TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/19 W144 2244316-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.07.2021
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Entscheidungsdatum

19.07.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z1
AsylG 2005 §4a
AsylG 2005 §57
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §61 Abs1 Z1
FPG §61 Abs2
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W144 2244316-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX alias XXXX alias XXXX , StA. von Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.06.2021, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde wird gemäß §§ 4a, 10 Abs. 1 Z 1, und 57 AsylG 2005 idgF iVm § 61 Abs. 1 Z 1 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (BF) ist – laut eigener Angaben - Staatsangehöriger von Syrien und hat sein Heimatland im Jahr 2015 verlassen, um sich in die Türkei zu begeben, wo er in der Folge 4 Jahre lang verblieb. In weiterer Folge begab sich der BF über Griechenland, Albanien, Kosovo, Serbien, und Ungarn am 02.02.2021 ins österreichische Bundesgebiet, wo er am selben Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.

Zum BF liegt eine Eurodac-Treffermeldung für Griechenland vom 20.02.2019 wegen Asylantragstellung vor.

In Griechenland hielt sich der BF ca. ein Jahr lang in XXXX auf, er betrieb dort ein Asylverfahren und wurde dem BF mit Entscheidung der griechischen Behörden am 03.04.2020 der Status des Asylberechtigten zuerkannt, verbunden mit einer Aufenthaltserlaubnis bis zum 13.04.2023.

Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:

Im Verlauf seiner Erstbefragung durch die Landespolizeidirektion Wien vom 03.02.2021 versuchte der BF seine Asylantragstellung in Griechenland sowie sein dortiges Aufenthaltsrecht zu verschleiern, indem er lediglich angab, dass er in Griechenland seine Fingerabdrücke abgegeben habe, einen Antrag auf internationalen Schutz habe er dort nicht gestellt. Er habe sich in einer Unterkunft in XXXX aufgehalten, dort sei es „schmutzig und sehr schlimm“ gewesen; nunmehr wolle er in Österreich verbleiben.

Das BFA richtete in der Folge am 05.02.2021 ein Informationsersuchen an die griechischen Behörden.

Mit Schreiben vom 16.04.2021 teilten die griechischen Behörden mit, dass dem BF, der am 20.02.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte, am 03.04.2021 der Flüchtlingsstatus und eine Aufenthaltserlaubnis bis 13.04.2023 gewährt worden sei. Unter einem teilten die griechischen Behörden das Alias-Geburtsdatum XXXX mit, unter welchem der BF in Griechenland aufgetreten ist.

Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 22.06.2021 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) brachte der BF im Wesentlichen vor, dass er bisher im Verfahren wahrheitsgemäße Angaben erstattet habe, dass er keine weiteren Beweismittel vorlegen wolle und dass es ihm gesundheitlich gut gehe. Er sei gesund, sei jedoch seit etwa einem Jahr Allergiker; er brauche einen Lungenspray, er habe konkret eine Frühsommer-Allergie; wenn er nervös sei, bekomme er Atemnot. In ärztlicher Behandlung stehe er nur, wenn er Medikamente brauche. Er habe weder in Österreich, noch in Norwegen, der Schweiz in Liechtenstein oder in Island Eltern, Kinder oder sonstige Verwandte. In Deutschland lebe eine Nichte, die Asylberechtigt sei. Er lebe auch mit keiner sonstigen Person in einer Familiengemeinschaft oder familienähnlichen Lebensgemeinschaft. In Griechenland habe er kein Asyl beantragt; er sei dort gezwungen worden, seine Fingerabdrücke abzugeben. Er habe nicht dort bleiben wollen. Er habe in Griechenland einen Ausweis bekommen, mit diesem sei er dann mittels einer Fähre ausgereist. Den Ausweis habe er verloren, ebenso sein Handy - es falle ihm ein, dass er ausgeraubt worden sei. Afghanen hätten ihm seine Sachen nach dem Aussteigen aus dem Zug weggenommen. In Griechenland habe er sich etwa ein Jahr oder vielleicht eineinhalb Jahre lang aufgehalten. Er wolle nunmehr hierbleiben, arbeiten und eine Ausbildung machen. Er sei die ganze Zeit über in Griechenland in einer Unterkunft untergebracht gewesen. Griechenland habe er verlassen, weil es dort Probleme mit Afghanen und anderen Flüchtlingen gegeben habe. Er werde nicht nach Griechenland zurückkehren, auf keinen Fall. Der Weg hierher sehr beschwerlich gewesen, er habe Schulden, er müsse hierbleiben.

Das BFA wies sodann den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten mit Bescheid vom 23.06.2021 gem. § 4a AsylG 2005 idgF als unzulässig zurück und sprach aus, dass sich der BF nach Griechenland zurück zu begeben habe (Spruchpunkt I.).

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen wurden ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt II.).

Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung des BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF iVm § 61 Abs. 1 Z 1 FPG idgF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Griechenland zulässig sei (Spruchpunkt III.).

Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die Sachverhaltsfeststellungen sowie die Beweiswürdigung zur Lage im Mitgliedstaat in Bezug auf anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte wurden im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert):

“Zur Lage im EWR Staat:

Wie bereits ausgeführt wurden in Griechenland mit Stichtag 23.06.2021, um 20:00 Uhr, 419.455 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, sowie 12.589 Todesfälle bestätigt (https://coronavirus.jhu.edu/map.html).

Zu Griechenland werden folgende Feststellungen getroffen:

(Anmerkung: Die Feststellungen sind durch die Staatendokumentation des Bundesamtes zusammengestellt und entsprechen dem Stand vom 01.06.2021).

COVID-19-Pandemie

Letzte Änderung: 28.05.2021

Griechenland ist von COVID-19 stark betroffen. Es kommt weiterhin zu Einschränkungen im internationalen Luft- und Reiseverkehr und zu Beeinträchtigungen des öffentlichen Lebens. Aktuelle und detaillierte Zahlen bietet das European Centre for Disease Prevention and Control (AA 29.4.2021). Weitere Informationen bezüglich aktueller Covid-19-Maßnahmen in Griechenland können unter folgendem Link abgerufen werden: https://help.unhcr.org/greece/coronavirus/.

Ab Mai 2021 erfolgt eine sukzessive Öffnung des Landes, wobei auch die überregionale Bewegungsfreiheit wieder hergestellt werden soll (WKO 27.4.2021).

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Schutzmaßnahmen haben die griechische Wirtschaft hart getroffen. Diese wird 2020 um 10% schrumpfen und sich 2021 allmählich und 2022 in stärkerem Ausmaß erholen (OECD o.D.). Zudem hat Griechenland mit 15,8% (Stand: Dezember 2020) die höchste Arbeitslosenquote innerhalb der EU. Der Durchschnitt der EU-27 liegt bei 7,3% (Destatis o.D.).

Die COVID-19-Krise hat Griechenland dazu veranlasst, die Kapazitäten in allen Bereichen des - in den letzten Jahren vernachlässigten - Gesundheitssystems zu stärken (OECD 2021). Griechenland hat angekündigt, dass Asylsuchende und Flüchtlinge im griechischen Impfplan Berücksichtigung finden werden, wobei von den Asylwerbern erwartet wird, dass sie sich mit einer Krankenversicherungsnummer (AMKA-PAAYPA) registrieren (EASO 31.3.2021). Die Regierung wird beim Impfprogramm von UNHCR unterstützt, das Asylsuchende über Beratungsstellen und Dolmetscher mit Informationen über präventive und staatliche Maßnahmen versorgt und darüber hinaus bei der Einrichtung medizinischer Einheiten für Screening, Isolation und Quarantäne in der Nähe der Aufnahmezentren hilft. Die Hilfe wird allerdings durch den Mangel an medizinischem Personal erschwert (UNHCR 1.4.2021).

