TE Lvwg Erkenntnis 2021/9/9 LVwG-S-1222/001-2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.09.2021
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Entscheidungsdatum

09.09.2021

Norm

KFG 1967 §103 Abs2
KFG 1967 §134 Abs1
VStG 1991 §44a Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Dr. Köchle als Einzelrichterin über die Beschwerde des A, ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 26.02.2020, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach dem Kraftfahrgesetz 1967 (KFG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

2.   Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

3.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Verfahrensgang und Verfahrensgegenstand:

1.1. Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mödling (im Folgenden: belangte Behörde) vom 26.02.2020, Zl. *** wurde über den Beschwerdeführer wegen Übertretung von § 103 Abs. 2 KFG eine Geldstrafe in der Höhe von 100,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 20 Stunden) verhängt und ihm ein Beitrag zu den Kosten des verwaltungsstrafbehördlichen Verfahrens in der Höhe von 10,-- Euro vorgeschrieben.

Die Behörde sieht es in diesem nunmehr in Beschwerde gezogenen Straferkenntnis als erwiesen an, dass es der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als das zur Vertretung nach außen gem. § 9 Abs. 1 VStG berufene Organ der B GmbH (im Folgenden: das Unternehmen des Beschwerdeführers) zu verantworten habe, dass sein Unternehmen als Zulassungsbesitzerin des Personenkraftwagens mit dem behördlichen Kennzeichen ***, der belangten Behörde nicht innerhalb von zwei Wochen ab der am 07.06.2019 erfolgten Zustellung der Lenkererhebung darüber Auskunft erteilt habe, wer das spruchgegenständliche Fahrzeug am 10.04.2019 um 11:02 Uhr in ***, *** gg HNr. ***, Fahrtrichtung ***, gelenkt habe.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer fristgerecht eine näher begründete Beschwerde, mit der die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsverfahrens beantragt wurde.

1.3. Diese Beschwerde wurde dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich durch die belangte Behörde unter Abstandnahme von einer Beschwerdevorentscheidung samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt.

1.4. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 09.09.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Im Zuge dieser Verhandlung legte der Beschwerdeführer Lichtbilder des Probefahrtkennzeichens *** sowie einen Scan der am 20.03.2018 erteilten Zulassungsbescheinigung für das Probefahrtkennzeichen *** vor.

2.   Feststellungen:

2.1. Der nunmehrige Beschwerdeführer, Herr A, geb. ***, ist seit 09.03.2016 und war somit auch am 07.06.2019 handelsrechtlicher Geschäftsführer der B GmbH mit Sitz in ***, *** und mit weiterer Betriebsstätte in ***, ***. Ein verantwortlicher Beauftragter gem. § 9 Abs. 2 VStG wurde im Unternehmen des Beschwerdeführers nicht bestellt.

2.2. Das Unternehmen des Beschwerdeführers ist und war am 10.04.2019 ist Inhaberin des Probefahrtkennzeichens *** und hat und hatte auch am 10.04.2019 eine Bewilligung zur Durchführung von Probefahrten mit diesem Kennzeichen inne.

2.3. Aufgrund einer bei der belangten Behörde eingelangte Anzeige wurde das das Unternehmen des Beschwerdeführers als Zulassungsbesitzerin des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen *** mit am 07.06.2019 zugestellter Aufforderung zur Erteilung der Lenkerauskunft gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967 aufgefordert, der belangten Behörde binnen zwei Wochen nach Zustellung Auskunft darüber zu erteilen, wer das Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen *** am 10.04.2019, 11:02 Uhr im Gemeindegebiet ***, *** gg HNr. ***, Fahrtrichtung *** gelenkt habe.

