anzugliedern wären. Träfe dies zu, wäre die Voraussetzung nach § 5 Abs. 5 lit. d TJG 2004 nicht erfüllt und der Antrag auf Feststellung des Eigenjagdgebietes schon deshalb abzuweisen (Hinweis auf VwGH 20.11.2019, Ro 2019/03/0018 sowie VwGH 28.1.2020, Ra 2019/03/0121). Bei Feststellung des beantragten Eigenjagdgebietes bilde das Grundstück Nr. 406 eine Exklave, die aufgrund ihrer Größe und Lage gemäß § 4 Abs. 3 und § 8 Abs. 1 TJG 2004 einem umliegenden Jagdgebiet anzugliedern wäre. Insofern würden in Ansehung der zitierten Judikatur durch die Feststellung der in Rede stehenden Grundstücke als Eigenjagdgebiet Dritte in ihren rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen unverhältnismäßig beeinträchtigt, weshalb die Voraussetzungen des § 5 Abs. 5 lit. d TJG 2004 im vorliegenden Fall nicht erfüllt wären und der Antrag auf Feststellung des Eigenjagdgebietes bereits aus diesem Grund abzuweisen sei.

9        Dagegen richtet sich die vorliegende Revision der Agrargemeinschaft, die zur Zulässigkeit ein Abweichen von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorbringt, nach welcher lediglich eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Dritter die Feststellung eines Eigenjagdgebietes verhindern könne. Tatsächlich liege eine solche unverhältnismäßige Beeinträchtigung gegenständlich nicht vor. Denn erst die Schaffung einer Exklave, nicht aber der unveränderte Fortbestand einer solchen führe zu einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung Dritter (Hinweis auf VwGH 20.11.2019, Ro 2019/03/0018). Darüber hinaus komme dem Mitbeteiligten, der lediglich Mitglied der Jagdgenossenschaft und Bezirksjägermeister sei, keine Parteistellung zu, weshalb die von ihm erhobene Beschwerde zurückzuweisen gewesen wäre. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht dem Mitbeteiligten subjektive öffentliche Rechte eingeräumt.

10       Die belangte Behörde erstattete eine als Revisionsbeantwortung bezeichnete Äußerung, in der sie sich im Wesentlichen der Auffassung der Revision anschließt und insbesondere geltend macht, dass bloßen Mitgliedern einer Jagdgenossenschaft keine Parteistellung im Verfahren zur Feststellung einer Eigenjagd zukomme. Die belangte Behörde stellt in diesem Schriftsatz den Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

11       Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12       Die Revision ist mit Blick auf die Frage der Beschwerdelegitimation des Mitbeteiligten zulässig; sie ist auch begründet.

13       Die maßgeblichen Bestimmungen des TJG 2004, LGBl. Nr. 34/2006, in der Fassung LGBl. Nr. 116/2020, lauten (auszugsweise):

2. Abschnitt

Jagdgebiete, Jagdausübung

§ 4

Feststellung des Jagdgebietes

[...]

(2) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat festzustellen, ob nach Maßgabe der Bestimmungen der §§ 5 und 6 ein Eigenjagdgebiet oder ein Genossenschaftsjagdgebiet vorliegt. Die Feststellung eines Eigenjagdgebietes hat jedoch nur auf Antrag des Grundeigentümers zu erfolgen. Vor der Feststellung eines Eigenjagdgebietes nach § 5 Abs. 5 ist der Bezirksjagdbeirat zu hören.

[...]

§ 5

Eigenjagdgebiet

[...]

(4) Sofern nicht die Voraussetzungen der Abs. 1 bis 3 vorliegen, ist ein Eigenjagdgebiet eine demselben Eigentümer (physische oder juristische Person oder Mehrheit von Personen) gehörige zusammenhängende land- oder forstwirtschaftlich nutzbare Grundfläche von mindestens 300 Hektar, gleichgültig, ob sie in der gleichen Ortsgemeinde liegt oder nicht.