Während der Pandemie hat Griechenland durch Anpassung der festgelegten Gesundheitsstandards versucht, die Asylleistungen aufrechtzuerhalten. Um unnötige Wartezeiten zu vermeiden, wurden Termine telefonisch oder als elektronische Termine vereinbart (EASO 7.12.2020). Die damit verbundene zunehmende Digitalisierung öffentlicher Dienste hat die Barrieren beim Zugang zur Gesundheitsversorgung für international Schutzberechtigte verschärft. Nach Angaben von Hilfsorganisationen haben etwa obdachlose Menschen oftmals nicht die Möglichkeit, online Termine zu buchen, und sind daher auf Unterstützung angewiesen (ProAsyl 4.2021, vgl. Fisher 29.1.2021). Die Bereitstellung von Informationen zum Asylverfahren, zu den Rechten und Pflichten von Asylbewerbern und umfangreiche Informationen zu COVID-19-Maßnahmen wurden durch neue Kommunikationskanäle wie Poster, Piktogramme, YouTube-Videos, Hotlines und Online-Plattformen ergänzt oder ersetzt (EASO 7.12.2020).

Als Reaktion auf Covid-19 schränkte Griechenland die Bewegungsfreiheit von Asylsuchenden innerhalb und außerhalb der Aufnahmelager der überfüllten Aufnahme- und Identifizierungszentren (RICs) auf den Inseln Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos sowie auf dem Festland in Evros teils erheblich ein (USDOS 30.3.2021, vgl. EASO 7.12.2020). Auf Anordnung der Behörden kann eine zeitlich begrenzte Quarantäne über die Betreuungseinrichtungen und deren Bewohner verhängt werden (EASO 7.12.2020). In vielen Einrichtungen kam es zur wiederholten und diskriminierenden Anordnung solcher Maßnahmen. Unter anderem wurden in den überfüllten Lagern auf Lesbos und Samos Covid-19-Ausbrüche registriert und Personen unter Quarantäne gestellt. Die schwierigen Lebensbedingungen führten dazu, dass bei der Durchführung dieser Quarantäne-Maßnahmen die Grundrechte der Menschen nicht immer gewahrt wurden (EASO 7.12.2020; vgl. AI 7.4.2021). Die strengen Hygiene-Auflagen und Aufrufe zum Social Distancing im Zuge der Bekämpfung von Covid-19 sind in den zahlreichen Flüchtlingslagern wegen der beengten Verhältnisse und der allgemein schwierigen Lebensumstände kaum effizient umzusetzen (RTI 06/2020).

Im Zuge der Covid-19-Schutzmaßnahmen wurde die Gültigkeit von Aufenthaltsgenehmigungen seit Juni 2020 mehrfach pauschal per Gesetz verlängert, zuletzt bis Ende Juni 2021 (ProAsyl 4.2021, vgl. EASO 7.12.2020); eine individuelle Verlängerung erfolgt nicht. Personen, deren Aufenthaltsgenehmigung abgelaufen ist, sind daher aktuell nur im Besitz dieser abgelaufenen Aufenthaltsgestattung und damit vom Zugang zur staatlichen Gesundheitsversorgung faktisch ausgeschlossen. Hintergrund ist, dass die vorläufige Sozialversicherungsnummer (PAAYPA), die Asylbewerber seit April 2020 bei Ausstellung der Aufenthaltsgestattung erhalten und die ihnen Zugang zu Gesundheitsversorgung und theoretisch auch zum Arbeitsmarkt ermöglicht, an die Gültigkeitsdauer der ausgestellten Aufenthaltsgestattung geknüpft ist. Läuft die Aufenthaltsgestattung ab, wird die vorläufige Sozialversicherungsnummer automatisch deaktiviert. Im Zuge der pauschalen gesetzlichen Verlängerungen von Aufenthaltsgestattungen wurde nicht sichergestellt, dass die vorläufige Sozialversicherungsnummer aktiv bleibt (ProAsyl 4.2021).

Hinsichtlich der Anzahl von Dublin-Verfahren ist pandemiebedingt ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen (ECRE 7.12.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (29.4.2021): Griechenland: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/griechenlandsicherheit/211534, Zugriff 2.5.2021

?        AI - Amnesty International: Griechenland 2020 (7.4.2021), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048854.html, Zugriff 7.5.2021

?        Destatis – Statistisches Bundesamt (o.D.): March 2021. EU unemployment rate at 7,3%, https://www.destatis.de/Europa/EN/Topic/Population-Labour-Social-Issues/Labour-market/EULabourMarketCrisis.html, Zugriff 8.5.2021

?        EASO – European Asylum Support Office (31.3.2021): COVID-19 vaccination for applicantsand beneficiaries of international protection, https://www.easo.europa.eu/sites/default/files/publications/EASO_Situational_Update_Vaccination31March..pdf, Zugriff 6.5.2021

?        EASO – European Asylum Support Office (7.12.2020): COVID-19 emergency measures in asylum and reception-systems, file:///tmp/mozilla_wh72750/COVID-19%20emergency%20measures%20in%20asylum%20and%20reception%20systems-December-2020_new.pdf, Zugriff 5.5.2021

?        ECRE – European Council on Refugees and Exiles (7.12.2020): Covid-19 measures and updates related to asylum and migration across Europe, https://www.ecre.org/wp-content/uploads/2020/12/ECRE-COVID-information-sheet-Dec-2020.pdf, Zugriff 5.5.2021

?        Fisher Ariadne, Oxford University (29.1.2021): Impact of Covid-19 on Refugee Camps in Greece, https://www.law.ox.ac.uk/centres-institutes/centre-criminology/blog/2021/01/impact-covid-19-refugee-camps-greece, Zugriff 30.4.2021

?        OECD (o.D.): Greece, Economic Snapshot, https://www.oecd.org/economy/greece-economic-snapshot/, Zugriff 10.5.2021

?        OECD (2021): Greece, https://www.oecd.org/economy/growth/Greece-country-note-going-for-growth-2021.pdf, Zugriff 10.5.2021

?        Pro Asyl/RSA (4.2021): Stellungnahme; Zur Aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/Stellungnahme-International-Schutzberechtigt-Griechenland-PRO-ASYL_RSA-April-2021.pdf, Zugriff 5.5.2021

?        RTI - Refugee Trauma Initiative (06/2020): The Impact of Covid-19 on Refugees in Greece, https://static1.squarespace.com/static/577646af893fc0b5001fbf21/t/5ef0bb675598594c56fcad77/1592835023114/2020-06_RTI_COVID19_REFUGEESGR.pdf, Zugriff 30.4.2021

?        UNHCR (1.4.2021): Greece Fact-Sheet, February 2021, file:///tmp/mozilla_wh72750/Greece%20bi-annual%20Factsheet%20Feb%202021-1.pdf, Zugriff 5.5.2021

?        USDOS – US Department of State (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Greece, https://www.ecoi.net/en/document/2048407.html, Zugriff 2.5.2021

?        WKO - Wirtschaftskammer Österreichs (27.4.2021): Corona-Virus. Situation in Griechenland, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus:-situation-in-griechenland.html, Zugriff 2.5.2021

Schutzberechtigte

Letzte Änderung: 28.05.2021

Laut Gesetz haben Schutzberechtigte in Griechenland dieselben Rechte wie griechische Staatsangehörige. Im Jahr 2020 ist aufgrund von beschleunigten Asylverfahren im Vergleich zu den Vorjahren die Anzahl international Schutzberechtigter sprunghaft gestiegen: Insgesamt wurde 35.372 Menschen internationaler Schutz zuerkannt (ProAsyl 4.2021). Das sind mehr als doppelt so viele Menschen als 2019 (AIDA 6.2020).