2.4. Die dem Unternehmen des Beschwerdeführers am 07.06.2019 zugestellte Lenkeranfrage blieb unbeantwortet.

3.   Beweiswürdigung:

3.1. Die getroffenen Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:

3.2. Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer handelsrechtlicher Geschäftsführer der B GmbH war sowie der Unternehmenssitz sowie die weitere Betriebsstätte dieses Unternehmens ergeben sich aus den aktenkundigen Auszügen aus dem Firmenbuch und aus dem Gewerberegister. Die Bestellung eines verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen gem. § 9 Abs. 2 VStG wurde zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens behauptet und liegen auch keine diesbezüglichen Anhaltspunkte vor.

3.3. Die Feststellung, dass es sich bei dem Kennzeichen *** um ein Probekennzeichen handelt, das Unternehmen des Beschwerdeführers Inhaberin eben dieses Probefahrtkennzeichens *** ist und somit eine Bewilligung zur Durchführung von Probefahrten mit diesem Kennzeichen hat, ergibt sich aus den bei der mündlichen Verhandlung vorgelegten Lichtbildern des blauen Probekennzeichens *** und dem ebenfalls vorgelegten Probefahrtschein (Zulassungsbescheinigung für Probefahrtkennzeichen) ***, aus der auch das Datum der Ausstellung der Zulassungsbescheidung, der 20.03.2018, ersichtlich ist.

3.4. Hinsichtlich der Feststellung zur Lenkererhebung vom 06.07.2019 ist auf ebendiese zu verweisen. In der Lenkererhebung wird das Unternehmen des Beschwerdeführers ausdrücklich mit „Sehr geehrte/r Zulassungsbesitzer!“ angesprochen und findet sich an keiner Stelle der Lenkererhebung ein Hinweis darauf, dass die Lenkererhebung an das Unternehmen des Beschwerdeführers in seiner Eigenschaft als Besitzer der Probefahrbewilligung, gerichtet wäre.

4.   Rechtslage:

4.1. § 103 Abs. 2 des Kraftfahrgesetzes 1967, BGBl. Nr. 267/1967 idgF, (KFG 1967) hat folgenden Wortlaut:

„§ 103. Pflichten des Zulassungsbesitzers eines Kraftfahrzeuges oder Anhängers

[…]

(2) Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer – im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung – zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.“

4.2. § 134 Abs. 1 des Kraftfahrgesetzes 1967, BGBl. Nr. 267/1967 idgF, (KFG 1967) lautet:

㤠134. Strafbestimmungen

(1) Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 und 10 Abs. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006, der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 oder den Artikeln 5 bis 8 und 10 des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR), BGBl. Nr. 518/1975 in der Fassung BGBl. Nr. 203/1993, zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5 000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Bei der Einbringung von Fahrzeugen in das Bundesgebiet sind solche Zuwiderhandlungen auch strafbar, wenn sie auf dem Wege von einer österreichischen Grenzabfertigungsstelle, die auf ausländischem Gebiet liegt, zur Staatsgrenze begangen werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits einmal bestraft, so kann an Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen verhängt werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits zweimal bestraft, so können die Geldstrafe und die Freiheitsstrafe auch nebeneinander verhängt werden. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe ist in diesen Fällen aber nur zulässig, wenn es ihrer bedarf, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen der gleichen Art abzuhalten. Auch der Versuch einer solchen Zuwiderhandlung ist strafbar.“

5.   Erwägungen:

5.1. Gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967, BGBl. Nr. 267/1967 idF BGBl. I Nr. 19/2019, kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat.

Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer – im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung – zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint.

Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

5.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 19.06.1991, 90/03/0164) vor Augen, bildet es ein wesentliches Tatbestandsmerkmal des § 103 Abs. 2 KFG 1967 (welches auch Gegenstand einer Verfolgungshandlung zu sein hat), dass einem Beschuldigten die Verletzung der dort normierten Auskunftspflicht „als Zulassungsbesitzer“ zur Last gelegt wird, sodass es einen Verstoß gegen § 44a Z 1 VStG darstellt, wenn diese Eigenschaft nicht im Spruch des Straferkenntnisses aufscheint.

