TE Lvwg Erkenntnis 2021/11/10 LVwG-2020/17/1998-4, LVwG-2020/17/1999-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.11.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

10.11.2021

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

FrPolG 2005 §120 Abs1b
VStG §19

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in Luchner über die Beschwerde der AA, geb am **.**.****, Staatsangehörige der Ukraine, sowie BB, geb am **.**.****, Staatsangehörige der Ukraine, beide wohnhaft in Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 11.08.2020, Zl *** (betreffend AA) sowie Zl *** (betreffend BB), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht:

1.       Den Beschwerden wird insofern Folge gegeben, als die über die Beschwerdeführer verhängten Geldstrafen in der Höhe von jeweils Euro 2.500,00 auf Euro 1.000,00 (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 4 Tage und 4 Stunden) herabgesetzt werden.

2.       Dementsprechend werden die Kosten der Strafverfahren mit 10 % der verhängten Strafe, somit mit Euro 100,00, neu festgesetzt.

3.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Vorverfahren, Sachverhalt:

Mit den erstinstanzlichen Straferkenntnissen zu Zl *** (betreffend AA) sowie Zl *** (betreffend BB) wurden den Beschwerdeführern spruchgemäß nachstehende gleichlautende Sachverhalte zur Last gelegt:

„1. Datum/Zeit:  29.10.2019, 00:00 Uhr

Ort:                      **** Z, Adresse 1

Sie haben sich als Fremder (§ 2 Abs. 4 Z1 FPG) am 29.10.2019 in Z nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten und sind somit nicht der Pflicht zur Ausreise aus dem Bundesgebiet nachgekommen, nachdem gegen Sie eine erlassene Rückkehrentscheidung rechtskräftig mit und durchsetzbar geworden ist und Sie ein Rückkehrgespräch gern. § 52a Abs. 2 BFA-VG in Anspruch genommen oder bis zum Eintritt der Rechtskraft und Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung aus von Ihnen zu vertretenden Gründen nicht in Anspruch genommen haben.

Gegen Sie wurde vom BFA RD Vorarlberg eine seit 8.10.2019 rechtskräftige Rückkehrentscheidung (iVm Einreiseverbot) erlassen.

Der § 120 Abs. 1b FPG idgF lautet wie folgt:

(1b) Wer als Fremder aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht unverzüglich seiner Pflicht zur Ausreise aus dem Bundesgebiet nachkommt, nachdem eine gegen ihn erlassene Rückkehrentscheidung rechtskräftig und durchsetzbar geworden ist, und ein Rückkehrberatungsgespräch gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG in Anspruch genommen oder bis zum Eintritt der Rechtskraft und Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht in Anspruch genommen hat, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis 15 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltes, bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmens möglich ist.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1. § 120 Abs. 1 b Fremdenpolizeigesetz i.V.m. §§ 52, 52a Abs. 2 BFA-VG

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt.

Geldstrafe von

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

Freiheitsstrafe von

Gemäß

1. €2500,00

7 Tage(n) 0 Stunde(n) 0 Minute(n)

 

§ 120 Abs. 1b Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 i.d.g.F.

Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 250,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

€ 2.750,00“

„1. Datum/Zeit: 29.10.2019, 00:00 Uhr

Ort:                      **** Z, Adresse 1

Sie haben sich als Fremder (§ 2 Abs. 4 Z 1 FPG) am 29.10.2019 in Z nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten und sind somit nicht der Pflicht zur Ausreise aus dem Bundesgebiet nachgekommen, nachdem gegen Sie eine erlassene Rückkehrentscheidung rechtskräftig mit und durchsetzbar geworden ist und Sie ein Rückkehrgespräch gern. § 52a Abs. 2 BFA-VG in Anspruch genommen oder bis zum Eintritt der Rechtskraft und Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung aus von Ihnen zu vertretenden Gründen nicht in Anspruch genommen haben.

Gegen Sie wurde vom BFA RD Vorarlberg eine seit 8.10.2019 rechtskräftige Rückkehrentscheidung (iVm Einreiseverbot) erlassen.