(5) Abweichend vom Abs. 4 ist eine demselben Eigentümer (physische oder juristische Person oder Mehrheit von Personen) gehörige zusammenhängende land- oder forstwirtschaftlich nutzbare Grundfläche im Ausmaß von mindestens 115 Hektar dann ein Eigenjagdgebiet, wenn

a)   sich nach Einstands- und Äsungsbedingungen zumindest eine Schalenwildart ganzjährig als Standwild halten kann und die abschussplanmäßige Nutzung zumindest einer Schalenwildart möglich ist,

b)   Interessen der Landeskultur der Feststellung als Eigenjagdgebiet nicht entgegenstehen,

c)   die ordnungsgemäße Jagdausübung auf den betroffenen Grundflächen und den benachbarten Jagdgebieten nicht wesentlich erschwert wird und

d)   Dritte dadurch in ihren rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden.

[...]

§ 6

Genossenschaftsjagdgebiet

(1) Alle in einer Ortsgemeinde liegenden Grundflächen, die nicht als Eigenjagdgebiete festgestellt sind, bilden das Genossenschaftsjagdgebiet, wenn sie zusammenhängen (§ 9 Abs. 1) und mindestens 500 Hektar umfassen. Grundflächen, die einem Jagdgebiet angegliedert sind, und Grundflächen, auf denen die Jagd ruht, sind bei der Berechnung der Größe des Genossenschaftsjagdgebietes nicht mitzuzählen.

[...]

§ 9

Zusammenhang, Unterbrechung und Zusammenlegung

(1) Eine Grundfläche ist zusammenhängend, wenn man von einem Grundstück zum anderen gelangen kann, ohne fremden Grund zu betreten. Der Zusammenhang von Grundstücken ist auch dann gegeben, wenn sie nur in einem Punkt zusammenstoßen. Inseln gelten als mit den Ufergrundstücken zusammenhängend.

[...]

§ 11

Jagdausübung

[...]

(4) Auf einem Genossenschaftsjagdgebiet steht die Ausübung des Jagdrechtes der Jagdgenossenschaft zu. Sie hat die Ausübung des Jagdrechtes zu verpachten, sofern es nicht durch einen bestellten Jagdleiter selbst ausgeübt wird (Eigenbewirtschaftung).

[...]“

14       Zunächst ist festzuhalten, dass der Mitbeteiligte dem behördlichen Verfahren nicht als Partei zugezogen wurde, sondern in seiner Eigenschaft als Bezirksjägermeister vom Verfahren verständigt wurde. Er hat in dieser Funktion (sowie als „Mitglied der Jagdgenossenschaft“) auch als Beteiligter an der mündlichen Verhandlung teilgenommen und dort eine Stellungnahme zur Frage der Bejagbarkeit der neu festzustellenden Eigenjagd abgegeben.

15       Die Aufgaben und Befugnisse des Bezirksjägermeisters ergeben sich im Wesentlichen aus § 62b TJG 2004. Eine Mitwirkung an der Feststellung von Eigenjagden kommt dem Bezirksjägermeister nach dem TJG 2004 nicht zu. Die Bestimmungen des TJG 2004 räumen dem Bezirksjägermeister weder subjektive Rechte im Verfahren zur Eigenjagdfeststellung noch ein Beschwerderecht gegen die in diesem Verfahren erlassenen Bescheide ein.

16       Auch soweit der Mitbeteiligte in seiner Revision darauf hinweist, dass der Bezirksjagdbeirat vor der Feststellung eines Eigenjagdgebietes nach § 5 Abs. 5 TJG 2004 zu hören ist und er als Bezirksjägermeister dem Bezirksjagdbeirat angehört (der die Feststellung des Eigenjagdgebietes einstimmig nicht befürwortet habe), vermag dies keine (individuelle) Beschwerdelegitimation des Mitbeteiligten zu begründen.

17       Ein Beschwerderecht kam dem Mitbeteiligten daher weder als Bezirksjägermeister noch als Mitglied des Bezirksjagdbeirats zu.

18       Damit bleibt zu prüfen, ob der Mitbeteiligte als Mitglied der Jagdgenossenschaft berechtigt war, Beschwerde gegen den Bescheid über die Feststellung des Eigenjagdgebietes zu erheben.

