TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/21 I417 2233497-1

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Veröffentlicht am 21.07.2021
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Entscheidungsdatum

21.07.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
AVG §58 Abs2
AVG §60
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs4
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
NAG §24
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §27
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I417 2233497-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Friedrich ZANIER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch RA Dr. Gregor KLAMMER, Lerchenfelder Gürtel 45/11, 1160 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 22.06.2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.04.2021, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Die Beschwerdeführerin war von 06.03.2017 bis 07.03.2019 in Besitz eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ und stellte am 12.02.2019 einen Verlängerungsantrag.

2.       Am 23.08.2019 holte die MA 35 des Amtes der XXXX Landesregierung eine fremdenpolizeiliche Stellungnahme gemäß § 25 Abs. 1 NAG bei der belangten Behörde ein, da ein internes Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass der Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin nicht gesichert und das Modul 1 der Integrationsvereinbarung nicht erfüllt sei.

3.       Mit einer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme der belangten Behörde vom 22.10.2019 wurde die Beschwerdeführerin über die beabsichtigte Erlassung einer Rückkehrentscheidung informiert und wurde ihr eine Frist von zwei Wochen zur Stellungnahme gewährt. Am 11.12.2019 brachte ihr damals ausgewiesener Rechtsvertreter ein Zeugnis zur Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 ein.

4.       Am 23.01.2020 fand eine niederschriftliche Einvernahme vor der belangten Behörde statt und wurde die Beschwerdeführerin dabei zu ihren Lebensumständen in Österreich befragt.

5.       Am 29.01.2020 wurde der Beschwerdeführerin und der MA 35 mitgeteilt, dass das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung aufgrund der Erfüllung der Integrationsvereinbarung eingestellt werde. Aufgrund eines E-Mail-Verkehrs mit der MA 35 wurde das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung wegen fehlenden Unterhalts am 24.04.2020 wiederaufgenommen.

6.       Am 05.05.2020 wurde die Beschwerdeführerin mit einer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme über die neuerlich beabsichtigte Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Kenntnis gesetzt und ihr abermals eine Frist zur Stellungnahme von zwei Wochen eingeräumt. Am 22.05.2020 langte eine Stellungnahme des damals ausgewiesenen Rechtsvertreters per E-Mail ein.

7.       Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 22.06.2020 erteilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 53 AsylG (Spruchpunkt I.), erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG (Spruchpunkt II.) und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die belangte Behörde gewährte der Beschwerdeführerin eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.).

8.       Mit Schriftsatz ihrer nunmehrigen Rechtsvertretung vom 22.07.2020 erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wegen Rechtswidrigkeit.

9.       Am 29.07.2020 langte die Beschwerde samt Bezug habenden Akt beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die gegenständliche Rechtssache wurde aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 12.10.2020 der Gerichtsabteilung des nunmehr erkennenden Richters neu zugewiesen.

10.      Am 23.04.2021 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher neben der Beschwerdeführerin der Zeuge XXXX einvernommen wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die volljährige Beschwerdeführerin ist nigerianische Staatsangehörige, gehört der Volksgruppe der Edo an, bekennt sich zum christlichen Glauben und gehört der „ XXXX “ an. Ihre Identität steht fest.

Die Beschwerdeführerin wies erstmals am 25.04.2017 einen aufrechten Hauptwohnsitz im österreichischen Bundesgebiet auf und ist seither durchgehend in Österreich melderechtlich erfasst.

Sie verfügt seit 06.03.2017 über den Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“, welcher zuletzt von der MA 35 des Magistrats der Stadt XXXX bis zum 07.03.2019 verlängert wurde. Die Beschwerdeführerin stellte am 13.02.2019 einen Antrag auf Verlängerung ihres Aufenthaltstitels, über welchen bislang noch nicht abgesprochen wurde.

Sie hält sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Die Beschwerdeführerin ist mit dem nigerianischen Staatsagehörigen S.P., geb. am XXXX , verheiratet und begründete mit ihm von 25.04.2017 bis 02.11.2018 einen gemeinsamen Haushalt in Österreich. Derzeit lebt das Ehepaar getrennt. Ihr Ehegatte lebt seit dem Jahr 2003 in Österreich und ist derzeit im Besitz eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt EU“. Er hält sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Die Beschwerdeführerin ist arbeitsfähig und war bis dato in zahlreichen kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen, wobei sie ihren Aufenthalt in Österreich derzeit mit Unterstützung ihrer Kirche und ihren Freunden finanziert. Derzeit geht die Beschwerdeführerin keiner Erwerbstätigkeit nach und bezieht keine staatlichen Sozialhilfeleistungen. Sie ist in Österreich krankenversichert.

Sie besuchte in Österreich bereits Deutschkurse und absolvierte die Integrationsprüfung in Deutsch auf dem Niveau A2.

Sie ist in Österreich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes samt Verfahrensgang wurden Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführerin, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz. Auskünfte aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Strafregister der Republik Österreich, dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) und dem AJ-WEB wurden ergänzend eingeholt. Zudem wurden die Beschwerdeführerin sowie der Zeuge S.P. am 23.04.2021 vor dem erkennenden Gericht einvernommen und gründen weitere Feststellungen auf deren Aussagen.