Anerkannte Flüchtlinge erhalten zunächst eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre, subsidiär Schutzberechtigte erhalten eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr. Ein Recht auf Familienzusammenführung besteht zwar formal (allerdings nur für anerkannte Flüchtlinge), ist aber aufgrund der Auflagen in der Praxis nur schwer zu erreichen. Wird dieses innerhalb von drei Monaten ab Statuszuerkennung beantragt, entfallen Einkommenserfordernisse. Anerkannte Flüchtlinge haben das Recht auf ein Reisedokument. Das gilt auch für subsidiär Schutzberechtigte, wenn sie einen Nachweis ihrer diplomatischen Vertretung vorlegen können, dass es ihnen nicht möglich ist, einen nationalen Reisepass zu erhalten. Diese Voraussetzung ist für viele äußerst schwierig zu erfüllen und überdies von der diplomatischen Vertretung des Herkunftslandes abhängig (AIDA 6.2020).

Residence Permit Card

Eine Residence Permit Card (RPC) ist Voraussetzung für den Erhalt finanzieller Unterstützung, einer Wohnung, einer legalen Beschäftigung, eines Führerscheins und einer Steuer- bzw. Sozialversicherungsnummer, für die Teilnahme an Integrationskursen, für den Kauf von Fahrzeugen, für Auslandsreisen, für die Anmeldung einer gewerblichen oder geschäftlichen Tätigkeit und – abhängig vom jeweiligen Bankangestellten - oftmals auch für die Eröffnung eines Bankkontos (VB 19.3.2021).

Der Erhalt einer RPC dauert jedoch in der Praxis Monate und die Behördengänge sind für Personen ohne Sprachkenntnisse und Unterstützung äußerst schwierig zu bewerkstelligen. Zur Beantragung der RPC reicht in Griechenland ein bestandskräftiger Anerkennungsbescheid der Asylbehörde, mit dem einer Person internationaler Schutz zuerkannt wurde, nicht aus. Zusätzlich wird ein sogenannter „ADET-Bescheid“ benötigt. Bei diesem handelt es sich um einen Bescheid des zuständigen Regionalbüros der Asylbehörde, durch den die Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis angewiesen wird. Der ADET-Bescheid wird nicht immer zusammen mit dem Anerkennungsbescheid zugestellt. In diesem Fall müssen Schutzberechtigte einen Termin beim zuständigen Regionalbüro vereinbaren, um sich den ADET-Bescheid aushändigen zu lassen (ProAsyl 4.2021).

Nach dem Erhalt des positiven Asylbescheides kann der Asylberechtigte zwei Ansuchen einreichen: eines für die Residence Permit Card (RPC) und ein weiteres für ein Reisedokument. Die Anträge erfolgen beim Asylservice. Mit dem Asylbescheid und dem Ansuchen für die RPC kann man per E-Mail einen Fingerabdruck-Termin beantragen. Die Antwort hierauf dauert zwischen zwei Wochen und zwei Monaten, COVID-bedingt oftmals länger. Von der Antwort bis zum Fingerabdruck-Termin dauert es in der Regel neuerlich mehrere Wochen, woraufhin bis zum tatsächlichen Erhalt der RPC nochmals drei bis acht Monate (COVID-bedingt teilweise länger) vergehen. Die Ausstellung der RPC erfolgt durch die griechische Polizei (VB 1.3.2021). Die Gültigkeit der RPC beträgt für Asylberechtigte drei Jahre (um weitere drei Jahre verlängerbar) und für subsidiär Schutzberechtigte ein Jahr (um ein weiteres Jahr verlängerbar) und geht durch Ausreise und spätere Wiedereinreise nach Griechenland nicht verloren (VB 12.4.2021).

Reisedokument

Um ein Reisedokument beantragen zu können, bestehen folgende Voraussetzungen:

?        Wenn die betreffenden Schutzberechtigten in einem Camp oder in einer anderen staatlichen Unterkunft untergebracht und dort registriert sind, können sie unmittelbar nach Erhalt des positiven Asylbescheides parallel die Residence Permit Card (RPC) und ein Reisedokument beantragen. Sie werden hierbei aktiv vom Management des Camps bzw. der Unterkunft unterstützt (VB 12.4.2021).

?        Wenn anerkannte Schutzberechtigte hingegen nicht in einem Camp oder einer staatlichen Einrichtung untergebracht und registriert sind, ist für den Antrag eines Reisedokumentes eine RPC erforderlich (VB 12.4.2021).

Das Ausstellungsdatum des Asylbescheids darf nicht länger als sechs Monate zurückliegen; andernfalls muss beim Asylservice eine Neuausstellung des Bescheides erwirkt werden. Der Asylbescheid und die RPC müssen eingescannt und bei der Fremdenpolizei online eingegeben werden. Die Gebühr hierfür beträgt derzeit 84,- Euro. Danach muss wiederum per E-Mail um einen Fingerabdruck-Termin angesucht werden (Wartezeit: eine Woche bis zwei Monate). Die Ausfolgung eines Reisedokuments erfolgt dann nach drei bis acht Monaten (COVID-bedingt auch länger) durch die griechische Polizei (VB 1.3.2021).

Nach Erfahrung des letzten Jahres suchen fast alle anerkannten Flüchtlinge um ein Reisedokument an (VB 24.2.2021). Syrische Schutzberechtigte werden hierbei in der Praxis bevorzugt behandelt; für andere Nationalitäten kann das Prozedere Monate dauern (VB 12.4.2021).

HELIOS Programm („Hellenic Support for Beneficiaries of International Protection“)

Nach Ausfolgung des Asylbescheides erhält der Asylberechtigte eine SMS-Mitteilung, dass er nun vom Cash Card Programm für Asylwerber abgemeldet wird und dass er die zur Verfügung gestellte Unterkunft sofort verlassen muss (das Gesetz sieht hier eine Frist von einem Monat vor). Nur Schwangere ab dem 7. Schwangerschaftsmonat bekommen inkl. Familie einen Aufschub von 2 Monaten (VB 1.3.2021). Der Verbleib mehrerer tausend Menschen in diversen Camps und Flüchtlingsunterkünften wird von der griechischen Regierung aufgrund fehlender Alternativen und der auch für Griechen schwierigen Situation einstweilen toleriert, allerdings ist nicht absehbar, für wie lange. Die Versorgung dieser in den Unterkünften noch geduldeten Flüchtlinge wird zum größten Teil von NGOs und Freiwilligen übernommen, wobei offensichtlich die jeweiligen Camp- oder Sitemanager eher willkürlich über Verfügbarkeit und Vergabe entscheiden (VB 19.3.2021).

Die griechische Regierung verweist anerkannte Schutzberechtigte für Unterstützungsmaßnahmen bei der Integration meist auf das Programm HELIOS. Zusätzlich hat die griechische Regierung im September 2020 mit IOM ein ergänzendes Programm ins Leben gerufen, das anerkannten Schutzberechtigten eine zweimonatige Unterbringung in Hotels ermöglichen soll. Gedacht ist dieses Programm als eine Art Puffer für Schutzberechtigte von den Inseln, die auf das Festland verbracht wurden und sich noch nicht bei Helios einschreiben konnten. Geplant war dieses Programm für 1.500 bis 2.000 Personen. Laut IOM haben insgesamt 2.504 Personen von dieser Maßnahme profitiert. Das Programm lief regulär Ende 2020 aus, wurde einmal bis Ende Februar 2021 verlängert. Anfang März hat Griechenland bei der EU-Kommission einen Antrag auf Weiterfinanzierung gestellt (VB 12.4.2021).