19       Voraussetzung für die Feststellung eines Eigenjagdgebietes nach § 5 Abs. 5 TJG 2004 ist unter anderem, dass Dritte in ihren rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden (§ 5 Abs. 5 lit. d TJG 2004). Da dieses Tatbestandselement die rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen Dritter ausdrücklich gesetzlich schützt, kommt nach den Gesetzesmaterialien den Betroffenen im Feststellungsverfahren Parteistellung zu. Diese können auch wirtschaftliche Interessen im Verwaltungsverfahren zulässigerweise einwenden (vgl. ErlRV 161/15 BlgLT 16. GP 4). Durch die ausdrückliche Aufnahme von (auch) wirtschaftlichen Interessen Dritter wurde eine Ausweitung des Kreises der Verfahrensparteien vorgesehen (vgl. VwGH 10.10.2018, Ro 2018/03/0030).

20       Eine Parteistellung des Mitbeteiligten und eine daraus resultierende Beschwerdelegitimation kämen nach den oben wiedergegebenen Gesetzesmaterialien daher dann in Betracht, wenn dieser durch die Eigenjagdfeststellung in seinen rechtlichen oder wirtschaftlichen Interessen unverhältnismäßig beeinträchtigt würde.

21       Soweit dazu im angefochtenen Erkenntnis auf die Frage der durch die Eigenjagdfeststellung entstehende Exklave eingegangen wird, ist zunächst festzuhalten, dass sich aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichts sowie aus dem im Erkenntnis abgedruckten Lageplan ergibt, dass das Grundstück Nr. 406 derzeit über einen Grenzpunkt mit der Genossenschaftsjagd verbunden und von dieser mitumfasst ist. Im Übrigen ist dieses Grundstück zur Gänze von einer anderen Eigenjagd umschlossen. Da gemäß § 9 Abs. 1 TJG 2004 ein Zusammenhang von Grundstücken auch dann gegeben ist, wenn sie nur in einem Punkt zusammenstoßen, würde das Grundstück Nr. 406 durch die Feststellung des Eigenjagdgebietes zu einer Exklave werden, die nach § 8 TJG 2004 an ein anderes Jagdgebiet anzugliedern wäre. Entgegen der Auffassung der revisionswerbenden Partei ist es dabei nicht maßgeblich, ob es sich beim fraglichen Grundstück aufgrund der behaupteten erschwerten Erreichbarkeit bzw. Begehbarkeit bereits bisher um eine Exklave gehandelt hat, sondern es ist darauf abzustellen, ob die Neufeststellung des Eigenjagdgebiets es erfordert, betroffene Grundflächen an ein anderes Jagdgebiet anzugliedern (vgl. VwGH 20.11.2019, Ro 2019/03/0018). Diese vom Verwaltungsgericht zutreffend erkannte inhaltliche Rechtswidrigkeit des Bescheids der belangten Behörde könnte vom Verwaltungsgericht allerdings nur im Falle einer zulässigen Beschwerde aufgegriffen werden.

22       Der Umstand, dass aufgrund der Feststellung des neuen Eigenjagdgebietes eine Exklave entsteht, die an andere Jagdgebiete anzugliedern ist, sodass (auch) dadurch das Jagdgebiet der Genossenschaftsjagd verkleinert wird, stellt jedenfalls eine Beeinträchtigung rechtlicher Interessen der Jagdgenossenschaft dar (vgl. in diesem Sinne VwGH 20.11.2019, Ro 2019/03/0018, unter Hinweis auf ErlRV 161/15 BlgLT 16. GP 4). Diese Beeinträchtigung tritt bei der Jagdgenossenschaft ein, die das Jagdrecht auf der Grundfläche, die aufgrund der Feststellung der neuen Eigenjagd nun an ein anders Jagdgebiet anzugliedern ist, nicht mehr ausüben kann, und die damit in ihren rechtlichen Interessen (§ 11 Abs. 4 TJG 2004) beeinträchtigt ist sowie allenfalls - etwa wegen schlechterer Verpachtbarkeit der Jagd und damit verbunden einem möglicherweise geringeren Pachterlös - auch in wirtschaftlichen Interessen beeinträchtigt sein kann (wobei hier dahingestellt bleiben kann, ab wann von einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung auszugehen wäre). Im vorliegenden Fall wurde von der betroffenen Jagdgenossenschaft, wie aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der belangten Behörde hervorgeht, ein „konkreter wirtschaftlicher oder rechtlicher Verlust [...] nicht benannt.“ Die Jagdgenossenschaft - der im Verfahren zur Feststellung einer Eigenjagd auf bisher zum Genossenschaftsjagdgebiet zählenden Grundflächen Parteistellung zukommt (vgl. etwa VwGH 10.10.2018, Ro 2018/03/0030) und die damit beschwerdeberechtigt ist - hat auch keine Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde erhoben.