Diese Überlegungen gelten in einem allfälligen Strafverfahren ebenfalls gegen jene Person, welche nach Benennung durch den Zulassungsbesitzer (weil dieser die verlangte Auskunft nicht erteilen kann) die Auskunftspflicht trifft, sodass nicht nur diese Eigenschaft als „Auskunftspflichtiger“ im Sinne des § 44a Z 1 VStG im Spruch zum Ausdruck kommen muss, sondern zudem Gegenstand einer rechtzeitigen Verfolgungshandlung zu sein hat (vgl. u.a. VwGH 9.3.2001, 97/02/0067). Im Lichte dieser Judikatur muss dies konsequenterweise auch für den – im Kraftfahrgesetz ebenfalls ausdrücklich vorgesehenen – Besitzer einer Probefahrtbewilligung gelten.

Bei der Anlastung einer Auskunftsverweigerung stellt demnach die Eigenschaft als Besitzer einer Probefahrtbewilligung ein essentielles Tatbestandsmerkmal einer Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG 1967 dar, weil diese Bestimmung zwischen dem Zulassungsbesitzer und dem Besitzer einer Bewilligung zur Durchführung von Probefahrten klar unterscheidet (vgl. dazu auch VwGH 03.09.2003, 2002/03/0012).

Eine Verfolgungshandlung, mit der dem Beschwerdeführer angelastet worden wäre, er hätte es als nach zur Vertretung nach außen befugtes Organ seines Unternehmens zu verantworten, dass sein Unternehmen als Besitzerin einer Probefahrtbewilligung die Lenkerauskunft nicht erteilt habe, ist vorliegend zu keinem Zeitpunkt und jedenfalls nicht innerhalb der einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist erfolgt, sodass eine Spruchkorrektur jedenfalls ausscheidet.

5.3. Unabhängig von der Frage der Tatanlastung kommt vorliegend eine Bestrafung des Beschwerdeführers aber schon deshalb nicht in Frage, weil der Besitzer einer Bewilligung für Probefahrten bereits im Zuge des behördlichen Auskunftsverfahren als solcher zu bezeichnen ist, um diesen zur Abgabe einer entsprechenden Auskunft zu verpflichten.

Dies geschah im vorliegenden Fall nicht, schließlich wurde die vom Beschwerdeführer vertretene GmbH zur Beantwortung der behördlichen Anfrage ausdrücklich unrichtig als „Zulassungsbesitzerin“ und nicht als Besitzerin der Probefahrtbewilligung aufgefordert.

Somit erfolgte das gegenständliche, das Unternehmen des Beschwerdeführers unrichtig als „Zulassungsbesitzer/in“ bezeichnet habende Auskunftsverlangen vom 06.06.2019 nicht rechtswirksam.

Da die Zustellung der inhaltlich unrichtigen Lenkeranfrage keine verwaltungsstrafrechtlich sanktionierte Auskunftsverpflichtung auslösen konnte, war der Beschwerdeführer auch zu keiner Reaktion verpflichtet.

Der Beschwerdeführer hat somit kein strafbares Verhalten gesetzt und erweist sich die dennoch erfolgte Bestrafung als rechtswidrig.

Daher ist das in Beschwerde gezogene Straferkenntnis spruchgemäß ersatzlos zu beheben und das gegen den Beschwerdeführer geführte Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

6.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da sich die Entscheidung auf die zitierte und einheitliche Rechtsprechung bzw. die klare und eindeutige Rechtslage stützt (zur Unzulässigkeit der Revision bei klarer Rechtslage zB VwGH vom 15. Mai 2019, Ro 2019/01/0006).

Schlagworte

Verkehrsrecht; Kraftfahrrecht; Verwaltungsstrafe; Auskunft; Probefahrtkennzeichen; Konkretisierungsgebot;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.S.1222.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.12.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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