Der § 120 Abs. 1b FPG idgF lautet wie folgt:

(1b) Wer als Fremder aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht unverzüglich seiner Pflicht zur Ausreise aus dem Bundesgebiet nachkommt, nachdem eine gegen ihn erlassene Rückkehrentscheidung rechtskräftig und durchsetzbar geworden ist, und ein Rückkehrberatungsgespräch gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG in Anspruch genommen oder bis zum Eintritt der Rechtskraft und Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht in Anspruch genommen hat, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis 15 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten ufenthaltes, bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsuntemehmens möglich ist.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1. § 120 Abs. 1b Fremdenpolizeigesetz i.V.m. §§ 52, 52a Abs. 2 BFA-VG

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

Freiheitsstrafe von

Gemäß

1. €2500,00

7 Tage(n) 0 Stunde(n) 0 Minute(n)

 

§ 120 Abs. 1b Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 i.d.g.F.

Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 250,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

€ 2.750,00“

Gegen diese Straferkenntnisse hat der Rechtsvertreter RA CC fristgerecht zwei im Wesentlichen gleichlautende Beschwerden erhoben und in diesen ausgeführt wie folgt:

„In umseitiger Rechtssache erhebt der Beschwerdeführer (Bf) innerhalb offener Frist

Beschwerde

an das Landesverwaltungsgericht Tirol gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 11.08.2020, ***, zugestellt am 14.08.2020.

Der Bf fechtet das angefochtene Straferkenntnis in seinem gesamten Umfang an und macht als Beschwerdegründe Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend.

Der Bf wird durch das angefochtene Straferkenntnis in seinem Recht nicht gemäß § 120 Abs 1b FPG bestraft zu werden und nicht mit einer Geldstrafe in der Höhe von Eur. 2.500,00 bestraft zu werden, verletzt. Weiters in seinem Recht auf Durchführung eines den Verfahrensvorschriften entsprechenden Verfahrens.

1.) Gemäß § 120 Abs 1 b FPG setzt eine Strafbarkeit voraus, dass der Fremde aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht unverzüglich seiner Pflicht zur Ausreise aus dem Bundesgebiet nachkommt.

In antizipierender Beweiswürdigung und reiner Willkür hat sich die belangte Behörde (bB) mit der Frage, ob der Bf aus von ihm zu vertretenden oder aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht unverzüglich aus dem Bundesgebiet ausgereist ist, in keinster Weise auseinandergesetzt. Dies obwohl der Bf in seiner Stellungnahmen mehrere Gründe vorgebracht hat, warum ihm die unverzügliche Ausreise aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich war und weiterhin ist.

Die bB hat sich in keinster Weise damit auseinandergesetzt, wie der Bf ohne Reisedokument seines Sohnes in die Ukraine ausreisen soll. Eine Ausreise ohne den zweijährigen Sohn ist weder dem Bf noch dem Sohn zumutbar. Daher ist die unterbliebene Ausreise auch aus diesem Grund nicht nach § 120 Abs 1b FPG strafbar.

2.) Der Bf stammt wie seine Ehefrau aus der Ostukraine, aus Y, das immer noch Kampfgebiet ist. Sein Sohn ist in Österreich geboren. Er ist jetzt bald 3 Jahre alt und verfügt über kein ukrainisches Dokument und ist in der Ukraine nicht registriert.

Der Vater des Bf ist schon seit 20 Jahren verstorben. Er hat seit 3,5 Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Mutter und seinen Geschwistern. Die Wohnung, in denen diese gewohnt haben, wurde 2015 ebenfalls zerstört.

Das Haus, in dem die Ehefrau des Bf aufgewachsen ist, wurde bei einem Beschluss zerstört. Der Schwiegervater des Bf kam dabei ums Leben. Seine Schwiegermutter ist im Jahre 2016 an Krebs verstorben.

Der Bf, seine Ehefrau und deren Kind würden daher im Falle einer Rückkehr kein soziales Netz vorfinden. Die Coronakrise hat die Situation in der Ukraine ganz allgemein und vor allem für den Bf und seine Familie im Falle einer Rückkehr weiter verschärft. Sie wären obdachlos. Da die Wirtschaft am Boden liegt, können die Beschuldigten keine Arbeit finden. Sie würden im Falle einer Rückkehr in eine ausweglose Lage geraten.