Bei HELIOS handelt sich um ein Projekt von IOM zur Integration von Schutzberechtigten, die in einer offiziellen Unterbringungseinrichtung leben (AIDA 6.2020; vgl. IOM o.D.).
Helios ist das einzige aktuell in Griechenland existierende offizielle Integrationsprogramm für internationale Schutzberechtigte. Die Finanzierung erfolgt aus Mitteln des europäischen Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF); Umgesetzt wird das Programm von IOM in Zusammenarbeit mit verschiedenen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Das Programm wurde im Juli 2019 gestartet und hat eine Laufzeit bis Juni 2021. Neben Integrationskursen sowie einzelnen Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration beinhaltet es Unterstützung bei der Anmietung von Wohnraum (ProAsyl 4.2021).

Voraussetzungen für den Zugang zu den Fördermaßnahmen von Helios:

?        Zugang haben Schutzberechtigte, denen nach dem 1.1.2018 internationaler Schutz zuerkannt wurde sowie deren Familienangehörige, die mittels Familienzusammenführung nach Griechenland gekommen sind (solange ihre Angehörigen Helios-berechtigt sind) (VB 12.4.2021; vgl. ProAsyl 4.2021).

?        Die betreffenden Schutzberechtigten müssen darüber hinaus zum Zeitpunkt der Zustellung ihres Anerkennungsbescheids offiziell in einem Flüchtlingslager, einem Empfangs- und Identifikationszentrum (RIC), einem Hotel im Rahmen des IOM-Programms FILOXENIA oder einer Wohnung des ESTIA-Programms registriert gewesen sein und tatsächlich dort gelebt haben (VB 12.4.2021; vgl. ProAsyl 4.2021).

?        Die Anmeldung zu Helios darf nicht später als 12 Monate nach Anerkennung des Schutzstatus erfolgen. Das Mindestalter beläuft sich auf 16 Jahre (VB 12.4.2021; vgl. ProAsyl 4.2021).

?        Es erfolgt eine Beitrittserklärung (Declaration of Participation) mit Unterschrift aller volljährigen Familienangehörigen und Kenntnisnahme aller Rechte und Pflichten aus dem Helios Programm. Diese ist nicht bindend und kann jederzeit widerrufen werden (VB 12.4.2021; vgl. ProAsyl 4.2021).

?        Zudem benötigen die Teilnehmer zumindest Residence Permit Card (RPC), Steuernummer, Bankkonto, Sozialversicherungsnummer und Wohnungsnachweis. Diese sind schwierig zu erlangen, der Erhalt dauert Wochen bis Monate (VB 19.3.2021) .

Keinen Zugang zu Fördermaßnahmen aus dem HELIOS-Programm haben demzufolge international Schutzberechtigte, die entweder vor dem 1. Januar 2018 internationalen Schutz erhalten haben oder die zwar nach dem 1. Januar 2018 anerkannt wurden, jedoch zum Zeitpunkt ihrer Anerkennung nicht in einer offiziellen Unterkunft in Griechenland gelebt haben, oder die sich nicht innerhalb eines Jahres nach Anerkennung für HELIOS registriert haben. Somit besteht in aller Regel für Schutzberechtigte, die aus anderen Ländern nach Griechenland zurückkehren, keine Möglichkeit, von Helios zu profitieren (ProAsyl 4.2021).

Helios bietet folgende Leistungen an:

?        Durchführung von Integrationskursen in Integrationslernzentren, die in ganz Griechenland eingerichtet wurden. Jeder Kurszyklus dauert sechs Monate und besteht aus Modulen zum Erlernen der griechischen Sprache, zur kulturellen Orientierung, zur Berufsvorbereitung und zu Lebenskompetenzen (IOM o.D.).

?        Unterstützung der Begünstigten auf dem Weg zu einer eigenständigen Unterkunft in Wohnungen, die auf ihren Namen angemietet wurden, u. a. durch die Bereitstellung von Beiträgen zu den Miet- und Einzugskosten und die Vernetzung mit Wohnungseigentümern.
d.h. es erfolgt keine Beistellung von Wohnraum, es können aber Mietzuschüsse gewährt werden (IOM o.D.).

?        Bereitstellung von individueller Unterstützung u.a. durch Berufsberatung, Zugang zu berufsbezogenen Zertifizierungen und Vernetzung mit privaten Arbeitgebern (IOM o.D.).

?        Regelmäßige Bewertung des Integrationsfortschritts der Begünstigten, um sicherzustellen, dass sie in der Lage sind, sich sicher bei griechischen öffentlichen Dienstleistern zurechtzufinden, sobald sie das HELIOS-Projekt verlassen und anfangen, unabhängig in Griechenland zu leben (IOM o.D.).

?        Organisation von Workshops, Aktivitäten und Veranstaltungen sowie Erstellung einer landesweiten Medienkampagne, um den Wert der Integration von Migranten in die griechische Gesellschaft hervorzuheben (IOM o.D.).

Für anerkannte Schutzberechtigte in den Camps erfolgt die Einschreibung in Helios relativ rasch. Wenngleich die Schutzberechtigten dann das Camp verlassen müssen, werden viele nach wie vor geduldet. Anschließend gibt es zwei Mal pro Woche Sprach- und Ethikunterricht sowie eine finanzielle Unterstützung in Höhe von etwa 390 Euro/Monat als Mietzuschuss (VB 12.4.2021). Bedingung für den Mietenzuschuss ist die Vorlage eines Mietvertrags mit einer Laufzeit von mehr als sechs Monaten sowie ein griechisches Bankkonto und eine Steueridentifikationsnummer. Die Zuschüsse werden immer nur rückwirkend ausgezahlt (ProAsyl 4.2021). Das bedeutet, dass Schutzberechtigte bereits eine Wohnung gefunden und in der Praxis auch die erste Monatsmiete sowie die Mietkaution aus eigenen Mitteln bezahlt haben müssen. Zudem findet eine Wohnung in der Praxis nur, wer einen festen Job hat. Das ist für Flüchtlinge in einem Land mit 16% Arbeitslosigkeit nahezu aussichtslos (PNP – 8.3.2021). Zudem sind die Mieten vor allem in Athen in den vergangenen beiden Jahren um bis zu 30% gestiegen. Die Zuschüsse reichen daher zur Begleichung der Miete oftmals nicht aus. Nur etwa 16% aller international Schutzberechtigten haben Mietbeihilfen aus dem Helios-Programm erhalten (ProAsyl 4.2021). Laut IOM haben bis 26.02.2021 7.571 Personen im Rahmen von Helios Mietbeihilfe in Anspruch genommen (VB 12.4.2021).

Das Programm endet nach sechs Monaten (VB 12.4.2021). Je nach Unterkunft beginnt der Start der Ausbildung (Bildungsprogramme; vor allem Sprachen) unterschiedlich – es kann sein, dass erst zwei Monate nach der Einschreibung mit der Ausbildung begonnen wird – dann bleiben noch 4 Monate Nettozeit; derzeit werden viele Unterrichtseinheiten online unterrichtet, was Probleme mit Internet, Technik, Übersetzern usw. verursacht. Ist während der Laufzeit Unterricht aus verschiedenen Gründen nicht möglich, werden die 390 Euro an finanzieller Unterstützung pro Monat nicht ausbezahlt. Aus genannten Gründen wird das Helios Programm von den Betroffenen nur in wenigen Fällen als wirkliche Unterstützung wahrgenommen (VB 1.3.2021).

