TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/28 W202 2247571-1

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Veröffentlicht am 28.10.2021
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Entscheidungsdatum

28.10.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch


W202 2247571-1/2Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard Schlaffer als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, vertreten durch BBU GmbH, gegen Spruchpunkt IV. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.09.2021, Zl. 1285147807-211357357, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, wurde am 20.09.2021 im Zuge einer Kontrolle durch die Finanzpolizei in einer Bäckerei in Wien bei mutmaßlichen Arbeiten ohne entsprechende arbeitsmarktbehördliche Bewilligung angetroffen.

2. In der Folge wurde der Beschwerdeführer dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vorgeführt und von diesem am 20.09.2021 einvernommen. Im Wesentlich gab er Folgendes zu Protokoll: Er sei gesund und nehme keine Medikamente. In der Bäckerei in Wien habe er nicht gearbeitet, sondern er sei dort zufällig vorbeigekommen. Er habe sich dort etwas zu essen kaufen wollen, da er auf der Durchreise von Ungarn nach Deutschland gewesen sei. In der Bäckerei habe er mit dem Bäcker länger geredet und dieser habe ihn gebeten, für etwa 30 Minuten im Verkauf auszuhelfen, da seine Frau kurz weggehen müsse. In Österreich habe der Beschwerdeführer keine Angehörigen und er sei nur auf der Durchreise im Land.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 20.09.2021 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG iVm § 52 Abs. 1 Z 1 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt III.), einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.) und gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG ein auf zwei Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.) erlassen.

Begründend zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt IV.) wird ausgeführt, dass die sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung erforderlich sei, da sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig in Österreich aufhalte, er unerlaubt gearbeitet habe und er somit die Bedingungen des visumsfreien Aufenthalts zu touristischen Zwecken nicht eingehalten habe. Mit diesem Verhalten habe er erkennen lassen, dass er nicht bereit sei, sich an die bestehenden Einreisevorschriften zu halten. Die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme sei im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten.

4. Am 27.09.2021 reiste der Beschwerdeführer freiwillig mit dem Auto aus Österreich aus.

5. Gegen die Spruchpunkte II. bis VI. des Bescheides des BFA erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seiner rechtlichen Vertretung vom 18.10.2021 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht. Im Wesentlichen wird darin vorgebracht, dass die belangte Behörde entgegen den Angaben des Beschwerdeführers falsche Feststellungen getroffen habe. Der Beschwerdeführer sei nie der Schwarzarbeit nachgegangen und dies könne der Inhaber der Bäckerei bestätigen, dessen zeugenschaftliche Einvernahme werde beantragt. Da er keine unerlaubte Erwerbstätigkeit ausgeübt habe, stelle er keine Gefahr für die öffentliche Ordnung dar und der Bescheid sei gänzlich zu beheben.

6. Am 22.10.2021 langte die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A)

Festgestellt wird der unter I. dargelegte Verfahrensgang, der sich aus der unzweifelhaften Aktenlage ergibt.

Gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist (Z 1), der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist (Z 2) oder Fluchtgefahr besteht (Z 3).

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

Das BFA stützte die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auf § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG, da aus Sicht der belangten Behörde die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Nach der zu § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes genügt es nicht, auf eine - die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende - Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern darüber hinaus muss dargetan werden, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat (vgl. VwGH 16.06.2020, Ra 2019/21/0360)

Entgegen dieser Rechtsprechung begründete das BFA im vorliegenden Fall den bekämpften Spruchpunkt IV. allein mit der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit aufgrund der vom BFA festgestellten Schwarzarbeit des Beschwerdeführers, welche ebenso als Hauptargument für die Erlassung der Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbots herangezogen wurde. Warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat, wurde nicht konkret dargelegt. Die Ausführungen des BFA im Bescheid zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sind sinngemäß mit jenen gleichzusetzen, mit denen bereits die Erlassung des Einreiseverbots und die Rückkehrentscheidung begründet wurde. Mit Hinblick auf die obzitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren. Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung erfordert also das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind (VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0053 mwN).

Eine derartige Begründung ist im angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht enthalten und waren dem Akteninhalt keine diesbezüglichen Anhaltspunkte zu entnehmen.

Zudem stellt sich der Sachverhalt als nicht ausreichend geklärt dar. Die beschwerdeführende Partei hat sowohl im behördlichen Verfahren als auch in der Beschwerde wesentliche Aspekte des seitens des BFA festgestellten Sachverhalts - insbesondere die Ausübung einer unerlaubten Erwerbstätigkeit in Österreich - vehement bestritten und im Beschwerdeschriftsatz wiederum die zeugenschaftliche Einvernahme des Inhabers der Bäckerei, in welcher der Beschwerdeführer betreten wurde, beantragt. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts ergeben sich zumindest anfänglich zu klärende Zweifel an der vom BFA festgestellten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Beschwerdeführer, mit der die belangte Behörde sowohl die Erlassung der Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbots als auch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung begründete, weshalb gegenständlich die Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung erforderlich erscheint.

Zur Verhandlungspflicht nach § 21 Abs. 7 BFA-VG führt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur aus, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes eben außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 08. September 2015, Ra 2014/01/022, mwN und viele andere mehr).

Da aber nach dem Gesagten der hier notwendige Sachverhalt nicht ausreichend geklärt sowie auch eine mündliche Verhandlung geboten ist, und eine Klärung innerhalb der Wochenfrist nicht möglich ist, war der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. Folge zu geben und dieser ersatzlos zu beheben.

Durch die Behebung des angefochtenen Spruchteils IV. kommt der Beschwerde somit aufschiebende Wirkung zu. Damit war es nicht mehr erforderlich, ausdrücklich der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, ein darauf gerichteter Antrag ist im Übrigen nicht zulässig (VwGH vom 13.12.2017, Ra 2017/19/003).

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Eine mündliche Verhandlung entfiel, weil über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres Verfahren und unverzüglich zu entscheiden ist (VwGH 09.06.2015, Ra 2015/08/0049).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung aufschiebende Wirkung - Entfall Behebung der Entscheidung ersatzlose Teilbehebung Spruchpunktbehebung Teilerkenntnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W202.2247571.1.00

Im RIS seit

09.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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