Dem Bf ist eine Rückkehr in die Ukraine nicht zumutbar und mangels von Reisedokumenten auch nicht möglich.

Mangels eines Verschuldens bzw. im Hinblick auf die außerordentliche Notlage, in welche der Bf und seine Familie im Falle einer Rückkehr in die Ukraine geraten würden, liegt kein strafbares Verhalten vor.

3.) Der Bf ist mittellos. Es wurde über ihn eine Strafe in der Höhe von Eur. 2.500,00, Kosten in der Höhe vn Eur. 250,00 und eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Höhe von 7 Tagen verhängt. Seine ebenfalls mittellose Ehefrau wurde mit der gleichen Strafe belastet.

Die verhängte Geldstrafe ist der Höhe nach weder schuld- noch tatangemessen. Wenn überhaupt eine strafbare Handlung vorliegt, dann wäre die Strafe mit höchstens Eur. 100,00 zu bemessen gewesen.

Die Strafe und Kosten in der Höhe von Eur. 2.750,00 kann der Bf nicht bezahlen. Es wird daher die Ersatzfreiheitsstrafe vollzogen werden müssen. Aufgrund der völlig überzogenen Strafhöhe wird damit die Ersatzfreiheitsstrafe in eine primäre Freiheitsstrafe verdreht. Das Gesetz sieht jedoch eine primäre Freiheitsstrafe vor.

Gestützt auf obiges Vorbringen werden daher gestellt nachfolgende

Beschwerdeanträge:

Das Landesverwaltungsgericht Tirol wolle eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen, der Beschwerde Folge geben und den angefochtenen Bescheid aufheben und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen,

in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverweisen.“

„In umseitiger Rechtssache erhebt die Beschwerdeführerin (Bf) innerhalb offener Frist

Beschwerde

an das Landesverwaltungsgericht Tirol gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 11.08.2020, ***, zugestellt am 14.08.2020.

Die Bf fechtet das angefochtene Straferkenntnis in seinem gesamten Umfang an und macht als Beschwerdegründe Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend.

Die Bf wird durch das angefochtene Straferkenntnis in ihrem Recht nicht gemäß § 120 Abs 1b FPG bestraft zu werden und nicht mit einer Geldstrafe in der Höhe von Eur. 2.500,00 bestraft zu werden, verletzt. Weiters in ihrem Recht auf Durchführung eines den Verfahrensvorschriften entsprechenden Verfahrens.

1.) Gemäß § 120 Abs 1 b FPG setzt eine Strafbarkeit voraus, dass der Fremde aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht unverzüglich seiner Pflicht zur Ausreise aus dem Bundesgebiet nachkommt.

In antizipierender Beweiswürdigung und reiner Willkür hat sich die belangte Behörde (bB) mit der Frage, ob die Bf aus von ihr zu vertretenden oder aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen nicht unverzüglich aus dem Bundesgebiet ausgereist ist, in keinster Weise auseinandergesetzt. Dies obwohl die Bf in ihren Stellungnahmen mehrere Gründe vorgebracht hat, warum ihr die unverzügliche Ausreise aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich war und weiterhin ist.

Die bB hat sich in keinster Weise damit auseinandergesetzt, wie die Bf ohne Reisedokument ihres Sohnes in die Ukraine ausreisen soll.

Eine Ausreise ohne den Sohn ist weder der Bf noch dem Sohn zumutbar. Daher ist die unterbliebene Ausreise auch aus diesem Grund nicht nach § 120 Abs 1b FPG strafbar.

2.) Die Bf stammt wie ihr Ehemann aus der Ostukraine, aus Y, das immer noch Kampfgebiet ist. Ihr Sohn ist in Österreich geboren. Er ist jetzt bald 3 Jahre alt und verfügt über kein ukrainisches Dokument und ist in der Ukraine nicht registriert.

Ihr Schwiegervater ist schon seit 20 Jahren verstorben. Sie hat seit 3,5 Jahren keinen Kontakt mehr zu ihrer Schwiegermutter und ihren Schwagern und Schwägerinnen. Die Wohnung, in denen diese gewohnt haben, wurde 2015 ebenfalls zerstört.