Phase zwischen positivem Bescheid und dem tatsächlichen Erhalt der RPC-Card

Tatsächlich gibt es bis zum Erlangen der RPC oder bis zur Teilnahme am Helios Programm keinerlei finanzielle oder anderweitige Unterstützung. Ohne gültige Aufenthaltserlaubnis können international Schutzberechtigte keine Sozialversicherungsnummer (AMKA) erhalten und diese wiederum ist Voraussetzung für den Zugang zu Sozialleistungen, zum Arbeitsmarkt und zur Gesundheitsversorgung. Ärztliche Untersuchungen und Behandlungen sowie ggf. benötigte Medikamente müssen ohne Vorliegen einer Sozialversicherungsnummer privat bezahlt werden (VB 12.4.2021; vgl. ProAsyl 4.2021).

Wohnungsmöglichkeiten

Ab Juni 2020 sind alle Schutzberechtigten gesetzlich verpflichtet, die Flüchtlingslager beziehungsweise Unterkünfte, in denen sie während des Asylverfahrens untergebracht waren, innerhalb von 30 Tagen ab Schutzzuerkennung zu verlassen. Verlängerungen des Aufenthalts in den Unterkünften sind nur in außergewöhnlichen Fällen möglich. In der Folge mussten in den vergangenen Monaten Tausende Menschen ihre Unterkünfte räumen, auch wenn eine Verlängerung des Aufenthalts in diversen Camps und Flüchtlingsunterkünften von der griechischen Regierung aufgrund fehlender Alternativen und der auch für Griechen schwierigen Situation toleriert wurde. Jedenfalls gab es zahlreiche Berichte über obdachlose Flüchtlinge. Medien und NGOs dokumentierten, dass viele von ihnen Schwierigkeiten beim Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen auf dem Festland hatten und in Athen im Freien schliefen (AI 7.4.2021, vgl. ProAsyl 4.2021, VB 19.3.2021).

In Griechenland existiert keine staatliche Unterstützung für international Schutzberechtigte beim Zugang zu Wohnraum, es wird auch kein Wohnraum von staatlicher Seite bereitgestellt (ProAsyl 4.2021). Auch gibt es keine Sozialwohnungen (VB 12.4.2021) und auch keine Unterbringung dezidiert für Schutzberechtigte. Laut einer Webseite der Stadt Athen gibt es vier Unterbringungseinrichtungen mit insgesamt 600 Plätzen, die jedoch bei weitem nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken. Viele Betroffene sind daher obdachlos, leben in besetzten Gebäuden oder überfüllten Wohnungen (AIDA 6.2020; vgl. VB 12.4.2021). Legale Unterkunft ohne RPC zu finden, ist fast nicht möglich. Da z.B. bei Arbeitssuche, Bankkontoeröffnung, Beantragung der AMKA usw. oftmals ein Wohnungsnachweis erforderlich ist, werden oft Mietverträge für Flüchtlinge gegen Bezahlung (300-600 Euro) temporär verliehen: d.h., der Mieter wird angemeldet, ein Mietvertrag ausgestellt und nach kurzer Zeit wieder aufgelöst. Wohnbeihilfe bekommt man erst, wenn man per Steuererklärung seinen Wohnsitz über mehr als 5 Jahre in Griechenland nachweisen kann (VB 1.3.2021). NGOs wie etwa Caritas Hellas bieten gemischte Wohnprojekte an. Die Zahl der Unterkünfte in Athen – auch der Obdachlosenunterkünfte - ist jedoch insgesamt nicht ausreichend (VB 1.3.2021). Dass trotz dieses Umstandes Obdachlosigkeit unter Flüchtlingen in Athen kein augenscheinliches Massenphänomen darstellt, ist auf die Bildung von eigenen Strukturen und Vernetzung innerhalb der jeweiligen Nationalitäten zurückzuführen, über die auf informelle Möglichkeiten zurückgegriffen werden kann. Wo staatliche Unterstützung fehlt, ist die gezielte Unterstützung der NGOs von überragender Bedeutung für Flüchtlinge und Migranten, wenngleich auch diese Organisationen nicht in der Lage sind, die erforderlichen Unterstützungen flächen- und bedarfsdeckend abzudecken (VB 12.4.2021; vgl. ProAsyl 4.2021).

Lebenshaltung

Auch die tägliche Lebenshaltung stellt viele Schutzberechtigte vor große Probleme. Da sie griechischen Staatsbürgern gleichgestellt sind, gibt es von offizieller Seite kaum Unterstützung für diesen Personenkreis. Einige NGOs in Athen (wie etwa KHORA, Network for Refugees, Hope Cafe,…) stellen kostenlos – aber bei weitem nicht in ausreichendem Maße, um alle Bedürftigen zu versorgen - Essen zur Verfügung. Die Bereitstellung von zB Hygiene- und Toilettenartikel gestaltet sich sehr schwierig; hierfür gibt es nur sehr wenige Anlaufstellen. Einige Gemeinden in Griechenland bieten anerkannten Schutzberechtigten auf freiwilliger Basis bzw. mittels Abkommen mit der griechischen Regierung monatliche Unterstützung für Essenszuteilungen an (nur Essen, kein Geld). Voraussetzungen hierfür sind das Vorliegen von RPC, AMKA-Nummer, Steuernummer, Bankkonto, Mietvertrag und Telefonvertrag für eine gültige SIM-Karte. Jede einzelne dieser Voraussetzungen ist schwierig zu erfüllen und mit mit großem Zeitaufwand verbunden. Somit kommen nur sehr wenige Berechtigte in den Genuss derartiger Unterstützungsleistungen (VB 12.4.2021).

Medizinische Versorgung

Schutzberechtigte haben grundsätzlich Zugang zu medizinischer Versorgung wie griechische Staatsangehörige, in der Praxis schmälert aber der Ressourcenmangel im griechischen Gesundheitssystem diesen Zugang, was aber in gleichem Maße auch für griechische Staatsbürger gilt. Bei Flüchtlingen kommen jedoch auch Verständigungsschwierigkeiten und Probleme beim Erlangen der Sozialversicherungsnummer (AMKA) hinzu (AIDA 6.2020).

Die AMKA kann bei der Gesundheitsbehörde (EKKA) elektronisch beantragt werden, man braucht dazu aber eine RPC und ein Jobangebot einer Firma. Ohne Jobangebot können Flüchtlinge eine PAAYPA (vorläufige AMKA für Fremde) beantragen. Mit AMKA ist voller Zugang zu öffentlichen Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, usw. möglich, mit PAAYPA hingegen nur beschränkt. Manche Einrichtungen akzeptieren eine PAAYPA nicht. Jene Personen wären dann auf Privatärzte oder NGOs angewiesen (VB 1.3.2021). Zudem gibt es in Athen einige „Sozial-Apotheken“ wo billige oder sogar kostenlose Medikamente und medizinische Artikel erhältlich sind – diese unterstützen auch einkommenslose Griechen (VB 12.4.2021).

Um die Spitäler als erste Anlaufstelle für gesundheitliche Probleme zu entlasten, wurde mit dem Gesetz 4486/2017 24 die Grundlage für die Einführung eines medizinischen Erstversorgungsnetzwerkes (TOMY) geschaffen. Dieses Netzwerk orientiert sich an den Prinzipien der WHO, die seit 2018 in Griechenland ein Country Office unterhält (WHO 2019, WHO 20.6.2021). Das Team der Erstversorgung besteht aus Allgemeinmedizinern, Kinderärzten, Pflegefachpersonen und Sozialarbeitern und ist nun erste Anlaufstelle für Gesundheitsfragen der Menschen in den Regionen abseits der großen Ballungszentren. Sie übernehmen Behandlung und Pflege sowie die Überwachung von Krankheiten und arbeiten im Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung. Bei Bedarf werden Patienten dann an andere Gesundheitszentren und städtische Tageskliniken überwiesen, wo spezialisierte und diagnostische Abklärungen, ein 24-Stunden-Betrieb und ambulante Behandlungen angeboten werden. Zudem übernehmen diese Zentren die Koordination der TOMYs ihres Sektors, die ambulante Pflege der Patienten, die Überweisungen an übergeordnete Spitäler und die Verantwortung für die psychologische und psychiatrische Gesundheitsversorgung in den Gemeinden. Im Sommer 2019 waren 120 solcher TOMY-Zentren in Betrieb (WHO 2019, vgl. OECD o.D.).

Durch die massiven Einsparungen am Gesundheitspersonal in den Jahren der Wirtschaftskrise kann der Zugang zum Gesundheitssystem mit langen Wartezeiten verbunden sein (AI 3.3.2021).

Für den Bezug von Medikamenten ist ein Rezept eines Arztes einer öffentlichen Gesundheitseinrichtung erforderlich. Rezepte werden über das Online-Portal https://www.e-prescription.gr elektronisch ausgestellt und können unter Angabe der AMKA dann in jeder Apotheke eingelöst werden (AI 3.3.2021). Handgeschriebene Rezepte werden nur von Sozialapotheken entgegen genommen. Ohne AMKA können Rezepte in der Krankenhausapotheke jenes Spitals, wo der betreffende Arzt praktiziert, eingelöst werden (UNHCR 4.3.2021). Die Kosten für verschreibungsfreie Medikamente müssen zur Gänze vom Patienten getragen werden; für verschreibungspflichtige Medikamente sind entsprechende Zuzahlungen erforderlich (WHO 2018).

Arbeitsmarkt

Anerkannte Schutzberechtigte und deren Familienangehörige mit gültiger Aufenthaltserlaubnis haben unter den gleichen Bedingungen wie griechische Staatsangehörige Zugang zu einer Beschäftigung im Angestelltenverhältnis, zur Erbringung von Dienstleistungen oder Arbeit sowie das Recht, eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben. Wichtig für eine legale Beschäftigung ist der Nachweis einer gültigen Aufenthaltserlaubnis. Allenfalls ist darauf zu achten, dass diese rechtzeitig verlängert wird (UNHCR o.D.).

Voraussetzungen ist u.a. der Nachweis der Unterkunft: Wenn der Schutzberechtigte in einer offenen Unterkunft, einer Wohnung oder einer Aufnahmeeinrichtung einer NGO oder eines anderen Akteurs wie z. B. einer Gemeinde wohnt, kann er von der die Unterkunft verwaltenden Stelle eine Bescheinigung zum Nachweis der Adresse anfordern. Bei Miete ist der Mietvertrag oder eine entsprechende Stromabrechnung vorzulegen. Bei Beherbergung durch eine griechische Person oder einen anderen Migranten oder anerkannten Flüchtling muss der Schutzberechtigte von eben dieser Person eine offizielle, schriftliche Beherbergungsbestätigung vorlegen, die zudem die Steuernummer und die in einem Bürgerzentrum beglaubigte Unterschrift des Unterkunftsgebers enthält (UNHCR o.D., vgl. ProAsyl 4.2021).

Eine weitere Voraussetzung ist das Vorliegen einer Sozialversicherungsnummer (AMKA). Diese ist auch erforderlich, um versichert zu sein und von den Sozialversicherungsbestimmungen für Arbeitsunfall, Mutterschaft, Krankheit, Behinderung, Arbeitslosigkeit und Familienpflichten zu profitieren. Die ???? sichert die Rechte des Schutzberechtigten in Bezug auf Arbeit und Rente und erleichtert auch den Zugang zu Krankenhaus- und pharmazeutischer Versorgung. Den Antrag auf eine AMKA kann in einem AMKA-Büro der Sozialversicherungsanstalt oder in einem Bürgerservicezentrum (KEP) gestellt werden. An manchen Orten wird die AMKA schnell an Asylbewerber vergeben, an anderen Orten verlangen die Behörden zusätzliche Unterlagen (UNHCR o.D.).

Tatsächlich aber behindern die hohe Arbeitslosigkeit, fehlende Sprachkenntnisse und bürokratische Hindernisse diesen Zugang, außer im informellen Sektor. Die meisten Schutzberechtigten sind daher auf Unterstützung angewiesen. Zugang zu Sozialhilfe ist gegeben, bürokratische Hürden stellen aber ein Problem dar (AIDA 6.2020).

Sechs Monate nach Einbringung eines Asylantrags ist legale Arbeit erlaubt, in Ausnahmefällen (Hochsaison Landwirtschaft oder Tourismus) kann bei Verfügbarkeit eines Arbeitsplatzes und Garantiestellung durch den Arbeitgeber schon ab acht bis zehn Wochen legal einer Beschäftigung nachgegangen werden. Allerdings wollen Arbeitgeber ohne vorhandene AMKA (permanente Sozialversicherungsnummer) keine Arbeitnehmer einstellen. Es ist keine Residence Permit Card (RPC) für die legale Ausübung einer selbstständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit erforderlich (VB 12.4.2021).

Quellen:

?        AIDA – Asylum Information Database (6.2020): Country Report: Greece, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2020/07/report-download_aida_gr_2019update.pdf, Zugriff 1.5.2021

?        AI – Amnesty International (7.4.2021): Greece 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048689.html, Zugriff 12.5.2021

?        AI – Amnesty International (3.3.2021): Resuscitation required. The Greek Health System after a decade of austerity, https://www.amnesty.org/download/Documents/EUR2521762020ENGLISH.PDF, Zugriff 13.5.2021

?        OM – International Organisation for Migration (o.D.): Hellenic Integration Support for Beneficiaries of International Protection (HELIOS), https://greece.iom.int/en/hellenic-integration-support-beneficiaries-international-protection-helios, Zugriff 1.5.2021

?        MIT – Mobile Info Team (2.2021): The living conditions of applicants and beneficiaries of international protection, https://www.antigone.gr/wp-content/uploads/library/selected-publications-on-migration-and-asylum/greece/en/Accommodation_report_MIT_2021_small.pdf, Zugriff 1.5.2021

?        OECD - European Observatory on Health Systems and Policies (o.D.): State of Health in the EU, 2019. Greece: Country Health Profile, https://ec.europa.eu/health/sites/health/files/state/docs/2019_chp_gr_english.pdf, 13.5.2021.