2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Feststellungen zu ihrer Volljährigkeit, ihrer Staatsangehörigkeit, ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit gründen auf ihren gleichbleibenden glaubhaften Angaben im gegenständlichen Verfahren vor der belangten Behörde und dem erkennenden Gericht.

In den eingeholten ZMR- und IZR-Auszügen sind jeweils ein Reisepass samt Dokumentnummer eingetragen, sodass ihre Identität aufgrund der Vorlage eines Identitätsdokuments im NAG-Verfahren feststeht.

Die Feststellungen hinsichtlich ihres Aufenthaltes in Österreich samt der mehrmaligen Erteilung des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ ergeben sich aus der Zusammenschau der aktuellen Auszüge aus dem ZMR und dem IZR. Mangels Hinweisen im IZR-Auszug bzw. im Verwaltungsakt auf einen rechtlichen Abspruch über ihren letzten Verlängerungsauftrag, war die Feststellung zu ihrem rechtmäßigen Aufenthalt zu treffen (vgl. die Ausführungen unter Punkt 3).

Aus den glaubhaften und übereinstimmenden Angaben von A.P. und S.P. in der mündlichen Verhandlung am 23.04.2021 ergeben sich die Feststellungen hinsichtlich deren Eheleben und gründet die Feststellung zum zeitweisen gemeinsamen Wohnsitz auf einem ZMR-Auszug. Der Aufenthaltsstatus ihres Ehegatten lässt sich dem Verwaltungsakt sowie dem eingeholten IZR-Auszug entnehmen.

Die Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin gründet auf ihrem positiven gesundheitlichen Zustand sowie dem Umstand, dass sie auch in ihrer gerichtlichen Einvernahme ihren Willen zur baldigen Arbeitsaufnahme glaubhaft schilderte. Aufgrund des AJ-Web-Auszuges sind ihre zahlreichen kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnisse belegt.

Die Beschwerdeführerin schilderte glaubhaft ihre derzeitige finanzielle Situation und ergibt sich aus dem GVS-Auszug sowie dem AJ-Web-Auszug, dass sie derzeit keiner Erwerbstätigkeit nachgeht und keine sozialen Leistungen erhält. Ihre aufrechte Krankenversicherung durch ihre Mitversicherung bei ihrem Ehemann ergibt sich ebenfalls zweifelsfrei aus dem vorliegenden Behörden- und Gerichtsakt.

Aus ihren glaubhaften Angaben in der Beschwerdeverhandlung ergibt sich ihr Besuch von Deutschkursen und liegt dem Akt ihr Zeugnis zur Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 vom 18.11.2018 (AS 25) ein.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit gründet auf der Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgabe der Beschwerde

3.1.    Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Im Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheids sprach die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel „aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG“ nicht erteilt werde. Damit war offensichtlich das in § 57 AsylG 2005 beschriebene Rechtsinstitut „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemeint.

Die belangte Behörde hat in ihrer rechtlichen Beurteilung ausgeführt, dass ein solcher Aufenthaltstitel nach § 57 von Amts wegen zu prüfen sei, wenn sich ein Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG („Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung“) falle. Dabei verkannte die Behörde jedoch, dass sich Fremde nach § 24 Abs. 1 NAG nach Stellung eines Verlängerungsantrages, unbeschadet der Bestimmungen des FPG, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.

Insbesondere stellte die Beschwerdeführerin ihren Verlängerungsantrag zeitgerecht, da diese gemäß § 24 Abs. 1 NAG vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels, frühestens jedoch drei Monate vor diesem Zeitpunkt, bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen sind.

Da keine „rechtskräftige Entscheidung über den Antrag“ iSd § 24 Abs. 1 NAG existiert, hätte die belangte Behörde den Aufenthalt des Fremden gemäß § 31 Abs. 1 Z 7 FPG idF FrÄG 2011 iVm § 24 Abs. 1 NAG 2005 im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides betreffend Rückkehrentscheidung (und Einreiseverbot) nicht als rechtswidrig sondern als rechtmäßig qualifizieren müssen. Es kam daher die Erlassung einer (mit einem Einreiseverbot iSd § 53 Abs. 1 und 2 Z 2 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 verbundenen) Rückkehrentscheidung nach § 52 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 nicht in Betracht, weil eine solche Entscheidung nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung nur gegen nicht rechtmäßig aufhältige Drittstaatsangehörige erlassen werden kann (vgl. VwGH 22.05.2013, 2013/18/0009).

Da auch aus dem FPG keine Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts der Beschwerdeführerin folgt, war die Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG nicht von Amts wegen zu prüfen. Der Spruchpunkt kann damit keinen Bestand haben und war aufzuheben.

3.2.    Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1   Rechtslage:

Gemäß § 52 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1.       nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2.       nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt gemäß § 52 Abs. 4 FPG mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1.       nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a.      nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2.       ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3.       ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4.       der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5.       das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

3.2.2.         Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Die belangte Behörde stützte ihre Rückkehrentscheidung im Spruch des gegenständlich angefochtenen Bescheides auf § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 1 Z 1 FPG. Wie bereits unter Punkt II.1.1. festgestellt und unter Punkt II.3.1. näher ausgeführt, ist die Beschwerdeführerin nach wie vor rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig, sodass es einer Rückkehrentscheidung nach diesen Bestimmungen fallbezogen an der Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts fehlt.

Was Gegenstand eines in Rechtskraft erwachsenen Bescheides einer Behörde ist, bestimmt sich ausschließlich nach dem Inhalt des Spruches des Bescheides. Nur er erlangt rechtliche Geltung (Verbindlichkeit) und legt dadurch die Grenzen der Rechtskraft fest. Die Bescheidbegründung spielt hierfür nur insoweit eine Rolle, als (auch) sie zu der (nach den für Gesetze maßgebenden Regeln vorzunehmenden) Auslegung (Deutung), nicht aber zur Ergänzung eines in sich unklaren Spruches heranzuziehen ist (vgl. VwGH 08.03.2019, Ra 2019/11/0024 mit Hinweis auf VwGH 05.09.1995, 95/08/0236). Allein der Spruch des Bescheides entfaltet normative Wirkung (vgl. VwGH 20.05.2015, 2012/10/0113; VwGH 05.11.2019, Ra 2017/06/0221).

Dem beschwerdegegenständlichen Bescheid der belangten Behörde fehlte es jedoch einerseits an einer entsprechenden Feststellung eines unrechtmäßigen Aufenthalts sowie andererseits einer näheren geeigneten Begründung für die Annahme eines solchen. Vielmehr stützte sich die belangte Behörde in der Bescheidbegründung lediglich äußerst knapp auf § 52 Abs. 1 FPG und verkannte bei dieser Subsumtion die Rechtslage.

Zu prüfen war somit, ob sich aus der Bescheidbegründung ergibt, dass möglicherweise ein anderer aufgelisteter Tatbestand des § 52 FPG gemeint war und sich der Fehler auf die falsche Angabe des Absatzes im Spruch beschränkt. Diesbezüglich ist jedoch der belangten Behörde vorzuwerfen, dass sie die bei der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes samt dessen rechtlicher Beurteilung geforderte Genauigkeit und Sorgfalt jedenfalls vermissen ließ und die Erlassung ihrer Rückkehrentscheidung nur völlig unzureichend begründet hat.

Die Gründe, die zu den im Spruch getroffenen Entscheidungen der belangten Behörde geführt haben, sind in der Bescheidbegründung (§ 60 AVG) jedoch klar und umfassend darzulegen. Die im angefochtenen Bescheid aufgrund des von der belangten Behörde geführten Ermittlungsverfahrens getroffenen Feststellungen und Erwägungen zu Spruchpunkt II. entsprechen aber jedenfalls nicht den Erfordernissen einer umfassenden und in sich schlüssigen Begründung einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung (§ 60 iVm § 58 Abs. 2 AVG). Die Annahme einer lediglich falschen Ziffer im Spruch im Sinne eines Schreibfehlers kann nach Durchsicht der erlassenen Entscheidung jedenfalls nicht angenommen werden, sodass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung mit Rechtswidrigkeit behaftet war.

Da sich der angefochtene Spruchpunkt II. aufgrund der dargelegten Erwägungen in seiner Gesamtheit als rechtswidrig erweist, war gemäß § 28 Abs. 2 iVm § 27 VwGVG die Rückkehrentscheidung wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit der Rückkehrentscheidung erweisen sich des Weiteren die damit zusammenhängenden Aussprüche über die Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat und über die Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise ebenso als rechtswidrig und waren zu beheben.

Der Vollständigkeit halber ist zudem darauf hinzuweisen, dass nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung für das erkennende Gericht kein Grund für die Annahme eines Versagungsgrundes, welcher eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 4 FPG rechtfertigen würde, hervorgekommen ist. Wie unter Punkt II.1.1. festgestellt, ist die Beschwerdeführerin nach wie vor auf keine staatlichen Leistungen angewiesen und mit einem in Österreich aufenthaltsberechtigten nigerianischen Staatsbürger verheiratet. Somit besteht im Falle finanzieller Engpässe die Möglichkeit, auf ihr eheliches Unterhaltsrecht zurückzugreifen. Zudem ist die Beschwerdeführerin krankenversichert und erfüllt das Modul 1 der Integrationsvereinbarung. Hinweise dafür, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin den öffentlichen Interessen widerstreiten könnte oder sie in einer ortsunüblichen Unterkunft ohne Rechtsanspruch lebt, kamen im Verfahren nicht hervor. Aufgrund dessen wäre der angefochtene Bescheid auch nach Betrachtung des § 52 Abs. 4 FPG wegen der mangelnden Hinweise auf einen Versagungsgrund für die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu beheben gewesen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Abschiebung Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel Begründungsmangel Begründungspflicht Behebung der Entscheidung berücksichtigungswürdige Gründe ersatzlose Behebung Feststellungsmangel Kassation Rückkehrentscheidung behoben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I417.2233497.1.00

Im RIS seit

29.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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