Das Haus, in dem die Bf aufgewachsen ist, wurde bei einem Beschuss zerstört.

Der Vater des Bf kam dabei ums Leben. Ihre Mutter ist im Jahre 2016 an Krebs verstorben.

Die Bf, ihr Ehemann und deren Kind würden daher im Falle einer Rückkehr kein soziales Netz vorfinden. Die Coronakrise hat die Situation in der Ukraine ganz allgemein und vor allem für die Bf und ihre Familie im Falle einer Rückkehr weiter verschärft. Sie wären obdachlos. Da die Wirtschaft am Boden liegt, könnte die Bf und ihr Ehemann keine Arbeit finden. Sie würden im Falle einer Rückkehr in eine ausweglose Lage geraten.

Der Bf ist eine Rückkehr in die Ukraine nicht zumutbar und mangels von Reisedokumenten auch nicht möglich.

Mangels eines Verschuldens bzw. im Hinblick auf die außerordentliche Notlage, in welche die Bf und ihree Familie im Falle einer Rückkehr in die Ukraine geraten würden, liegt kein strafbares Verhalten vor.

3.) Die Bf ist mittellos. Es wurde über sie eine Strafe in der Höhe von Eur. 2.500,00, Kosten in der Höhe vn Eur. 250,00 und eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Höhe von 7 Tagen verhängt. Ihr ebenfalls mittelloser Ehemann wurde mit der gleichen Strafe belastet.

Die verhängte Geldstrafe ist der Höhe nach weder schuld- noch tatangemessen. Wenn überhaupt eine strafbare Handlung vorliegt, dann wäre die Strafe mit höchstens Eur. 100,00 zu bemessen gewesen.

Die Strafe und Kosten in der Höhe von Eur. 2.750,00 kann die Bf nicht bezahlen. Es wird daher die Ersatzfreiheitsstrafe vollzogen werden müssen.

Aufgrund der völlig überzogenen Strafhöhe wird damit die Ersatzfreiheitsstrafe in eine primäre Freiheitsstrafe verdreht. Das Gesetz sieht jedoch eine primäre Freiheitsstrafe vor.

Gestützt auf obiges Vorbringen werden daher gestellt nachfolgende

Beschwerdeanträge:

Das Landesverwaltungsgericht Tirol wolle eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen, der Beschwerde Folge geben und den angefochtenen Bescheid aufheben und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen,

in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverweisen.“

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in die erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakten sowie durch Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu der die Beschwerdeführer nicht erschienen sind. Der Rechtsvertreter hat mitgeteilt, dass er keinen Kontakt mehr zu diesen beiden Beschwerdeführern habe und ihm mitgeteilt worden sei, dass die beiden für immer ausgereist wären. Außerdem wurde eine Meldeauskunft eingeholt, aus der allerdings hervorgeht, dass die beiden immer noch in der Adresse 1 gemeldet sind.

Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahren steht nachstehender Sachverhalt als erwiesen fest:

Beide Beschwerdeführer haben sich am 29.10.2019 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet, nämlich in Z aufgehalten und sind somit nicht ihrer Plficht zur Ausreise aus dem Bundesgebiet nachgekommen, obwohl mit Rechtskraft vom 08.10.2019 ein Asylantrag in erster Instanz negativ entschieden wurde und die Entscheidung rechtskräftig wurde. Außerdem haben die Beiden ein Rückführgespräch gem § 52a Abs 2 BFA-VG in Anspruch genommen. Am 08.10.2019 wurde vom BFA RD Vorarlberg eine seit 08.10.2019 rechtkräftige Rückkehrentscheidung erlassen.

II.      Rechtliche Bestimmungen:

Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung vom Dokumente für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel (Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG) idF BGBl I Nr 110/2019:

㤠120

Rechtswidrige Einreise und rechtswidriger Aufenthalt

(1b) Wer als Fremder aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht unverzüglich seiner Pflicht zur Ausreise aus dem Bundesgebiet nachkommt, nachdem eine gegen ihn erlassene Rückkehrentscheidung rechtskräftig und durchsetzbar geworden ist, und ein Rückkehrberatungsgespräch gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG in Anspruch genommen oder bis zum Eintritt der Rechtskraft und Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht in Anspruch genommen hat, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis 15 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltes, bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmens möglich ist.