?        Pro Asyl/RSA (4.2021): Zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/Stellungnahme-International-Schutzberechtigt-Griechenland-PRO-ASYL_RSA-April-2021.pdf, Zugriff 1.5.2021

?        UNHCR – The UN Refugee Agency (o.D.): Living in Greece, https://help.unhcr.org/greece/living-in-greece/, Zugriff 10.5.2021

?        VB des BM.I Griechenland (24.2.2021): Bericht des VB, per E-Mail

?        VB des BM.I Griechenland (1.3.2021): Bericht des VB, per E-Mail

?        VB des BM.I Griechenland (19.3.2021): Bericht des VB, per E-Mail

?        VB des BM.I Griechenland (12.4.2021): Bericht des VB, per E-Mail

?        WHO – World Health Organization (20.6.2018): WHO eröffnet neues Länderbüro in Griechenland, https://www.euro.who.int/de/media-centre/sections/press-releases/2018/who-opens-new-country-office-in-greece, Zugriff 13.5.2021

?        WHO – World Health Organization (2018): Medicines Reimboursement Policies in Europe, https://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0011/376625/pharmaceutical-reimbursement-eng.pdf, Zugriff 10.5.2021

?        WHO – World Health Organization (2019): Monitoring and documenting systemic and health effects of health reforms in Greece, https://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0011/394526/Monitoring-Documenting_Greece_eng.pdf, Zugriff 14.5.2021

Beweiswürdigung

Die Behörde gelangt zu obigen Feststellungen aufgrund folgender Erwägungen:

[ … ]

Die Feststellung, wonach Sie in Griechenland anerkannter Flüchtling sind, ergibt sich aus der Mitteilung Griechenlands vom 16.04.2021.

Insofern Sie im Verfahren angegeben haben, dass Sie in Griechenland keinen Asylantrag gestellt haben, wird diesen Angaben kein Glaube geschenkt und steht der Mitteilung Griechenlands vom 15.04.2021 diametral entgegen und haben uns die griechischen Behörden mitgeteilt, dass Sie seit dem 03.04.2020 anerkannter Flüchtling in Griechenland sind und in Griechenland auch eine Aufenthaltsgenehmigung bis zum 13.04.2023 erhalten haben. Hinweise darauf, dass die Mitteilung Griechenlands vom 16.04.2021 auf einer tatsachenwidrigen Grundlage basieren würde, haben sich im Verfahren nicht einmal ansatzweise ergeben. Unter diesen Gesichtspunkten ist zweifelsfrei davon auszugehen, dass Sie in Griechenland anerkannter Flüchtling sind.

Betreffend die Feststellungen zur Lage im EWR Staat:

Die in den Feststellungen zu Griechenland angeführten Inhalte stammen aus einer Vielzahl von unbedenklichen und aktuellen Quellen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen, welche durch die Staatendokumentation des Bundesamtes zusammengestellt wurden. In diesem Zusammenhang sei auf den Inhalt des §5 BFA-G betreffend die Ausführungen zur Staatendokumentation verwiesen, insbesondere auf den Passus, wonach die gesammelten Tatsachen länderspezifisch zusammenzufassen, nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren sind, einschließlich den vorgegebenen Aktualisierungsverpflichtungen.

Hinweise darauf, dass die vorstehend angeführten Vorgaben des §5 BFA-G bei den dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegten Feststellungen zu Griechenland nicht beachtet worden wären, haben sich im Verfahren nicht ergeben.

Soweit sich das Bundesamt im gegenständlichen Bescheid auf Quellen älteren Datums bezieht, wird angeführt, dass diese -aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse in Griechenland- nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kann die Außerlandesschaffung eines Fremden eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des EGMR beruhenden Judikatur ist eine solche Situation aber nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. etwa VwGH 03.05.2021, Ra 2020/01/0485, Rz 15, mwN).

Der EuGH urteilte unter Berufung auf den EGMR, dass Art. 3 EMRK verletzt wird, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Diese Schwelle ist selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren sich diese Person in einer solch schwerwiegenden Lage befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (vgl. EuGH 19.03.2019, C-163/17, Rn 92ff; 13.11.2019, C-540/17 ua, Rn 36ff; 19.03.2019, C-297/17 ua, Rn 83ff).

Nach der Rechtsprechung des EGMR, der der VwGH insofern folgt, obliegt es grundsätzlich einem Asylwerber durch eine substantiierte Schilderung darzulegen, dass ihm individuell eine reale Gefahr einer Art. 3 EMRK-Verletzung droht. Die Beweislast für das Vorliegen eines realen Risikos in Bezug auf individuelle Gefährdungsmomente für eine Person liegt daher grundsätzlich bei dieser (vgl. EGMR 23.08.2016, Nr. 59166/12, J.K. u.a. gegen Schweden, Rn 91ff und VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137, Rz 23).

Derartige und in Ihrer persönlichen Sphäre gelegenen (exzeptionelle) Umstände liegen in Ihrem Fall nicht vor. Dies ergibt sich aus Ihren eigenen Angaben bei der Einvernahme am 22.06.2021, wo Sie angaben, 1 ½ Jahre in Griechenland auf der Insel XXXX und in XXXX aufhältig gewesen zu sein. Bei Ihnen handelt es sich um einen alleinstehenden, leistungsfähigen und jungen Mann, der an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung leidet. Sie waren während Ihres gesamten Aufenthalts in Griechenland in Flüchtlingslagern untergebracht und damit war Ihr Lebensunterhalt gesichert.

Über Ihren Aufenthalt in Griechenland führten Sie bei der Einvernahme am 22.06.2021 keinerlei negativen Aspekte in Bezug auf Ihre Versorgungslage an und brachten sogar vor, dass Sie während Ihres gesamten Aufenthaltes in Flüchtlingslagern untergebracht waren und dass Sie auch ärztlich behandelt und medikamentös versorgt wurden.

Soweit Sie jedoch bei der Erstbefragung am 03.02.2021 die Versorgungslage in Griechenland bemängelt haben, indem Sie angegeben haben, dass die die Unterkunft in Griechenland sehr schnutzig war, ist darauf hinzuweisen, dass Ihr Vorbringen nicht geeignet ist, eine konkret Sie persönlich drohende Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte im Falle Ihrer Überstellung nach Griechenland aufzuzeigen. Insbesondere ist hervorzuheben, dass in Griechenland ausreichende Versorgung für Schutzberechtigte gewährleistet ist, wie sich aus den Feststellungen zu Griechenland ergibt. Dass Ihnen Versorgungsleistungen für Schutzberechtigte in Griechenland in rechtswidriger Weise vorenthalten werden könnten, hat sich im Verfahren nicht ergeben, da Sie angegeben haben, dass Sie immer in Flüchlingslagern untergebracht waren. Der in den Feststellungen des gegenständlichen Bescheides angeführten und in Griechenland gegebenen Versorgungssituation für Schutzberechtigte sind Sie zudem im Verfahren nicht in der Form substantiiert entgegengetreten, dass sich daraus im Falle Ihrer Überstellung nach Griechenland Hinweise auf eine mögliche Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte in diesem Land ableiten ließen. Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Umstände geht das Bundesamt daher zweifelsfrei davon aus, dass für Sie in Griechenland ausreichende Versorgung gewährleistet ist.

Aus Ihren Angaben sind keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass Sie tatsächlich konkret Gefahr liefen, in Griechenland Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass Ihnen eine Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte.

Ihre pauschal in den Raum gestellte Behauptung, wonach Ihnen in Griechenland die Fingerabdrücke genommen wurden, Sie jedoch keinen Asylantrag gestellt haben, ist jedenfalls zu unkonkret, um darin eine Verletzung Ihrer vorstehend angeführten Rechte in diesem Land aufzuzeigen.

Zu Ihrem Vorbringen, dass Ihnen in Griechenland die Fingerabdrücke abgenommen wurden, ist zusätzlich noch Folgendes anzuführen:

Bezüglich der Abnahme der Fingerabdrücke ist darauf hinzuweisen, dass sämtliche Mitgliedstaaten der EU (so auch Österreich) gehalten sind, irregulär eingereiste Fremde einer erkennungsdienstlichen Behandlung zuzuführen, um deren Identität festzustellen. Es handelt sich dabei um eine gesetzlich vorgesehene Maßnahme, die insbesondere für die Wahrung der Sicherheit der Mitgliedstaaten notwendig ist, und somit um einen zumutbaren Eingriff.

Soweit Sie bei der Einvernahme am 22.06.2021 zu Griechenland angegeben haben, dass Ihnen in XXXX von unbekannten Tätern Bargeld, sowie Ihr Handy und Ihr griechisches Asyldokument geraubt worden ist, ist anzumerken, dass aus Ihren Angaben nicht hervorgeht, dass Sie durch diesen Umstand tatsächlich in Griechenland der Gefahr einer konkreten Verfolgung ausgesetzt sind. Selbst bei Vorliegen der von Ihnen behaupteten Gefährdung in Griechenland, ist Ihren Angaben keinesfalls mangelnder Schutzwille oder mangelnde Schutzfähigkeit des Staates Griechenland zu entnehmen. Zudem ist auch darauf hinzuweisen, dass Griechenland als sicherer Staat im Sinne des Asylgesetzes anzusehen ist. Sie haben jedenfalls die Möglichkeit, sich in Griechenland an die dortigen Polizeibehörden zu wenden. Dass Ihnen dies –unter objektiven Gesichtspunkten betrachtet- nicht möglich oder zumutbar wäre, hat sich im Verfahren nicht ergeben. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte ist im gegenständlichen Fall keine drohende Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte im Falle Ihrer Überstellung nach Griechenland ersichtlich.

Der Vollständigkeit halber wird zudem auf folgendes hingewiesen:

Neben der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des europäischen Parlaments und des Rates sind für den Mitgliedsstaat Bulgarien folgende Richtlinien beachtlich:

- Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) im Hinblick über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes.

- Verfahrensrichtlinie (Richtlinie 2013/32/EU) hinsichtlich gemeinsamer Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes.

- Aufnahmerichtlinie (Richtlinie 2013/33/EU) zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, einschließlich der Verpflichtung des Partnerstaates für ausreichende medizinische Versorgung und die Gewährung von ausreichenden materiellen Leistungen an Asylwerbern, welche die Gesundheit und den Lebensunterhalt der Asylsuchenden gewährleisten. Insbesondere gewährleisten die Mitgliedstaaten in jedem Fall Zugang zur medizinischen Notversorgung.

Gegen Griechenland hat die Europäische Kommission kein Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 226 des EG-Vertrages wegen Missachtung der Status-, Verfahrens- oder Aufnahmerichtlinie eingeleitet.

Insofern ergibt sich aus diesem Umstand –ebenso wie aus dem sonstigen Amtswissen- kein Hinweis, dass Griechenland die vorstehend angeführten Richtlinien nicht in ausreichendem Maß umgesetzt hätte oder deren Anwendung nicht in ausreichendem Umfang gewährleisten würde. Unter diesen Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ergibt sich in Ihrem Fall kein Hinweis auf eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Verletzung Ihrer durch die vorstehend angeführten Richtlinien gewährleisteten Rechte in Griechenland im Falle Ihrer Überstellung in dieses Land.

[ … ]

…………. ist festzuhalten, dass sich im Verfahren keine Anhaltspunkte für eine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Griechenland ergeben haben. Weiters ist festzuhalten, dass Sie im Verfahren keine konkreten auf Sie persönlich bezogenen Umstände glaubhaft gemacht haben, die gerade in Ihrem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall Ihrer Abschiebung nach Griechenland als wahrscheinlich erscheinen lassen. Aus diesem Grund kann nicht davon ausgegangen werden, dass Sie tatsächlich konkret Gefahr liefen, in Griechenland Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass Ihnen eine Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte.

Unter Beachtung des Aspektes, dass sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union untereinander im Sinne einer normativen Vergewisserung (VfGH 17.06.2005, B 336/05) als sichere Staaten für AsylwerberInnen ansehen, was jedenfalls insbesondere auch beinhaltet, dass Art. 3 EMRK gewährleistete Rechte eines Antragstellers in einem Mitgliedsstaat nicht verletzt werden und mangels sonstigem Hinweis darauf, dass dies speziell in Ihrem Fall in Griechenland nicht gegeben sein könnte, haben sich im Verfahren weder Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts, noch für die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen durch das Bundesamt zur allgemeinen und zu Ihrer besonderen Lage in Griechenland ergeben.

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass Sie in Griechenland den Status eines anerkannten Flüchtlings haben und es kann daher nicht erkannt werden, dass Ihnen Ihre gesetzlich gewährleisteten Rechte in Griechenland verweigert werden. Eine Schutzverweigerung in Griechenland kann daher auch nicht erwartet werden. “

In rechtlicher Hinsicht führte das BFA aus, dass der BF in Griechenland als Asylberechtigter anerkannt worden sei und gemäß § 4a Asylgesetz ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen sei, wenn dem Fremden in einem anderen EWR-Staat der Status des Asylberichtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden habe. Es bestehe kein Grund, daran zu zweifeln, dass Griechenland seine sich aus der Genfer Konvention und der Statusrichtlinie ergebenden Verpflichtungen erfülle, weshalb davon auszugehen sei, dass die BF dort Schutz vor Verfolgung gefunden habe.

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 1 AsylG sei die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu prüfen, wenn ein Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 4a Asyl zurückgewiesen werde. Die in § 57 AsylG genannten Voraussetzungen, unter denen im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf Antrag eine Aufenthaltsberechtigung besondere Schutz zu erteilen sei, lägen (implizit) in casu nicht vor.

Im Hinblick auf das Privat- und Familienleben der BF sei auszuführen, dass keine familiären Anknüpfungspunkte vorhanden seien. Hinsichtlich seines Privatlebens erscheine die zeitliche Komponente seines Aufenthalts von etwa 4 Monaten zu kurz, um Relevanz zu entfalten, zudem habe ihn bereits zum Antragszeitpunkt klar sein müssen, dass den Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich ein vorübergehender sei. Bei einer Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen angeordneten Vollzug der Zuständigkeitsnormen für Anträge auf internationalen Schutz und seinem Privatinteresse überwögen die öffentlichen Interessen. Die Außerlandesbringung des verletze daher nicht seine Rechte gemäß Art. 8 EMRK.

Gegen diesen am 25.06.2021 zugestellten Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, in welcher der BF im Wesentlichen geltend machte, dass die Behörde im konkreten Fall hätte konkret prüfen müssen, ob der BF nach seiner Überstellung nach Griechenland dort eine adäquate Unterkunft sowie angemessene Versorgung erhalten würde. Die katastrophalen Lebensverhältnisse für Schutzberechtigte in Griechenland seien von der Behörde nur einseitig berücksichtigt worden. Die Behörde hätte bei ausreichend Ermittlung des Sachverhalts zu einem anderen Ergebnis gelangen müssen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt wird zunächst der dargelegte Verfahrensgang, insbesondere der Umstand, dass dem BF in Griechenland der Status eines Asylberechtigten verbunden mit einer bis zum 13.04.2023 gültigen Aufenthaltserlaubnis zuerkannt wurde.

Besondere, in den Personen der BF gelegene Gründe, welche für eine reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Griechenland sprechen, liegen nicht vor.

Weiters wird festgestellt, dass der BF während seines gesamten Aufenthalts in Griechenland in einer Unterkunft untergebracht worden ist.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Lage im Mitgliedstaat an.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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