23       Der Mitbeteiligte hat in seiner Beschwerde zwar behauptet, als Eigentümer eines näher bezeichneten Grundstückes im Genossenschaftsjagdgebiet von der Feststellung der Eigenjagd „unmittelbar betroffen“ zu sein. Er hat allerdings nicht dargelegt, in welcher Weise er meint, von der Feststellung der Eigenjagd „unmittelbar betroffen“ zu sein, zumal sein Grundstück weiterhin Teil der Genossenschaftsjagd ist und auch nicht etwa eine Angliederung an die neu festgestellte Eigenjagd in Betracht kommt. Eine Beeinträchtigung rechtlicher Interessen des Mitbeteiligten als Mitglied der Jagdgenossenschaft wiederum scheidet schon deshalb aus, weil die Ausübung des Jagdrechts gemäß § 11 Abs. 4 TJG 2004 der Jagdgenossenschaft und nicht den einzelnen Mitgliedern der Jagdgenossenschaft zukommt.

24       Auch eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung seiner wirtschaftlichen Interessen wurde vom Mitbeteiligten im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde oder dem Verwaltungsgericht nicht geltend gemacht. Seine Beschwerde beschränkte sich auf Vorbringen, mit dem der Sache nach das Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 5 lit. a und c TJG 2004 in Zweifel gezogen wird; dasselbe gilt für seine Äußerungen im Verfahren vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht.

25       Voraussetzung für die Parteistellung aufgrund der unverhältnismäßigen Beeinträchtigung rechtlicher oder wirtschaftlicher Interessen im Sinne des § 5 Abs. 5 lit. d TJG 2004 - und damit die Legitimation zur Erhebung der Beschwerde - ist, dass eine derartige Beeinträchtigung zumindest geltend gemacht wird. Der Mitbeteiligte hat dazu im gesamten Verfahren vor der belangten Behörde und dem Verwaltungsgericht kein Vorbringen erstattet.

26       Da der Mitbeteiligte somit zur Erhebung der Beschwerde nicht legitimiert war, wäre diese zurückzuweisen gewesen.

27       Das angefochtene Erkenntnis erweist sich damit als inhaltlich rechtswidrig.

28       Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt - wonach der Mitbeteiligte Bezirksjägermeister und als Eigentümer eines im Genossenschaftsjagdgebiet gelegenen Grundstückes, das von der Feststellung der Eigenjagd nicht betroffen ist, Mitglied der Jagdgenossenschaft ist - ist unstrittig; ebenso ergibt sich aus den vorgelegten Akten, dass der Mitbeteiligte eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung seiner wirtschaftlichen Interessen im Verfahren vor der belangten Behörde und vor dem Verwaltungsgericht nicht geltend gemacht hat.

29       Das angefochtene Erkenntnis war daher dahin abzuändern, dass die Beschwerde zurückgewiesen wird.

30       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

31       Die Zurückweisung der „Revisionsbeantwortung“ der belangten Behörde beruht darauf, dass das VwGG keinen Eintritt in das Revisionsverfahren auf Seiten der revisionswerbenden Partei kennt. Wenn sich die belangte Behörde daher in ihrer Revisionsbeantwortung den Argumenten der revisionswerbenden Partei anschloss und die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragte, war dieser Schriftsatz der Sache nach als verspätete Revision zu werten und gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen (vgl. in diesem Sinne etwa VwGH 9.8.2021, Ra 2021/03/0005).

Wien, am 16. November 2021

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Jagdrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021030044.L00

Im RIS seit

13.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.12.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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