…“

III.     Rechtliche Erwägungen:

Da das Fremdenpolizeigesetz über das Verschulden keine Aussage trifft, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Bei den gegenständlichen Verwaltungsübertretungen handelt es sich um Ungehorsamsdelikte, bei dem das Verschulden der Täter nicht von der Behörde zu beweisen, sondern ohne Weiteres anzunehmen ist. Die Angaben der Beschwerdeführer, dass ihr Sohn DD über kein Reisedokument verfüge, wurde in den diversen Verfahren ja zunächst berücksichtigt und das Strafverfahren der LPD Tirol bis zum 16.07.2020 (Covid-19 bedingt) nicht fortgeführt. Am 16.07.2020 wurde den Beschwerdeführern nochmals eine Aufforderung zum Parteiengehör zugestellt. In der Stellungnahme vom 04.08.2020 wurde letztendlich mitgeteilt, dass der Sohn immer noch über kein Reisedokument verfüge.

Die Beschwerdeführer hätten somit von November 2019 bis Juli 2020 Zeit gehabt sich um Papiere für ihren Sohn zu bemühen und diese Bemühungen auch zu dokumentieren. Diesbezüglich wurden jedoch keinerlei Nachweise vorgelegt, auch keine Bestätigung der entsprechenden Botschaft über eine Antragstellung, die bei ihr getätigt worden wäre.

Der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften kommt aus Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu. Die sanktionslose Duldung des Aufenthaltes von Fremden, die entgegen einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung illegal im Bundesgebiet verbleiben und somit rechtkräftige Entscheidungen missachten, führt letztlich dazu, dass Fremde, die sich rechtskonform verhalten und ihre – auch im Sinn des Art 8 EMRK bestehenden – Interessen an einem Aufenthalt in Österreich rechtskonform verfolgen, gegenüber Personen, die sich illegal in Österreich aufhalten und behördliche bzw gerichtliche Entscheidungen ignorieren benachteiligt wären. Es liegt auf der Hand, dass dadurch die Vollziehung der, die Einreise von Fremden regelnden Bestimmungen erheblich erschwert würde, weshalb gravierende öffentliche Interessen an der Erhaltung der Einreise und Einwanderungsbestimmungen bestehen. Den Beschwerdeführern war ihr illegaler Aufenthalt bewusst und ist ihnen dies auch durch das Rückkehrgespräch vor Augen geführt worden.

Die Beschwerdeführer konnten somit nicht im Sinne des § 5 Abs 1 VStG glaubhaft machen, dass ihnen die Einhaltung der übertretenen Rechtsvorschriften ohne ihr Verschulden nicht möglich oder zumutbar gewesen wären. Ein Strafausschließungsgrund im Sinne des § 6 VStG konnte ebenso wenig dargetan werden. die subjektive Tatseite ist daher jedenfalls verwirklicht.

Nach § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Nach § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, nämlich die Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens ist als hoch zu qualifizieren. Die Intensität der Beeinträchtigung dieses Rechtsgutes durch die gegenständlichen Taten konnte im Hinblick auf die offenkundige Rechtswidrigkeit des Aufenthaltes der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt nicht als gering erachtet werden, sondern musste als gravierend eingeschätzt werden.

Die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit kommt den Beschwerdeführern jedoch zugute und wurde daher die Geldstrafe nunmehr auf Euro 1.000,00 herabgesetzt. Ebenso wurde die Ersatzfreiheitsstrafe entsprechend angepasst. Die nunmehr verhängten Geldstrafen sind unter Berücksichtigung der extrem schwachen finanziellen Gegebenheiten der beiden Beschwerdeführer als nunmehr angemessen und durchaus ausreichend zu betrachten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

IV.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr.in Luchner

(Richterin)

Schlagworte

schlechte finanzielle Verhältnisse
Aufrechterhaltung des geordneten Fremdenwesens

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2020.17.1998.4

Zuletzt aktualisiert am

02.12.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten